Marktplatzangebote
11 Angebote ab € 1,70 €
  • Gebundenes Buch

Sich mit körperlicher Liebe bezahlen zu lassen, ist die Geschäftsstrategie des Kaufmanns Karl Orsa. Die Frauen der hochverschuldeten Familie Prahl-Jani sind besonders hart davon betroffen, denn Karl Orsa kommt oft vorbei, um seine Forderungen einzutreiben - bis eines Tages ein Erdrutsch alle in den Tod reißt. Nur das Familienoberhaupt, Prahl-Jani selbst, überlebt das Unglück. Ein einfühlsamer Roman voll hintergründigem Humor, erzählt aus der Perspektive des Überlebenden.

Produktbeschreibung
Sich mit körperlicher Liebe bezahlen zu lassen, ist die Geschäftsstrategie des Kaufmanns Karl Orsa. Die Frauen der hochverschuldeten Familie Prahl-Jani sind besonders hart davon betroffen, denn Karl Orsa kommt oft vorbei, um seine Forderungen einzutreiben - bis eines Tages ein Erdrutsch alle in den Tod reißt. Nur das Familienoberhaupt, Prahl-Jani selbst, überlebt das Unglück. Ein einfühlsamer Roman voll hintergründigem Humor, erzählt aus der Perspektive des Überlebenden.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.01.2000

Literatur
Schwedenhappen
Möchten Sie von Torgny Lindgren
gefesselt werden?
Jedem, dem der altmodische Unterschied von Kunst und Kunstgewerbe, von Dichtung und Augenfutter noch akzeptabel scheint, sei die Lektüre des Romans „Der Weg der Schlange” von Herzen empfohlen. Das Buch des Schweden Torgny Lindgren (Jahrgang 1938) wurde nach Auskunft seines deutschen Verlags, Gustav Kiepenheuer in Leipzig, schon in mehrere Sprachen übersetzt. Vorher wäre es allerdings ratsam, uns über den Unterschied der Begriffe Kunst und Kunstgewerbe zu einigen. Mein Widersacher zum Beispiel könnte sagen: Es gibt ihn gar nicht, diesen Unterschied. Ich müsste leider entgegnen, dass ich ihn für unüberbrückbar halte. Zugegeben, das sind zwei radikale Standpunkte, aber schlechterdings nicht zu löschen.
So oder so. Ich bleibe entschieden dabei: Kunstgewerbe und Kunst schließen einander aus. Weil nämlich Kunst (um es frei nach Oscar Wilde zu sagen) sich durchaus als Selbstzweck versteht, während jedes Gewerbe, also auch das so genannte Kunstgewerbe, auf einen materiellen Ertrag hinausläuft. Nichts dagegen und nichts dafür. Aber so ist es nun einmal. Der seinem Gewerbe verpflichtete Romancier von Der Weg der Schlange” rechnet mit Lesern, die er für den Stoff, den er vorbringt, einnehmen kann. Mit dem Leser, der hier referiert, hat Lindgren Pech gehabt. Ich kann nichts dafür. Je mehr die Zahl der gelesenen Seiten anschwoll, desto langweiliger wurde es mir. – Und dennoch blieb ich dabei.
Summa: Ästhetische Mittel sind im „Weg der Schlange” bravourös eingesetzt worden für undelikate Erfolge. So funktionieren Gefängnismauern. Der Leser fühlt sich eingeschlossen, gefesselt. (Aus dem Schwedischen von Gisela Kosubek, 150 Seiten, 29,80 Mark)
K. H. KRAMBERG
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.04.2000

Was ist im Menschen?
Schulden muss man begleichen: Torgny Lindgrens Weg der Schlange

Der aus dem hohen Norden Schwedens stammende Torgny Lindgren ist einer der erfolgreichsten Schriftsteller seines Landes. Aufsehen erregte das prominente Mitglied der Schwedischen Akademie auch durch seine Konversion zur römisch-katholischen Kirche. Schon im Titel seines 1982 publizierten Romans "Der Weg der Schlange auf dem Fels" spielt Lindgren auf die Sprüche Salomons an. Ihre weisen Zahlensprüche erinnern an das Hiobbuch. Agur aus Massia bestaunt die großen Werke des Schöpfers, ohne sie deuten zu können. "Drei sind mir zu wundersam und vier verstehe ich nicht: des Adlers Weg am Himmel, der Schlange Weg auf dem Felsen, des Schiffes Weg mitten im Meer und des Mannes Weg beim Weibe." Leider hat man den schwedischen Originaltitel für die deutsche Übersetzung gekürzt. So drohen selbst bibelkundigen Lesern die Hiob-Bezüge verborgen zu bleiben. Lindgren geht es um Glaube und Lebensführung angesichts extremen Leidens.

Lindgrens Hiob heißt Johan Johannsson und wird von den Leuten Jani Großmaul genannt. Mit seinem Gott spricht er hochschwedisch, obwohl er zu den einfachen Leuten gehört. In seiner kargen nordschwedischen Heimat sind die Winter lang und die Sommermonate kalt. Nur durch ein bisschen Landwirtschaft, Beerensammeln im Walde, Holzfällen oder Arbeit im Sägewerk können die Menschen ihren Unterhalt verdienen. Janis Familie lebt beim Krämer Oll Karlsa und dessen Sohn Karl Orsa auf Kredit. Vater und Sohn repräsentieren das irrationale Böse, das Leben zerstört und furchtbares Leiden erzeugt. Indem sie den Leuten großmütig Kredit gewähren, verstricken sie sie in unentrinnbare Abhängigkeit.

Johans Großvater Alexis erhängt sich 1850 an einer Kiefer, nachdem er durch Unachtsamkeit Haus und Grund an Oll Karlsa verloren hatte. Der alte, fette und geile Kaufmann lässt sich Pacht und Zinsschuld nur durch Johans Mutter Tea entgelten. Brutal, hart und "ganz unnatürlich" muss ihm die neunzehnjährige Frau zu Diensten sein. Als sie ihm Eva gebiert, wachsen Armut und Schuld. Denn auch Karl Orsa gewährt später nur gegen perverse Liebe Kredit. Zwar scheint der Teufelskreis immer größerer Abhängigkeit durchbrochen, als Jakob ins Haus kommt und den Schuldzins mit Geld begleichen kann. Aber Jakob beginnt zu trinken und wird vom Kaufmann als Krimineller enttarnt, so dass Orsa erneut Tea ins Bett zwingen kann.

Verzweiflung, Seelenpein und Schuldgefühle prägen zunehmend auch Janis Leben. Vierzehnjährig muss er erleben, dass die Mutter, nach zwei Töchtern von Jakob, nun auch eine Tochter von Orsa zur Welt bringt. Als Gegengabe für eine Geige fordert der widerliche Blutsauger nun auch von der jungen Eva Liebesdienste. Bei der Totgeburt eines monströsen Jungen erleidet Eva einen qualvollen Tod. Um Anstand und Ordnung willen zwingt Orsa seine Magd Johanna zur Heirat mit Jani, lässt aber auch Johanna einen Zinsdienst im Bett entrichten. Erst nach vielen traumatischen Erfahrungen entschließt sich der verwirrte Jani zum Widerstand. Er sucht seine Frau zu schützen, indem er das Glied des Vergewaltigers verstümmelt. Doch wegen der Angst vor göttlicher Strafe ändert sich die Grundkonstellation von Ausbeutung und Abhängigkeit kaum.

Als Orsa mit Helfern erscheint, um die Familie zu vertreiben, greift Jani zum Gewehr. Er legt auf Orsa an, kommt aber nicht mehr zum Schuss, weil ein Erdrutsch alles verschüttet. Nur Johan überlebt und sitzt nun am Abgrund der Erdspalten, die durch das Beben aufgerissen wurden. Er hat den Boden unter den Füßen verloren. In seiner absoluten Verzweiflung und Ratlosigkeit fleht er zu Gott.

Die einfachen Leute von Kullmyrliden leben in archaischen Vorstellungswelten. Alle Lebensvollzüge deuten sie unmittelbar realistisch nach der Sprache der Bibel. Eine Färse benennen sie nach einer Tochter des Königs Salomon. Jakob, der aus dem wärmeren, wohlhabenderen Südschweden kommt, stellt sich als Einwanderer aus dem Lande Kanaan vor. Selbst Orsa kann die fälligen Zinsdienste, den Missbrauch der Frauen, nur mit Bibelzitaten einklagen. Auch dem Repräsentanten des Bösen stehen keine anderen Deutungsmuster zur Verfügung, um seine perversen Begierden auszudrücken. Ob Täter oder Opfer: Gefühle artikulieren sich nur in biblischen Bildern, und der Glaube an den sei's erlösenden, sei's zornig strafenden Schöpfergott bestimmt alle Lebensäußerungen.

Lindgren bedient sich einer faszinierenden literarischen Technik, um das Eigenrecht eines archaischen Väterglaubens in der Moderne zu erweisen. Janis Geschichte ist eingebettet in eine Rahmenerzählung, in der der Sekretär der Landwirtschaftskammer von einer wissenschaftlichen Expedition an den Ort berichtet, wo sich in den siebziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts eine "mindere Naturkatastrophe" ereignet habe. Geologische Indizien sprächen für einen Bergrutsch, aber den "Bewohnern jener gottverlassenen Gegend dünke, dass Gottes Erschaffung und Umgestaltung der Welt unablässig fortfahre". Der Wissenschaft fehlt jedwede Sensibilität für die existenziellen Dimensionen eines Geschehens. Sie nimmt nur äußere, sichtbare Spuren wahr.

Dem knappen akademischen Reisebericht lässt Lindgren ein einziges langes Gebet Janis folgen. Am Rande des Abgrunds bringt Jani sein Leben vor Gott, indem er sich selbst als einen Hiob erfindet. In den chaotischen Strom der Erinnerungen an Kindheit und Jugend sind assoziativ Bibelverse und Kirchenlieder eingeblendet, in denen Jani die verzweifelte, immer neu enttäuschte Hoffnung auf ein direktes Eingreifen Gottes bekundet. Seine Gefühlslagen schwanken zwischen dankbarer Ergebung in den unbegreifbaren göttlichen Ratschluss, harter Anklage gegen Gott und hilfloser Suche nach einem Sinn der biblischen Rede von Schuld und Gericht, Heil und Erlösung. Nur in der Sprache des Glaubens kann er seine furchtbaren Erlebnisse ausdrücken. Im anamnetischen Prozess des Betens lösen sich die eindeutigen Unterschiede von Gut und Böse auf, und Jani beginnt die Innenwelt des Menschen als eine Wirklichkeit zu entdecken, die sich objektivierender Deutung entzieht. "Denn welcher Mensch weiß, was im Menschen ist?"

Betend führt Lindgrens Jani den Leser in die Welt der schwedischen Erweckungsbewegung. Harmonium und Branntwein, Bibel und Schuldbuch, Credo und Kredit bilden die Grundelemente einer prekären Ordnung. Fordernder Natur korrespondiert chaotische Innenwelt. Desto höher ist der Bedarf an Ordnung. Penibel notiert der Kaufmann alle Schulden in einem Kalender, und auch sexuelle Tilgungszahlungen werden eingetragen. Selbst Gott halte die Schulden der Menschen und mögliche Ausgleichszahlungen in einem Buch des Lebens fest.

So arbeitet sich Jani in seiner Erinnerung ein Leben lang nur an einer einzigen Frage ab: ob dem irrationalen Gang der Geschichte oder dem Wahn des Lebens irgendeine höhere Ordnung zugrunde liegt. Erst am Abgrund erschließt sich ihm die Einsicht, dass er eine gültige Antwort nur im Angesicht Gottes finden kann. Dann lässt sich auch der Weg der Schlange auf dem Felsen verstehen. In der Welt der diesseitigen Kredite muss man seine Schulden pünktlich begleichen.

FRIEDRICH WILHELM GRAF.

Torgny Lindgren: "Der Weg der Schlange". Roman. Aus den Schwedischen von Gisela Kosubek. Verlag Gustav Kiepenheuer, Leipzig 1999, 150 S., geb., 34,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"In einer Kritik, die sich vielleicht ein bisschen zu sehr in Nacherzählung verzettelt, zeigt sich Friedrich Wilhelm Graf beeindruckt von der archaischen Wucht dieses im finsteren Nordschweden spielenden Romans. Plastisch schildert er die Figur des "alten, fetten und geilen Kaufmanns", der hier in einem verlorenen Dorf im 19. Jahrhundert die armen Leute durch Kredite zu finanzieller und sexueller Abhängigkeit erpresst. Graf zeichnet nach, wie alle Figruen, auch der Kaufmann, dabei ausschließlich in biblischen Bildern zu denken vermögen, und er weist zum besseren Verständnis der Leser darauf hin, dass Lindgren (der diesen Roman im Original 1982 veröffentlichte) in Schweden durch seinen Übertritt zum Katholizismus Aufsehen erregte.

© Perlentaucher Medien GmbH"