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Benito Mussolini war ein ungewöhnlich gewalttätiger Mensch und ein extrem wandelbarer Politiker. Vom radikalen Sozialisten wurde er zum Schöpfer des Faschismus. Seine persönliche Diktatur war eine Mischung aus Terror und Massenkonsens. Die Doppelherrschaft mit den gegensätzlichen Kräften des rechtsextremen Faschismus und der nationalkonservativen Eliten Italiens hielt er durch einen Führerkult zusammen, in dem er sich als Duce inszenierte. Wolfgang Schieder fasst die Summe dieses Lebens glänzend zusammen und richtet zugleich ein besonderes Augenmerk auf die Beziehung zu Adolf Hitler, dessen…mehr

Produktbeschreibung
Benito Mussolini war ein ungewöhnlich gewalttätiger Mensch und ein extrem wandelbarer Politiker. Vom radikalen Sozialisten wurde er zum Schöpfer des Faschismus. Seine persönliche Diktatur war eine Mischung aus Terror und Massenkonsens. Die Doppelherrschaft mit den gegensätzlichen Kräften des rechtsextremen Faschismus und der nationalkonservativen Eliten Italiens hielt er durch einen Führerkult zusammen, in dem er sich als Duce inszenierte. Wolfgang Schieder fasst die Summe dieses Lebens glänzend zusammen und richtet zugleich ein besonderes Augenmerk auf die Beziehung zu Adolf Hitler, dessen Vorbild Mussolini anfänglich war und dessen Niederlage auch sein eigenes Schicksal besiegelte.
Autorenporträt
Wolfgang Schieder ist Professor em. für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität zu Köln und einer der besten Kenner der Geschichte des Faschismus.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Ignaz Miller bespricht zwei neue deutsche Biografien über Benito Mussolini, die vorliegende von Wolfgang Schieder und eine weitere, ebenfalls bei C.H. Beck erschienene, von Hans Woller. In seinen allgemeinen Erwägungen über die historische Figur des Duce geht der Rezensent en passant auch auf die Bücher ein, Schieder konzediert er dabei eine angenehme Kürze und Prägnanz. Manches hat Miller bei ihm über die "Gewaltbereitschaft des jungen Mussolini" gelernt. Nach dem Tod seines Sohnes in der Aeronautica zeigte sich aber auch der Zauderer Mussolini. Sprachlich bemängelt Miller bei Schieder eine gewisse Redundanz.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.03.2016

Gegen den Glauben hat der Verstand keine Chance
Neues zum "Duce": Benito Mussolini war schon in jungen Jahren gewaltbereit und wohl auch antisemitisch

Der Familienvater sei der eigentliche Held des 20. Jahrhunderts, meinte einmal der 1914 gefallene Charles Péguy: "Das war, bevor er der größte Verbrecher des 20. Jahrhunderts wurde", bemerkte Hannah Arendt dazu. Zu ihrer Beobachtung inspirierten die Philosophin die meist solid verheirateten NS-Massenmörder in Uniform. Aber auch Benito Mussolini fällt in diese Kategorie. Der Duce hatte fünf Kinder und war ein aggressiver Sozialaufsteiger. Bezeichnenderweise kam er erst zur Besinnung, als sein Lieblingssohn fiel. Aber auch das nur kurzfristig.

Mussolini war in seiner unprogrammatischen Beweglichkeit und seiner Improvisationsbegabung auf dem Weg nach oben sehr italienisch. Wolfgang Schieder widmete ihm eine knappe, aber insgesamt bündige Biographie. Der Kölner Historiker vermisste in Mussolinis Vita Planung und Programme. Eine - pardon - etwas deutsche Feststellung. Umso wichtiger jedoch, wie Schieder die Gewaltbereitschaft des jungen Mussolini betont.

Zur Illustration und zur Einbettung in den Kontext der italienischen Gesellschaft vor und nach dem Ersten Weltkrieg wäre ein Hinweis auf die Futuristen und deren führenden Kopf Filippo Marinetti hilfreich gewesen. Nicht alle Leserinnen und Leser kennen die italienische Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts. Hans Woller erwähnt die Futuristen in seiner ebenfalls - und hoffentlich zufällig - im Münchener Beck-Verlag publizierten Mussolini-Biographie, erklärt sie aber nicht. Die Futuristen waren eine radikal moderne Bewegung und eine - in ihrer Radikalität bis hin zu futuristischer Kulinarik (mit einem eigenen Kochbuch: "La cucina futurista") - absolute Gegenbewegung zum extrem konservativen, überlange im Historismus fixierten Bürgertum, das selbst den Jugendstil (im Italienischen "Liberty" genannt) erst außerordentlich spät rezipierte.

Die Futuristen beteten alles an, was das Bürgertum nicht schätzte: Motoren, Dynamik, Aktionismus, Lärm und Gewalt. Gleichzeitig waren sie alles andere als ein esoterischer Zirkel abseitiger Spinner. Dies hätte sich schon mit ihrer Neigung zum Radau nicht vertragen. Fortunato Deperos futuristische Werbekampagne für den Apéritif-Produzenten Campari signalisiert vielmehr ein ausgeprägtes Gespür für den Zeitgeist. Gewalt war womöglich nicht legitim, aber schick. "Wir Faschisten haben keine vorgefasste Doktrin, unsere Doktrin ist die Tat." Dies war bereits der ganze Mussolini. Er hatte genügend Nietzsche gelesen, um sich mit solchen Aussagen auf sicherem Boden zu fühlen. Beide Biographen lassen allenfalls indirekt durchblicken, dass Mussolini ein harter Arbeiter war und blieb. Er sanierte quasi im Alleingang den "Avanti" (Vorwärts), das verschlafene Parteiblatt der Sozialisten, und schrieb ihn im Zweifelsfall auch noch selbst voll. Mit 36 Bänden und acht Zusatzbänden übertreffen seine nach dem Krieg veröffentlichen "Opera Omnia" womöglich noch die "Correspondance de Napoléon".

Allerdings brachte der kriegsverwundete Bersaglieri-Korporal denkbar wenig Interesse für die Details der Kriegführung auf. Was ihn aber - anders als den doch etwas schlaueren General Franco - nicht daran hinderte, gerne Krieg zu führen. Der Historiker Ernst Nolte meinte einmal, dass dies teleologisch im Faschismus angelegt gewesen sei. Aber wieso konnten sich dann Francisco Franco, einmal in Madrid installiert, und António de Oliveira Salazar in Portugal ohne Krieg behaupten? Mussolini scheiterte am Krieg, weil die Nation überfordert, aber auch wehrtechnisch nicht vorbereitet war. Das bürgerliche Italien hatte vor dem Ersten Weltkrieg mehr Geld ins Militär gesteckt als das faschistische Italien unter Mussolini. Der Duce war eben auch ein sparsamer Hausvater. Hinzu kam, dass die Weltwirtschaftskrise Italien nicht aussparte.

Die Stabilisierungsmanöver waren aber durchaus erfolgreich - bis hin zur Rettung der vom Konkurs bedrohten Banken oder etwa des Automobilherstellers Alfa Romeo in der 1933 gegründeten, staatlichen Auffanggesellschaft IRI (Istituto per la Ricostruzione Industriale/Anstalt für industriellen Wiederaufbau). Dass Mussolini mit der Führung des IRI Alberto Beneduce betraute, lag nicht an dessen Namen, sondern an dessen finanztechnischem Können. Mussolini war durchaus dafür bekannt, dass er seine Mitarbeiter verschliss. Der Industrielle Alberto Pirelli entzog sich beharrlich dem Werben des Duce, das Finanzministerium zu übernehmen. Pirelli hatte bereits 1919 der italienischen Friedensdelegation in Paris angehört und vertrat - wie Beneduce - Italien häufig bei internationalen Finanzverhandlungen. Aber Minister unter Mussolini wollte er lieber nicht sein - unter expliziter Anspielung auf dessen hohen Menschenverbrauch. Was Mussolini unkompliziert akzeptierte.

Der 1883 in der Emilia-Romagna geborene Sprössling eines Dorfschmieds und einer Lehrerin (die wiederum Tochter eines Veterinärs) war jung, als er 1922 Ministerpräsident wurde. Ähnlich wie 1933 die Nationalsozialisten in Berlin. Mit dem neuen Gewaltkult kam eine neue Generation (und ein Jugendkult mit der Giovinezza-Hymne als ultimativer Blüte: Giovinezza, primavera di bellezza - Jugend, Frühling der Schönheit . . . ) Zu Fall brachte ihn letztlich auch sein zur Heilsgewissheit verdichteter Glaube an die Gewalt.

Mussolini war zu gut informiert, um die Limiten Italiens ignorieren zu können. Aber gegen den Glauben hatte der Verstand keine Chance. Männer wiederholen bekanntlich immer den Trick, mit dem sie groß geworden sind. Damit lieferte er sich - und Italien - aber dem NS-Deutschland aus und büßte seine Handlungsfreiheit ein. Ein Fehler, der ihm innenpolitisch nie unterlaufen war.

Wolfgang Schieder schält schön heraus, wie sehr Mussolini bei aller Anbetung der Tat auch ein Zauderer sein konnte. Besonders in seinen depressiven Phasen seit dem Tod seines Sohnes in der Aeronautica. Unübersehbar war weiter die intellektuelle Regression des Duce. Er fand über den Kriegen in Afrika zu einem Rassismus, in dem bald auch der Antisemitismus seinen festen Platz hatte. Hans Woller notiert bereits Spuren beim jungen Vorkriegs-Mussolini. Aber was war davon bei dem Vielschreiber zum Nennwert zu nehmen? Dass dieser Antisemitismus italienisch gemildert blieb - man lieferte aus, aber ermordete nicht selbst -, wird sicher niemand entlastend anführen wollen.

Schieders Mussolini ist klar strukturiert und erfreulich kompakt. Die Neigung zu semantischen Überbestimmungen wie "Diktaturregime", Diktaturherrschaft", "Widerstandstätigkeit" oder Neologismen wie "Charismatisierung" wird ein erfahrener Lektor vor einer allfälligen Neuauflage sicher korrigieren. Wollers Mussolini geht sehr viel mehr ins Detail, lässt die Leserinnen und Leser aber schon mal allein. Etwa, wenn der Autor die Parlamentarier als "Onorevoli" (Ehrenwerte) bezeichnet, ohne zu ergänzen, dass Onorevole der in Italien übliche Titel für einen Abgeordneten ist. Insgesamt ergibt sich eine gewisse Inkongruenz. Mit seinen vielen Konjekturen und Mutmaßungen wirkt Wollers Buch streckenweise wie eine historische Serie in einer Illustrierten. Angesichts der Leidenschaft für viele und nicht immer glücklich gewählte Adjektive sei daran erinnert, dass Georges Clemenceau einmal einem Volontär einschärfte: "Junger Mann, bevor Sie ein Adjektiv verwenden, kommen Sie hoch zu mir in den dritten Stock und fragen um Erlaubnis."

IGNAZ MILLER

Wolfgang Schieder: Benito Mussolini. C. H. Beck Verlag, München 2014. 128 S., 8,95 [Euro].

Hans Woller: Mussolini. Der erste Faschist. Eine Biografie, C. H. Beck Verlag, München 2016. 397 S., 26,95 [Euro].

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