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2 Kundenbewertungen

Wie ist es um die politische Kultur eines Landes bestellt, in dem ein Begriff wie "Russlandversteher" zur Stigmatisierung und Ausgrenzung taugt? Muss man nicht erst einmal etwas verstehen, bevor man es beurteilen kann? Gabriele Krone-Schmalz bietet in diesem Buch eine Orientierungshilfe für all jene, denen das gegenwärtig in den Medien vorherrschende Russlandbild zu einseitig ist. Antirussische Vorbehalte haben in Deutschland eine lange Tradition und sind in zwei Weltkriegen verfestigt worden. Auch in der Ukraine-Krise lässt sich ihre Wirksamkeit beobachten. Tatsächlich ist aber nicht nur das…mehr

Produktbeschreibung
Wie ist es um die politische Kultur eines Landes bestellt, in dem ein Begriff wie "Russlandversteher" zur Stigmatisierung und Ausgrenzung taugt? Muss man nicht erst einmal etwas verstehen, bevor man es beurteilen kann? Gabriele Krone-Schmalz bietet in diesem Buch eine Orientierungshilfe für all jene, denen das gegenwärtig in den Medien vorherrschende Russlandbild zu einseitig ist. Antirussische Vorbehalte haben in Deutschland eine lange Tradition und sind in zwei Weltkriegen verfestigt worden. Auch in der Ukraine-Krise lässt sich ihre Wirksamkeit beobachten. Tatsächlich ist aber nicht nur das Verhältnis zwischen Russland, dem Westen und der Ukraine vielschichtiger, als es der Medien-Mainstream suggeriert, sondern auch die russische Geschichte seit dem Ende des Kalten Krieges. Demokratie und Menschenrechte verbreiten - wer möchte das nicht. Es lässt sich aber sehr wohl über das Tempo und über die Methoden streiten. Und es lässt sich fragen, welche Interessen der Westen unter dem Deckmantel einer Menschenrechtsrhetorik verfolgt.
Autorenporträt
Gabriele Krone-Schmalz ist Professorin für TV und Journalistik an der Hochschule Iserlohn. Sie war von 1987 - 1991 Russland-Korrespondentin der ARD und moderierte anschließend bis 1997 den ARD-Kulturweltspiegel. Sie ist Mitglied im Petersburger Dialog und als eine der führenden Russland-Experten Deutschlands regelmäßig im Fernsehen zu sehen.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Katharina Granzin möchte das Buch der ehemaligen ARD-Moskau-Korrespondentin Gabriele Krone-Schmalz dem Leser ans Herz legen. Wer etwas weiter denken möchte als bis zum Begriff "Russlandversteher", der soll vom mitunter emotionalen Ton der Autorin absehen und hören, was die die langjährige Journalistin an Hintergründen zur Osteuropapolitik der letzten Jahrzehnte anzubieten hat. Komplex und fesselnd, erfrischend und meinungsstark findet Granzin, was Krone-Schmalz über die Verdienste der Sowjetunion in puncto Wiedervereinigung und Nato-Mitgliedschaft Deutschlands oder zur Ukrainekrise mitzuteilen hat. Dass die Autorin beileibe keine Putin-Apologetin ist und dass sie differenzierter auf die Verhältnisse und Ereignisse schaut als die meisten deutschen Medien, macht das Buch für Granzin zum Buch der Stunde.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.02.2015

Bär und Bärenführer
Die Fernsehjournalistin Gabriele Krone-Schmalz kennt Russland seit Jahren.
Sie versucht, ein paar Ansichten über Wladimir Putin zu berichtigen
VON FRANZISKA AUGSTEIN
Wladimir Putin gilt vielen als ein verschlagener Despot, unehrlich und skrupellos, berechenbar nur im Hinblick auf seinen Wunsch, die eigene Machtsphäre auszudehnen. Den Bürgerkrieg in der Ukraine habe er großmachtsüchtig angeheizt, ohne jede Rücksicht auf das Leid, das sich daraus ergab.
  François Heisbourg, Vorsitzender des International Institute for Strategic Studies und des Geneva Centre for Security Policy, sagte im vergangenen Sommer im Gespräch mit der SZ, Putin unterscheide sich von anderen Politikern in einer entscheidenden Hinsicht: Ihm gehe es nicht um konstruktive Politik, eher im Gegenteil. Krieg und Krisen scheue er nicht, weil er daraus für sich in Russland Gewinn an Prestige zu ziehen erwarte. Weil es nun nicht im Interesse seiner westlichen Gegenspieler und Verhandlungspartner liegen könne, Putin in seiner destruktiven Politik zu überbieten, sei ihm schwer beizukommen. Diese nachgerade idealtypische Charakterisierung eines eiskalten Machtpolitikers ist in sich stimmig und wirkt schon deshalb plausibel. Die Frage ist nur, ob sie zur Beschreibung Putins hinlangt.
  Gabriele Krone-Schmalz befasst sich seit Jahren mit Putin und dem, was – etwas vage – als „System Putin“ bezeichnet wird. Ihr Buch über Russland und den Krieg in der Ukraine zeugt davon, dass sie aufgebracht ist: Die erfahrene Fernsehjournalistin – sie arbeitete bei der ARD – kritisiert nicht bloß einseitige Berichterstattung über den Kampf in der Ukraine, die auch der ARD-Programmbeirat schon im Juni 2014 bemängelte. Zudem moniert sie, dass zu sehr Wert auf das Jetzt gelegt werde und zu wenig darauf, wie die Dinge sich über Jahre hin entwickelt haben, bis es schließlich zur militärischen Konfrontation in der Ukraine kam.
  Was war Putins Werdegang, seitdem Boris Jelzin ihn 1999 zum Ministerpräsidenten erkor, seitdem er 2000 erstmals Präsident der Russischen Föderation wurde? Wo liegen die eigentlichen Ursprünge des Ukraine-Konflikts? Was in der Berichterstattung, wie Krone-Schmalz meint, zu kurz kam, hat sie nun nachgereicht. Sie schreibt, wie sie redet; sie spricht ihre Leser direkt an und sucht sie, argumentativ zu überzeugen.
  Was Putin angeht: „Als Wladimir Putin russischer Präsident wurde, sandte er in Serie Signale Richtung Westen, was zu der Zeit in Russland innenpolitisch durchaus nicht unumstritten war. Dafür hat Putin kämpfen müssen.“ Anstatt das zu honorieren, habe der Westen Putin quasi am ausgestreckten Arm verhungern lassen.
  Nach dem Untergang der Sowjetunion sei Russland vom Westen „weniger als Partner denn als Konkursmasse behandelt worden“. (Diese Beobachtung von Krone-Schmalz fand übrigens jüngst ein Echo in Barack Obamas Bemerkung, Russland sei nur „eine Regionalmacht“.) In die nach 1990/91 „dringend erforderliche neue Sicherheitsarchitektur für ein geopolitisch radikal verändertes Europa“, fährt Krone-Schmalz fort, „wurde Russland nicht eingebunden, stattdessen erweiterte sich die Nato Schritt für Schritt nach Osten“.
  Die Nato-Osterweiterung gilt im Westen als notwendig und legitim, weil osteuropäische Länder schlimme Erfahrungen mit der Sowjetunion gemacht haben und weil sie Putin nicht trauen. Gleichzeitig schilt der Westen Putin dafür, dass er die Nato-Osterweiterung als Kampfansage aufgefasst hat, wobei die Frage offenbleibt, wie er sie hätte auffassen sollen.
  „Schon 1993“, so Krone-Schmalz, „stand dieses Thema auf der Agenda der USA.“ Mittlerweile sind Polen, Tschechien, Ungarn, Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowakei und Slowenien, Albanien und Kroatien Mitglieder der Nato. Die Nato ist Russland und seinen Sicherheitsinteressen auf den Pelz gerückt.
  „Das Tragische an dieser Sache ist“, schreibt Krone-Schmalz, „dass hochrangige deutsche Politiker im persönlichen Gespräch die Nato-Osterweiterung gleich zu Beginn als den größten Fehler nach dem Zweiten Weltkrieg bezeichnet haben. Aber es war ihnen, aus welchen Gründen auch immer, nicht möglich, entsprechende Zitate zu autorisieren.“ Sie wundert sich, warum die Leute so vorsichtig waren – in einem Land, in dem Zivilcourage doch allenthalben gepriesen wird.
  Unter Boris Jelzin war Russland bekanntermaßen ein Abzockerstaat: Wer gute Verbindungen hatte und zugriff, wurde Milliardär und politisch einflussreich. Jelzin war an die Macht gekommen, nachdem er 1991 den Putsch gegen Michail Gorbatschow niedergeschlagen hatte. Bis heute ist nicht ganz klar, warum er Putin zu seinem Nachfolger bestellte. Krone-Schmalz erwähnt einen möglichen Grund, der unter Russlandkennern allerdings umstritten ist: Einen Tag, nachdem der Putsch begonnen hatte, quittierte Putin seinen Dienst beim KGB – „zu einem Zeitpunkt“, so Krone-Schmalz, „zu dem man noch nicht sicher sein konnte, wie die Sache ausgeht“. Sicher ist, dass Putin es verstand, sich in den Folgejahren als Nachfolger in Empfehlung zu bringen.
  Als Präsident Russlands regierte Putin dann aber anders als Jelzin. Im russischen Haushalt von 2002, schreibt Krone-Schmalz, „standen zum ersten Mal die Sozialausgaben an erster Stelle. Für Ausbildung wurde nachweislich mehr ausgegeben als für die Landesverteidigung. Die Lage der Rentner wurde zur Chefsache, ebenso die pünktliche Auszahlung von Löhnen und Gehältern. Langsam aber spürbar normalisierte sich das Leben in Russland.“ Putin stand dafür ein, Staatlichkeit wieder einzuführen. In den ersten Jahren ist ihm das gelungen. Jetzt hingegen, so Krone-Schmalz, „geht es aus russischer Perspektive darum, sich zur Wehr zu setzen und sich nicht reinreden zu lassen. Die restriktiven Veränderungen der letzten Jahre in Russland passen sehr viel besser in die Kategorie ,Reaktion‘ als unter die Überschrift ,Aktion‘“.
  In der Ukraine sieht es anders aus: Seitdem sie unabhängig wurde, gab es dort keine Regierung, die ernstlich interessiert gewesen wäre an Rechtsstaatlichkeit und ordoliberaler Wirtschaftsführung. Die Ukraine war und wird bestimmt von Oligarchen. Einst galt das Land als eine „Kornkammer“. Heute liegen viele Felder brach. Landwirte, die sie nachhaltig bestellen könnten, haben vielfach keinen Zugang zu den nötigen Krediten für Pacht und Maschinen.
  Den Krieg in der Ostukraine sieht Krone-Schmalz nicht als Folge von Putins Machtgelüsten. Das Desaster habe eher der Westen sich zuzuschreiben: „Es gab einige wenige in Politik und Medien, die zu einem sehr frühen Zeitpunkt davor warnten, dass es die Ukraine zerreißen könnte, wenn sie sich zwischen EU und Russland entscheiden muss. Denn genau in diese Situation wurde die Ukraine vonseiten der EU gebracht, wissentlich oder versehentlich.“
  Fachleute – Historiker, Politologen, Journalisten – erörtern, ob es so etwas wie ein ukrainisches Nationalbewusstsein gebe. Tatsache ist, dass viele Ukrainer sich der EU und den USA nahe fühlen, während viele andere Russland bevorzugen.
  Krone-Schmalz erklärt ausführlich und einleuchtend, warum das Assoziierungsabkommen ein Fehler gewesen sei. Unter anderem erwähnt sie, dass darin „von der Vertiefung militärischer Zusammenarbeit“ die Rede sei. Sie zitiert Artikel 4 Absatz 2, der von „gemeinsamem Krisenmanagement“ bei „regionalen Herausforderungen und Schlüsselbedrohungen“ handelt. Dann wendet sie sich an ihre Leser: „Wie soll Russland das verstehen? Und würden Sie das in einem EU-, nicht Nato-Assoziierungsabkommen erwarten?“
  Zwischen der EU und der geplanten Eurasischen Union sei es zu einer „Art Tauziehen um die möglichen Beitrittskandidaten“ gekommen: „Und in dieses Gezerre geriet die Ukraine hinein.“ Wobei die EU sich denkbar ungeschickt verhalten habe: „EU-Kommissionspräsident Barroso erklärte bereits im April 2011, eine Mitgliedschaft der Ukraine“ in der geplanten Eurasischen Zollunion „ sei mit dem EU-Assoziierungsabkommen nicht vereinbar“. Und, noch gravierender: „Der Westen begriff die Dimension der ökonomischen Herausforderung nicht, die mit der einseitigen Entscheidung für die EU zwangsläufig verbunden war. Russland hatte die Ukraine seit Jahrzehnten über den Gaspreis subventioniert und vielfältige Kredite vergeben. Diese Rolle aber war die EU nicht bereit zu übernehmen. Es ging um Geld, und die EU redete über Werte.“
  Letzteres sieht Harald Kujat ähnlich. Der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr und ehemalige Vorsitzende des Militärausschusses der Nato, trat neulich in einer Talkshow auf: Mit den Russen – das war auch auf Putin gemünzt – habe er immer sehr gut zusammenarbeiten können. Sie würden Verabredungen einhalten und seien verlässlich. Die Deutschen, sagte Kujat, betrieben „Wertepolitik“, die Russen „Interessenpolitik“.
  Wie Putin regiert, was das sogenannte „System Putin“ eigentlich ist, zeigt Gabriele Krone-Schmalz leider nicht. Wer aber bereit ist, Russland nicht bloß als Bären zu betrachten, der von seinem Meister am Nasenring durch die internationale Manege geführt wird, kann aus ihrem Buch eine Menge lernen.
Gabriele Krone-Schmalz: Russland verstehen. Der Kampf um die Ukraine und die Arroganz des Westens. C. H. Beck, 2015. 176 Seiten, 14,95 Euro.
Als Putin Präsident wurde,
sandte er „in Serie
Signale Richtung Westen“
Die Deutschen reden von Werten,
Russland operiere pragmatisch,
sagt der General a. D. Harald Kujat
Internationale Heimwerker, hilflos. Die EU, meint Gabriele Krone-Schmalz, habe Fehler gemacht.
SZ -Zeichnung: Pepsch Gottscheber
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.04.2015

Wladimir im Glück?
Wie Journalistin Gabriele Krone-Schmalz Russland versteht

Sie wolle der "Dämonisierung Russlands etwas Substantielles entgegensetzen", schreibt Gabriele Krone-Schmalz am Anfang ihres Buches "Russland verstehen". In Deutschland werde die Wahrnehmung Russlands von einem tiefsitzenden "Feindbild" geprägt, das nur Ende der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts aufgrund von Perestrojka, Glasnost und deutscher Wiedervereinigung "für einen Wimpernschlag der Geschichte überwunden zu sein schien". Um dem entgegenzuwirken, gehe es ihr darum, "ein paar Dinge sauber auseinanderzuhalten, Ursache und Wirkung nicht zu verwechseln und darauf zu achten, nicht mit zweierlei Maß zu messen". Was Krone-Schmalz tut, ist das Gegenteil davon: Sie bringt Dinge durcheinander, verschleiert Zusammenhänge und pflegt selbst die "selektive Wahrnehmung" der Wirklichkeit, die sie der westlichen Politik und den deutschen Medien vorwirft.

Wie ein roter Faden zieht sich durch das Buch die Behauptung, an Russland würden stets andere, weniger faire Maßstäbe als an andere Länder angelegt: "Der verzerrte Blick, sobald Russland involviert ist, zieht sich durch alle thematischen Bereiche. Hat man irgendwo anders nach Olympischen Spielen eine politische Bilanz gezogen statt einer sportlichen? Soweit ich mich erinnere, nicht einmal in China." Diese Erinnerung ist falsch. Schon Jahre vor den Spielen in Peking 2008 begannen Medien in aller Welt damit, ausführlich über die damit verbundenen ökologischen Probleme, über die Repression gegen Kritiker und andere politische Begleiterscheinungen der Vorbereitung auf Olympia zu berichten. Wer damals Zeitung gelesen hat, konnte das nicht übersehen. Und auch bei Spielen in demokratischen Staaten gehören Berichte über soziale und politische Begleiterscheinungen von Olympia zum festen Programm deutscher Medien. Der Rest des Kapitels mit der Überschrift "Mit zweierlei Maß - eine unendliche Geschichte" ist nicht besser als dieses Beispiel.

In ihrer Darstellung des Ukraine-Konflikts lässt die Autorin wichtige Fakten weg. Zum Anfang der Demonstrationen auf dem Majdan in Kiew schreibt sie lapidar, der ukrainische Präsident Janukowitsch habe das unterschriftsreife Assoziierungsabkommen mit der EU "im letzten Moment doch nicht unterzeichnet". Die Vorgeschichte seines Gesinnungswandels kommt bei ihr nicht vor: massiver wirtschaftlicher und politischer Druck aus Russland. Dafür insinuiert sie, mit dem Assoziierungsabkommen hätten die engen Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Ukraine und Russland "mit einem Federstrich aus der Welt" geschafft werden sollen. Das behauptet nicht einmal die russische Propaganda.

Präsident Janukowitschs Fehler sei es gewesen, so Krone-Schmalz, dass er die Proteste "aussitzen" wollte. Deren gewaltsame Eskalation führt sie auf "die lange Zeit und die eisigen Temperaturen" zurück, in denen die Demonstranten auf dem Majdan ausharrten. Tatsächlich begannen die Straßenschlachten in Kiew, nachdem Janukowitsch am 16. Januar 2014 im Parlament im Schnelldurchgang (und unter zahlreichen Rechtsverstößen) ein Gesetzespaket hat durchpeitschen lassen, laut dem jedem Teilnehmer der Demonstrationen theoretisch mehrjährige Haftstrafen gedroht hätten. Krone-Schmalz erwähnt das mit keinem Wort.

Was sie zu den Vorgängen in der Ostukraine und auf der Krim schreibt, ist ebenso lückenhaft und zudem oft falsch. So versucht sie, den Einwand, das Anschluss-Referendum auf der Krim sei angesichts der Anwesenheit russischer Truppen nicht frei gewesen, mit einer Gegenfrage zur Absetzung Janukowitschs durch das ukrainische Parlament beiseitezuwischen: "Was ist von den Beschlüssen des Kiewer Parlaments zu halten, das erst von bewaffneten Kräften gestürmt wird und dann abstimmt?" Die von Krone-Schmalz behauptete Erstürmung des ukrainischen Parlaments durch Bewaffnete während der Revolution hat nicht stattgefunden.

Wer sich mit Russland befasse, müsse versuchen "mitzukriegen, was in diesem Land läuft, oder salopp formuliert: wie die Gesellschaft tickt", schreibt Krone-Schmalz. Das vermittelt sie in den Teilen ihres Buches, in denen es um die Zeit des Umbruchs Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre geht, während deren sie als Korrespondentin aus Moskau berichtet hat. Sie hat recht mit dem Hinweis, die russische Politik sei nur vor dem Hintergrund der für Westeuropäer kaum vorstellbaren Umwälzungen der vergangenen 25 Jahre zu verstehen. Über die vielfältigen Widersprüche und Verwerfungen in der Gesellschaft, die sich daraus ergeben, berichten die heutigen Russland-Korrespondenten deutscher Medien ausführlich und sachkundig. Gabriele Krone-Schmalz dagegen ignoriert sie weitgehend - sie kommen allenfalls als Argumentationshilfe ins Spiel, wenn sie fordert, der Westen solle das "Dauergemäkel" am russischen Präsidenten Putin bleibenlassen.

Über ihn schreibt sie, es sei "ein Glück, wenn in diesen Umbruchszeiten jemand an der Spitze steht, der sein Land nach vorne bringen möchte und bei der Versorgung nicht in erster Linie seine ,Familie', seinen Clan im Auge hat". Spätestens an dieser Stelle wüsste man gerne, auf welche russischen Quellen sich Krone-Schmalz stützt. Die wenigen noch überlebenden russischen Qualitätsmedien können es nicht sein. Wollte Gabriele Krone-Schmalz wirklich "Russland verstehen" (oder ihren Lesern dabei helfen, es zu tun), dann dürfte sie das Land nicht einfach mit seinen Herrschenden gleichsetzen. Ein treffenderer Titel für ihr Buch wäre: "Verständnis für Putin!"

REINHARD VESER

Gabriele Krone-Schmalz: Russland verstehen. Der Kampf um die Ukraine und die Arroganz des Westens. Verlag C.H. Beck, München 2015. 176 S., 14,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Wer bereit ist, Russland nicht bloß als Bären zu betrachten, der von seinem Meiser am Nasenring durch die internationale Manege geführt wird, kann aus ihrem Buch eine Menge lernen."
Franziska Augstein, Süddeutsche Zeitung, 18. Februar 2015

"Ein so informatives wie meinungsstarkes Buch."
Katharina Granzin, die tageszeitung, 7. März 2015

"Ein bemerkenswert verantwortungsvolles Buch einer kenntnisreichen und erfahrenen Journalistin."
Roland R. Ropers, Epoch Times, 12. Februar 2015

"'Russland verstehen' könnte den Frieden retten."
Michael Girkens, Stadtanzeiger Hamm, 25. Februar 2015

"Eine Orientierungshilfe für all jene, die das gegenwärtig in den Medien vorherrschende feindliche Russlandbild ablehnen."
Neues Deutschland, 5. März 2015

"Krone-Schmalz' Verdienst ist es, sich auf die verlässlichen Fakten zu stützen. Sie nimmt dem Leser die westlich gefärbte Brille ab."
Jens Dierolf u. Julia Neupert, Heilbronner Stimme, 7. März 2015