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Primzahlen sind die "Atome" der Arithmetik, die Grundlage aller Zahlen - nur durch eins und sich selbst teilbar. Gleichzeitig gehören sie zu den quälendsten Geheimnissen der Wissenschaft. 2, 3, 5, 7, ... - läßt sich voraussagen, welches die nächste Primzahl ist? Verbirgt sich hinter dem schwer faßbaren Rhythmus ihres Auftretens vielleicht ein bestimmtes Muster? Oder gibt es gar eine Formel, mit der sich Primzahlen erzeugen lassen? In diesem ungewöhnlichen Buch wird die Geschichte der ebenso exzentrischen wie brillanten Menschen erzählt, die das Mysterium der Primzahlen zu entschleiern suchten,…mehr

Produktbeschreibung
Primzahlen sind die "Atome" der Arithmetik, die Grundlage aller Zahlen - nur durch eins und sich selbst teilbar. Gleichzeitig gehören sie zu den quälendsten Geheimnissen der Wissenschaft. 2, 3, 5, 7, ... - läßt sich voraussagen, welches die nächste Primzahl ist? Verbirgt sich hinter dem schwer faßbaren Rhythmus ihres Auftretens vielleicht ein bestimmtes Muster? Oder gibt es gar eine Formel, mit der sich Primzahlen erzeugen lassen? In diesem ungewöhnlichen Buch wird die Geschichte der ebenso exzentrischen wie brillanten Menschen erzählt, die das Mysterium der Primzahlen zu entschleiern suchten, was manchem zum Ruhm verhalf, andere hingegen in den Wahnsinn trieb.

Der Lösung der Primzahlen-Frage vielleicht am nächsten kam der deutsche Mathematiker Bernhard Riemann. Im Mittelpunkt seiner Überlegungen stand dabei eine Idee, die eine geheimnisvolle Harmonie zwischen Prim- und anderen Zahlen aufdeckte. Nie schien man der Enthüllung des Geheimnisses der Primzahlen so nah gewesen zu sein damals. Doch als Riemann starb, verbrannte seine Haushälterin alle Unterlagen, und so ist die so genannte Riemann-Hypothese auch heute noch das große, alles überragende Rätsel der Mathematik.
Autorenporträt
Marcus du Sautoy ist Professor für Mathematik an der Universität von Oxford und Research Fellow der Royal Society. Seine in der Times erscheinenden und von der BBC ausgestrahlten Beiträge über mathematische Fragen erfreuen sich großer Beliebtheit.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Bis heute ist ein Rätsel, was Bernhard Riemann, der große Mathematiker des 19. Jahrhunderts, einst vermutete: Gibt es oder gibt es nicht ein Findeprinzip, eine Gleichung, mit denen man den Primzahlen auf die Spur kommen kann. Gefunden ist bis heute keines von beiden, die Vermutung allerdings ist "erhärtet". Und von diesem Rätsel, Riemanns Vermutung, dem Stand der Dinge berichtet dieses populärwissenschaftliche Sachbuch. Und zwar, da gibt es für den Rezensenten Dietmar Dath gar kein Vertun, aufs Trefflichste. Kein Ton der "neckischen Bastelladen-Kumpelei", keine unnützen "selbstlegitimatorischen Details", sondern die rechte Mitte zwischen Wissenschaft und dem Willen zum Populären. Kritik äußert Dath vor allem an der vom Untertitel geschürten Suggestion, es gäbe etwas wie eine "Rechtfertigungs- und Beweislast hinsichtlich gesellschaftlicher Nützlichkeit". Unsinn, meint Dath, dies Buch ist spannend genug und die "Forschung über das abstrakteste Wahre" muss als Begründung reichen.

© Perlentaucher Medien GmbH"

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.10.2004

Mangelhaft, setzen! Mathe haben wir hinter uns
Versuchen wir es mit einem Rechenbeispiel: Marcus du Sautoy vernimmt die Musik der Primzahlen / Von Dietmar Dath

Primzahlen, wohin man schaut - 5 wie in "Fünf Freunde", 7 wie in "Sieben Todsünden", 3 wie in "jede dritte Frau hat laut einer neuen Studie des Bundesfamilienministeriums Erfahrungen mit sexueller Belästigung, Nötigung oder Gewalt", 17 wie im schönen Rechenbeispiel für die Leser der "Roten Fahne": "Wolfgang Clement behauptet, daß ein Bezieher von Arbeitslosengeld II neben seiner Grundsicherung von 345 Euro monatlich mit einem zusätzlichen ,Ein-Euro-Job' auf ein monatliches Nettoeinkommen von tausend Euro kommt, was 655 Arbeitsstunden pro Monat bedeuten würde, also bei abgerundeten vier Wochen pro Monat und sieben Tagen Arbeit pro Woche sowie vierundzwanzig Stunden pro Tag aufgerundet 672 Stunden pro Monat, was für den arbeitenden Unterstützungsempfänger im Monat auf siebzehn Stunden Schlaf beziehungsweise Erholung hinausläuft."

Daß ganze Zahlen, die man nur durch sie selbst und die 1 teilen kann, das Erfahrungsweltall des abzählenden Menschen würzen, ist also leicht einzusehen - wo überall sie aber im abstrakt-platonischen Zahlenkosmos selbst auftreten, in dessen ausdehnungsloser Weite sie ihre Reihe nach bisheriger Erfahrung weit über die Ein-, Zwei-, Siebenhundert- und Sonstwas-Stelligkeit hinaus in unvorhersehbarem Rhythmus fortsetzen, und ob es für diese Orts- und Häufigkeitsverteilungen vielleicht eine wegweisende Gleichung oder sonst ein einfaches heuristisches Findeprinzip gibt, das kann einem einstweilen niemand sagen, obwohl doch mit Bernhard Riemanns berühmter Arbeit "Über die Anzahl der Primzahlen unter einer gegebenen Größe" von 1859 ein entscheidender Schritt in Richtung Beantwortung dieser Frage getan schien.

Riemann hatte sich damals daran versucht, von Gauss und Legendre vorformulierte Annahmen über die Anzahl der Primzahlen kleiner beziehungsweise gleich einer gegebenen Zahl zu beweisen, aus denen man die Wahrscheinlichkeit, daß eine bestimmte Zahl prim ist, errechnen könnte. Dabei bediente er sich einer bestimmten komplizierten Funktion, welche die Fachwelt, weil ja alles einen Namen haben muß, als die "Zetafunktion" kennt. Riemanns heuristischer Handstreich im kalkulierenden Umgang mit dieser Funktion bestand nun darin, daß er sich nicht mehr nur die reellen, sondern auch die komplexen Werte dieser Funktion vornahm - komplexe Zahlen sind solche, bei deren Komposition man auf die Wurzel aus -1, also etwas Kontraintuitives, "Unnatürliches", daher: "Imaginäres" angewiesen ist.

Wenn die damals formulierte "Riemannsche Vermutung" stimmt, wonach alle komplexen Nullstellen der Zetafunktion auf einer festgelegten Linie liegen, hieße das, daß auch die Primzahlen tatsächlich eine regelhafte, vorhersagbare Verteilung aufweisen. Im Laufe der Zeit, in der man versucht hat, diese Vermutung zu beweisen, ist sie zwar nach mancher Seite hin gestützt und erhärtet, aber eben bislang nicht unumstößlich belegt worden. So hat sie heute für manche Mathematiker einen ähnlichen Charakter als ästhetisch-ontologischer Glaubenssatz angenommen wie Einsteins "Gott würfelt nicht" für Physiker, die konservativen Interpretationen der Quantentheorie anhängen, wird von anderen genau deshalb als mathematische Theodizee verspottet und erwies sich unterdessen als mit zahlreichen überraschenden experimentellen bis praktischen Feldern untergründig verbunden, von der kryptographischen Verschlüsselung moderner Computerdaten bis zu, na eben, da ist sie wieder, der tückischen Quantenphysik.

Das Buch "Die Musik der Primzahlen - Auf den Spuren des größten Rätsels der Mathematik" des britischen Mathematikers und Publizisten Marcus du Sautoy ist eine historische ebenso wie eine didaktisch-methodische Einführung in die Selbstentfaltung der Wirkung von Riemanns Großtat. Seit seinem Erscheinen im englischen Original hat man es zu Recht mit Lob überschüttet. Sautoy vermeidet die neckische Bastelladen-Kumpelei des üblichen, anbiedernden "Achtung, Mathezauber!"-Tons mathematischer Populärdarstellungen und überrascht mit Verbindungen und Juxtapositionen von Gedanken innerhalb des mathematischen Feldes und darüber hinaus, die sich ebenso wie das Weglassen einschläfernder, selbstlegitimatorischer Aufzählungen von für Prosadarstellung unerheblichen Details wohl nur erlauben darf, wer durch seine wissenschaftlichen Leistungen den nörgelbereiten Kollegen an den Universitäten und Exkollegen in den Redaktionen klargemacht hat, daß sie sich als Beckmesser bloß blamieren können.

Zwar bleiben, wie bei solchen zwischen Monographie und unterhaltsamer Hinführung mal schwebenden, mal eingeklemmten Arbeiten unvermeidlich, auch Wünsche offen: Der Anspruch etwa, die Brücke zur Lebenswelt der Leser dadurch zu schlagen, daß auch der Beitrag des Computers, den ja heute alle daheim stehen haben, zur mathematischen Forschung wie umgekehrt der Beitrag dieser Forschung zur Geschichte des Computers sich im Text niederschlagen sollen, wird nicht ganz eingelöst - die Frage, ob sich eine Gleichung oder ein Programm schreiben läßt, um damit irgend etwas, zum Beispiel Primzahlen, quasi induktiv im Datenheuhaufen zu entdecken, ist eine nach der Reduzierbarkeit von Komplexem, scheinbar Beliebigem auf weniger Komplexes, womöglich Regelhaftes, und gerade auf diesem Gebiet ist, unter Stichworten wie "computationale Äquivalenz" oder "Irreduzibilität", in den letzten zwei Jahrzehnten von Menschen namens Gregory Chaitin oder Stephen Wolfram, die in Sautoys Personenverzeichnis jedoch fehlen, mit Computerunterstützung Bahnbrechendes geleistet worden.

Dafür aber bieten Abschnitte wie der über die "neue französische Revolution in der mathematischen Sprache", die in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts vor allem von den Arbeiten des hier ausführlich vorgestellten Alexander Gorthendieck ihren Ausgang nahm, genau das so selten erreichte Ineinandergreifen von erklärendem und erzählendem Vermögen, ohne das die ganze Vermittlungssphäre zwischen Erkenntnisgesellschaften, offenen wie geschlossenen, völlig aufgeschmissen wäre.

Was es darüber hinaus am Buch zu meckern gäbe, ließe sich im Grunde aus einer sorgfältigen Untertitelkritik entwickeln: Sowohl die sensationalistische deutsche Fassung "Auf den Spuren des größten Rätsels der Mathematik" wie die englische "Why an Unsolved Problem in Mathematics Matters" sind Symptome einer spezifischen Art von Defensivität im Umgang mit größtenteils imaginären, für sehr naiv gehaltenen Öffentlichkeiten, wie sie Wissenschaftspublizistik wie Selbsterklärungsarbeit von Wissenschaftlern, vielleicht mit Ausnahme der immer angesagteren Lebenswissenschaften und einiger ihrer Subdisziplinen wie Gen- und Hirnforschung, mit Beginn des Fernsehzeitalters schlagartig befallen hat und beide sehr zum gemeinsamen Nachteil der Wissenden wie der (noch) Unwissenden verunstaltet.

Das "größte Rätsel" ist dabei eher aggressive Vorwärtsverteidigung im Geiste des Rekordhaften; es fänden sich aber wohl problemlos Mathematiker, die an anderen, eben nicht zahlentheoretischen Dingen, etwa topologischer oder logischer Art arbeiten und für ihr jeweiliges Lieblingsproblem dasselbe, anders als im Spitzensport letztlich aber bedeutungslose Lob verlangen könnten - auch wenn jemand, der sich als Außenseiter an die Weltgemeinschaft der Mathematiker mit dem Versprechen wenden würde, eine größere Anzahl interessanter neuer Vermutungen über die Primzahlverteilung aufgestellt bewiesen zu haben, vielleicht dieselbe Aufmerksamkeit erregen könnte wie 1913 der indische Buchhalter Srinivasa Ramanujan bei G.H. Hardy.

Sautoys Originaltitel, der verspricht, aus eher rand- bis außermathematischen Quellen zu belegen, warum die Frage nach der Primzahlverteilung "eine Rolle spielt", tut damit so, als gäbe es eine Rechtfertigungs- oder Beweislast hinsichtlich gesellschaftlicher Nützlichkeit, während doch kaum jemandem einfiele, eine Picasso-Gesamtdarstellung, ein theologisches Werk oder eine Abhandlung über den modernen Roman schon im Titel darauf festlegen zu wollen, "was das den Leuten bringt". Es ist an der Zeit, den Spieß umzudrehen: Was kann die Forschung über das abstrakteste Wahre dafür, wenn die Gesellschaft in einem Zustand ist, der sich für sie nicht interessiert?

Marcus de Sautoy: "Die Musik der Primzahlen". Auf den Spuren des größten Rätsels der Mathematik. Aus dem Englischen von Thomas Filk. C. H. Beck Verlag, München 2004. 399 S., 46 Abb., geb., 23,23 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Selbst Menschen mit einer Mathematik-Allergie werden dieses Buch hinreißend finden." (Martin Rees, The Times)
"Sautoys charmantem Erzählen über einige Geistesriesen der Mathematik kann selbst der größte Zahlenhasser kaum widerstehen." (The Observer)
"Sautoy ist einfach ein glänzender Erzähler." (The Sunday Independant)

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.10.2004

Wie viele Pappbecher gibt es bei McDonald’s?
Von Hexern und Hausmädchen: Marcus du Sautoy schreibt den Groschenroman der Zahlentheorie
Freunde der Kriminalliteratur wissen, dass sie zumeist erst auf der letzten Seite erfahren, wer der Mörder ist. Bis dahin wird der Autor seine Leser mit falschen Fährten verwirren, und, wenn er nur skrupel- und einfallslos genug ist, wird es letztlich immer das Hausmädchen gewesen sein. Auch in der Geschichte der Zahlentheorie wurde das schlimmste Verbrechen von einem Hausmädchen begangen: Als Bernhard Riemann 1866 auf einer Urlaubsreise in Italien unerwartet mit 39 Jahren starb, nutzte sein Hausmädchen daheim in Göttingen die Gelegenheit, endlich einmal sein Arbeitszimmer gründlich aufzuräumen. Viele Schmierzettel von Riemann landeten im Küchenfeuer, bevor das Mädchen endlich von einer Abordnung der Göttinger Universität in ihrem Frevel gestoppt wurde. In den Aufzeichnungen, die gerettet wurden, fanden sich mache Perlen. Noch sechzig Jahre nach Riemanns Tod gelang es dem norwegischen Mathematiker Atle Selberg, aus der krakeligen Handschrift eine bis dahin unbekannte Formel zur numerischen Berechnung von Nullstellen der Zeta-Funktion zu entziffern.
Die Geschichte der Zahlentheorie, die um die bis heute erfolglos gebliebenen Bemühungen kreist, die berüchtigte Riemann-Hypothese zu beweisen oder zu widerlegen, hat Marcus du Sautoy für ein Laienpublikum aufgeschrieben. Die Aufgabe ist gewaltig, denn die Riemann-Hypothese gehört zu den fortgeschrittenen Themen der höheren Mathematik, und ist vielleicht nur deshalb in das Interesse der breiten Öffentlichkeit geraten, weil die Stiftung des amerikanischen Unternehmers Landon Clay sie vor ein paar Jahren zu einem von sieben großen Problemen der Mathematik erwählt hat, für deren Lösung ein Preisgeld von je einer Millionen Dollar ausgeschrieben wurde.
Du Sautoy ist Mathematikprofessor der Universität Oxford, er hat selbst über den Gegenstand geforscht, auch wenn er über seine eigene Arbeit in dem Buch diskret schweigt. Er ist Fellow des renommierten All Souls College, Mitglied der Royal Society; er hat viel Erfahrung mit dem Verfassen populärwissenschaftlicher Beiträge. Kürzlich wurde er übrigens vom Esquire zu einem der hundert attraktivsten Männer unter 40 gewählt, neben Leuten wie David Beckham und Robbie Williams.
Die Riemann-Hypothese besagt, dass der Realteil aller nichttrivialen Nullstellen der Riemannschen Zeta-Funktion gleich 0,5 ist. Für die Zahlentheorie ist diese Annahme interessant, weil sich hierdurch Aussagen über die Verteilung der Primzahlen unter den natürlichen Zahlen ableiten lassen, sich also so etwas wie eine harmonische Ordnung in der scheinbar chaotischen Zahlenfolge 2, 3, 5, 7, 11, . . . entdecken lässt. Und beiläufig kann man erwähnen, dass mittlerweile das Wissen über die Primzahlen eine beträchtliche volkswirtschaftliche Bedeutung erlangt hat, weil hieraus die wichtigsten Verschlüsselungs- und Authentifizierungsmethoden von Bank- und Internetgeschäften hervorgegangen sind, und es nicht auszuschließen ist, dass zukünftige Erkenntnisse über Primzahlen die bisher gebräuchlichen Methoden kompromittieren.
Harmonie der Primzahlen
Offensichtlich bedarf es eines großen Aufwands, die Riemann-Hypothese einem mathematischen Laien verständlich zu machen. Dazu muss man beispielsweise erklären, dass die Riemannsche Zeta-Funktion eine analytische Erweiterung der Eulerschen Zeta-Funktion in den komplexen Zahlenraum darstellt, was Ausführungen über Themen wie „analytische Erweiterung”, „Eulersche Zeta-Funktion”, „komplexer Zahlenraum” und einiges mehr erfordert. Da aber Primzahlen das eigentliche Thema sind, sollte man auch anfügen, dass die Zeta-Funktion überhaupt etwas mit Primzahlen zu tun hat. Dazu müsste man zumindest die Primzahlzerlegung der Zeta-Funktion vorführen, wofür allerdings, wenn diese Rechnung einen skeptischen Leser überzeugen soll, einige weitere Ausführungen über die Eigenschaften von Primzahlen, insbesondere über die Eindeutigkeit der Primzahlzerlegung erforderlich sind.
All dieses ließe sich wohl noch in Grundzügen für einen normalbegabten Leser verständlich machen. Bei du Sautoy findet sich jedoch nichts dergleichen. Selbst die wenigen Teilstücke, die sich ganz ohne Tiefsinn und Komplikationen erklären lassen, wie etwa die Idee der „imaginären Zahlen”, lässt du Sautoy lieber in einem metaphysischen Gewölk von Geniekult und Wahnsinn verschwinden. „Manche sagen,” schreibt du Sautoy, „allein dass er die Möglichkeit solcher Zahlen zulässt, unterscheidet den Mathematiker vom Rest der Welt. Es bedarf schon eines kreativen Sprungs, um in diesen Teil der mathematischen Welt vorzudringen. . . . Hier scheint der Schlüssel für die subatomare Welt des zwanzigsten Jahrhunderts zu liegen. Und man könnte sogar behaupten, dass unsere Flugzeuge kaum vom Boden abheben würden, wenn die Ingenieure nicht willens wären, eine Reise durch die Welt der imaginären Zahlen zu machen.”
„Die Musik der Primzahlen” behandelt eine weit größere Stoffmenge. Tatsächlich spannt du Sautoy einen Bogen von Euklid bis zu den aktuellen Erkenntnissen mathematischer Forschungsinstitute. Als Früchte ihres Scheiterns an der Riemann-Hypothese haben große Mathematiker sie in den vergangenen 150 Jahren mit allen möglichen entlegenen Theorien verknüpft, von der Informatik bis zuletzt gar der Quantenphysik. Ausgehend von der Riemann-Hypothese öffnet sich ein Ausblick in weite Bereiche der aktuellen mathematischen Forschung. Indem du Sautoy darüber schreibt, findet er noch reichlich Platz, die ungezählten Schrulligkeiten seiner Protagonisten zum Besten zu geben.
Du Sautoy versündigt sich an so ziemlich jedem Gebot für Sachbuchautoren; er schwelgt in missratener Metaphorik, sinnlosen Superlativen, abseitigen Anekdoten, inhaltsleeren Introspektionen. „Er zögerte nicht, in die entferntesten Bereiche des Abstrakten vorzustoßen”, heißt es über einen Mathematiker. Ein anderer „fühlte sich wie in einem Wurmloch, das ihn aus der abstrakten Welt der komplexen Funktionen in die Welt der Primzahlen führte”. Du Sautoy verwirrt seine Leser mit überflüssigen Synonymen; was völlig verständlich als „Nullstelle” vorgestellt wird, heißt im nächsten Satz plötzlich „Punkt auf Meereshöhe”. Die Mathematik, muss der Leser unweigerlich glauben, führt die Geschwätzigkeit zur höchsten Verfeinerung, macht aus Mystik eine Wissenschaft und besitzt mehr Heilige Grale als McDonald’s-Pappbecher.
Das Buch ist schlecht. Tatsächlich ist es so schlecht, dass es schon wieder gut ist. Wer je den Verführungen der Schundliteratur erlegen ist, ganze Nächte lang Krimis und billige Trivialromane verschlungen hat, wird von du Sautoy begeistert sein. Kaum hat der Leser aufgegeben, du Sautoy verstehen zu wollen, wird er von der Dramatik und Komik der Geschichte weggerissen, fiebert nach immer größeren Heldentaten und schlimmeren Abartigkeiten im Plot. Die Konkurrenz der Groschenromane übertrifft du Sautoy an Ideen- und Actionreichtum um Längen, wenngleich vielleicht nur deshalb, weil seine Erzählung als dramaturgische Ausschmückung einer in wesentlichen Teilen wahren Geschichte durchgehen darf. Und falls sein Buch dazu beiträgt, Hochachtung und Ehrfurcht vor der Kulturleistung der Mathematik, die jede ideelle und materielle Unterstützung durch die öffentliche Hand verdient hat, zu vergrößern, darf man es als eine erfreuliche Neuerscheinung ansehen.
ULRICH KÜHNE
MARCUS DU SAUTOY: Die Musik der Primzahlen. Auf den Spuren des größten Rätsels der Mathematik. Deutsch von Thomas Filk. C. H. Beck Verlag, München 2004. 399 Seiten, 23,23 Euro.
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