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An einem verregneten Novemberabend wird der Gartenarchitekt Claudio Fratta auf dem Parkplatzeines Supermarkts Zeuge eines mysteriösen Mordes. Er verfolgt die vermeintliche Täterin, und als ihr Wagen von der Straße abkommt, bringt er sie verletzt ins Krankhaus. Monate später erhält er von einer gewissen Elisabetta Renal den telefonischen Auftrag, einen herrschaftlichen Garten neu anzulegen. Es ist, ganz ohne Zweifel, die Stimme der Frau, die er verfolgt hat. Ungewollt befindet sich Claudio im Bann einer Frau und auf der Spur eines Mörders. Damit gerät die Ordnung seines einsamen Lebens…mehr

Produktbeschreibung
An einem verregneten Novemberabend wird der Gartenarchitekt Claudio Fratta auf dem Parkplatzeines Supermarkts Zeuge eines mysteriösen Mordes. Er verfolgt die vermeintliche Täterin, und als ihr Wagen von der Straße abkommt, bringt er sie verletzt ins Krankhaus. Monate später erhält er von einer gewissen Elisabetta Renal den telefonischen Auftrag, einen herrschaftlichen Garten neu anzulegen. Es ist, ganz ohne Zweifel, die Stimme der Frau, die er verfolgt hat. Ungewollt befindet sich Claudio im Bann einer Frau und auf der Spur eines Mörders. Damit gerät die Ordnung seines einsamen Lebens durcheinander.Andrea Canobbio erzählt die Geschichten einer ungewöhnlichen Liebe und des tragischen Niedergangs einer Familie. In einer zauberhaften Welt kunstvoller Gärten spielt dieses Buch, doch wird deren Schönheit überschattet vom Jugoslawienkrieg und dem Zerfall des italienischen Korruptionssystems der Nachkriegszeit. So ist dieser zugleich kühl-moderne und melancholisch-gefühlvolle Roman auch
ein kritisches Porträt des heutigen Italiens mit seinen politischen Umbrüchen und Verwerfungen - bildreich, klug konstruiert und hochspannend.
Autorenporträt
Andrea Canobbio, geboren 1962 in Turin, ist Lektor für englischsprachige Literatur beim Verlag Einaudi. Er erhielt für seine Romane und Erzählungen zahlreiche Preise.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.05.2005

Maus und Mücke
Der italienische Schriftsteller Andrea Canobbio lässt seinen Romanhelden Erinnerungsgärten auf Bestellung bauen
Leb wohl, altes Leben; sei gegrüßt, neues Italien, das mit seinen Gärten auch seine Seele verhökert: Wie der Kirschgarten in Anton Tschechows gleichnamiger Komödie sollen nach dem Vorschlag von Silvio Berlusconis neuem Stellvertreter im Amt des Ministerpräsidenten, Giulio Tramonti, die italienischen Strände demnächst parzelliert und an die Meistbietenden verkauft werden. Dem Tschechowschen Vorbild, dem Kaufmann und Parvenü Lopachin, gleicht Tramonti auch darin, dass er sich durch den Verkauf der Strände eine wundersame Vermehrung der Sommergäste und neue Wirtschaftskraft erhofft. Wie aber die Erinnerungen an Europas mediterrane Wiege vergessen? „So macht man das” - sagt in Andrea Canobbios Roman „Der Garten” ein zeitgemäßer Geschäftemacher namens Mosca -, „einen Tritt gegen die Vergangenheit und weg damit.”
Moscas Verhandlungspartner Claudio Fratta, der Held und Ich-Erzähler des Romans, ist ein erfolgreicher Gartenbauarchitekt. Er bedient wohlhabende Kunden, gestaltet Firmensitze, und seine Arbeiten schmücken die in den Wartezimmern der Zahnärzte ausliegenden Haus-und-Garten-Magazine. Bei seinen Projekten schätzt er die „Tabula rasa”, die dem freien Lauf seiner Einfälle wenig Hindernisse entgegensetzt, denen er sonst mit der Planierraupe begegnet. Auf den Baustellen arbeitet er eigenhändig, doch die übrige Welt betrachtet er durch die Windschutzscheibe seines Mercedes E 270, in dessen Watte er auch vor störenden Geräuschen der Außenwelt eingehüllt ist. Über seine gepanzerte Lebenslage stellt er gerne Meditationen an und vergleicht sie mit dem Entstehungsprozess seiner Entwürfe am Bildschirm des Computers: „Das Innere eines Autos ist ein geschlossener Raum, von der Außenwelt abgetrennt und gleichzeitig auf die Welt geöffnet, aber die Fenster sind Rahmen. Also ist der Blick begrenzt wie bei einer Fotografie.” Was daneben liegt, berührt ihn nicht. Nur bei Unfällen, die ihm beinahe am laufenden Band widerfahren, reißt er die Augen etwas weiter auf.
Nichts interessiert Claudio Fratta weniger als seine eigene Geschichte, von der er beinahe bis zum Ende des Romans behauptet, dass er eigentlich keine habe und auch von keiner etwas wüsste. Deshalb muss auch der Leser mit diesem Erzähler viel Geduld aufbringen, denn was Claudio Fratta auf den ersten 100 Seiten begegnet - gleich am Anfang wird er zum Zeugen eines Mordes -, was ihm an zerstreuten Eindrücken und Einfällen, an Erinnerungen und Traumgebilden durch den Kopf schießt, sind unzusammenhängende Betrachtungen durch die Windschutzscheibe und Reflexe auf derselben. Sie gleicht einer Benutzeroberfläche der Marke MS-Windows und kommt auch nicht ohne „Klicke” mit der mentalen „Maus” aus. Aber auch an gläsernen Stränden, wie Fratta sie in seinen Gärten baut, findet die einsame Seele ein Spiegelbild. Und wenn dieser schweigsame Hölderlin der Autostrada einmal sein Fahrzeug verlässt und draußen eine „laue Brise” verspürt, selbst dann ist es ihm „wie wenn man im Sommer mit offenem Autofenster beim Bremsen an der Ampel von einem Rückfluss ins Auto dringender warmer Luft überströmt wird”.
Wer an der Seite dieses unwissenden und gar nicht wissbegierigen Ich-Erzählers das erste Romandrittel übersteht, wird danach mit Spannung und mit sensiblen Momentaufnahmen belohnt: Anders als sein Held kann Andrea Canobbio erzählen und hat auch viel zu erzählen, bis am Ende dieses nicht nur mit Engelsgeduld, sondern auch mit mathematischer und architektonischer Kühle durchkonstruierten Romans alle zuvor berührten Details und sämtliche Figur aus dem großen Ensemble gleich zweier italienischer Familien samt Anhang einen präzisen Sinn und eine exemplarische Bedeutung erhalten. So entsteht eine Lesart gleich mehrerer Jahrzehnte neuerer italienischer Familien- und Sozialgeschichte, worin alles mit allem zusammenhängt: Der Papst und Andreotti, schwarze Kassen und faule Geschäfte, erdrückende Kredite und ruinöse Konkurse, harte Drogen und schwere Verbrechen. Auch die klassischen Themen aus dem Land des Melodramas - Liebe und Tod, Schuld und Vergeltung -, kommen nicht zu kurz. Eine Liebesgeschichte von prickelnd unterkühlter Erotik bindet den Helden, der sich unversehens als Hüter eines tragischen Familiengedächtnisses entdeckt, an die geheimnisvolle Elisabetta Renal, die wie aus Michelangelo Antonionis Film „Blow Up” entsprungen scheint, während ihr Familienname eine Hommage an eine weibliche Hauptfigur in Stendhals Roman „Rot und Schwarz” birgt.
Allegorisch zu verstehen ist in diesem Roman - die Namen der beiden Geld- und Bösewichte Conti (zu deutsch: alles, was zum Zahlungsverkehr gehört) und Mosca („Mücke”) sprechen für sich - so gut wie alles, insbesondere sind es die Gärten und die Landschaften. Der Schauplatz, irgendwo im Norden gelegen, ist unbestimmt, so wie das ganze Land als ein verwüsteter Garten erscheint: „Wir passieren das Einkaufszentrum, das Multiplexkino, die Discothek, dann wieder Pappeln und Maisfelder, die Tankstelle, Mietshäuser, kleine Villen, Eigentumshäuser, ein Restaurant, Werkstätten und Lagerhallen mit Baumaterial, Umzäunungen, eine Hühnerzuchtfabrik, Geschäfte für Sanitärbedarf und Armaturen, Pappeln und Weiden, verstreute Gehöfte.” Sentimental wird der Ich-Erzähler darüber nur einmal, in einem Gespräch über Verluste: „Traurig, die Geselligkeit zu verlieren, oder nicht?” Und wenn das Land erst zum Hypermarkt planiert ist, dann wird es dort auch so viel Raum zu verkaufen geben, „dass das kleine Menschenkind nicht Kraft genug hat, sich zu orientieren.” Dies schrieb schon der Verfasser des „Kirschgartens” - über Russland.
Andrea Canobbio
Der Garten
Roman. Aus dem Italienischen von Annette Kopetzki. Rowohlt Verlag, Hamburg 2005. 319 Seiten, 19,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Steffen Richter hat nur einen Makel an Andrea Canobbios "Der Garten" gefunden - das ist der deutsche Titel. Der italienische -"Die natürliche Unordnung der Dinge" - kommt der Sache doch sehr viel näher, meint Richter. Immerhin geht es um einen Gartenbauarchitekten, der in ein Mordkomplott verwickelt wird, das ihn bis zu Aldo Moro, Andreotti, dem Papst und den Terroristen der Roten Brigaden führt. Dass die Unordnung der Dinge nicht überhand nimmt, sorgt, so Richter, der Autor, der sehr souverän die Fäden seines Textgewebes spinnt. "Enormes Vergnügen" hat der Rezensent beim Lesen gelegentlich empfunden.

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