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Für Umberto Eco ist Büchersammeln ein Akt ökologischer Fürsorge: "Wir haben nicht nur die Wale, die Mönchsrobben und die Bären in den Abruzzen zu retten, sondern auch die Bücher." Wirkliche Leser möchten ihre Lieblingsbücher deshalb nicht nur lesen, sondern auch besitzen und zu Hause ins Regal stellen. Für sie hat Eco "Die Kunst des Bücherliebens" geschrieben. Der Romancier, Wissenschaftler und Geschichtenerzähler aus Italien nähert sich darin der ewigen Frage "War Shakespeare zufällig Shakespeare?", und er zeigt auch, dass mit Werken wie dem "Book of Lindisfarne" oder den "Tres Riches…mehr

Produktbeschreibung
Für Umberto Eco ist Büchersammeln ein Akt ökologischer Fürsorge: "Wir haben nicht nur die Wale, die Mönchsrobben und die Bären in den Abruzzen zu retten, sondern auch die Bücher." Wirkliche Leser möchten ihre Lieblingsbücher deshalb nicht nur lesen, sondern auch besitzen und zu Hause ins Regal stellen. Für sie hat Eco "Die Kunst des Bücherliebens" geschrieben. Der Romancier, Wissenschaftler und Geschichtenerzähler aus Italien nähert sich darin der ewigen Frage "War Shakespeare zufällig Shakespeare?", und er zeigt auch, dass mit Werken wie dem "Book of Lindisfarne" oder den "Tres Riches Heures", welche die Geistesgeschichte seit Jahrhunderten prägen, eine ganze Kultur auf dem Spiel steht.
Autorenporträt
Umberto Eco, 1932 in Alessandria geboren, war Professor für Semiotik an der Universität Bologna und gelangte durch Der Name der Rose zu Weltruhm. Sein Werk erscheint seit vielen Jahren bei Hanser, zuletzt u.a. der Roman Der Friedhof in Prag (2011), der Bildband Geschichte der legendären Länder und Städte (2013) und die Essays Die Fabrikation des Feindes (2014).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.03.2009

Wissen stinkt nicht
Die Leidenschaften des Buchliebhabers Umberto Eco

Im Jahr 1915 erschien in Frankreich ein offenbar mit heißer Nadel gestricktes Pamphlet. Sein Titel: "La polychrésie de la race allemande". Darin trat ein Arzt namens Bérillon den Nachweis an, dass Deutsche im Durchschnitt mehr und übelriechendere Fäkalien produzierten als Franzosen - eine mitten im Ersten Weltkrieg gewiss nicht kriegsentscheidende, aber doch für Frankreich willkommene, weil den Gegner herabsetzende Feststellung.

Trotzdem war der nur zwanzigseitigen Broschüre kein größeres Nachleben beschieden. Vor siebzehn Jahren aber stieß Umberto Eco in einem Antiquariatskatalog namens "Cabinet de curiosité" auf ein Angebot dieser vergessenen Schrift. Er erwarb sie nicht, erwähnte sie jedoch 2007 in seinem Buch "Die Geschichte der Hässlichkeit", und zwar im italienischen Original mit dem offenbar schon im Katalog falsch, weil um einen Buchstaben verkürzt zitierten Titel "La polychesie de la race allemande".

Dieser Titel wiederum trieb den spanischen Übersetzer Ecos zu einer aufwendigen Internetrecherche an, weil er seinen Lesern im Gegensatz zu Eco eine Übersetzung des französischen Titels bieten wollte, diesen aber unverständlich fand. Schließlich bekam er Auskunft von einem russischen Kollegen über die richtige Schreibweise, und tatsächlich stieß er sogar noch auf einen weiteren Antiquariatskatalog, in dem die bislang einzige bekannte ausführliche Wiedergabe des Bérillon-Aufsatzes zu finden war: "La polychrésie de la race allemande. Das übertriebene Darmleerungsbedürfnis der deutschen Rasse. Superlienteria germanica. - Extrait des Bulletins et Mémoires de la Société de Médecine de Paris, séance du 25 juin 1915. P., Maloine & fils, 1915. 24 × 16 cm, 20 p. Broché." Seitdem, so beklagt der spanische Übersetzer, sei dieser Eintrag aber wieder aus dem Netz verschwunden.

Die Geschichte der Suche nach dem in mehrfacher Hinsicht verderbten Titel hätte Umberto Eco gefallen - und mutmaßlich kennt er ihr Ergebnis auch, denn in der gerade erschienenen Übersetzung seiner 2006 auf Italienisch publizierten Textsammlung "La memoria vegetale e altri scritti di bibliofilia", die im Original noch von "La polychesie" sprach, steht nun korrekt "La polychrésie". Vielleicht ist aber dies auch das Verdienst von Ecos bewährtem Übersetzer Burkhart Kroeber, der auch diesmal wieder ein kleines Meisterstück vollbracht hat, denn den teilweise rhapsodischen Ton, der in den meist für Vorträge entstandenen Texten waltet, hat er meisterhaft ins Deutsche gebracht. Und zudem hat er das Buch noch um ein paar Anmerkungen ergänzt, die den Zugriff auf seltene Bücher oder Abbildungen, die Eco erwähnt, erleichtern. Dass einmal eine angekündigte Alliteration im Deutschen keine Entsprechung findet oder ein andermal Prag steht, wo Magdeburg gemeint ist, sind zu vernachlässigende Kleinigkeiten.

Der Titel der in Absprache mit dem Autor um einige Texte gekürzten deutschen Ausgabe hat die enigmatische Formulierung vom "pflanzlichen Gedächtnis" (darunter versteht Eco jene Erinnerung, die in den aus pflanzlichen Fasern oder Holz hergestellten Papyrus- oder Papierbüchern konserviert wird) durch die griffigere von der "Kunst des Bücherliebens" ersetzt. Gemeint ist damit natürlich eine Lebenskunst, auch wenn aus Ecos Beiträgen schnell deutlich wird, dass die Bibliophilie eine Sucht ist und den ihr Verfallenen häufig unglücklich zurücklässt angesichts der Fülle von Schriften, die er nicht besitzen kann. Immerhin aber unterscheidet ihn der Grad des Fanatismus noch vom Bibliomanen, dem man jeden Diebstahl zutrauen kann, wenn es um rare Bücher geht. Doch selbst gegenüber dieser Gruppe kann Eco eine gewisse klammheimliche Sympathie nicht verleugnen.

Sein Band ist aber vor allem eine Liebeserklärung an Bücher. Mit welcher Akribie Eco deren Geschichten und Schicksalen nachgeht, ist teilweise atemraubend. Höhepunkt ist ein fast fünfzigseitiger Aufsatz über Heinrich Khunraths "Amphitheatrum Sapientiae Aeternae", ein Vorläuferbuch der Rosenkreuzler, die, wie man aus Ecos Roman "Das Foucaultsche Pendel" ja weiß, zu den besonderen geistesgeschichtlichen Lieblingen des italienischen Autors zählen. Erschienen ist das Werk des in Leipzig gebürtigen Khunrath im Jahr - tja, und da fängt Eco an zu forschen, denn die Angaben zur Erstpublikation widersprechen sich. Eco führt den Nachweis, dass es 1595 eine erste Ausgabe in Hamburg gegeben hat, die aber nur noch in zwei bekannten Exemplaren erhalten ist, während der vollständige und vor allem mit zwölf Kupferstichen illustrierte Text erst 1609, vier Jahre nach Khunraths Tod, in Hanau gedruckt wurde - dessen lateinischen Namen Hanovia diverse Exegeten mit Hannover übersetzten.

Das muss ein befriedigendes Ergebnis für Eco gewesen sein, denn eines der Hanauer Exemplare findet sich in seiner eigenen Bibliothek. Wie überhaupt etliche der im Buch gefeierten Titel. Das gilt wohl auch für die "Abenteuer des Telemach", François Fénélons Erfolgsbuch aus dem achtzehnten Jahrhundert, das heute noch leicht zu finden ist - so leicht, dass Eco gleich zweimal spottet, dass man an dessen Vorhandensein in heutigen Bibliotheken die Anschaffung von deren Buchbestand durch einen Innenarchitekten erkennen könne. Nun ja, es gibt auch viel Eco in deutschen Bibliotheken.

Gelegentliche Redundanzen in den verschiedenen Texten sind dadurch zu erklären, dass Eco als häufiger Vortragender nicht jedes Mal völlig neue Aspekte präsentieren konnte. Die meisten Vorträge, die sich in "Die Kunst des Bücherliebens" finden, hat er über die Jahre zudem mehrfach gehalten, wodurch sie allerdings auch immer wieder aktualisiert wurden. Der Zeitraum ihres Entstehens umfasst die letzten beiden Jahrzehnte, und es ist faszinierend, zu verfolgen, wie Motive aus Ecos Romanen darin vorbereitet oder fortgeführt werden.

Diese Fähigkeit, nicht streng zwischen seinen fiktionalen, autobiographischen und wissenschaftlichen Texten zu trennen, sondern an einer großen Phänomenologie seiner selbst weiterzuarbeiten, das macht nicht unwesentlich die Attraktivität des Schriftstellers Eco aus. Und seinem deutschen Verlag ist zu danken, dass er auch die Nebenwerke zugänglich macht, in denen sich so manche Trouvaille findet. Wenn sie auch so anrüchig ist wie die Schrift jenes Bérillon, dessen Vorname durch eine Parallelrecherche bislang nur auf S.E. eingegrenzt werden konnte. Dass man aber überhaupt noch an ihn denkt, ist eines der vielen Verdienste von Eco.

ANDREAS PLATTHAUS

Umberto Eco: "Die Kunst des Bücherliebens". Aus dem Italienischen von Burkhart Kroeber. Carl Hanser Verlag, München 2009. 197 S., 7 Abb., geb., 17,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.09.2009

Mit surrealen Drüsen
Der Bücher-Don-Juan Umberto Eco ist sein eigener Leporello
Der Eco der Saison ist eine dreiteilige Sammlung von verstreuten Bekenntnissen und Offenbarungen eines Bibliophilen, die dem Bologneser Schriftsteller, Romancier und Gelehrten bei verschiedenen Gelegenheiten als Vorträge, Aufsätze und Einführungen aus der Feder geflossen sind. Umberto Eco – selbst stolzer Besitzer einer großen Privatbibliothek mit rund 30 000 Bänden –, der hier über „Die Kunst des Bücherliebens” wie ein Ovid über die „Liebeskunst” räsoniert, zuweilen aber auch schwadroniert, ist ganz in seinem Metier. Dem Autor eines berühmten Romans, der buchstäblich aus der Bibliothek kam und um eine Reihe mysteriöser Bibliotheksmorde herum geschrieben ist, nehmen wir auch das nachfolgende Geständnis ab, wenn auch mit ängstlichem Blick auf unsere bescheidenen eigenen Bestände: „Ich sage es offen”, bekennt der Wiederholungstäter, „aus Liebe zu einem Buch ist man bereit zu jeder Gemeinheit”. Wenn es denn nur bei einem einzigen Buch bliebe . . .
„Man”, das ist nämlich kein gewöhnlicher Bücherwurm, auch nicht die liebliche Büchermaus oder die gierige Bücherratte, die ihre Lustobjekte über kurz oder lang vollständig verzehrt – nein, der promiske Bibliophile folgt einem possessiven Sammeltrieb, und je nach Sammlungsgebiet ist er auf die Befriedigung reichlich spezieller, mitunter absonderlicher Neigungen erpicht. Wie auch der gewöhnliche sexuelle Verkehr unter Menschen nicht ganz ohne Fetische auskommt, so ist auch bei Bibliophilen die Normalität nur eine Sonderform des Perversen, und alle Abarten sind nichts anderes als Varianten des Normalen.
Auch Eco weiß – obgleich er aus nicht ganz selbstlosen Motiven scharfe Grenzen ziehen möchte –, dass nur ein schmaler Grat den Bibliophilen vom Bibliomanen, diesen wiederum vom Bibliophoben und Biblioklasten, und beide vom Bibliokleptomanen trennt. Für letzteren wüssten wir freilich eine sichere Therapie: Statt zu Geld- oder Gefängnisstrafen sollte man notorische Bücherdiebe einfach dazu verurteilen, sämtliche Schriften von Umberto Eco zu lesen.
Als ein Don Giovanni unter den Bücherliebhabern ist Eco allerdings auch sein eigener Leporello, der mit lustvoller Pedanterie die Bestandslisten führt, die Neuerwerbungen registriert und lokalisiert, kommentierte Bibliographien erstellt und überhaupt wie vernarrt in Listen, Register und Kataloge ist. Dies hat Eco von einem seiner Bibliotheksgeister gelernt, von dem großen Gelehrten und Sammler Mario Praz, dem es ein Vergnügen war, „Antiquariatskataloge so zu lesen, wie man Kriminalromane liest”. Als Orte, an denen sich „Varia et curiosa”, Verschiedenes, Seltenes und Seltsames, nicht nur tummeln und kreuzen, sondern auch mit exakter Präzision und gebührendem Respekt vor der äußeren und materialen Gestalt der Bücher beschrieben sind, bieten sie alles, was Herz, Geist und Phantasie begehren: Wie nur „auf einer Seite von Rabelais” kommt dort „eine Abhandlung über Masturbation neben einer Erörterung über das Geschlecht der Engel” zum Stehen.
Wer die Redseligkeit des emeritierten Philosophieprofessors zu schätzen weiß, dem bieten Ecos muntere Streifzüge durch die Herbarien des Bücherkosmos geistreiche Unterhaltung. Auf die Generalia zum Thema Bibliophilie des ersten Teils folgen im zweiten, mit „Historica” überschriebenen Teil sehr, sehr spezielle Fallstudien, im dritten aber einige großartige Satiren auf allerlei literarische und wissenschaftliche Narreteien. Erfreulicherweise sind hier einmal keine pathetischen Grab- und Abgesänge auf die Buchkultur zu lesen – bei einem Autor, der die Festplatte seines Computers schon viel länger als andere mit ganzen Bibliotheken und Archiven nützlicher Texte gefüllt hat, um die Bücher seiner Wünsche hingegen aus der Knechtschaft des bloßen Nützlich-sein-Müssens zu befreien und sie in den Locus amoenus der Bibliothek als eines Reichs süßen Wohlgefallens zu überführen. Das beste Stück heißt „Innerer Monolog eines E-Books” und enthält die Registerarie „Ich wäre so gerne ein Papierbuch . . . ”. Entzückend auch der kleine Probelauf des virtuellen Inhalts einer Bibliothek: „ . . . Um fünf Uhr nachmittags befand ich mich in einem dunklen Wald. Im September gehen wir dahin, wo die Zitronen blühen. Auf geht’s zum lustigen Jagen: dies sind die Gascogner Kadetten. Tintarella di luna dimmi che fai.” You sing the book! I sing the Sofa! VOLKER BREIDECKER
UMBERTO ECO: Die Kunst des Bücherliebens. Aus dem Italienischen von Burkhart Kroeber. Hanser Verlag, München 2009. 197 Seiten, 17, 90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Andreas Platthaus rühmt zunächst den deutschen Übersetzer Umberto Ecos, Burkhard Kroeber, dem auch mit dem vorliegenden Buch ein "kleines Meisterstück" gelungen ist, wie er findet. Insbesondere den "rhapsodischen Ton" der überwiegend als Vorträge entstandenen Texte sieht er großartig ins Deutsche übertragen, weshalb er über kleinere Fehler auch großzügig hinwegsehen kann. Ecos Geschichten zeugen von der ausgeprägten Bibliophilie des Autors und sind insgesamt eine einzige "Liebeserklärung an Bücher", stellt Platthaus fest, der insbesondere die Publikationsgeschichte eines Buches über die Rosenkreuzer aus dem 16. Jahrhundert ausgesprochen fesselnd fand. Wenn es in den Texten aus zwei Jahrzehnten hin und wieder zu Wiederholungen kommt, sei das ihrem Ursprung als teilweise mehrfach gehaltene Vorträge geschuldet, so der Rezensent nachsichtig. Und mit seinen Forschungen sorge der Autor dafür, dass so manch obskures Buch nicht für immer vergessen werde.

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