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Kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs starb Georg Trakl in einem Militärspital an einer Überdosis Kokain. Ob der im Krieg traumatisierte Dichter Selbstmord beging, ist eines der Rätsel, die sein Leben und Werk umgeben. Rüdiger Görner gelingt es, sich den biographischen Brüchen und Details über das Werk anzunähern. Er geht in der Auseinandersetzung mit den Gedichten der Todessehnsucht Trakls, der mehr als innigen Beziehung zu Schwester Margarethe und dem Aufwachsen in Salzburg nach. Und kommt zu faszinierenden Schlüssen: Dass sich die Extreme der Zeit - die Beschleunigung der…mehr

Produktbeschreibung
Kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs starb Georg Trakl in einem Militärspital an einer Überdosis Kokain. Ob der im Krieg traumatisierte Dichter Selbstmord beging, ist eines der Rätsel, die sein Leben und Werk umgeben. Rüdiger Görner gelingt es, sich den biographischen Brüchen und Details über das Werk anzunähern. Er geht in der Auseinandersetzung mit den Gedichten der Todessehnsucht Trakls, der mehr als innigen Beziehung zu Schwester Margarethe und dem Aufwachsen in Salzburg nach. Und kommt zu faszinierenden Schlüssen: Dass sich die Extreme der Zeit - die Beschleunigung der Lebensverhältnisse, ihre rücksichtslose Technisierung - im Werk des Dichters nur bedingt spiegeln. Und dass die Gedichte - Trakls Ruhelosigkeit zum Trotz - oft geradezu ausgeruht klingen.
Autorenporträt
Rüdiger Görner, geboren 1957 in Rottweil, ist Professor für Neuere Deutsche und vergleichende Literatur an der Queen Mary University of London. Gründer des Ingeborg Bachmann Centre for Austrian Literature und Gründungsdirektor des Centre for Anglo-German Cultural Relations. Träger des Deutschen Sprachpreises, des Reimar Lüstpreises der Alexander von Humboldt-Stiftung und des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Bei Zsolnay erschienen Rainer Maria Rilke. Im Herzwerk der Sprache (2004), Georg Trakl. Dichter im Jahrzehnt der Extreme (2014) und Oskar Kokoschka. Jahrhundertkünstler (2018).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Rezensentin Beatrice von Matt liest Rüdiger Görners stilhistorische Studie zu den Themen Georg Trakl mit Lust. Dass sich der Autor für die biografischen Fakten bei Hans Weichselbaums überarbeiteter Trakl-Biografie bedient, findet sie in Ordnung. Irritiert, doch verständnisvoll erkennt sie, wie der Autor sich anfangs noch von Trakls Suggestivität zu "poetischen Reaktionen" verführen lässt. Wenn in der Folge dann die "inspirierte Analyse" gewinnt und es Görner gelingt, Trakl anhand der Salzburg-Gedichte als Vertreter der Décadence auszuweisen, freut sich von Matt umso mehr. Einen weiteren Höhepunkt der Arbeit erkennt sie in einem Kapitel zu Trakls Synästhesie. Insgesamt scheint ihr Görner eine perspektivenreiche, anregende Darstellung zu liefern.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.09.2014

Verflucht, ihr dunklen Gifte
Gedichte als Betäubungsversuche: Rüdiger Görner kennt die offenen Geheimnisse Georg Trakls

Unter den bedeutendsten Lyrikern der frühen Moderne, Stefan George, Hugo von Hofmannsthal, Rainer Maria Rilke, Gottfried Benn und Else Lasker-Schüler, ist Georg Trakl zweifellos nach wie vor der rätselhafteste. Die überlieferten Lebenszeugnisse des 1887 in Salzburg geborenen und 1914 an einer Überdosis Rauschgift in Krakau gestorbenen Dichters geben wenig Aufschluss über das Zustandekommen seiner schon die Zeitgenossen gleichermaßen faszinierenden und befremdenden Dichtung. Manch einem Leser geht es bei der Lektüre von Trakls Gedichten bis heute so wie seinerzeit Ludwig Wittgenstein: "Ich verstehe sie nicht; aber ihr Ton beglückt mich."

Rüdiger Görner, Professor für Germanistik am ehrwürdigen Queen Mary College in London, widmet sich Trakls Leben und Werk nun in einer nicht ganz unproblematischen Mischform aus biographischer Erzählung, Interpretation, philosophischer Reflexion sowie literatur- und kulturgeschichtlicher Kontextualisierung. Von vornherein lässt er den Leser wissen, dass trockene Gelehrsamkeit nach deutscher Art und Kunst seine Sache nicht und Trakl nicht angemessen ist. So beginnt er seine Darstellung mit eigenen Tagebuchaufzeichnungen. In Wien sieht er Christoph Starks Trakl-Film "Tabu - Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden", der ihn so aufwühlt, dass er sich bei seinen Notizen im Schanigarten tropfnass regnen lässt. Der Film geht wie selbstverständlich davon aus, dass die vielberaunte inzestuöse Beziehung von Trakl und seiner Schwester Grete vollzogen worden ist, vorzugsweise im Drogenrausch. Da darf das Gedicht "Blutschuld" nicht fehlen, das von "verruchter Wollust Süße" spricht, um im grellen Kontrast die Gottesmutter als Inkarnation der Reinheit um Beistand anzurufen. "Doch lauter rauscht der Brunnen der Sirenen / Und dunkler ragt die Sphinx vor unsrer Schuld, / Daß unsere Herzen sündiger wieder tönen, / Wir schluchzen: Verzeih uns, Maria, in deiner Huld!"

Görner sieht im Verweis auf die ägyptische Kultur mit ihrem königlich-göttlichen Privileg des Geschwisterinzests und der Bitte um himmlische Sanktionierung des sündigen Tuns einen "Fall von lustvoller Blasphemie, freilich: im Gedicht". Der Nachweis "eines physisch vollzogenen Inzests zwischen Trakl und seiner Schwester" sei jedenfalls nicht zu erbringen. Alle Äußerungen der Vertrauten Trakls und seiner Schwester deuteten vielmehr darauf hin, dass es sich dabei um eine "Gedankensünde" gehandelt habe. Görner sieht sie als gewollte Provokation im Kontext von Trakls "Poetik des Obsessiven".

In der Popmythologie gilt Georg Trakl als Ahnherr des "Club 27", jener irritierend langen Reihe von Musikern - von Brian Jones, Jimi Hendrix, Janis Joplin, Jim Morrison über Kurt Cobain zu Amy Winehouse -, die im Alter von siebenundzwanzig Jahren absichtlich oder unabsichtlich unter Drogeneinfluss starben. Die merkwürdige Krankenakte des Garnisonsspital in Krakau gibt als Todesursache Trakls "Suicid durch Cocainintoxication" an, was angesichts der Schrecken und der Überforderung, die der Apothekerleutnant im Kriegsgeschehen zu erleiden hatte, vielen Trakl-Interpreten plausibel erschien. Görner bezweifelt das: "offenbar wollte Trakl einmal wirklich schlafen können und nahm der betäubenden Mittel zu viele ...". Auf Kokain schläft man aber nicht, im Gegenteil. Da fehlt dem Interpreten wohl die Erfahrung.

Vielleicht deshalb hat Trakls Umgang mit den Drogen den Biographen auf die Idee gebracht, Trakls Gedichte selbst als "Betäubungsversuche" zu betrachten. Der unvergleichlichen Klangfülle, dem betörenden "Tönen" von Trakls Dichtung, auch wenn vom Schrecken die Rede ist, schreibt er eine "hypnotische Wirkung" zu. Mehr noch, sie komme selbst Drogen gleich. "Dieser suchtkranke Dichter verfasste eine Lyrik, die ihrerseits bestimmte Gemüter süchtig macht." Die Sprache Trakls sei überhaupt "eine Art Rauschmittel, ein Trance-Medium". Das ist ein vom Interpreten häufig angewandtes Verfahren des metaphorischen Übersprungs, der manchmal zu interessanten Beobachtungen führt, manchmal aber peinlich und unstimmig erscheint. So bezeichnet Görner Trakls Dichten als "(blut)schuldbewusst", obwohl er doch eine Blutschuld Trakls gar nicht für wahrscheinlich hält.

Rätselhaft erschien schon den Zeitgenossen Trakls poetische Verwendung von Farbwörtern, die oft als Farbmystik gedeutet wurde. "Purpurn zerbrach der Gesegneten Mund. Die runden Augen / Spiegeln das dunkle Gold des Frühlingsnachmittags, / Saum und Schwärze des Walds, Abendängste im Grün." Görner zufolge lässt Trakl hier nicht das Ich erscheinen, sondern "mittelbar durch die Art der subjektiven Farbzuweisung an bestimmte Objekte" sprechen. Das rücke Trakl in die Nähe der Bilderwelt Franz Marcs, was entsprechend trotz eines quasimystischen Tons nicht Farbmystik im engeren Sinn genannt werden könne, eher handele es sich um eine "poetisch vermittelte Farbontologie, in der die Farben als Wesenheiten" erscheinen. Sinnverleihende Farbzuweisung gehöre daher zum poetischen Verfahren Trakls, das der Interpret "ein offen zutage liegendes Mysterium" nennt.

Trakls "Panpoetismus" hat Görner zufolge etwas Überwältigendes, von dem offenbar auch der Dichter selbst betroffen gewesen sei. Auch sein Interpret scheint häufig so überwältigt zu sein, dass sich die Metaphern überstürzen. "Seine Gedichte inszenieren einen Mahlstrom des Schönen als dessen toxisches Tonikum in einer ernüchterten Welt." Da kommt in den Substanzen einiges durcheinander. Derart tendiert Görners emotionale Beteiligung an den Gedichten und am Schicksal des Dichters nicht selten zum Überladenen und Sentenziösen. Davon ist freilich Trakl in seinen schwächeren Texten auch nicht ganz frei ("Die heiße Flamme des Geistes nährt heute ein gewaltiger Schmerz").

Resümierend schreibt Görner: "Diese Sprache behauptet den ästhetischen Schein als leidvoll wahres Sein." Das ist seinsphilosophisches Larifari und als abschließende Beschreibung von Trakls literarischer Pathosformel auch zu einseitig. Die schmerzversteinerte Schwelle, auf der Martin Heidegger in seiner Trakl-Deutung umständlich herumtrat, ist zweifellos eine prägnante Metapher, ebenso stark aber sind die Bilder einer großen Lust am farbigen Abglanz des Daseins, die freilich oft zum Abgründigen leiten.

Trotz einer offenkundigen Orientierung an Heideggers Sprachverwendung und seinem einschlägigen "Denkwort", Trakls Sprache berge "alles Anwesende in das Unverborgene seines Erscheinens", folgt Görners Darstellung einer Ethik des Verstehens, nach der sich der Interpret dem überlieferten Werk als ein Individuum zu stellen hat, nicht als Repräsentant einer Schule oder Methode.

So ist sein Buch bei aller Problematik eine über weite Strecken gut lesbare Hinführung zu Trakls Gedichten, gerade auch zu den besonders rätselhaften. Görner "zerpflückt" sie nicht, sondern rückt sie je in verschiedene Perspektiven. Auch werden sie, wie viele Lebenszeugnisse, meistens so zitiert, dass man nicht unbedingt eine der Ausgaben danebenlegen muss. Görner erzählt, deutet und kommentiert eindringlich, lässt aber die spekulativen und subjektiven Anteile an seinen Thesen so deutlich erscheinen, dass dem Leser genug Raum für die eigene Erfahrung der unvergleichlichen Texte Trakls gelassen wird.

FRIEDMAR APEL

Rüdiger Görner: "Georg Trakl". Dichter im Jahrzehnt der Extreme.

Paul Zsolnay Verlag, Wien 2014. 352 S., geb., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Eine schlechterdings bewundernswerte Biografie. Ihre Besonderheit liegt darin, dass der Forscher mit so empfindsamer wie liebevoller Detailtreue das Leben und Werk interpretiert, bis hinein in die Verästelungen und Verschlüsselungen eine Höllenfahrt in Trakls Finsternisse wagt." Fritz J. Raddatz, Die Welt, 26.07.14

"Eine erhellende Neuvermessung." Alexander Kissler, Cicero, 28.07.14

"Noch nie wurde so klarsichtig und eindrucksvoll das geistige Beziehungsgeflecht Trakl herausgearbeitet wie in dieser Biografie." Wolf Scheller, Kölner Stadt-Anzeiger, 28.07.14

"Görner erzählt, deutet und kommentiert eindringlich." Friedmar Apel, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.09.14