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Ein Thriller zwischen Reformation und Inquisition! Es ist ein Roman erschienen, von einem Autor, der sich Luther Blissett nennt. Aber wer versteckt sich hinter dem Pseudonym? Wer hat diesen historischen Thriller geschrieben, in dem ein Mann ohne Nameneinen Mann mit vielen Identitäten jagt?
Es ist ein Roman erschienen, von einem Autor, der sich Luther Blissett nennt. Aber wer versteckt sich hinter dem Pseudonym? Wer hat diesen historischen Thriller geschrieben, in dem ein Mann ohne Namen einen Mann mit vielen Identitäten jagt? Der Roman, der in ganz Europa Furore macht, jetzt auf deutsch.…mehr

Produktbeschreibung
Ein Thriller zwischen Reformation und Inquisition!
Es ist ein Roman erschienen, von einem Autor, der sich Luther Blissett nennt. Aber wer versteckt sich hinter dem Pseudonym? Wer hat diesen historischen Thriller geschrieben, in dem ein Mann ohne Nameneinen Mann mit vielen Identitäten jagt?
Es ist ein Roman erschienen, von einem Autor, der sich Luther Blissett nennt. Aber wer versteckt sich hinter dem Pseudonym? Wer hat diesen historischen Thriller geschrieben, in dem ein Mann ohne Namen einen Mann mit vielen Identitäten jagt? Der Roman, der in ganz Europa Furore macht, jetzt auf deutsch.
Als in Italien dieser gewaltige Roman über die Zeit der Reformation erschien, löste er einen Sturm der Begeisterung aus. Denn neben grandioser Unterhaltung gibt er dem Leser ein Rätsel auf: Wer ist Luther Blissett? Die Überraschung war groß, als die Wahrheit ans Licht kam: Vier junge Autoren aus Bologna waren die Urheber dieses mysteriösen Romans. Ihr Ziel: die traditionelle Autorenschaft zu sprengen. Raffiniert umspannt dieser historische Thriller vierzig Jahre im 16. Jahrhundert – vierzig Jahre, die die Welt veränderten. Deutschland ist im Umbruch: Luther und die Wiedertäufer, päpstliche Spione und aufständische Bauern kämpfen um Macht und Vorherrschaft. Vor diesem Hintergrund stehen sich zwei erbitterte Feinde gegenüber: Ein junger Theologiestudent, Anführer der Häretiker, und sein unsichtbarer Feind – Q, der Mann ohne Gesicht, der Statthalter des Papstes, der Verräter ohne Namen. Seine Mission: den Geist der Revolte auszulöschen. Doch die Rebellen kämpfen mit einer unschlagbaren Waffe: der Macht des Wortes.
Autorenporträt
Luther Blissett: Vier junge Autoren aus Bologna schreiben einen Roman über die Reformation, über Ketzer und päpstliche Spione. Wie ihr Held verstecken sie sich hinter einem Pseudonym: Luther Blissett. Die Presse rätselt monatelang, es beginnt die Jagd nach dem Autor. Das Presseecho ist gigantisch. Bald ist ganz Europa im Blissett-Fieber ...
Rezensionen
Aufruhr liegt in der Luft
Mit einem simplen "Q" zeichnet "der getreue Beobachter" seine Briefe an Gianpietro Carasa, den späteren Papst Paul IV. Briefe, in denen er jedwede häretische Bewegung detailliert denunziert. Wir schreiben das Jahr 1518 und seitdem Martin Luther seine berüchtigten Thesen verkündet hat, liegt Aufruhr in der Luft. Sieben Jahre später ist Deutschland ein Trümmerhaufen, die blutigen Bauernkriege haben ihren Tribut gefordert. Unter dem falschen Namen Gustav Metzger hat sich einer der wenigen Überlebenden im fränkischen Eltersdorf einquartiert. In seinem Gepäck ein Bündel Briefe von Thomas Müntzer, der nach der verlorenen Schlacht von Frankenhausen 1525 hingerichtet worden war. Und Gustav erinnert sich bei der Lektüre an seine ersten Jahre als junger Theologiestudent in Wittenberg, wo er Bekanntschaft machte mit Luther, Melanchthon, Karlstadt und endlich 1522 in den Dienst Müntzers trat.
Der päpstliche Spion jagt den Häretiker
In der Rekapitulation der Ereignisse wird ihm klar, dass die verlorene Schlacht in erster Linie auf die falschen Informationen in einem mit "Qohelet" unterzeichneten Brief zurückzuführen ist, den Müntzer von einem vermeintlichen Vertrauten erhalten hatte. Und Gustav beschließt, diesen Unbekannten, der ihn noch immer verfolgt, zu stellen - quer durch Europa. Er gerät in die Wiedertäuferbewegung in Münster, flieht nach Antwerpen, von wo aus er das berühmte Bankhaus Fugger durch falsche Kreditbriefe gehörig ausnimmt und gelangt schließlich über Basel nach Venedig. Dort endlich, inzwischen schreiben wir das Jahr 1551, kommt es zu der entscheidenden Begegnung der beiden Erzfeinde und das Rätsel um den päpstlichen Denunzianten lüftet sich ....
Ein außergewöhnlicher Roman
Hinter dem Pseudonym "Luther Blissett" verbergen sich vier junge Autoren aus Bologna, deren Roman Q in Italien ein sensationeller Erfolg wurde. Inspiriert wurden sie durch Studien zur Freidenkerbewegung, die päpstliche Enzyklika Ut Unum sint und James Ellroys Thriller American Tabloid. Durch geschickte Perspektivenwechsel wird der opulente Roman nie langweilig, dramatische Abschnitte in reiner Dialogform wechseln mit epischen Passagen und die Briefe und Tagebuchnotizen des unbekannten "Q" fassen die komplizierte Handlung überschaubar zusammen. Wie bei James Elroy agieren fiktive und realgeschichtliche Figuren (wie Luther, Melanchthon, Müntzer) gleichberechtigt nebeneinander und es bleibt dem Leser überlassen, was er davon glauben mag und was nicht. Q lässt sich in keine literarische Schublade einordnen, die fulminante Mischung aus historischem Roman und Spionagethriller bietet beste Unterhaltung auf hohem sprachlichem Niveau. Auch an der Ausstattung des Piper-Bandes wurde nicht gespart: Zahlreiche Abbildungen von zeitgenössischen Kupferstichen lassen die Epoche der Reformation auch visuell lebendig werden. (Dr. Erika Weigele-Ismael)
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.04.2003

Dame, Predigt, Mord, Spion
Die italienische Autorengruppe Luther Blissett und ihr Roman "Q"

An einem Junitag des Jahres 1995 wurden in der U-Bahn von Rom vier junge Männer ohne Fahrschein aufgegriffen. Auf der Polizeiwache nach ihrer Identität befragt, gaben alle vier denselben Namen an: Luther Blissett. So hatte Anfang der achtziger Jahre ein sprichwörtlich ("Luther miss it") erfolgloser englischer Stürmer des AC Mailand geheißen. Der folgende Prozeß machte das Blissett-Kollektiv in ganz Italien bekannt. Weitere Aktionen folgten, vor allem in Form von lancierten Falschmeldungen. Mal war ein englischer Künstler, den es nie gab, spurlos im Friaul verschwunden, dann sollte angeblich ein Affenweibchen an der Kunstbiennale teilnehmen, oder eine erfundene HIV-positive Prostituierte gab über ihren mit löchrigen Präservativen geführten Rachefeldzug Auskunft.

Als die Blissetts, aus denen inzwischen ein europaweites Internet-Projekt geworden war, 1997 eine gefälschte Skandalschrift über Pädophilie, Satanismus und Medienhysterie ("Laßt die Kinder spielen") herausbrachten, trat abermals der Staatsanwalt auf den Plan. Der Bologneser Gerichtsstreit um das falsche Dossier wurde zum Musterprozeß gegen die Computerkultur. Das System verlor; die Gruppe stellte ihren Text ins Netz, schließlich wurde die Anklage fallengelassen. Damit war zugleich der Höhepunkt des Blissett-Kults überschritten. Im Herbst 1999 verkündete das Kollektiv, "viele Subjektivitäten" der italienischen Sektionen des Projekts hätten beschlossen, das neue Jahrtausend durch rituellen Selbstmord zu begrüßen, um anschließend in neuer digitaler Form wiederzuerstehen. Kurz zuvor hatte der Verlag Einaudi den ersten und also einzigen Roman von Luther Blissett veröffentlicht, den historischen Thriller "Q", der zum Bestseller wurde. Bis heute sind in Italien fast zweihunderttausend Exemplare des Romans verkauft und eine unbekannte Zahl von "Q"-Dateien aus dem Internet heruntergeladen worden. Denn die Autoren Roberto Bui, Giovanni Cattabriga, Luca di Meo und Federico Guglielmi haben ihr Werk ausdrücklich für die digitale Weiterverbreitung freigegeben.

"Q" ist ein Schlüsseltext. Das ist die Stärke und die entscheidende Schwäche des Buchs. Die Geschichte, in Briefen und Erlebnisberichten entfaltet, beginnt in den fünfziger Jahren des sechzehnten Jahrhunderts und blendet von dort aus zurück ins Jahr 1517, in dem Martin Luther seine fünfundneunzig Thesen gegen den Ablaßhandel der Kirche ans Portal der Wittenberger Schloßkirche schlägt. Zwischen den beiden Daten liegen die Schicksalsjahre der europäischen Reformation. Der Protagonist des Buches, ein Anonymus, der im Lauf der Erzählung den Kampfnamen Brunnengert annimmt, hat bei allen wesentlichen Ereignissen jener Zeit seine Hand im Spiel: beim Bauernkrieg von 1525, der mit der Niederlage Thomas Müntzers bei Frankenhausen endete, bei der Herrschaft der Wiedertäufer in der Stadt Münster 1534/35 und beim rasch wieder erstickten Aufflackern der italienischen Reformationsbewegung in den Jahren vor 1550. Zwischendurch reist er nach Nürnberg, Augsburg, Straßburg, Basel, Amsterdam und Antwerpen, und am Ende flieht er aus Venedig nach Konstantinopel - ein Curriculum der Ketzer- und Handelshauptstädte des Jahrhunderts.

Bei solcher Fülle an Orten und Taten geht die Übersicht leicht verloren, aber die vier Autoren haben ihr Material klug organisiert: In zwei der drei Hauptteile des Romans ist, gleichsam als musikalische Gegenstimme, eine zweite Zeitebene eingelassen, in welcher der Held das Geschehen rückblickend beschwört; und im letzten Teil treten sich Brunnengert und sein katholischer Gegenspieler zunächst in Form parallel geschalteter Tagebücher, dann endlich leibhaftig gegenüber. Doch das Duell, das sich siebenhundertfünfzig Seiten lang angekündigt hat, findet nicht statt. "Ein jegliches hat seine Zeit", sagt der Prediger Salomo, und die Zeit dieses Kampfes ist lange vorbei.

Wer ist dieser Gegenspieler? Seine Spitzelbriefe an den Kardinal Gianpietro Carafa in Rom, den späteren Papst Paul IV., zeichnet er mit einem einzigen Buchstaben: Q. Q wie Qohelet oder Kohelet, der Prediger Salomo, der Ecclesiastes, dessen historische Identität niemand kennt. Ein Phantom. Eine Luftgestalt. Eine wandelnde Hypothese. Erstaunlicherweise ist der Spion, über den man nie etwas Persönliches erfährt, die interessanteste Figur in diesem Buch, das so viel Interessantes zu berichten hat. Aber das sind alles nur aufbereitete Fakten, Wirklichkeiten aus dem Archiv; unser Mann dagegen besitzt ein Geheimnis. Er hat eine gewisse Ähnlichkeit mit dem namenlosen Killer aus Frederick Forsyths "Der Schakal", und tatsächlich wirkt "Q" statt von Ecos "Name der Rose" viel eher von einschlägigen Buchbestsellern, James-Bond-Filmen und anderen Produkten der Populärkultur inspiriert.

Aber der Gebrauch, den der Roman von den Mustern des Thrillergenres macht, ist seltsam inkonsequent. Er stellt seine Figuren auf, doch dann, wie ein Schachspieler, der sich an einer faszinierenden Variante ergötzt, ohne sie durchzuführen, läßt er sie stehen und redet von etwas anderem. Das liegt nicht nur an der kollektiven Entstehungsweise des Textes, bei der die Autoren, wie sie sagen, wie eine Jazzband vorgingen, mit gemeinsam geschriebenen Passagen, die von "virtuosen Solostücken" unterbrochen wurden; es liegt an der ganzen Anlage des Romans. Denn "Q" will streng horazisch nicht nur unterhalten, sondern auch belehren, und dieser doppelte Auftrag setzt die Erzählung spürbar unter Druck.

Es muß also, wenn es um einen geplanten Kreditbetrug an den Fuggern geht, erst das Einmaleins des frühneuzeitlichen Bankwesens durchgenommen werden; oder es wird jede Station der Predigerreisen Müntzers, jede Quisquilie der Münsteraner Wiedertäuferei penibel abgefahren und nachgebetet, als läge in solcher Vollständigkeit der wahre Nachgeschmack der Epoche. Es ist aber gerade nicht das Katasterwissen, das die großen historischen Romane auszeichnet, sondern das gelungene Detail, das plötzliche Bild, in dem Geruch und Geschmack vergangener Zeiten aufblitzen wie in Flauberts Schilderung von Hamilkars Gartenfest; und von solchen atmosphärischen Wahrheiten ist in "Q" wenig zu spüren. Die Städte, zumal die im Norden, bleiben Kulisse, die Schlachten und Scharmützel papierenes Konstrukt, die Liebeshändel steril.

Dennoch liest man das Buch rascher und leichter durch, als die schiere Seitenzahl vermuten läßt. Denn sein Held, jener Gert dal pozzo, dessen Name im Juli 2001 unter einem per E-Mail verschickten Demonstrationsaufruf zum G-8-Gipfel in Genua prangte, ist gewissermaßen in der gleichen Situation wie sein Leser: Auch er weiß vor lauter Predigern nicht mehr, wo ihm der Kopf steht. Also begnügt er sich damit, seine Haut zu retten, was die Begegnung mit den verschiedenen Globalisierungsgegnern des sechzehnten Jahrhunderts auf angenehme Weise abkürzt. So gleicht die Erzählung einem Fluß, der das angestaute Bildungsgut immer wieder fortschwemmen muß, um an sein Ziel zu gelangen. Am Ende, wenn unser Held im türkischen Exil weilt und heißen Kaffee schlürft, bedürfen wir der Erholung von den Glaubenskämpfen ebenso dringend wie er; aber es bleibt doch, über die Lektüre hinaus, eine Ahnung vom epochalen Drama jener Zeit, und das ist mehr, als man von den meisten Romanen dieser Gattung sagen kann.

Inzwischen hat sich das Autorenkollektiv aus Bologna einen neuen Namen zugelegt: Wu Ming, das bedeutet auf chinesisch "niemand". Wu Mings neues Buch, eine Chronik aus der Frühzeit des italienischen Fernsehens, ist schon zum Herunterladen freigegeben.

ANDREAS KILB

Luther Blissett: "Q.". Roman. Aus dem Italienischen von Ulrich Hartmann. Piper Verlag, München 2003. 798 S., geb., 22,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.01.2003

Diese Revolution hat kein Gesicht
Der italienische Kollektivautor Luther Blissett veröffentlicht seinen Bestseller „Q” auf Deutsch
Nach Guerilla sieht es hier nicht aus. Nicht nach Sabotage und auch nicht nach Kriegskunst. Das Appartement in der Via Zamboni, der Hauptstraße des Univiertels von Bologna, ist gutbürgerlich eingerichtet. Die Nachbarin im Palazzo grüßt freundlich. Die Schriftsteller um den runden Holztisch wirken wie für einen Medienauftritt gecastet. Da ist der gut aussehende Federico, der tätowierte Postpunk Ricardo mit Glatze, der mutmaßlich über Häuserkämpfen ergraute Luca und der untersetzte Intellektuelle Roberto. Eigentlich alles so, wie es sich für eine Bestseller-Geschichte gehört.
Der Roman „Q”, 1999 erschienen, war die literarische Sensation der Saison und brachte es in Italien auf 100 000 verkaufte Exemplare und wurde in mehrere Sprachen übersetzt. Ein Erfolgsbuch eben, samt Erfolgsautoren. Wäre da nicht dieser Name: „Luther Blissett”.
Luther Blissett als Person ist zwar bekannt. Aber nur als Ex- Fußballprofi des AC Mailand. Als Verfasser von „Q” kam der nicht in Betracht. Immerhin ein Werk von 600 Seiten, bestens recherchiert und brillant geschrieben. Die italienische Öffentlichkeit machte sich nach Erscheinen fieberhaft auf die Suche nach dem Autor. Da es sich um einen historischen Roman handelt, in dem das Ende des Mittelalters durch die Reformationsbewegungen geschildert wird, schien die Spur zu Umberto Eco zu führen. Hatte man nicht zu Zeiten von „Der Name der Rose” darüber spekuliert, dass ein solches opus magnum nur eine Autorengruppe verfasst haben könnte? Zudem drangen Informationen durch, dass der oder die Verfasser aus Bologna kommen sollten, wo Eco seit Jahrzehnten Semiotik unterrichtet. Doch weder der Professor noch andere Schriftsteller im bürgerlichen Sinne verbargen sich hinter dem Pseudonym.
„Wir sind alle Luther Blissett”, erklärt Luca die Strategie der Subversion, die sich mit dem Kollektivnamen verbindet. Als die Gruppe aus Bologna Anfang der 90er Jahre den Namen übernahm, kursierte er bereits in britischen Künstlerkreisen.
Bis zum Roman „Q” machte das Bologneser „Luther-Blissett-Projekt” vor allem über Happenings und Medienfakes von sich reden. So erfanden sie etwa einen englischen Künstler Harry Kipper, der angeblich im Friaul verschwunden sein sollte. Die TV-Sendung „Chi l’ha visto?”, in der vermisste Personen gesucht werden, interessierte sich für die Story.
Die Journalisten ließen sich auf einer ausgelegten Fährte bis nach London locken. Stets fanden sie über kleine Hinweise wieder eine Person, die Kipper noch gesehen haben wollte – alle diese Kontakte waren von italienischen oder englischen Blissetts inszeniert. Kurz vor der Ausstrahlung ergab ein Anruf des Senders RAI bei der britischen Botschaft, dass Harry Kipper gar nicht existiert. Die Sendung musste zurückgezogen werden.
Die Waffen des Feindes
In den darauf folgenden Tagen spottete „Luther Blissett” in diversen Zeitungsartikeln über die Einfalt und Sensationslust der Medien. In dem theoretischen Essay „Totò, Peppino e la guerra psichica” zitiert Blissett dazu die „Kunst des Krieges” von Sunzi: Man müsse die Waffen des Feindes gebrauchen und sie schließlich gegen ihn wenden. Legendär ist auch die Blissett-Busfahrt mit einem einzigen Ticket. Als die Großgruppe kontrolliert wurde, sagte jeder, er sei Luther Blissett und der habe ja ein Billett. Angeblich gab es dafür eine Nacht im Gefängnis.
Das alles klingt ein wenig nach dem Postmoderne-Spielchen mit Namen und Identitäten. Doch die Aktionen gehen über den 80er-Jahre-Diskurs weit hinaus, sind Teil von Netzkultur, Globalisierungskritik und Diskussionen um das geistige Eigentum. Zum ersten Mal in der italienischen Verlagsgeschichte handelten die Autoren ein Anti-Copyright für „Q” heraus. Eine Auflage, die auch der Münchner Piper-Verlag für die deutsche Ausgabe übernehmen musste. Das Werk kann so für nicht-kommerzielle Zwecke zum Beispiel ins Internet gestellt und ohne strafrechtliche Verfolgung verändert werden. „Bei unserem Ansatz wäre alles andere völlig absurd”, kommentiert Roberto und redet lange über das Ende des genialischen Poeten, der uns die Welt erklärt.
Extreme Abneigung habe man gegen Star-Autoren, ergänzt Ricardo in abgeklärtem Ton. „Das Hetzen von Event zu Event, die mediale Präsenz für ein Kriterium von Literatur zu halten, ist lächerlich.” Was nicht bedeutet, dass sich die Autoren hinter „Luther Blissett” dem Kulturbetrieb entzögen. Man kennt ihre bürgerlichen Namen, sie geben Interviews, nur fotografieren lassen sie sich nicht so gern. Wenn’s mal ein Bild gibt, wird der Namenswechsel schwieriger.
In einer Welt ohne Ausweis mit Lichtbild spielt der Roman „Q”. Sein Held ist ein Abenteurer mit ständig wechselnden Namen, der sich zwischen 1515 und 1555 durch so ziemlich alle Aufstände gegen die klerikale Macht schlägt, die Europa gesehen hat. Von Wittenberg über Münster und Antwerpen bis nach Venedig streitet er für die Befreiung der Unterdrückten. Dann merkt er, dass es nicht nur um Ideen, sondern vor allem um Märkte geht. „Das war ein wichtiger Punkt für uns, dass sich in jener Zeit auch der heutige Kapitalismus entwickelt”, sagt Federico.
Hinter den Herrschern stehen die Banken, allen voran die Fugger, die über ein ausgeklügeltes Kreditsystem dem Machtkampf das nötige Kapital verschaffen. Wer diesem System Paroli bieten will, muss nicht nur die Herzen, sondern vor allem die Konten bewegen. So fälschen der Held und seine Vertrauten Wechselscheine der Fugger und verdienen damit ein Vermögen.
Im Buch geht es um die Sabotage der herrschenden Macht, um die Subversion des hegemonialen Sinns. Vor dem Hintergrund der Autorengeschichte bekommt der Roman einen doppelten Boden. „Vielleicht haben wir mit ,Q‘ unbewusst eine Art Autobiographie unserer Gruppe geschrieben”, schmunzelt Federico, „damals waren wir ja noch Luther Blissett.”
Schon zu Beginn des Projekts war der Namenswechsel Bestandteil eines Fünfjahresplans. Am 31.12.1999 verübten die Autoren symbolischen Selbstmord. Seitdem nennen sie sich „Wu Ming”, was auf Mandarin-Chinesisch „niemand” oder „nicht berühmt” bedeutet. Darin verbindet sich die Kritik am westlichen Subjektbegriff mit dem neuen Credo der Gruppe, dass die Zukunft der Menschheit im Osten liege.
Als Wu Ming haben die nunmehr fünf Autoren im Frühjahr 2002 den Roman „54” veröffentlicht: Ein Panorama des Jahres, in dem das Fernsehen in Italien seinen Siegeszug begann, der Adria-Schmuggel über den Eisernen Vorhang blühte und die Eleganz von Gary Grant zum Maßstab des Gentleman wurde. „Eigentlicher Protagonist ist ein Fernsehapparat”, erklärt Roberto, „das wollen wir auch in Zukunft versuchen, aus der Ding-Perspektive zu schreiben.” Nach Kommunikationsguerilla wie noch zu Blissett-Zeiten klingt das nicht. Wu Ming präsentiert sich dementsprechend auf der Homepage (www.wumingfoundation.com) auch eher als Schreibwerkstatt mit breitem Einsatzgebiet. Auch nach Zeichenkrieg sieht das nicht mehr aus. Aber wie heißt es bei Sunzi: Man muss die Mittel des Feindes kennen, um sie zu gebrauchen.
JÖRG
METELMANN
LUTHER BLISSETT: Q. Piper-Verlag München 2002. 799 Seiten, 22,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Jörg Metelmann zeigt sich recht fasziniert von dem Werk des italienischen Autorenkollektivs Luther Blisset, in dem es um die Reformationsbewegungen am Ende des Mittelalters geht und das in Italien zu einem großen Überraschungserfolg geworden ist. In seiner Rezension geht es - mehr noch als um das Buch - vor allem um die Autorengruppe, die vor diesem Roman vor allem durch "Happenings und Medienfakes" von sich reden machte. Doch auch vom dem Buch scheint der Rezensent recht beeindruckt. Er staunt, wie es den Autoren gelingt, in dieser historischen Kulisse die Wurzeln unseres heutigen Kapitalismus freizulegen und gleich Strategien zum Umgang mit dieser Entwicklung in die Geschichte einzuführen: "Im Buch geht es um Sabotage der herrschenden Macht, um die Subversion des hegemonialen Sinns". Dabei ist ein dicker Wälzer herausgekommen, der nach Metelmanns Meinung "bestens recherchiert und brillant geschrieben" ist.

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