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Was die Liebe ist – wir wissen es und wissen es doch nicht so genau. Wir brauchen die Dichter und die Komponisten, um dies für uns zu klären, ja vielleicht sogar zu lehren. Ist das, was wir Liebe nennen, ein Produkt der Kunst? Die treffenden Worte, die schönen Gesänge, die ergreifende Musik? Iso Camartin, der zwischen 2004 und 2012 die "Opernwerkstatt" am Zürcher Opernhaus leitete, erzählt und erklärt, was die Liebe, zumal was Opernliebe ist. Sie bedeutet auf der einen Seite die Begeisterung für diese spektakuläre Kunstform, der sich Camartin von den Anfängen bei Monteverdi bis zur klassischen…mehr

Produktbeschreibung
Was die Liebe ist – wir wissen es und wissen es doch nicht so genau. Wir brauchen die Dichter und die Komponisten, um dies für uns zu klären, ja vielleicht sogar zu lehren. Ist das, was wir Liebe nennen, ein Produkt der Kunst? Die treffenden Worte, die schönen Gesänge, die ergreifende Musik?
Iso Camartin, der zwischen 2004 und 2012 die "Opernwerkstatt" am Zürcher Opernhaus leitete, erzählt und erklärt, was die Liebe, zumal was Opernliebe ist. Sie bedeutet auf der einen Seite die Begeisterung für diese spektakuläre Kunstform, der sich Camartin von den Anfängen bei Monteverdi bis zur klassischen Moderne in diesem Buch widmet. Komponisten und Librettisten, Arien und Ensembles, Divas und Starinterpreten, werden kenntnisreich beschrieben. Opernliebe meint aber vor allem die Gesamtheit der Erscheinungsformen, in welchen wir Liebe auf der Opernbühne bis zum heutigen Tag erleben. Dieses Buch ist eine Liebeserklärung an die Musik und das Musiktheater, geschrieben von einem Enthusiasten, für solche, die es sind, aber auch für jene, die – mit diesem Buch versehen – es bald werden könnten.
Autorenporträt
Iso Camartin, geboren 1944, Kulturwissenschaftler, Philosoph und Schriftsteller.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.01.2015

Ein Superlativ kommt gern allein

Musik und Erotik und Dramatik - da müsste es einem ja ordentlich heiß werden bei der Lektüre. Doch Iso Camartins Buch für Opernenthusiasten bleibt höchstens wohltemperiert.

In einer seiner sehr schönen Glossen in der "Süddeutschen Zeitung" hat sich einst der große Musikkritiker Joachim Kaiser einmal über die Emphasen-Unsitte lustig gemacht, mit der unbeholfene oder auch nur halbsichere Rezensenten dem Superlativ auf den Relativierungsleim kriechen - und dort hilflos haften bleiben: nämlich auf dem Formulierungsklebstoff des "Einer der schönsten ..." Das könne doch nicht sein, so Kaiser, dass es mehrere, ja gar viele ausdrücklich schönste Szenen, Stellen, Opern, Sonaten, Figuren, Romane et cetera gebe - das spreche dem Einzigartigkeitsprinzip, das dem Superlativ innewohne, Hohn.

Und Kaiser hat ja recht. Für alle Zeit. Denn es kann ja wohl nur einen Schönsten geben (und unter den Musikkritikern war und ist dies ganz sicherlich Joachim Kaiser). Daneben oder besser: darunter etliche Schöne oder auch sehr Schöne, von den Halbschönen zu schweigen. Aber wer sich nicht für den einzigen oder die einzige entscheiden kann, der oder die ganz oben allein die Spitze krönt, sollte erstens die Finger vom Superlativ lassen - oder sich fragen, ob er dem oder denen, die unterhalb des Solo-Gipfels rangieren, in ihrem ganz eigenen subjektiven Schönheitswert gerecht wird, wenn er sie schlichtweg als "eine der Schönsten" oder "einen der Schönsten" nivelliert. Denn er tut mit dieser Wohlfeil-Floskel nur so, als ob er sie erhöbe. In Wahrheit erledigt er sie schnöde "unter ferner liefen" - aber in der Maske hingerissener Begeisterung. Denn wer alle "schönst" findet, wird denjenigen, den er wirklich als Schönsten auf seine Subjektivitätskappe nehmen könnte, gar nicht mehr als solchen würdigen können.

Beim Lesen der "Opernliebe" des Schweizer Hochschullehrers, Philosophen, Kulturwissenschaftlers, Schriftstellers und zeitweisen Opernmitarbeiters Iso Camartin, der damit auch noch ein "Buch für Enthusiasten", naturgemäß aus der Feder eines Enthusiasten, also doch wohl eines geschworenen Subjektivisten, vorgelegt haben will, fiel mir unentwegt Joachim Kaisers Glosse ein. Camartins Buch will ausgewählten Opern von Monteverdi bis Strauss einerseits Liebeserklärungen machen, andererseits die Liebesszenen darin erkunden. Vor so vielen Favoriten versteckt sich der Autor aber oft genug formulierungstechnisch mit seiner Streusandbüchse, aus der unaufhörlich "Einer der schönsten ..." auf die Werke und Szenen herabrieselt. Wobei die Streusandbüchsenlöcher hie und da durch eine "Aller Zeiten"-Zange geweitet scheinen ("eine der schönsten aller Zeiten").

Da hat Gaetano Donizetti in der "Lucia di Lammermoor" eines "der schönsten Sextette der gesamten Operngeschichte" geschrieben, gehört der "Macbeth" zu "Verdis herrlichsten musikdramatischen Werken überhaupt und zu seinen charakteristischsten Kompositionen", ressortiert Gildas Arie "Parmi veder le lagrime" im "Rigoletto" unter "den wahrhaftigsten Liebesarien, die Verdi je geschrieben hat", gehört aber "die Freundschaft zwischen Don Carlo und Don Rodrigo, dem Marquese di Posa, zum Sublimsten, das Verdi je komponiert hat". Und das Duett zwischen Fenton und Falstaff gehört "zu den schönsten der Opernliteratur überhaupt". Überhaupt prasst Camartin mit seinem "überhaupt" derart, dass es stellenweise überhaupt nicht mehr einleuchtet.

Und wenn die Gestaltung der Schlussszene der "Carmen" aus Bizet einen "der größten Opernkomponisten aller Zeiten" macht - was sagt dann sein Kollege Wagner dazu, den Camartin wegen des zweiten Aufzugs von "Tristan und Isolde" zu den "größten Komponisten aller Zeiten" zählt? (Und man hört jetzt aus dem Jenseits die Herren Bach, Mozart und Beethoven doch vernehmlich grummeln.) Immerhin: Den Liebestod aus dem "Tristan", findet der Autor, "gibt es einmal und nicht wieder!". Er scheint also nicht einer der schönsten Liebestode zu sein. Man atmet förmlich auf. Zumal die Szene, in der Eva zum liebesentsagenden Sachs in den "Meistersingern" vorbeischauen kommt, schon wieder nur "zum Allerschönsten des Stücks gehört", wogegen der Dialog zwischen Frau Venus und Tannhäuser "eine der größten dramatischen Szenen seines gesamten Werkes" sein soll. Und Cavaradossi und Tosca bieten natur- und camartingemäß zum Ende von Puccinis Oper "eines der schönsten Duette, die Opernfreunde sich wünschen dürfen".

Mit der Liebe zur Sprache ist es bei Iso Camartin also nicht so weit her. Das wird aber aufgehoben durch eine durchaus sympathische Liebe zur Sache. Wiewohl ein Buch, das sich mit der Liebe zur Oper und der Liebe in der Oper beschäftigt, dem also, was unsagbar ist, weil es nur gesungen werden kann, doch wohl schon ein gewisses Schreibtemperament erforderte. Es dürfte sich das Reich der fiebrigen, abgründigen Begehrens- und Wahnsinnsgefilde aus Lust und Weh, Sex und Hass, Erfüllung und Versagung, Verrat und Mord, Tücke und Tollheit nicht nur beschaulich-analytisch zurechtlegen, wie Camartin das tut. Es müsste sich da auch hineinträumen, hineinphantasieren, hineinsteigern. Und Opernwunderwerken, die der Autor auswählt, weil sie ihm ja wohl am Herzen liegen, auch sichtbar ein bisschen Herzblut spendieren.

Was Camartin, der über Jahrzehnte hinweg das interessierte Zürcher Opernpublikum matineemäßig in die entsprechenden Werke einführte, dagegen liefert, sind grundgütige, solide, leicht lesbare und absolut verständliche Inhaltsangaben. Sie sind musik- und auch theaterwissenschaftlich fundiert und genießen als Schmuck das hie und da durchaus elegante Relief von leichter Hand servierten Hintergrundinformationen - die sich zum Beispiel im Falle des "Rosenkavaliers" auch zu einer veritablen philologischen wie psychologischen Durchleuchtung des Briefwechsels des Librettisten Hofmannsthal mit dem Komponisten Strauss mausern. Man lernt viel dabei. Und ist gut unterhalten, wenn Camartin amüsant herausarbeitet, dass der Dramatiker Strauss dem Lyriker Hofmannsthal in Sachen Figuren-Treffsicherheit haushoch überlegen ist. Auch wenn Camartin die Liebeswirren und -intrigen zwischen Marschallin, Octavian, Ochs und Sophie übers faktisch Oberflächliche und Feststellbare hinaus nicht weiter verfolgt.

Man könnte sich ja fragen, ob Sophie und Octavian sich nicht unendlich langweilen in ihrer kommenden Ideal-Ehe - nach so viel "Ist ein Traum, kann nicht wirklich sein"? Wenn der erst süße Celesta-Rausch verflogen ist?

Da ist man dann doch dankbar, wenn der Autor zu Verdis "Macbeth" auch Sigmund Freud und dessen Theorie der "Tragödie des Ehrgeizes" auftreten lässt. Und so, wie Iso Camartin von Vincenzo Bellinis "Norma" die Schleier wegzieht, in die diese Oper des Verstellens und Verschweigens sich hüllt, und die Pointe setzt, dass Bellinis Musik gegen das Lügengespinst des Plots "in keinem Takt lügt!" - ist das so gut gedacht wie gut gemacht. Und trifft ins Schwarze der Notenköpfe. Verlässt aber nie die wohltemperierte Behäbigkeitsstimmung, die der Opernführer Camartin auch dann durchhält, wenn eine Bellini-Figur "schwankt zwischen Pflichtbewusstsein und Liebesdrang". Solchem Schwanken gehorcht ja auch dieses Buch.

GERHARD STADELMAIER.

Iso Camartin: "Opernliebe". Ein Buch für Enthusiasten.

Verlag C. H. Beck, München 2014, 384 S., geb., 22,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

In aller Ausführlichkeit mokiert sich Gerhard Stadelmaier über Iso Camartins großzügigen Gebrauch des Superlativs: Wenig von dem, was hier versammelt ist, zählt nicht mit "zum Schönsten" oder "Besten" seiner jeweiligen Disziplin - so zumindest der Eindruck, den der Rezensent erweckt, der darin eine ärgerliche, sprachlich wenig sensible "Wohlfeil-Floskel" sieht. Dennoch begegnet er dem Autor dessen Liebe für die Oper wegen mit Sympathie, auch wenn die hitzige Inbrunst der Opern für seinen Geschmack dann doch zu kühl beschrieben bleibt: Camartins "soliden", wenngleich unterhaltsamen Texten hätte etwas mehr Leidenschaft schon gut getan, meint der FAZ-Theaterkritiker, der aber immerhin konstatiert, dass man bei der Lektüre dieses Buches noch mancherlei lernen kann.

© Perlentaucher Medien GmbH