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Wir reden oft über die Liebe, erfahren sie in den unterschiedlichsten Formen - Eros und Agape, reine Lustempfindung und abstrakte Nächstenliebe, Pornographie und Sentimentalität -, aber wir verstehen nichts von ihr, oder fast nichts. Und wenn die Philosophie über sie spricht, droht sie sie verächtlich zu machen und zu verraten. Sie wird ausgehend vom Selbstbewusstsein zu einer "Passion" erniedrigt, die als krankhaft, irrational und damit immer auch als fragwürdige Erscheinung gilt.Marion bestreitet dieses Urteil, denn der Mensch definiere sich nicht durch das Bewusstsein (Descartes), und auch…mehr

Produktbeschreibung
Wir reden oft über die Liebe, erfahren sie in den unterschiedlichsten Formen - Eros und Agape, reine Lustempfindung und abstrakte Nächstenliebe, Pornographie und Sentimentalität -, aber wir verstehen nichts von ihr, oder fast nichts. Und wenn die Philosophie über sie spricht, droht sie sie verächtlich zu machen und zu verraten. Sie wird ausgehend vom Selbstbewusstsein zu einer "Passion" erniedrigt, die als krankhaft, irrational und damit immer auch als fragwürdige Erscheinung gilt.Marion bestreitet dieses Urteil, denn der Mensch definiere sich nicht durch das Bewusstsein (Descartes), und auch nicht durch das Sein in ihm (Heidegger), sondern durch das, was er liebt. Und selbst die Philosophie, als "Liebe zur Weisheit", muss "zuerst das lieben, was sie zu wissen vorgibt". Ausgehend von Phänomenen, wie sie sich von sich selbst her zeigen - Begehren, Versprechen, Lust, Hingabe, Eifersucht, Lüge, Tod -, schreitet Marion in sechs Meditationen den Horizont dessen ab, was sich als der verborgenste Kontinent eines jeden Menschen erweist: die Liebe als "erotisches Phänomen". Und er kommt zu dem Schluss: "Die Liebe entfaltet sich auf dieselbe logische Weise wie die strengsten Begriffe."
Autorenporträt
Jean-Luc Marion, geb. 1946, ist Professor für Philosophie an der Sorbonne (Paris IV) und Professor für Religionsphilosophie und Theologie an der University of Chicago. 2008 wurde er mit dem Karl-Jaspers-Preis ausgezeichnet und als Mitglied in die Académie française gewählt. Marion gehört zu den bedeutendsten zeitgenössischen Philosophen Frankreichs.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.09.2011

Zur Sexualität gehört der Schwur der Liebenden
Aber gegen serielle Monogamie ist kein Kraut gewachsen: Der Philosoph Jean-Luc Marion erkundet das Erotische

Angesichts des Titels "Das Erotische" wird man vielleicht eher Zupackendes erwarten. Wenn indessen der französische Phänomenologe und Religionsphilosoph Jean-Luc Marion ein Buch dieses Titels publiziert, nimmt die Untersuchung absehbar einen anderen Gang, denn der 1946 geborene, nicht zuletzt auch von Emmanuel Levinas inspirierte Schüler Jacques Derridas, der in Paris und Chicago lehrt und unlängst mit dem Heidelberger Karl-Jaspers-Preis geehrt wurde, bezieht buchstäblich Gott und die Welt mit ein, wenn es ihm um eine besondere Sache geht. In diesen Tagen erscheint die exzellente deutsche Übersetzung von Alwin Letzkus bei Alber.

Der abendländischen Philosophie hält Marion vor, das Phänomen der Liebe, ob als Eros oder als Agape, vernachlässigt zu haben. Wer den Menschen, wie seit Descartes gängig, vom Bewusstsein her oder auch mit Heidegger vom Sein her definiere, der verkenne, dass er sich vor allem durch dasjenige selbst verstehe, was er liebt. Auch die Philosophie müsse als "Liebe zur Weisheit" die Sache, die sie sich zu wissen bemüht, doch zuerst einmal lieben. Eine für ihn maßgebliche "erotische Reduktion" führt den Phänomenologen zu drei basalen Fragen des Daseins. Um sich seiner Person zu versichern, frage der Einzelne: Werde ich von anderswoher geliebt? Und er folgere: Ich bin, sofern ich geliebt werde. Um seine Fähigkeit zu prüfen, Souveränität auch zu vermitteln, stelle er sich als zweite Frage: Kann ich selbst als Erster lieben? Schließlich frage er, beide Aspekte in einer Beziehung übergreifend: Liebst du mich? Laut Marion ist die Liebe aber weder dialektisch noch dialogisch zu charakterisieren - nicht durch Wechselseitigkeit sei sie bestimmt, sondern durch Hingabe.

Im sexuellen Kontakt werde einem der eigene Leib durch den anderen gegeben. Es gelte, den anderen zu genießen, nicht zu gebrauchen, was nur erfahrbar sei und nicht sichtbar gemacht werden könne; versuche man Letzteres doch, produziere man Obszönität und Pornographie. Und eine Austauschbarkeit der Partner, wie beim One-Night-Stand, bedeute zuverlässig, den anderen zu verfehlen und auch selbst anonym zu werden. Eine Grenze findet diese Feier einer für wahrhaftig gehaltenen körperlichen Liebe im Widerspruch zwischen dem Ideal der persönlichen Selbstbestimmung und der Autonomie von sexueller Lust und Trieb. Weil die Erotisierung zwar den Leib, aber nicht die Person des anderen berühre, gebe es ein Phänomen wie die Eifersucht. Zur Sexualität müsse sich der "Schwur" der Liebenden gesellen, ihr Treueversprechen. Als Person sei der andere nämlich nur mit Worten zugänglich. Man mag hier eine große Nähe zur christlichen Sexualethik sehen, für Marion hingegen ist die Ehe weder Voraussetzung noch Ziel der Liebe. Als Gegenwart und Ereignis deutet er die Liebe, deren Dauer zu wünschen, aber kaum zu gewährleisten sei.

Seine ideale Sichtweise trägt dem gängigen Beziehungswechsel durchaus Rechnung. Und nur zwei verschiedene Namen der gleichen Sache sind Eros und Agape für Marion, denn auch die Nächstenliebe verzehre sich und nehme zuweilen in Besitz, wie umgekehrt auch die körperliche Liebe sich hergebe und verschenke. Schließlich kommt absehbar noch Gott ins Spiel: Dessen höchste Transzendenz rühre her von seiner Liebe, meint Marion und endet seine Meditationen mit dem Satz: "Gott überragt uns als der am meisten Liebende."

Ob das alles, einmal mehr die Kluft zwischen Ideal und Leben bestätigend, nicht doch die zuweilen recht profane Beziehungsrealität verschleiert? Immerhin wirken Marions subtile und erstaunlich ausführliche Erkundungen oft auch psychologisch plausibel.

THOMAS GROSS

Jean-Luc Marion: "Das Erotische". Ein Phänomen. Sechs Meditationen.

Aus dem Französischen von Alwin Letzkus. Karl Alber Verlag, Freiburg 2011. 320 S., br., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Wer mit dem Werk des französischen Phänomenologen und Religionsphilosophen Jean-Luc Marion vertraut ist, wird sich vom Titel nicht auf Abwege führen lassen sondern wissen, dass es auch beim Erotische nicht zuletzt um "Gott und die Welt" geht, meint Thomas Groß. Bei Marion ist die wahrhaftige körperliche Liebe ein wechselseitiges Genießen, das, wenn es zum Benutzen wird, die Grenzen zur Pornografie überschreitet. Der Rezensent sieht beim Autor einige Anleihen an die christliche Sexualethik, stellt aber fest, dass der realen Beziehungspraxis mit wechselnden Partnern Rechnung getragen wird. Obwohl aber doch mitunter "Ideal und Leben" in diesem "subtilen und erstaunlich ausführlichen" Buch ziemlich auseinander zu klaffen scheinen, lässt sich der Rezensenten schlussendlich von der psychologischen Plausibilität, die er darin erkennt,  überzeugen.

© Perlentaucher Medien GmbH