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Vom Feuer berichtet von einer Freundesgruppe junger Menschen, die im Zweiten Weltkrieg in einer deutschen Kleinstadt (und fern von ihr, als Soldaten, im Gefangenenlager) aufwachsen - aber was heißt unter diesen Umständen aufwachsen? Die sich begeistern und doch entziehen, in ihre eigenen Welten einspinnen. Früh machen sie Erfahrungen mit Liebe und Tod. Wer überlebt, hat den Tod einmal bereits hinter sich, das setzt etwas frei. Vom Feuer zeigt, wie diese entwurzelten Menschen dann eigensinnig und ungescheut - auch kindlich, mit furchterregender Munterkeit bisweilen - die Zeit nach dem Krieg…mehr

Produktbeschreibung
Vom Feuer berichtet von einer Freundesgruppe junger Menschen, die im Zweiten Weltkrieg in einer deutschen Kleinstadt (und fern von ihr, als Soldaten, im Gefangenenlager) aufwachsen - aber was heißt unter diesen Umständen aufwachsen? Die sich begeistern und doch entziehen, in ihre eigenen Welten einspinnen. Früh machen sie Erfahrungen mit Liebe und Tod. Wer überlebt, hat den Tod einmal bereits hinter sich, das setzt etwas frei.
Vom Feuer zeigt, wie diese entwurzelten Menschen dann eigensinnig und ungescheut - auch kindlich, mit furchterregender Munterkeit bisweilen - die Zeit nach dem Krieg erleben. Was fangen sie mit dem geschenkten Leben an? Ob im Osten oder Westen, das Wirtschaftswunder ist ihnen fern - und bleibt es. Spielerisch und unbedingt zugleich gehen sie ans Werk. Wobei sie den eigenen Tod gegebenenfalls in Kauf nehmen. Wie der kleine Pauly zum Beispiel, der halbverhungert aus russischer Gefangenschaft kam und, liebevoll aufgepäppelt, ins Leben zurückfand, der baute und heiratete, sich einen Bauch anfraß und bis zur Bewußtlosigkeit trank und wieder abnahm und der sich eines Tages hinsetzt, um ganz gesammelt, wach, mit allen Sinnen, nur für sich ein Mahl zu zelebrieren, das zu seinem letzten wird.
Abseits der einschlägigen Bewältigungs- und Geschichtsbücher führt Gerlind Reinshagen eine Reihe von Lebensgeschichten zu dem bewegenden Kollektivporträt einer besonderen, vom Krieg gezeichneten, bereits entschwindenden Generation zusammen.
Autorenporträt
Reinshagen, Gerlind
Gerlind Reinshagen wurde am 4. Mai 1926 in Königsberg geboren. Nach ihrem Abitur in Halberstadt und einer anschließenden Apothekerlehre studierte sie von 1946 bis 1949 Pharmazie in Braunschweig. 1953 begann sie ein Studium an der Hochschule der Künste in Berlin, das sie 1956 beendete. Seitdem war sie freie Schriftstellerin und veröffentlichte zahlreiche Romane, Theaterstücke und Hörspiele. Zuletzt lebte sie in Berlin und war Mitglied des PEN-Zentrums und der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste. Gerlind Reinshagen ist am 8. Juni 2019 in Berlin verstorben.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.05.2006

Frauen ohne Männer
Kriegsgeneration: Gerlind Reinshagen erzählt "Vom Feuer"

Aneta schreibt an einen vermißten Soldaten, ihr Leben lang. Als sie noch an seine Rückkehr glaubte, wurden ihre Briefe immer spärlicher; doch nun, da die Hoffnung endgültig verloren ist, schreibt sie wieder regelmäßig an den Jugendfreund, auch wenn die Briefe nur mehr ein adressiertes Tagebuch sind. Durch den Zweiten Weltkrieg entwurzelt, machen Aneta und die Nachbarskinder sich auf die Suche nach einem Platz in der Welt - oder zumindest nach einer gewissen Stabilität. Davon berichten die Briefe im Wechsel mit erzählten Passagen, doch die Übergänge zwischen beiden verschwimmen, als sei es eine einzige Stimme, die in verschiedenen Perspektiven spricht.

Die Schriftstellerin und Dramatikerin Gerlind Reinshagen, die heute ihren achtzigsten Geburtstag feiert, ist auch in ihrer jüngsten Veröffentlichung einem ihrer Dauerthemen treu geblieben. Schon ihr großer Bühnenerfolg "Sonntagskinder" von 1976 schildert aus der Sicht einer Heranwachsenden das Leben in einer Provinzstadt im "Dritten Reich". Der Roman "Vom Feuer" zeichnet nun ein Kollektivporträt der Generation, der der Krieg so schwere Erinnerungen aufgebürdet hat, daß manche auf ihrem Lebensweg unter der Last zusammenbrachen, einer Generation, die ihr kindliches Urvertrauen schon früh verloren hat: "Als wir im ersten Frieden aus den Trümmern krochen, eiskalt wie Schlangen im April, träumten wir nichts mehr", schreibt Aneta an den Vermißten. Auch sie gehört zu jener Generation des umgekehrten Wachstums, die Gerlind Reinshagen beschreibt: nicht vom Kindsein zur Reife gelangt, sondern das Kind mit der ersten, wenn auch indirekten Begegnung mit dem Tod abgelegt habend und von diesem Zeitpunkt an nur noch verwildert.

Doch die Erzählung beginnt nicht erst mit der Verarbeitung der Kindheitserlebnisse und Rückkehr der Männer, sondern begleitet zuerst die vereinsamten Frauen durch den Krieg. Obwohl dieses Stück Geschichte bereits häufig dokumentiert wurde, gelingt es Reinshagen, ihm einen anderen, noch nicht vielfach gehörten Ton zu geben. Dazu trägt vor allem ihre ruhige, dezente Erzählweise bei, deren seltene pathetische Anwandlungen an Jugendbücher erinnern, die die Autorin früher verfaßte. Die Bombennächte in all ihrer Dramatik darzustellen, vermeidet sie, beschreibt statt dessen lieber eine dem puren Lebenswillen entsprungene improvisierte Feier unter drei Freundinnen und ihren Kindern. Bei der Planung ist noch Enttäuschung darüber zu spüren, daß ein kleiner Junge der einzig anwesende Mann sein wird, doch als der Oberstabsarzt auftaucht und Alkohol aus dem Krankenhaus mitbringt, ignorieren ihn die Damen in ihrer Feierlaune, betrinken sich hemmungslos und landen schließlich neben einem Scherbenhaufen auf dem Boden. Lamentierend verläßt der Arzt das Fest, entsetzt darüber, daß der Krieg den Frauen die Männer abgewöhnt. Diese Szene zeigt die menschlichen Sehnsüchte während des Krieges deutlicher, als eine Schreckensgeschichte es je könnte.

Sie versuche, Menschen darzustellen, die sie kenne oder sich vorstellen könne, brachte Gerlind Reinshagen ihre Figurenanlage einmal schlicht auf den Punkt. Die studierte Pharmazeutin begann ihre zweite Laufbahn neben ihrer Arbeit in einer Apotheke mit Hörspielen und kam 1968 mit ihrem ersten Theaterstück "Doppelkopf" zur Bühne. 1981 veröffentlichte sie ihren ersten Roman, "Rovinato oder Die Seele des Geschäfts". Beide Werke spielen im zweiten von ihr favorisierten Milieu, in einer Bürowelt, in der sich Intrigen umeinanderspinnen und Angestellte zugrunde richten. Kein leichter Stoff also, auch wenn das Bürothema vordergründig so wirkt, eher die Überhöhung des alltäglichen Elends: "Ich glaube, daß jeder Autor Kassandra sein muß, jedenfalls heute", sagte die Autorin 1987.

Der Hoffnung, die im Elend wohnt, räumt Reinshagen in "Vom Feuer" jedoch immer wieder Platz ein. Einmal steht eine Frau vor den Trümmern ihres Hauses und lacht, nicht hysterisch, sondern erleichtert, als habe man sie von einer Last befreit, "mit Augen wie von solchen, die plötzlich aus langer, schwerer Haft befreit sind". Von jemandem, der den Krieg nicht selbst erlebt hat, möchte man sich diese seine Seite nicht zeigen lassen, wirkte es doch weltfremd oder gar idealisierend. Reinshagen aber war bei der Machtergreifung sieben Jahre alt und zählt sich selbst denen zugehörig, die als mental Kriegsverletzte in ihrer weiteren Entwicklung vom Wirtschaftswunder nicht viel, von ihren eigenen schmerzhaften Erinnerungen aber um so mehr gespürt haben. Im letzten Kapitel setzt sie zu einer Charakterisierung dieser "Schattenkinder" an, die ihr Fernweh noch im hohen Alter ausleben und zugleich dem Tod davonlaufen, um das Leben nachzuholen, das ihnen während der Kriegsjahre versagt war. Ihre Unterscheidung zwischen dieser Kohorte und der ihrer älteren Geschwister, die im Frieden umgehend zur Tagesordnung übergingen, ist indes nicht ganz schlüssig und bedürfte einer genaueren Erklärung. Als Erfahrungsbericht einer Augen- und Gefühlszeugin aber besitzt die Erzählung Gültigkeit, auch wenn sie nicht für jeden nachvollziehbar wird.

JULIA BÄHR

Gerlind Reinshagen: "Vom Feuer". Roman. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2006. 195 S., geb., 19,80 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Unterschiedliche Leseeindrücke gibt Silvia Hess von Gerlind Reinshagens Roman "Vom Feuer" wieder, zu einem Urteil kann sie sich nicht wirklich durchringen. Hess beschreibt das Buch als Aufzeichnungen einer "Lebensbeschreiberin", es geht irgendwie um Krieg und Frieden, ohne dass dabei von Zerstörung und Tod die Rede wäre. Ein stilles Buch sei es, schreibt Hess, eines das den Schleier lege über das Kriegsgetöse. "Der Lärm der Bomben, Sirenen, Panzer, das Helden-Hassgebrüll glitt vom Körper ab wie von Seide", gibt Hess ihre Impressionen wieder. Zur Sprache bemerkt sie noch, dass sie in einem "Märchenton" gehalten ist, ästhetisch ein wenig überhöht und "nicht frei von Pathos". 

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