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Amerikas Weg aus der Krise was das für uns bedeutet Erfahrungen aus erster Hand Von einem der großen deutschen Wirtschaftsjournalisten

Produktbeschreibung
Amerikas Weg aus der Krise was das für uns bedeutet
Erfahrungen aus erster Hand
Von einem der großen deutschen Wirtschaftsjournalisten
Autorenporträt
Nikolaus Piper, geboren 1952, ist Wirtschaftskorrespondent der "Süddeutschen Zeitung" in New York. Er arbeitete für die "Badische Zeitung", den "Vorwärts", "Associated Press" und die "Zeit". Von 1999 bis 2006 war er Wirtschaftschef der "Süddeutschen Zeitung". Piper ist Träger des Ludwig-Erhard-Preises und Autor mehrerer Sach- und Kinderbücher. Für seine "Geschichte der Wirtschaft" bekam er den Jugendliteraturpreis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.11.2009

Die Große Rezession
Nikolaus Piper erklärt die Krise und Amerika

Ob sie wohl jemand gezählt hat, die Krisenbücher? Das allmählich ausufernde Feld der Autoren spaltet sich grob in zwei Lager: Auf der einen Seite stehen jene, die alle Fehler im Markt erblicken, in der Instabilität des Finanzsystems ebenso wie in der Korrumpierbarkeit der Akteure. Auf der anderen Seite findet man jene, die dem Staat den Vorwurf machen, mit falscher Politik und vernachlässigter Aufsicht die Krise befeuert zu haben. Aber gar so scharf lassen sich die Dinge mitnichten voneinander trennen. Nikolaus Piper ist das klar. Er ist überzeugt: "Markt- und Staatsversagen trugen zu gleichen Teilen zu der Katastrophe bei." Fehler wurden an vielen Stellen gemacht.

Dementsprechend ist sein Krisenbuch auch kein besserwisserisches Pamphlet geworden, sondern eine solide, so weitreichende wie tiefgründige Aufarbeitung dessen, was die Welt in die "Große Rezession" getrieben hat. Schon dieser Titel lässt erkennen, dass der Autor keine billigen Aufgeregtheiten serviert: Auch wenn die aktuelle Krise, die sich schon 2007 auf dem amerikanischen Immobilienmarkt abzeichnete und dann im Herbst 2008 als Bankenkrise auf den Rest der Welt überschwappte, artverwandt ist mit der "Großen Depression" der dreißiger Jahre, ist sie in ihrem Umfang doch relativ moderat geblieben. Wir erleben eine bereits abgebremste Schrumpfung, nicht etwa eine sich beschleunigende, die ganze Welt ins Elend reißende Abwärtsspirale.

Wem wir das verdanken, macht der Autor unmissverständlich deutlich: "Der Einbruch wäre sogar schlimmer geworden als nach 1929, hätten nicht die Regierungen und Notenbanken der ganzen Welt in einer Weise in die Wirtschaft eingegriffen, die es zuvor in Friedenszeiten noch nie gegeben hat." Allerdings ist das für ihn noch kein Grund, sich zurückzulehnen: Niemand habe wirklich Erfahrung damit, wie sich Volkswirtschaften nach so einem Schock und einer Therapie, die alle natürlichen Marktkonstellationen verzerre, verhielten. Die Aktienmärkte zeigten schon wieder Spuren einer ungesunden Euphorie. Und die großen globalen Ungleichgewichte, die am Anfang der Katastrophe standen, seien durch den Zusammenbruch nicht geringer, sondern infolge der Rettungsmaßnahmen sogar noch größer geworden.

Was dieses Buch von den vielen anderen Veröffentlichungen zum Thema abhebt und lesenswert macht, ist neben seiner üppigen Informationsfülle, dem Spannungsbogen und dem erzählerischen Ton genau diese fundierte makroökonomische Perspektive, in die Piper seine Darstellung des Geschehens stellt. Für ihn waren die globalen Ungleichgewichte, besonders zwischen den Vereinigten Staaten und China, schon immer eine Zeitbombe: "Die reichste Nation der Erde wurde der mit Abstand größte Kapitalimporteur, das größte Schwellenland der größte Kapitalexporteur ... Es war klar, dass diese Ungleichgewichte nicht lange durchzuhalten waren."

Allerdings mag er - und das zeigt sein wohltuend abgewogenes Urteil - die Schuld weder China noch Amerika in die Schuhe schieben: "Die Währungsmanipulation Chinas, die Exzesse an der Wall Street und die laxe Politik der Notenbank in Washington bedingten sich wechselseitig. Die Frage nach dem Anfang ist so sinnvoll wie die, ob Henne oder Ei zuerst da war." Auch in die üblichen Klagelieder über die Gier und die anderen menschlichen Laster, die in die Krise geführt hätten, stimmt Piper kaum ein. Die Verbindung sieht er bloß in einer schlichten Tatsache: "Zeiten der Euphorie sind gute Zeiten für jeden, der sich bereichern möchte, notfalls auch auf Kosten anderer."

Besonders ungewöhnlich und bereichernd ist auch die amerikanische Perspektive, aus der Piper schreibt. Er erklärt die Krise mit ganzheitlichem Blick auf die amerikanische Gesellschaft, über die man so als Europäer eine Menge lernt - zum Beispiel darüber, wie es sein kann, dass auch gut ausgebildete Menschen dort keine Krankenversicherung haben; wieso die Schulen so schlecht sind; inwiefern das Rassengefälle immer noch nicht überbrückt ist. Aus jeder Zeile spricht die Zuneigung des Autors zu den Menschen und der Gesellschaft, die er seit drei Jahren als in Brooklyn beheimateter Korrespondent erlebt. Sprachlich hat dieses Umfeld sogar schon seine Spuren hinterlassen, etwa wenn er vom Viertel Bedford-Stuyvesant als einer "Nachbarschaft" schreibt.

Pipers Sympathie gegenüber Amerika und den Amerikanern spiegelt sich auch darin, dass er die Darstellung und Erklärung des komplexen Krisengeschehens in eine Reihe von personalisierten, plastisch erzählten Geschichten packt. Es gelingt ihm, nicht über die Fallstricke dieser journalistischen Mode, Einzelschicksale zu verallgemeinern, zu stolpern. Er hat die Fälle, über die er schreibt, so sorgsam ausgesucht, dass sie tatsächlich als Chiffre für das große Ganze stehen können. Da wäre etwa die Witwe Mary Overton, der ein Kredit aufgeschwatzt wurde, den sie sich nicht leisten konnte.

An ihrem Fall schildert Piper, wozu Kredite und Verbriefung eigentlich dienen sollen, dass sie Vertrauen und Haftung brauchen, um zu funktionieren, was hier in Amerika schiefgelaufen ist und wie die Marktergebnisse politisch verzerrt wurden. Da ist zudem die Lehrerin Jackie, die sich daran abarbeitet, Unterschichtenkinder, die eigentlich keine Chance haben, auf das Leben vorzubereiten. Auch wahre Unsympathen strukturieren die Erzählung, etwa der Betrüger Bernard Madoff mit seinem Schneeballsystem oder der Senator Phil Gramm, der mit mehreren Gesetzesinitiativen große Lücken in die Finanzmarktaufsicht geschlagen hat.

Auf der Suche nach Lehren für die Zukunft gelangt Piper zu nicht eben überraschenden, aber vernünftigen Ergebnissen, die von einer gestärkten Eigenkapitaldecke der Banken bis hin zu einer aufgeschobenen, aber nicht etwa aufgehobenen Haushaltskonsolidierung reichen. Erstaunlicherweise liebäugelt er allen Ernstes mit einer Tobin-Steuer auf Devisenmarkttransaktionen. Als sein wahres Vorbild in dieser schwierigen Zeit nennt er freilich nicht den Ökonomen James Tobin, sondern vielmehr Chesley Sullenberger: jenen Piloten, der im vergangenen Jahr sein Flugzeug auf dem Hudson River notwasserte, mit Mut, Pragmatismus und Kompetenz - und Erfolg. Stimmt: All das braucht die Politik heute auch.

KAREN HORN.

Die Verfasserin leitet das Hauptstadtbüro des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Keine billigen Aufgeregtheiten" hat der Leser von diesem Krisenbuch zu erwarten, das sich aus dem Meer der Krisenbücher durch sein ausgewogenes und vernünftiges Auftreten heraushebt, urteilt zufrieden die Rezensentin Karen Horn, zugleich Leiterin des Hauptstadtbüros des Instituts der deutschen Wirtschaft. Denn alles in allem hat sie eine sehr reflektierte Analyse gelesen, die sich besonders durch ihren Informationsreichtum und einer kenntnisreichen makroökonomischen Übersicht auszeichnet. Dass das Buch nicht zuletzt in den eingestreuten Geschichten über Einzelschicksale auch einen narrativen Ton anschlägt, ist für Horn noch ein weiteres Plus. Ungewöhnlich, aber durchaus spannend findet sie die Konzentration auf die amerikanischen Verhältnisse, die dem europäischen Leser wohl auch eine Einstiegshilfe in amerikanische Logik sein könnte. Am Ende kommt Piper vielleicht nicht zu überraschenden Erkenntnissen über die Rezession, meint Horn, aber zu soliden.

© Perlentaucher Medien GmbH