Marktplatzangebote
5 Angebote ab € 4,50 €
  • Buch mit Leinen-Einband

Hier geht es zur Paperback-Ausgabe .
"Die gerade erschienene Studie ist das mit Abstand farbigste, detailreichste Porträt Lincolns auf dem deutschen Markt. Und mit gutem Grund sollte man hinzufügen: Dieses Buch gehört in jeden gut sortierten Bücherschrank." Bernd Greiner, Die Zeit
Abraham Lincoln gilt als einer der größten Präsidenten in der amerikanischen Geschichte. Er lenkte die Geschicke seines Landes durch die blutige Zeit des Bürgerkrieges und setzte die Einheit der Nation und die Befreiung von über vier Millionen Sklaven erfolgreich gegen die abtrünnigen Südstaaten durch.
Jörg
…mehr

Produktbeschreibung
Hier geht es zur Paperback-Ausgabe .

"Die gerade erschienene Studie ist das mit Abstand farbigste, detailreichste Porträt Lincolns auf dem deutschen Markt. Und mit gutem Grund sollte man hinzufügen: Dieses Buch gehört in jeden gut sortierten Bücherschrank."
Bernd Greiner, Die Zeit

Abraham Lincoln gilt als einer der größten Präsidenten in der amerikanischen Geschichte. Er lenkte die Geschicke seines Landes durch die blutige Zeit des Bürgerkrieges und setzte die Einheit der Nation und die Befreiung von über vier Millionen Sklaven erfolgreich gegen die abtrünnigen Südstaaten durch.

Jörg Nagler schildert in seiner Biographie ein amerikanisches Leben, das in ärmlichsten Verhältnissen begann und bis ins Weiße Haus führte. Er zeigt die inneren Brüche und Widersprüchlichkeiten der komplexen Persönlichkeit Lincolns, schildert die tiefgreifenden Wandlungen Amerikas in der Zeit von 1800 bis 1865 und bringt uns so in seinem lebendig geschriebenen Buch den Präsidenten, der wenige Tage nach dem Ende des Bürgerkrieges als erster Präsident der USA einem Attentat zum Opfer fiel und die wohl dramatischste Epoche in der Geschichte der USA nahe.
Autorenporträt
Jörg Nagler, geboren 1950, studierte Geschichte, Amerikanistik, Philosophie und Politikwissenschaft. Seine 1984 veröffentlichte Promotion setzt sich mit der politischen Aktivität von exilierten Achtundvierzigern während des Amerikanischen Bürgerkriegs auseinander. Er war fünf Jahre wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Historischen Institut in Washington, D.C. und mehrere Jahre Direktor des Kennedy Hauses Kiel, bevor er 1998 die Professur für Nordamerikanische Geschichte an der Universität Jena übernahm.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.02.2009

Von der Blockhütte ins Weiße Haus: Amerika feiert den 200. Geburtstag von Abraham Lincoln
Die letzte, beste Hoffnung auf Erden
Nur über Jesus Christus wurde mehr geschrieben. Ist Abraham Lincoln, der Sklavenbefreier, ein würdiges Vorbild für Barack Obama?
Als Barack Obama vor zwei Jahren in Springfield, Illinois, seine Absicht verkündete, der 44. Präsident der Vereinigten Staaten zu werden, tat er das ganz im Zeichen des Mannes, der ihm 1861 vom gleichen Ort ins höchste Amt vorausgegangen war. Er sprach vor dem Hauptportal jenes ehrwürdigen Parlamentsgebäudes, in dem Abraham Lincoln einst die über die Sklaverei gespaltene Nation gewarnt hatte, dass ein in sich geteiltes Haus nicht bestehen könne. Heute jährt sich der Geburtstag Abraham Lincolns zum 200. Mal.
Den schweren Mantel der Geschichte, den sich Obama zu Beginn seiner Kampagne überwarf, hat er anscheinend mit Leichtigkeit bis nach Washington getragen. Er wehrte sich nicht gegen die biographischen Vergleiche, die das erlösungsbedürftige Amerika bald zog: Beide, Lincoln und Obama, wuchsen in einfachen Verhältnissen auf und wählten sich Illinois zur Heimat, beide arbeiteten als Anwälte, wurden gerühmt für ihre fulminante Redegabe und skeptisch beäugt wegen politischer Unerfahrenheit. Beide gelangten in – wenngleich sehr verschiedenen – Krisen ins Amt. Immer wieder zitierte Obama im Wahlkampf den 16. Präsidenten, der diversen Umfragen und Ranglisten zufolge als Amerikas größter gilt, und nannte ihn seine „Inspiration”.
Und er suchte den historischen Schulterschluss zu verbildlichen. Wie Lincoln reiste er mit dem Zug zur Amtseinführung nach Washington. Beim Amtseid legte er die linke Hand auf dieselbe in weinroten Samt gebundene Bibel, die vor 148 Jahren auch sein Vorbild berührt hatte. Sogar das Menü der Inaugurationsfeierlichkeiten wurde an Lincolns Lieblingsessen angelehnt, es gab geröstete Ente und süßen Kartoffelbrei. Mit Hillary Clinton machte Obama seine schärfste Konkurrentin aus den Vorwahlen zur Außenministerin – und folgte damit Lincolns Beispiel, der William H. Seward auf ebendiese Weise eingebunden hatte; wie Clinton war Seward Senator für den Bundesstaat New York.
Nun ist es nicht überraschend, dass sich Präsidenten auf Lincoln und seinen wundersamen, gleichzeitig uramerikanischen Lebensweg berufen, der diesen aus einer fensterlosen Blockhütte an der Frontier in Kentucky (siehe Artikel unten) bis ins Weiße Haus führte, wo er zum zweiten Begründer der Republik wurde und, bei Kriegsende meuchlings ermordet, zu ihrem ersten Märtyrer. „Alle Präsidenten denken an Lincoln”, schrieb der Historiker Douglas Brinkley, „denn egal, wie schwer sie es auch haben: Lincoln hatte es schwerer.”
Ist das, was Obama nun inszeniert, auch Hybris? Oder doch Hommage? Als erster schwarzer Präsident, das gestehen selbst Kritiker zu, hat er das Recht, sich auf den großen Emanzipator zu berufen, der mit seiner Proklamation zum 1. Januar 1863 verfügte, dass alle Sklaven – zunächst nur in den Rebellenstaaten – „fortan und für immer frei sein mögen”. Aber hat Obama auch Grund, Lincolns Vermächtnis zu reklamieren?
Nicht wenige Stimmen sind derzeit zu hören, die ihm die Verklärung seines Idols vorwerfen. Sie argumentieren, dass Lincoln ein in seinen Ansichten typischer Weißer des 19. Jahrhunderts war, der nachweislich an einen „physischen Unterschied” zwischen den Rassen glaubte und echte Gleichheit deshalb für „unmöglich” hielt; dass er deshalb lange die Idee beförderte, die Sklaven nach ihrer Befreiung in Afrika anzusiedeln; und dass seine Emanzipationserklärung folglich nicht mehr gewesen sei als eine strategische Maßnahme mit dem Ziel, den aufständischen Süden zu destabilisieren und Europas Mächte für sich zu gewinnen. Schon in den sechziger und siebziger Jahren vertrat man die These, dass die „Neugeburt der Freiheit”, die Lincoln in seiner epochalen Rede auf dem Soldatenfriedhof von Gettysburg versprochen hatte, sich nie vollzogen und dass der Bürgerkrieg mit seinen 620 000 Toten an der Unterdrückung des schwarzen Mannes nichts geändert habe. Mit der Wahl Obamas belegen nun viele Verteidiger Lincolns, dass die Freiheit in Amerika tatsächlich neu geboren wurde.
Es ist also geboten, den 200. Geburtstag des „honest Abe”, dessen Bescheidenheit zu seiner moralischen Autorität beitrug, im Spiegel der Aktualität zu betrachten. Die Einlassungen zum Thema sind im Jubiläumsjahr zahlreich. Abgesehen von Jesus Christus ist in den USA ohnehin über niemanden mehr geschrieben worden als über Lincoln. 2005 ergründete etwa Joshua Wolf Shenk Lincolns Schwanken zwischen Melancholie und Depression. An kruden Interpretationen fehlt es natürlich auch nicht: Lincoln, der Homosexuelle; Lincoln, der Feminist; Lincoln, der Vegetarier. In deutscher Sprache dagegen klaffte bisher eine große Lücke auf dem Buchmarkt, keines der Standardwerke des vergangenen Jahrzehnts wurde übersetzt. Pünktlich zum Geburtstag drängen nun aber gleich drei deutsche Autoren in diese Lücke.
Ronald D. Gerste, ein in Washington lebender Historiker und Journalist, schlägt in „Abraham Lincoln. Begründer des modernen Amerika”, den unterhaltsamsten Ton an (Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2009. 272 Seiten, 26,90 Euro). Mal salopp, mal mit Mut – bisweilen auch Übermut – zum Pathos. In bester angelsächsischer Manier verdichtet Gerste die Zeitläufte in einer Person. Für eine erste Begegnung mit Lincoln ist Gerstes Werk gut geeignet; für ein differenzierteres Bild fehlt die Tiefe.
Eine nüchternere Herangehensweise wählt Georg Schild, der in Tübingen nordamerikanische Geschichte lehrt, in seinem Buch „Abraham Lincoln”. Er wird seinem Untertitel „Eine politische Biografie” gerecht – es geht mehr um den geschichtlichen Hintergrund, ausführlich etwa um die Genese des Bürgerkriegs in allen wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Facetten. Schilds Darstellung (Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2009. 272 S., 24,90 Euro) ist klar und handwerklich präzise. Mancher mag sich freilich wundern, wie man eine mythenumtoste Geschichte so windstill referieren kann.
Der Dritte ist Jörg Nagler, Professor für nordamerikanische Geschichte in Jena. Er hat mit „Abraham Lincoln. Amerikas großer Präsident” das umfangreichste Porträt vorgelegt (Verlag C. H. Beck, München 2009. 464 S., 26,90 Euro). Eine solch breitgefächerte Untersuchung ist nötig, um die Gegensätze und Brüche in Lincolns Charakter zu erfassen: die Selbstzweifel und die erbitterte, bisweilen rücksichtslose Entschlossenheit, die Traurigkeit nach dem frühen Tod zweier Söhne und das unerschütterliche Vertrauen in die Güte des Menschen. Diese enigmatische Gestalt verlangt nach einer Biographie, die sich auf Basis der Fakten auch in die verborgenen Gänge eines Lebenslaufs wagt. Jörg Nagler hat sie geschrieben. Sein Buch, flüssig zu lesen, ist das genaueste, gedankenreichste und ausgewogenste Porträt unter drei durchaus bemerkenswerten Neuerscheinungen.
In der zentralen Frage, wie hell die Lichtgestalt Lincoln angestrahlt werden soll, bemühen sich alle Autoren um Balance – Ronald Gerste entscheidet sich schnell für den großen Scheinwerfer. Aber auch er legt Lincolns rassistisch durchwirkte Vorurteile offen und betont die Dominanz der Staatsräson, die der Präsident in einem Brief an den Zeitungsherausgeber Horace Greeley bekräftigte: „Ich will die Union retten. (. . .) Wenn ich sie retten könnte, indem ich keinen Sklaven befreie, würde ich es tun, und wenn ich sie retten könnte, indem ich alle Sklaven befreie, würde ich es tun. Und wenn ich sie retten könnte, indem ich einige Sklaven befreie und andere nicht, würde ich es tun.” Diese Passage wird oft angeführt, seltener dagegen der Schlusssatz des Briefes. Er habe gemäß seiner offiziellen Pflicht zu handeln, schreibt Lincoln da, doch sein persönlicher Wunsch sei es, „dass alle Menschen überall frei sein mögen”. Die Emanzipationserklärung war auch für Lincoln eine Befreiung, weil seine offizielle Pflicht, die Einheit des Landes zu bewahren, endlich mit seiner über Jahrzehnte immer wieder vorgetragenen Ablehnung der Sklaverei verschmolz.
Wie einige der Gründerväter, Sklavenhalter wie Washington oder Jefferson, war Lincoln wohl beides zugleich: ein Streiter für Freiheit und doch ein Kind seiner Zeit. Das Experiment der amerikanischen Demokratie, „der letzten, besten Hoffnung auf Erden”, hat er vor dem Scheitern bewahrt und am Ende auch das Kainsmal der Sklaverei getilgt. Er mag die längste Zeit seines Lebens nicht an die Gleichheit der Rassen geglaubt haben, wohl aber an das Recht eines jeden Menschen auf das Streben nach Glück. Ein feuriger Abolitionist hätte sein Werk nicht vollbringen können, es hat einen Lincoln in all seinen Widersprüchen gebraucht, der – das macht das Werk Jörg Naglers im Besonderen deutlich – in den Jahren seiner größten Prüfung über sich selbst hinauswuchs. Er war, in den Worten des militanten Bürgerrechtlers W. E. B. DuBois, „groß genug, um ungereimt zu sein”.
In seinem Epilog zitiert Jörg Nagler Barack Obama. Der sagt, es seien genau Lincolns „Unvollkommenheiten” und die „schmerzhafte Selbsterkenntnis dieser Schwächen”, die den Vorgänger für ihn „so unwiderstehlich” machten. Und spätestens da verfestigt sich beim Leser der Eindruck, dass Barack Obamas Berufung auf Lincoln wohl doch weniger Hybris ist als vielmehr berechtigte Hommage. 1876 hatte der Abolitionist Frederick Douglass bekundet, die Weißen seien die Kinder Lincolns, die Schwarzen „bestenfalls seine Stiefkinder”. Nun, zweihundert Jahre nach seiner Geburt, hat Barack Obama – wie vor ihm Martin Luther King – Abraham Lincoln als Vater anerkannt. ROMAN DEININGER
Der zweite Begründer der Republik wurde ihr erster Märtyrer
Nach viel Schweigen erscheinen drei neue deutsche Biographien
Wie hell soll die Lichtgestalt Abraham Lincoln angestrahlt werden? Die Frage stellt sich heute, weil der erste schwarze Präsident der USA sich ausdrücklich auf seinen großen Vorgänger beruft, der am 12. Februar 1809 geboren wurde. Das Lincoln Memorial in Washington wurde in den Jahren 1912 bis 1922 errichtet; das nebenstehende Foto entstand am 28. August 1963, jenem Tag, an dem das Denkmal Schauplatz des von Martin Luther King angeführten großen Marsches gegen die Rassendiskrimierung war. Foto: Bettmann/Corbis
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2009

Wenn unsereins studiert, hat das Volk was davon

Nichts wie weg aus der bildungsfernen Zone: Im Jahr des zweihundertsten Geburtstages schreiben zwei deutsche Historiker das Leben Abraham Lincolns.

Von Patrick Bahners

Barack Obama hat viel mit Abraham Lincoln gemein. Im Juni 2005, als er im Nachrichtenmagazin "Time" eine Betrachtung über die Porträtfotografie Lincolns veröffentlichte, die in seinem Arbeitszimmer hängt, hatte er den Senatssitz für den Bundesstaat Illinois inne, um den Lincoln sich 1858 vergeblich beworben hatte. Die Serie von Rededuellen, in denen Lincoln dem Demokraten Stephen Douglas gegenübertrat, werden heute nostalgisch als das Muster aller Fernsehdebatten beschworen. Obama nennt es in seinem Artikel eine Ironie der Geschichte, dass die Argumente im Streit um die Sklaverei, deren Vortrag Lincoln den Sieg über Douglas gekostet haben mag, in der geschichtlichen Verkettung schließlich bewirkten, dass ein Schwarzer anderthalb Jahrhunderte später den Sitz einnehmen konnte, der Lincoln verwehrt blieb. Er spekuliert darüber, dass Lincoln Gefallen an dieser ironischen Wendung der Dinge gehabt hätte.

Ironisch will dieser Ausgang der Geschichte zumal deshalb erscheinen, weil Lincoln nicht an schwarze Abgeordnete und Senatoren dachte, als er die auf Unfreiheit der Schwarzen gegründete Gesellschaftsordnung der Südstaaten zerschlug, und sich selbst das friedliche Nebeneinanderherleben von Weißen und Schwarzen kaum vorstellen konnte. Das Bild von Lincoln als dem Großen Emanzipator wollte Obama sich vor vier Jahren nicht zu eigen machen. Als Rechtsprofessor, Bürgerrechtsanwalt und Afroamerikaner sei er sich der Grenzen von Lincolns Ansichten in Rassenfragen vollauf bewusst.

Mit dieser Aussage demonstrierte Obama, dass er sich im Hauptstrom des schwarzen Geschichtsbewusstseins bewegt. Zu den Ergebnissen der Bürgerrechtsbewegung gehört, dass der Autor der Proklamation über die Sklavenbefreiung vom 1. Januar 1863 kritischer bewertet wird. Zwar hatte Martin Luther King seine "Ich habe einen Traum"-Rede vor der Kulisse des Lincoln-Nationaldenkmals gehalten. Vergeblich hatte er Präsident Kennedy vorgeschlagen, am hundertsten Jahrestag eine zweite Proklamation über die Emanzipation der von Armut und Rassismus Versklavten zu erlassen. Aber schwarze Historiker traten mit der These hervor, die Schwarzen hätten sich selbst befreit. Historische Feststellungen in öffentlichen Äußerungen von Politikern sind politisch gemeint. Der Streit um die Sklaverei, in den Lincoln sich durch Reden einmischte, die ihn auch jenseits seines Heimatstaates bekannt machten, wurde ausgetragen als ein Streit um die Gründungsdokumente der Vereinigten Staaten, die Unabhängigkeitserklärung und die Verfassung, und um die Serie der gesetzgeberischen Akte, die über die Jahrzehnte den Kompromiss der Verfassungsväter, die stillschweigende Bestandsgarantie für die Sklaverei in den Südstaaten, fortschrieben und modifizierten.

Als Gemeinsames ihrer beider Karrieren macht Obama die Unwahrscheinlichkeit aus. Lincolns Lebenslauf verbürgt das demokratische Versprechen der egalitären Auslese: Wie unstet und diffus auch immer die Herkunftswelt, in Amerika kann jeder für den Senat kandidieren und Präsident werden. Lincoln ist das Urbild des selbstgemachten Mannes. Die Holzhütte in Kentucky, in der er geboren sein soll, wird von einem Tempel umschlossen wie in Assisi die Porziuncola von der Marienbasilika. Obama erzählt noch einmal, in elementarer Kürze, weil ja jeder Amerikaner die Geschichte kennt, den Mythos von Lincoln als dem Mann der frontier, der durch harte Arbeit fortwährend hinausgeschobenen Grenze zwischen Wildnis und Zivilisation. "Er hat nicht nur geschrieben oder geredet oder theoretisiert. Er spaltete Zaunpfähle, schoss mit Gewehren, brachte Fälle vor Gericht und setzte sich ein für neue Brücken und Straßen und Kanäle."

An dieser Stelle liegt ein ironisches Moment darin, dass der Lobredner des Mannes der Tat, der nicht nur, aber mit ungeheurer Resonanz geschrieben hat, ebenfalls außerordentlich gewandt schreibt. Obama bietet die Essenz des Mythos, eine schmucklose Erzählung, die nicht im Widerspruch zu den Ergebnissen der Forschung steht. Hier bestätigt sich das Ergebnis der großen Untersuchung des Historikers Merrill D. Peterson über "Lincoln in American Memory" (1994), dass die gelehrte Lincolnologie den Mythos eher untermauert als untergraben hat.

Auf der Grundlage der neueren Forschung haben im Jahr des zweihundertsten Geburtstages am 12. Februar auch zwei deutsche Amerikahistoriker Lincoln-Biographien verfasst, Jörg Nagler aus Jena und Georg Schild aus Tübingen. Beide Biographen sehen die Fertigkeiten des Politikers Lincoln entscheidend geprägt durch seine Erfahrungen im Milieu der frontier. In kleinen Städten, die aus dem Nichts dort entstanden, wo ein paar Farmer ein paar Häuser zusammenzimmerten, bevor sie sich zerstreuten und weiter westlich bessere Böden suchten, mussten alle sozialen Beziehungen hergestellt werden. Bevor Lincoln nach dem Selbststudium seine Anwaltsprüfung ablegte, erledigte er Arbeiten, die in solchen Siedlungen anfallen. Er versuchte sein Glück mit einem Gemischtwaren und sortierte die Post. Was lernte er? Mit unterschiedlichen Menschen und vor unterschiedlichen Menschen zu reden, Beziehungen zu knüpfen und Verabredungen zu treffen, wo es keine Sicherheit gab.

Diese Herkunftsgeschichte hat in beiden Biographien dieselbe Pointe: Die Lektion des Grenzlandes war Lincolns unbedingter Wille, es hinter sich zu lassen. Er lehnte, so Schild, Bildungsfeindlichkeit und übermäßigen Alkoholkonsum ab, die Mentalitätsmuster von Mitbürgern, die ihre Chancen nicht nutzten. Seine Vision der amerikanischen Gesellschaft, so Nagler, war eine städtische. In diesem Sinne lässt Obama Lincolns Tätigkeiten auf das Engagement für Infrastrukturprojekte zulaufen. Sie waren das Programm der Whig-Partei, in der Lincolns Karriere begann, das modernisierende Gegenprogramm zur Autarkie der Demokraten Thomas Jeffersons und Andrew Jacksons, der regierungskritischen Partei des klassischen Freibauerntums. Schild weist darauf hin, dass Lincoln von dem für die Ära Jackson typischen Misstrauen gegenüber Bildungseliten profitierte, als er ohne akademische Ausbildung oder professionelle Einweisung seine Anwaltslizenz erwarb.

Über Lincolns Anwaltstätigkeit berichtet Schild ausnahmsweise ausführlicher als Nagler, in dessen Buch die eingehende Schilderung der lebensweltlichen Umstände überzeugt, der Machenschaften und Inszenierungen auf dem Nominierungsparteitag in Chicago wie des Alltags im Weißen Haus. Die Stärke von Schilds schlanker "politischer Biographie" ist der politische Kontext. Im Gegensatz zu Nagler macht Schild auch die Motive und Ziele von Lincolns Gegnern verständlich. Das gilt für Douglas und dessen von Lincoln bekämpfte Idee, die Entscheidung zwischen Erlaubnis und Verbot der Sklaverei in den neu zur Union hinzutretenden Staaten dem jeweiligen souveränen Staatsvolk zu überlassen, ebenso wie für Clement Vallandigham, den Sprecher der Bürgerkriegsgegner unter den Demokraten, dessen Verhaftung und Ausweisung einen Präzedenzfall der Einschränkung der Meinungsfreiheit im Krieg schufen. Vor allem stellt Nagler die politischen und sozialen Ideen der Südstaaten in ihrem funktionalen Zusammenhang dar. Die Sklavenstaaten konnten sich eben auch auf die republikanische Tradition berufen: Nach antiker Lehre waren nur freie Männer, die über freie Zeit verfügten, weil andere Männer für sie arbeiteten, zur Selbstregierung fähig.

Zu einfach macht es sich Nagler, wenn er den gesamten Komplex des Rechtsverhältnisses von Gliedstaaten und Zentralregierung mit der Bemerkung abtut, die Frage nach der Souveränität der Einzelstaaten sei eine eher sophistische. Ähnlich nachlässig ist die Wertung Schilds, zwar habe Lincoln als Kriegspräsident verfassungswidrig in Grundrechte eingegriffen, vor dem Hintergrund der Diktaturen des zwanzigsten Jahrhunderts erscheine diese Überschreitung jedoch unbedeutend. Man wird es doch als Lincolns Vermächtnis ansehen, dass eine Demokratie nur an sich selbst Maß nehmen kann, an den eigenen Idealen. In diesem Sinne mussten die von Lincoln im Krieg angeordneten Einschränkungen des Rechtsschutzes gerade erst wieder im Licht jüngster Erfahrungen überprüft werden.

Lincolns Entschluss, dem Krieg nicht auszuweichen, und seine Entschlossenheit, auf der bedingungslosen Kapitulation zu bestehen, führen beide Biographen überzeugend auf seinen Glauben zurück, dass das Überleben der Demokratie auf dem Spiel stand. Demokratie heißt hier Mehrheitsherrschaft. Wenn die Sezession eine legale Möglichkeit ist, so Lincolns Logik, besteht für die Minderheit kein Unterwerfungsdruck. Eine Homogenität des Gesamtstaates nahm Lincoln als gegeben an, deren lebensweltliche Voraussetzungen Brücken- und Straßenbaumaßnahmen doch erst hervorbringen sollten. Die Sklavenbefreiung war zunächst kein Kriegsziel und wurde es eigentlich auch nach der Proklamation nicht: Die Emanzipation war eine Waffe, das entscheidende Mittel zur Erzwingung der Kapitulation.

Von den radikalen Abolitionisten unterschied sich Lincoln, wie Nagler hervorhebt, durch eine Vorstellung von der Bedingtheit und Relativität auch der sichersten moralischen Urteile. Eine Maxime des englischen Verfassungsdenkens quasi marxistisch zuspitzend wollte Lincoln in einer Rede in Neuengland 1860 die öffentliche Meinung aus den Besitzverhältnissen ableiten: Man verteidige im Süden die Sklaverei, weil man Sklaven besitze; Nordstaatler würden würden nicht anders reden, wenn sie Sklaven geerbt hätten. Wenn Obama betont, dass "Ambiguität, Komplexität und Mitgefühl" zu Lincolns Charakter gehörten, nimmt er ein Motiv auf, aus dem der Theologe Reinhold Niebuhr im Kalten Krieg eine politische Ethik des Tragischen entwickelt hat.

Von einer Lincoln-Biographie nach den Regeln der Kunst muss man heute erwarten, dass sie ausdrücklich die Wirkungsgeschichte erörtert, in die hinein sich die Zweideutigkeiten dieses schon den Mitlebenden rätselhaft erscheinenen Charakters gleichsam verlängert haben. Denn gemäß Lincolns melancholischer Einsicht wird unser Urteil über den Schöpfer der imperialen Präsidentschaft von unseren Interessen und Lebenseinstellungen abhängig sein. Indem sie die Erinnerungsgeschichte ignorieren, fallen beide Autoren weit hinter ihre amerikanischen Kollegen zurück. Schild bezieht sich immerhin gelegentlich auf einzelne namentlich genannte Historiker, bleibt aber deren Einordnung ins ideologische Spektrum schuldig.

Die Lektüre des Buches von Nagler ist wegen sprachlicher Unbeholfenheiten äußerst mühselig. Überall falsche Präpositionen, Fehlübersetzungen, kuriose Doppelungen und schiefe Bezüge: Sektenbildungen streiten, die Amerikanische Revolution generiert die Schaffung einer Republik, ein Ziel verläuft positiv, und der psychologische Effekt verfehlt seine Wirkung nicht. Auch bei Schild stolpert man über Druckfehler, falsche Konjunktive und das Blechwort der öffentlichen Rede unserer Tage: "positionieren". Was verspricht man sich von Sprachkursen für Einwanderer, wenn man noch nicht einmal von einem Professor verlangen kann, dass er die indirekte Rede korrekt bildet? "Dank seiner ausgefeilten Rhetorik und dem geradezu literarischen Niveau seiner Reden sprach er treffsicher menschliche Emotionen an", wird Lincoln in treuherzigstem Gutachtenstil von Nagler bescheinigt. Dass Lincoln, dessen "Beherrschung des Rechts und der Sprache" Obama rühmt, ein begnadeter Stilist war, gehört gewiss zu den Unwahrscheinlichkeiten in der Geschichte des demokratischen Experiments. Aber von diesem Autodidakten, der keine Rede ohne Manuskript hielt und noch im Zug und in der Kutsche auf die Zettel kritzelte, die er sich in den Zylinderhut steckte, kann man lernen, dass man sich Mühe gibt.

Jörg Nagler: "Abraham Lincoln". Amerikas großer Präsident. Eine Biographie. Verlag C. H. Beck, München 2009. 464 S., geb., Abb., 26,90 [Euro].

Georg Schild: "Abraham Lincoln". Eine politische Biographie. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2009. 272 S., geb., Abb., Karten, 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Dieses Buch gehört in jeden gut sortierten Bücherschrank, befindet Rezensent Bernd Greiner. Denn aus seiner Sicht handelt es sich bei dieser Studie um das "mit Abstand farbigste, detailreichste Lincoln-Porträt" auf dem deutschen Markt, und das will bei diesem populären und viel behandelten Thema etwas heißen. In einfühlsamer Weise und "bester angelsächsischer Erzähltradition fand der Rezensent hier Abraham Lincoln beschrieben und seine Epoche dem heutigen Leser nahegebracht. Immer wieder stoße Jörg Nagler dabei zum Glutkern der Aktualität dieses Stoffes vor, nämlich dem von Lincoln vertretenen bedingungslosen Respekt vor der Gleichberechtigung.

© Perlentaucher Medien GmbH