Produktdetails
  • Verlag: Pantheon
  • Seitenzahl: 156
  • Erscheinungstermin: 22. Februar 2012
  • Deutsch
  • Abmessung: 200mm x 125mm
  • Gewicht: 208g
  • ISBN-13: 9783570551851
  • ISBN-10: 3570551857
  • Artikelnr.: 34510447
Autorenporträt
Ralf Bönt, geb. 1963, machte eine Handwerkerlehre, studierte Physik und promovierte über Quarks. Er war zu Forschungsaufenthalten in Brookhaven, New York, am Genfer CERN und am DESY, Zeuthen. Seine Essays und Erzählungen erscheinen in allen großen deutschen Tageszeitungen, dem Cicero, bei Akzente, im Merkur und beim Guardian online. Bönt wurde mehrfach ausgezeichnet, u.a. von der Deutschen Akademie Rom, Villa Massimo. Zuletzt erschienen die Erzählungen »Berliner Stille« und der Roman »Die Entdeckung des Lichts« über den Physiker Michael Faraday. Ralf Bönt lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.02.2012

Männer, werdet weich!

Maskulin sein heißt, falsch zu leben und früh zu sterben. Der Schriftsteller Ralf Bönt fordert die Männer auf, sich aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit zu befreien. Ein Weckruf

Irgendwann habe ich nicht mehr gezählt, wie oft ich schon von anderen Männern als schwul beschimpft worden bin. Oder, das war dann lustig gemeint, als Metrosexueller. Auf dem Weg zum Stadion ist es passiert, in der U-Bahn, beim Zelten mit Freunden. Der amerikanische Schriftsteller Ralph Martin, der mit seiner Familie in Berlin lebt, hat mal Ähnliches beschrieben: dass Männer ihn als schwul beschimpfen, weil er zum Beispiel einen Schal auf eine bestimmte Weise trägt, und vielleicht auch, weil er eher schmächtig ist. Diese Männer hätten natürlich auch einfach an ihm vorbeilaufen können, aber da passte irgendwas nicht ins Bild, und das musste raus.

Interessant. Es ist 2012, aber die Art, wie ein Mann seinen Schal trägt, kann eine Provokation sein. Es soll hier aber gar nicht um Homophobie gehen, so dumm sie auch ist, sondern um Heterosexualität. Um maskuline Selbstbilder und darum, warum heterosexuelle Männer sich nicht mehr unbedingt von Feministinnen, sondern gerade von anderen heterosexuellen Männern provoziert fühlen können, die anders heterosexuell sind als sie.

Der Berliner Schriftsteller Ralf Bönt hat diese Provokation nämlich jetzt in ein Buch geschrieben. "Das entehrte Geschlecht" heißt es: "Ein notwendiges Manifest für den Mann". 157 Seiten, die auf die Erkenntnis hinauslaufen: In der Debatte um die Emanzipation der Frau kam der Mann bislang gar nicht vor, obwohl es doch vermeintlich immer um ihn ging. Je länger und lauter über die Frau und ihre Bedürfnisse und Chancen in der Welt von heute geredet wurde, desto stiller wurde es um die Bedürfnisse und Chancen des Mannes. Deshalb muss es jetzt also endlich um ihn gehen. Der Mann, das ist Ralf Bönts Forderung, soll sich aus seiner selbstverschuldeten körperlichen und sprachlichen Unmündigkeit befreien. Und die Frau erklären, wie sie eigentlich mit ihm leben will.

Und bestimmt wird deswegen jetzt mal wieder zwischen Männern und Frauen gestritten. Das eigentlich Interessante, Provokante, das Neue an diesem Buch ist aber: Hier schreibt ein Mann über seinen Körper und den anderer Männer, und er tut das ohne jede Spur von Esoterik. Nicht eine Frau stellt Forderungen an den Mann, sondern ein Mann.

Bönt sagt, und er sagt es laut: Männer, wenn ihr euch nicht um euch selbst kümmert, ist das lebensgefährlich. "Weil er falsch lebt, stirbt der Mann zu früh."

Frauen leben seit Jahren schon länger als Männer, jeder weiß das, aber hat auch jeder verstanden, was das heißt? "Kann man benachteiligter sein, als am wertvollsten Fortschritt der Menschheit, einer ständigen steigenden Lebenserwartung und einer kaum je erträumten Gesundheit durch verbesserte Lebensumstände, nicht voll teilzuhaben?"

"Das entehrte Geschlecht" liest sich also erst mal wie eine Auseinandersetzung damit, was die Gleichberechtigung der Frau aus den Männern gemacht hat: Der Feminismus sei so weit verinnerlicht, dass junge Frauen immer weniger davon hören wollten. Die Erfolge der weiblichen Emanzipation hält Bönt für unbestreitbar, der Mann dagegen habe in diesem Prozess seine Rolle nie gefunden.

Intime Momente

Aber daran sei der Mann selbst schuld. Nicht die Frau, die Gesellschaft, Kirche, Politik. Weil er sich, aus Faulheit, eher mit seiner Rolle als geborener Unterdrücker der weiblichen Selbstentfaltung identifiziert habe - das wäre dann der Neue Mann -, statt sich selbst über sein eigenes Rollenbild als arbeitender Mensch hinaus zu irgendetwas zu entfalten. Seine Ängste, seine Ziele, seine Träume: statisch.

Und hier kommt man der Antwort näher, warum sich Männer von anderen Männern provoziert fühlen können: weil ihr maskulines Selbstbild unterentwickelt ist. Andere Männer nicht auf der Straße zu beschimpfen, egal mit welchen Worten, das ist erst mal nur eine Frage der Höflichkeit. Damit nicht klarzukommen, dass es mich als Mann auch in anderen Versionen gibt, ist ein Zeichen emotionaler Unreife unter Erwachsenen.

Ralf Bönt, geboren 1963, ist verheiratet und hat zwei Söhne. Ein promovierter Physiker und Sportler. Seine Befunde sucht er sich im Fußball, in der Physik, tief in seinem eigenen Leben und in dem seiner Freunde. Sein Manifest beginnt mit der Französischen Revolution und endet bei der Frauenfußball-WM 2011. Bönt, der Alice Schwarzer den "Franz Josef Strauß des Feminismus" nennt, arbeitet immer wieder seine Leiden an der Frauenbewegung der Achtziger auf, am "Schwanz ab"-Button, den seine Freundinnen trugen, und niemand hat sich daran gestört.

Man kann das lesen und davon unberührt bleiben, weil diese Zeit dann doch vorbei ist. Auf den einen Punkt aber, auf die Gesundheit des Mannes, kommt Bönt immer wieder zurück, und der befördert einen sofort in die Gegenwart: Er hat eine schwedische Studie gefunden, die besagt, dass Männer, die nach der Geburt ihrer Kinder ein paar Monate zu Hause blieben, länger leben würden. "Nach zwanzig Jahren ist ihre Mortalität um 25 % geringer. Bei vielen hunderttausend pro Jahr in Deutschland geborenen Kindern sind das schon wirklich sehr viele Lebensjahre in sehr vielen Männerleben, über die hier geredet, beziehungsweise nicht geredet wird."

Bönt sagt, der Feminismus habe ihm das größte Geschenk seines Lebens gemacht, "ein intaktes emotionales Verhältnis zu meinen Kindern". Wie er das Verhältnis zu seinem jüngsten Sohn beschreibt, das ist sehr berührend. Aber hier fängt die Sache an, richtig interessant zu werden, von hier aus könnte das Gespräch weitergehen hin zu einem intakten emotionalen Verhältnis nicht nur von Vätern zu ihren Kindern, sondern von Männern untereinander. Verdachtsfreie Nähe. Ich bezweifle, dass es schon schwedische Studien darüber gibt, aber meine eigenen Studien zeigen, dass man wegen der intimen Momente, die man mit seinen Freunden erleben kann, auch unbedingt länger leben will.

Trockengebiete

Man kann so ein Gespräch natürlich nicht einfordern. Aber es ist doch erstaunlich, wie heftig über ein Buch wie "Feuchtgebiete" von Charlotte Roche diskutiert wurde - darf die so über den weiblichen Sex und den Körper der Frau schreiben -, ohne dass es auch nur einen deutschen Roman der letzten zwanzig Jahre über Männer gegeben hätte, an dem man diese Intimität hätte vergleichen können. Warum?

Deswegen wird es interessanter sein, wie Männer auf Bönts intimes Buch reagieren. Bislang jedenfalls hätten sich vor allem Frauen positiv geäußert, die Männer dagegen skeptisch bis heftig ablehnend. Der "Spiegel" zum Beispiel, sagt Bönt, habe eine fest vereinbarte Exklusivgeschichte wieder zurückgezogen. Kann sein, dass viele Männer Bönts Buch kaufen werden, weil sie denken, hinter dem Titel verberge sich eine Korrektur der Verhältnisse zurück dorthin, wo sie mal waren; verberge sich ein Buch gegen die Verweichlichung der Männer, das ist ja die allerneueste Schwachsinnsdiskussion, die vor allem von jüngeren Frauen geführt wird, die sich über die neuen jungen Männer beklagen, die ihnen nicht Manns genug sind.

Bönt macht bei alledem aber nicht mit. Wo alle sich an Berlusconis Frauenbild stören, da stört er sich an dessen Männerbild.

Die Geschichte dieses Manifestes beginnt übrigens im Frühling des letzten Jahres, als Bönt auf einen Artikel der Journalistin Ursula März reagierte, die entnervt forderte, zwei Jahre lang sollte bitte mal keine Rede von der Emanzipation der Frau sein. Genau, antwortete Bönt in der "Süddeutschen", dann haben wir ja endlich Zeit, um von den Männern zu reden: "Es ist - mit oder ohne Moratorium - an den Männern, endlich ihre eigenen Ansprüche auf Freiheiten zu formulieren."

Schal ab!

Die Reaktionen darauf waren überwältigend. Also legte Bönt den Roman beiseite, an dem er gerade arbeitet, und begann das Buch zu schreiben, das ein "Manifest" zu nennen etwas schwerfällt - ein Manifest, in dem eine Penis-Zeichnung abgedruckt ist? Der männliche Körper spielt aber eben eine große Rolle in seinem Buch, wie um Simone de Beauvoirs apodiktische Erklärung zu widerlegen, die Frau sei Immanenz, also Körper, der Mann dagegen Transzendenz, also Geist. Dass Bönt keine Geheimnisse der höheren Andersartigkeit beschwört, die bislang unterdrückt wurden, dass er also nicht zur Verena Stephan für Männer im 21. Jahrhundert wird, sondern lieber über physikalische Gesetze einer Natur schreibt, die keine Dominanz, sondern nur Stabilität kennt: das wird es schwermachen, dieses Buch auszulachen.

"Mich macht frei, was nicht ist wie ich, denn dann muss ich nicht sein wie es", schreibt Ralf Bönt irgendwann, und das kann man nicht nur auf das Verhältnis von Männern zu Frauen beziehen so wie Bönt, sondern auch auf das der Männer untereinander. Jahrelang haben wir darüber diskutiert, was feminin ist, wo die biologistische Zuschreibung beginnt, was die Farbe Rosa in Kinderzimmern anrichtet. Aber was ist eigentlich maskulin? Wie frei kann man das beantworten? Ist es unmännlich, Schals zu tragen, aber männlich, in Cowboystiefeln zu heulen?

Man kann so was nicht fordern, aber man kann es doch vielleicht hoffen: dass mit Ralf Bönts Buch ein Gespräch beginnt, das genauso cool geführt wird, wie der Berliner Schriftsteller sein Buch geschrieben hat. Böse manchmal, ja, dann wieder sanft, aber immer ohne falsche Scham. Vielleicht schafft dieses Manifest es, allen Beteiligten, und es gibt ja keine Unbeteiligten im Gespräch über Männer und Frauen und was sie füreinander sind, die Zunge zu lösen. Den Männern aber bitte vor allem. Wie hat es Joachim Gauck letzte Woche gesagt: Ich bin verwirrt, und es schadet nicht, dass Sie das sehen.

TOBIAS RÜTHER

Ralf Bönt: "Das entehrte Geschlecht. Ein notwendiges Manifest für den Mann". Pantheon, 160 Seiten, 12,99 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Verena Mayer nimmt zunächst zur Kenntnis, dass sich Ralf Bönts Männer-Manifest kurzweilig lesen lässt und er darin auch nicht mehr will, als der Hälfte der Gesellschaft zusteht, sprich besseren Sex, ein Recht auf ein Leben auch ohne Karriere und Teilzeitmöglichkeiten bei der Arbeit, um sich um die Kinder kümmern zu können. In seinem "locker-feuilletonistischen" Ton wirkt das Ganze auch wegen seiner Themenvielfalt wie eine "Gala" für Männer, meint Mayer, die das völlig in Ordnung findet. Allerdings wird sie im Laufe der Lektüre immer unsicherer, was oder wen der Autor eigentlich mit seinem Manifest erreichen will, das wegen der darin waltenden Larmoyanz vielleicht auch gar keines ist, wie die Rezensentin zweifelnd feststellt. Und richtig doof wird es in ihren Augen, wenn Bönt gegen den Feminismus zu wettern beginnt, der bei ihm undifferenziert über einen Kamm geschoren wird, als alleinige Protagonistin Alice Schwarzer zu kennen scheint und sich hier auch nur auf einen einzigen Emma-Kommentar stützt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.03.2012

Der Würfelzucker
und die Zitrone
In seinem Männer-Manifest „Das entehrte Geschlecht“
verheddert sich der Autor Ralf Bönt im Feminismus-Bashing
Als Frau fasst man dieses Buch erst mal mit spitzen Fingern an. „Das entehrte Geschlecht – Ein notwendiges Manifest für den Mann“: Das klingt nach Männern, die eine „Antifeminismus-Partei“ gründen (gibt es wirklich, in der Schweiz) oder nach Scheidungsvätern, die sich ans Kreuz binden lassen, weil sie sich mit ihrer Ex nicht einigen können (hat der Schauspieler Mathieu Carrière gemacht, samt Dornenkrone). Die Sorge ist zum Glück unbegründet. Bönt, Jahrgang 1963, will einfach die Hälfte der Welt. Dass auch Männer bei den Kindern bleiben dürfen, ein Recht auf Teilzeitarbeit, auf ein „karrierefreies Leben“ haben. „Ein Mann muss auch jenseits seiner beruflichen Stellung respektiert werden.“ Derzeit könnten Männer „bestenfalls ahnen“, wie ein Tag mit einem Kind aussieht, an dem nicht „Misstrauen, Konkurrenz, Neid und Intrige die Koordinaten sind“, sondern „Vertrauen, Zuneigung und Freude“.
Bönt sieht den Mann als Opfer der Leistungsgesellschaft, der, taub für seine eigenen Bedürfnisse, auf „Karriere, Konkurrenz, Kollaps“ zusteuere und seinen Körper „wie sein Auto, seinen Rasierer oder eine Flachzange“ gebrauche. Nicht umsonst haben Männer in Deutschland eine um sechs Jahre geringere Lebenserwartung als Frauen, in Russland beträgt der Unterschied sogar 14 Jahre. Und erst der Sex. Es gebe keinen unverkrampften Umgang mit männlicher Sexualität, schreibt Bönt, der Penis werde entweder mit Gewalt assoziiert oder lächerlich gemacht. Der Mann sei „das entehrte Geschlecht, das alberne Genital“. Der Total-Loser im Gewand des starken Geschlechts, der von der Geschichte der Emanzipation entsorgt wird. Wenn sich nicht bald etwas ändert.
In locker-feuilletonistischem Tonfall arbeitet sich Bönt von Rousseau zu Statistiken über die Geburtenrate im
19. Jahrhundert vor, vom Fußball zur Geburt seines Sohnes, von Wissenschaftstheorie zur Sex-Industrie. Thematisch ist „Das entehrte Geschlecht“ wie die Gala for Men , von allem gibt es ein bisschen, Politik, Popkultur, Gesundheit, Sex-Tipps. Sogar eine Grafik über die zahlreichen Reflexzonen am Penis findet sich in dem Buch. Bönt erzählt, wie ihm als jungem Mann der Berufswunsch Kindererzieher ausgetrieben wurde, und was Väter auf dem Spielplatz erleben, wenn sie ihren Kindern die Kleider wechseln. (Die Mütter holen die Polizei.)
Schön auch die Geschichte aus dem Urlaub in Griechenland. Bönt ging mit seinem dreijährigen Sohn einkaufen, die Kassierin im Supermarkt gab ihm die Lebensmittel gratis. Eine griechische Bekannte klärte ihn auf, die Kassierin habe angenommen, seine Frau sei gestorben. Warum sonst sollte ein Mann mit einem Kleinkind einkaufen gehen?
All das liest man gern. Bönt lässt sich von niemandem vereinnahmen, nicht von den Frauenhassern, nicht von den Scheidungsvätern. Auch von den Frauen nicht, denen er ins Stammbuch schreibt: „Überlegt euch gut, was ihr Machbares von uns und für uns wollt. Dann überlegen wir uns, inwieweit wir dabei sind.“ Doch leider weiß man nicht, worum es Bönt eigentlich geht. Für ein Manifest ist „Das entehrte Geschlecht“ ganz schön leidend, man möchte den Autor am liebsten in den Arm nehmen und ihm Herbert Grönemeyer ins Ohr summen: Männer haben’s schwer, nimm’s leicht / außen hart und innen ganz weich.
Unklar bleibt, an wen sich das Buch richtet. Mal macht Bönt die moderne Leistungsgesellschaft für das Elend verantwortlich, mal die Frauen, mal die Geschichte. Manchmal wirft er auch nur eine Provokation in den Raum: „Man könnte an dieser Stelle daran erinnern, dass es vor allem die Frauen waren, die Hitler gewählt haben.“ Gedankenschwach wird das Ganze, wenn Ralf Bönt sich auf „den Feminismus“ einschießt. Dem sei es zuzuschreiben, dass männliche Tugenden wie Leistungswille, Disziplin und Autonomie umgedeutet werden zu „Karrierismus, Zwanghaftigkeit und Beziehungsunfähigkeit“. Der Feminismus sei zur bloßen Geste verkommen, von der Frauen aber nicht lassen können, weil sie den Feminismus lieben, „wie Männer ihre Sportwagen lieben“.
Seltsam. Jede Feministin würde sich für Bönts Forderungen nach gutem Sex und mehr Zeit mit der Familie sofort ans Kreuz binden lassen. Bereits 1993 rief die französische Intellektuelle Élisabeth Badinter in ihrem Buch „XY – Die Identität des Mannes“ nach dem „gentle man“, der das Recht habe, weder Macho noch Softie sein zu müssen. Und wer oder was ist überhaupt „der Feminismus“? Dass nicht alle Frauen Feministinnen sind und nicht alle Feministen Frauen, scheint Bönt ebenso entgangen zu sein wie die Vielzahl feministischer Standpunkte. Allein innerhalb der Gender Studies findet man so viele Ansätze wie Reflexzonen am Penis. Von den Welten, die in der Frauenbewegung aufeinanderprallen, ganz zu schweigen.
Die einzige aktive Feministin, die Bönt zu kennen scheint, ist Alice Schwarzer. Die kriegt dann ordentlich was auf den Deckel, wobei sich Bönt nicht mit ihren Büchern oder Artikeln auseinandersetzt, sondern mit einem einzigen Kommentar in der Emma . Ob Schwarzer das richtige Ziel ist, sei dahingestellt. Die meisten (jüngeren) Feministinnen stehen zu Alice Schwarzer schließlich wie zu ihren Müttern. Man schätzt, was sie geleistet haben, und in vielem hatten sie recht. Aber Mütter können auch unendlich nerven. Die klassische Männerbewegung ist interessanterweise längst weiter. So setzt sich die Männerzeitung , die im schönen Schweizer Emmental ihre Redaktion hat, für eine zeitgemäße Form des Sorgerechts ein, die Männer nicht benachteiligt. Und Herausgeber Ivo Knill tüftelt bereits an einem Ansparmodell ähnlich der Rentenvorsorge, das es Männern in der wirtschaftsliberalen Schweiz ermöglicht, in Elternzeit zu gehen. Hier weiß man, wo die wahren Feinde der Männer sind: in der Politik und in den machistischen Chefetagen, wo Veränderungen so beliebt sind wie Gehaltserhöhungen.
Bönt hingegen bleiben nur Metaphern wie die vom Feminismus, der sich „im Zeitgeist aufzulösen scheint wie ein Stück Würfelzucker in einem Glas sinnlos heißer Zitrone, in dem kein Vitamin überlebt“. Ob Bönt diesen Vergleich zu Ende gedacht hat? Wo doch heiße Zitrone um so vieles besser schmeckt, wenn sich aufgelöster Zucker darin befindet. VERENA MAYER
RALF BÖNT: Das entehrte Geschlecht. Ein notwendiges Manifest für den Mann. Pantheon, München 2012. 157 Seiten,12,99 Euro.
Man möchte Ralf Bönt in den
Arm nehmen und ihm Herbert
Grönemeyer ins Ohr summen
Jede Feministin würde Bönts
Plädoyer für guten Sex und mehr
Zeit mit der Familie unterschreiben
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»Beeindruckend an diesem Buch ist sein Ton: [...] Er verfällt nie ins Gejammer. Stattdessen zeichnet sich sein Stil gerade durch Ehrlichkeit, Direktheit und seine Konsequenz aus.« ZEIT Online, 06.03.2012