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Im Rumänien der Zwischenkriegszeit geboren, in Armut aufgewachsen und von den Kriegswirren nach Österreich gespült, kannte Frau Bertas Leben nur Demütigung, Schmerz und Elend. Diese Landschaften der Niedertracht sind es, die sie, nun im Altersheim, vor dem Erzähler ausbreitet. Der wiederum, wohnhaft in der von Tätowierten, Einarmigen und großherzigen Schwedinnen bevölkerten Adlerschen Pension, beginnt sich in dem Heim mit seinen zwielichtigen Insassen und Pflegern wohlzufühlen und zeichnet getreulich Frau Bertas Bericht auf. Max Blaeulichs Werk funkelt in allen Schattierungen der Verzweiflung.…mehr

Produktbeschreibung
Im Rumänien der Zwischenkriegszeit geboren, in Armut aufgewachsen und von den Kriegswirren nach Österreich gespült, kannte Frau Bertas Leben nur Demütigung, Schmerz und Elend. Diese Landschaften der Niedertracht sind es, die sie, nun im Altersheim, vor dem Erzähler ausbreitet. Der wiederum, wohnhaft in der von Tätowierten, Einarmigen und großherzigen Schwedinnen bevölkerten Adlerschen Pension, beginnt sich in dem Heim mit seinen zwielichtigen Insassen und Pflegern wohlzufühlen und zeichnet getreulich Frau Bertas Bericht auf. Max Blaeulichs Werk funkelt in allen Schattierungen der Verzweiflung. So sprachmächtig und gnadenlos ist die existenzielle Einsamkeit seit Kafka nicht mehr beschrieben worden.
Autorenporträt
Max Blaeulich geboren in Salzburg, Kaufmannslehre, Studium der Germanistik und Kunstgeschichte. Tätigkeit als Antiquar und Mitarbeit bei verschiedenen Literaturzeitschriften. Zahlreiche Veröffentlichungen als Autor, Herausgeber und Verleger der Edition Tartin. Als bildender Künstler Ausstellungen seit 1980. Blaeulich lebt in Salzburg. Zuletzt erschien die "Menschenfresser"-Trilogie: "Kilimandscharo zweimeteracht" (2005), "Gatterbauerzwei oder Europa überleben" (2006), "Stackler oder Die Maschinerie der Nacht" (2008).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Max Blaeulich veröffentlicht nicht nur wunderbare Nischenliteratur und vergessen geglaubte surrealistische Autoren, er schreibt auch fleißig eigene Bücher, meist ziemlich bissige, groteske, voll Sprachüberschwang, die leider bisher vornehmlich vom Feuilleton gefeiert werden und noch nicht ihren Weg in das Bewusstsein einer breiteren Leserschaft gefunden haben, berichtet Karl-Markus Gauss. Auch der neue Roman "Unbarmherziges Glück" zelebriert den Exzess, verrät der Rezensent: im Altersheim "Asyl" herrscht zwar einstweilen die Bürokratie, aber die Alten, die Dementen und die nervennackten Pfleger lassen sich nur zu gerne vom unsicheren, intellektuellen Erzähler mit Alkohol versorgen und geraten zunehmend außer Rand und Band, während immer wieder eine gescheiterte Existenz "vorangeht", wie es im Buch heißt, so Gauss.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.01.2015

Im Wartestand
Max Blaeulichs „Unbarmherziges Glück“ – ein ebenso grotesker wie gruseliger Roman über das verwaltete Leben und Sterben
Der 1953 in Salzburg geborene Max Blaeulich ist ein Mann mit vielen Talenten und Obsessionen. Seit mehr als drei Jahrzehnten führt er eines der schönsten Antiquariate Österreichs, er hat die Werke rumänischer, ungarischer, französischer Surrealisten herausgegeben und in seinem eigenen Kleinverlag, der Edition Tartin, verschollene Meisterwerke moderner Literatur von Raymond Russel bis zu Leonardo Sciascia publiziert.
  Mittlerweile hat Blaeulich aber auch mehr als zehn Bände mit eigener Prosa veröffentlicht, von denen die sogenannte Menschenfresser-Trilogie zuletzt viel Beifall im Feuilleton, aber viel zu wenig Beachtung bei der Leserschaft gefunden hat. Die drei grimmigen Bände verbinden historische Recherche mit albtraumartigen literarischen Phantasien, wobei der Autor akribisch den Lebenswegen österreichischer Afrika-Forscher nachspürt, deren rassekundliche Forschungen er als bizarre Konstrukte von potenziellen Massenmördern entlarvt.
Obsessiv widmet sich Blaeulich in seinen Büchern der Gewalt, die seine Protagonisten ausüben oder die ihnen angetan wird, der religiösen Verwirrung seiner Figuren, die Gottsucher sind oder sich verzweifelt von sektenartigen Gemeinschaften zu trennen versuchen, der Einsamkeit, in der sie alle darüber geraten. Die Welten, die er entwirft, sind düster, aber der Stil, in dem er sie erkundet, ist oft auflachend witzig, und seine Erfindungsgabe lässt ihn immer wieder von der eigentlichen Handlung abschweifen und hochkomische Parallelgeschichten entwickeln.
  In seinem neuen Roman, „Unbarmherziges Glück“, erzählt er wuchtig vom „Asyl“, einem Salzburger Altersheim, in dem in mehreren Blöcken an die tausend alte Menschen untergebracht sind, darunter die Frau Berta, die, wenn sie unter die Leute kommt, ihre von Arthrose schwer verformten Finger zu verbergen trachtet: „Man glaube mir, an einer Arthrose stirbt man nicht, man stirbt, wie ich in Erfahrung gebracht habe, an ihr dahin. Es dauert Jahrzehnte, bis ihr Wüten zum Stillstand kommt, bis sie nichts mehr vorfindet, was zu versulzen, zu zerstoßen oder zu zerbröseln wäre.“
  Der dies sagt, ist der namenlose Ich-Erzähler, ein promovierter Akademiker und Schriftsteller in mittleren Jahren, der eher zufällig mit Frau Berta bekannt wurde und sie nun regelmäßig besucht, um ihre Lebensgeschichte aufzuschreiben. Er haust eigentlich in der Adlerschen Pension, die nicht nur, aber hauptsächlich als Stundenhotel genutzt wird, spürt sich aber immer mehr zum Asyl und den von ihm als „Asylanten“ bezeichneten „Insassen“ des Heimes hingezogen.
  Hier wie dort trifft er Menschen, die ihn in Abscheu und Mitgefühl faszinieren. Fast ausnahmslos sind es Gescheiterte, die es aus der Lebensbahn geworfen hat, oder Käuze, die sich ihren verstiegenen Marotten hingeben: Der Pfleger Karli der Große war früher Berufsboxer, der Ungar Lakatos und der Kroate Kovacs bewohnen im Asyl ein Doppelzimmer und sind einander über der Frage todfeind geworden, wie die Komintern einst ihr Verhältnis zu den nationalen kommunistischen Parteien hätte regeln sollen. Und der Direktor Knorr, ein despotischer Bürokrat, wird schließlich selber dement und gerechterweise in dem von ihm heruntergewirtschafteten Asyl einquartiert.
  Dieses Asyl ist eine institutionalisierte Hölle, in der immer wieder Revolten anarchischer Wut und Lebensgier hochschießen, am Ende aber doch wieder nur jeder gegen jeden kämpft: die Heimleitung gegen die Pfleger, die Pfleger gegen die Asylanten, und unter den Asylanten einer gegen den anderen.
  Und da ist auch noch die kommunale „Anstaltsaufsicht“! In einer kafkaesken Szene schildert Blaeulich die Tätigkeit dieser Behörde, deren Inspektoren einmal im Monat ohne Ankündigung im Heim auftauchen. Dieses Mal ist es drei Uhr früh, dass alle Nachtschwestern und Nachtpfleger antreten müssen: „Kontrolliert wurde mittels Taschenlampen, ob unsere Fingernägel Trauerränder hatten.“ Es sind surreale Vorfälle wie diese, mit denen Blaeulich immer wieder den kruden Naturalismus seiner Darstellung von Tod, Verfall, Sterben bricht und ins Groteske übersteigert. Sterben heißt im Jargon der Asylanten und der Pfleger übrigens: „vorangehen“. Und also ist morgens, beim Frühstück, gleich die erste Frage: Wer ist uns heute Nacht wieder vorangegangen?
  Das Leben der Frau Berta, im ersten Teil sprunghaft, im zweiten nahezu chronologisch erzählt, war ein einziges Verhängnis. Aufgewachsen in Rumänien, kommt sie mit dem trunksüchtigen Vater und der jüngeren Schwester noch vor dem Zweiten Weltkrieg nach Salzburg. In Passagen von schwer überbietbarer Drastik wird vom Missbrauch des Mädchens, später von der gewohnheitsmäßigen Vergewaltigung der Putzfrau durch wechselnde Dienstherrn berichtet und von dem Ruf, den Berta damit in ihrer bigotten Umwelt erwarb, nämlich eine Hure zu sein.
  Der Erzähler ist selbst kein angenehmer Geselle, er leidet darunter, dass ihn „alle geschlechtlichen Beobachtungen verunsichern“, was ihn paradoxerweise dazu nötigt, fortwährend welche zu machen. Außerdem versucht er, der am Ende selbst ins Asyl übersiedelt, den Asylanten das Warten auf die Nacht, auf den Tod durch die Verabreichung von Alkohol angenehmer zu gestalten. Bald schon torkeln und taumeln die grölenden Greise und Greisinnen durch ihr Heim, von den ebenfalls schwer berauschten Pflegern verfolgt: das verwaltete Leben und Sterben im Heim – ein einziger Exzess.
  Der Roman spielt nahe der Gegenwart und ist doch nicht nur im Salzburg von heute, sondern zugleich auf merkwürdige Weise in dem von gestern und vorgestern angesiedelt. So telefonieren die Leute zwar mit dem Handy, aber sie gehen, wenn sie es verrucht haben wollen, ins „Café Arabia“, in dem einst Generationen schulflüchtiger Gymnasiasten der Boheme begegneten, das jedoch bereits vor beiläufig 45 Jahren seine Tore schloss. Über den Roman ist ein Netz von Verweisen gelegt, die das Geschehen in eine albtraumhafte Atmosphäre tauchen, sich jedoch nicht jedem erschließen werden. Manche Nebenhandlung, mancher Exkurs hätte bei strenger Selbstkontrolle des Autors der Übersichtlichkeit halber gestrichen werden sollen, aber der Hang zum undisziplinierten Überschwang, zur freigebigen Vergeudung von Anekdoten und Formulierungen gehört zu diesem Autor, dessen Metier der Sprachrausch ist und Vorliebe der grotesken Überzeichnung gilt.
KARL-MARKUS GAUSS
Das Altenheim ist hier
nichts Geringeres als die Hölle
mit drei Mahlzeiten am Tag
            
  
  
  
  
Max Blaeulich: Unbarmherziges Glück. Roman. Residenz Verlag, St. Pölten 2014.
200 Seiten, 23,90 Euro. E-Book 12,99 Euro.
Erzähler mit freigebigem Grimm: Max Blaeulich.
Foto: Imago
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