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In äußerster Verdichtung verknüpft Peter Adolphsen die Geschichte der Erde mit dem Aufeinandertreffen zweier Menschen an einem Sommertag im Jahr 1973 in Austin, Texas. Geschult an Borges und Cortßzar, ausgerüstet mit Ironie und Scharfsinn, präsentiert der originellste Schriftsteller der jüngeren Generation aus Dänemark eine aberwitzige und zugleich zwingende Abfolge von Materie, Energie und dem Zufall, aus dem unser Leben besteht.

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Produktbeschreibung
In äußerster Verdichtung verknüpft Peter Adolphsen die Geschichte der Erde mit dem Aufeinandertreffen zweier Menschen an einem Sommertag im Jahr 1973 in Austin, Texas. Geschult an Borges und Cortßzar, ausgerüstet mit Ironie und Scharfsinn, präsentiert der originellste Schriftsteller der jüngeren Generation aus Dänemark eine aberwitzige und zugleich zwingende Abfolge von Materie, Energie und dem Zufall, aus dem unser Leben besteht.
Autorenporträt
Peter Adolphsen, geboren 1972 in Århus, studierte unter anderem arabische Philologie in Cordoba. 2006 wurde er von der Akademie der Künste Berlin mit einem Stipendium ausgezeichnet. 2005 erschien bei Nagel & Kimche seine Erzählung Brummstein.

Peter Adolphsen, geboren 1972 in Århus, studierte unter anderem arabische Philologie in Cordoba. 2006 wurde er von der Akademie der Künste Berlin mit einem Stipendium ausgezeichnet.

Hanns Grössel, geb. 1932 in Leipzig, ist in Kopenhagen aufgewachsen. In Göttingen und Paris hat er Altphilologie, Germanistik, Romanistik und Philosophie studiert und 1960 das Studium mit seiner Arbeit über Clemens Brentano abgeschlossen. Bis 1966 war er als Lektor in den Verlagen S. Fischer und Rowohlt tätig, bis 1997 als Redakteur für Literatur beim Hörfunk des WDR. Er lebt in Köln und arbeitet als Übersetzer, Herausgeber und Kritiker dänischer, französischer und schwedischer Literatur.
Grössel wurde mit zahlreichen Übersetzerpreisen ausgezeichnet, u. a. im Jahr 2010 mit dem Hauptpreis des Europäischen Übersetzerpreises der Stadt Offenburg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.08.2008

Pferdestärken

23. Juni 1975. In Austin, Texas, explodiert ein Tropfen Benzin in einem Automotor. Der Ursprung liegt jedoch weit entfernt. Alles begann mit einem kleinen Urpferd namens Eohippus, Morgenrotpferd, einem Foxterrier nicht unähnlich. Es stirbt unter unglücklichen Umständen im jüngeren Eozän. Wie in einer Magensonde verfolgt der Leser von Peter Adolphsens Erzählung die unsichtbaren Linien dazwischen, taucht ein in die ewige Transformation von Organismus und Materie. Es ist eine Vermessung von Raum und Zeit, die hier vorgenommen wird, vom Urknall bis zum Krebstod von Clarissa Sanders, Biologielaborantin in Austin, die den im Verbrennungsprozess befindlichen Tropfen dreißig Jahre zuvor eingeatmet hatte. Der Zufall tobt durch die Weltgeschichte. Zuvor hatte er den fünfundzwanzig Jahre alten Jimmy Nash, ehemals Dschamolidin Hasanov, den rechten Arm gekostet. Naturwissenschaftliche Fachsprache, durchbrochen von schwarzem Humor und magischen Momenten, macht den originellen Stil Peter Adolphsens aus. Ein einfacher Tropfen Benzin genügt ihm, um Weltzeitalter zu durchlaufen, politische Systeme gegeneinanderzustellen, individuelle Schicksale zu zeichnen und über den Tod zu philosophieren. Den gibt es zwar, "aber nur in praktischem, makroskopischem Sinn. Biologisch betrachtet, lässt sich zwischen lebendig und tot nicht unterscheiden; der Übergang ist ein Kontinuum." Und so taucht am Ende auch das kleine Urpferd wieder auf. Es erscheint als Totemtier und erzählt die Geschichte seines Herzens, das zu einem Tropfen Benzin gerinnt. (Peter Adolphsen: "Das Herz des Urpferds". Nagel & Kimche Verlag, München 2008. 112 S., geb., 12,90 [Euro].) mith

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.02.2009

Der Blitz, die Herde und der Tod
Wenn die Erdkruste aufreißt: Peter Adolphsens wunderbarer schmaler Roman „Das Herz des Urpferds”
Vor gut zwei Jahren empfahl der Literaturkritiker Lars Bukdahl den Verlagen der Gyldendal-Gruppe, sie sollten anstandshalber jedem Exemplar von Peter Høegs „unheimlich schlechtem neuen dicken” Roman „Das stille Mädchen” ein Exemplar von Peter Adolphsens „unglaublich feinem neuen kleinen” Roman „Machine” beifügen, um den Høeg-Käufern eine Ahnung von Erzählkunst zu vermitteln. Inzwischen hat Hanns Grössel das große kleine Buch von Adolphsen in eine leuchtend klare, den Wissensphantasien des Autors wunderbar dienliche Prosa übersetzt.
Mit dem Titel des Originals, „Machine”, huldigt der 36-jährige Däne, den man getrost einen aufsteigenden Stern der europäischen Erzählliteratur nennen darf, dem Franzosen Georges Perec, aus dessen erzählerischer Wunderkammer das mit seinem Übersetzer Eugen Helmlé verfasste Hörspiel „Die Maschine” stammt. Allgegenwärtig ist der poetische Kosmologe, Mathematiker und Sprachspieler Raymond Queneau, von dem der Ausspruch stammt, bedeutende Erzählungen seien entweder eine Ilias oder eine Odyssee. Adolphsens bevorzugtes Erzählmodell ist die Odyssee, die seiner Poetik der Kontingenz als Passform dient. „Brummstein”, sein vor drei Jahren erschienenes Debüt, war die furios erzählte Geschichte vom Zusammenstoß urzeitlich steinerner Materie mit der deutschen Geschichtskatastrophe des 20. Jahrhunderts.
Das Spiel der Materie in Raum und Zeit führt auch in „Das Herz des Urpferds” eine Serie von Ereignissen herbei, deren Zufälligkeit dafür sorgt, dass nicht die verbindenden Fäden der Fabel verknüpft werden, sondern die auseinanderlaufenden. Das Buch entfaltet auf 105 schmalen Seiten ein Erzählpanorama, das Naturgeschichte und menschliche Lebenswelt zu einer erzählerischen Parallelaktion verflicht. Aus 1,6 Milliarden Erdjahren schneidet Adolphsen die 55 Millionen Jahre aus, während derer das Herz eines im jüngeren Eozän ertrunkenen kleinen Urpferds am Grunde eines Sees im Erdinnern ruht und sich unter dem Druck langwieriger tektonischer Verwerfungen in sanften Transformationsprozessen der Materie zu einem Öltropfen verflüssigt.
Der Erzählung vom Leben und Sterben des Tiers wohnt der Zauber und der Schrecken guter Kinderbücher inne. Die wenigen Stunden des Pferdelebens, die der Erzähler verfolgt, sind heimgesucht von panischer Angst vor Krokodilen, Raubvögeln und Gewittern. Ein Blitz schlägt die Herde in die Flucht und kostet die kleine Stute das Leben, weil sie vor dem Sprung über einen zum Strom angeschwollenen Bach den Bruchteil einer Sekunde zögert. Aber im Licht naturwissenschaftlichen Wissens löst sich der Gewaltakt Tod in der Metamorphose auf.
Die Zähmung des Zufalls
Die poetische Entdeckung der naturwissenschaftlichen Sprache ist nicht Adolphsens Verdienst; aber kein Autor vor ihm hat ihre phantastische Erschließungs- und Mitteilungsfähigkeit, die Schönheit der Begriffe, ihre Genauigkeit und Weite im Zugriff auf die Wirklichkeit so konsequent genutzt. Der friedliche Teil des Pferdeschicksals endet, als der Öltropfen gewaltsam aus seinem Gleichgewichtszustand im geschlossenen System der Erdkruste gerissen wird. Als er am 9. Mai 1973 auf der Bohrstation Walker Hollow, Bundesstaat Utah, durch eine Rohrleitung zur Raffinerie nach Salt Lake City rast, bricht die stützende Stahltrosse und reißt dem Ölarbeiter Jimmy Nash den Unterarm mit solcher Gewalt ab, dass der Stumpf in einem blutigen Regen zu Boden saust.
Das Unglück setzt sich am Abend des 23. Juni 1975 fort, als der Benzintropfen in Austin/Texas explodiert. In demselben Sekundenbruchteil wird einer an der Windschutzscheibe eines kleinen Ford gefangenen Kotfliege der Hinterleib durch den Kopf gejagt und das Liebespaar hinter der Scheibe auseinandergerissen. Der synchrone Schmerz- und Verzweiflungsanfall, der Jimmy Nash und die Biologiestudentin Clarissa Sanders heimsucht, hebt die Symbiose des Paares auf. Ihren Liebesroman hat der Erzähler in dasselbe abendliche Licht getaucht wie das Sterben der kleinen Stute, mit demselben Vogel als Angstbild.
Adolphsens Sprache der Liebe ist von archaischer Simplizität und wohltuend diskret. Das Glück Clarissas und Jimmys ist wortlos, eine Harmonie äußerer und innerer Bewegungen. Die Sätze verwandeln sich in einen interpunktionslosen Wörterstrom, der das atemlose Glück und die paradiesische Zeitlosigkeit des mit LSD gedehnten Augenblicks spiegelt. Ihre Gedanken führt er synchron aus, sie seine. Sie denkt, was er sagt.
Er nimmt die Frage auf, die sie ihm wortlos gestellt hat. Das Fahrzeug steuern sie gemeinsam. Clarissa bewegt den Gangknüppel, Jimmy lenkt. Als er auf der Suche nach Proviant seinen Rucksack auspackt, erzählen ihr die ausgebreiteten Gegenstände die Geschichte seines Lebens, die geradewegs auf ihrer beider Begegnung zusteuerte: der Aufbruch des jungen fernsüchtigen Kumyken aus Baku nach Amerika, die Ödnis seines Alltags als Bohrarbeiter, seine Fluchtversuche in die Literatur nach der Entdeckung der Gedichte Emily Dickinsons und, als ihn eines Nachts Lewis Carrolls sprechendes Kaninchen im Traum die Leviten liest, die Taufe Dschamolidin Hasanovs, der sich fortan Jimmy Nash nennt.
Die schöne Lektüreszene verknüpft die Geschichte Jimmys mit der Clarissas und trennt sie 24 Stunden später, als der explodierte Benzintropfen als Rußteilchen in Clarissas Bronchien eindringt. Das Karzinogen Benzapren bohrt sich in eine Epitelzelle und verhindert den Tod der Zelle durch Verwandlung in eine Krebszelle. Dreißig Jahre später wird Clarissa vom Erzähler des Romans, der ihr Wohnungsnachbar ist, ins Krankenhaus chauffiert. Im Licht der Odyssee der Materie schwindet das menschliche Leben zur Episode.
Die Zähmung des Zufalls gelingt erst der ordnenden Kraft des unbeteiligten Erzählers. Die Bauform der Erzählung, deren Zufallsserie er mit auffälligem erzählerischen Aufwand konstruiert, betont den additiven, zugleich homogenen Charakter der Unglücksfälle und ihre statistisch konstante Verteilung auf das tierische und die beiden menschlichen Schicksale. Dem Zufall wird im Erzählen sein chaotischer, unerklärlicher Charakter genommen. Als Ursache von Gesetzmäßigkeiten verwandelt er sich in einen Mitspieler, ja möglicherweise in den Schöpfer des Kunstwerks Evolution. Die poetische Zufallsforschung, die Peter Adolphsen betreibt, bezaubert durch ihre phantastische Sachlichkeit, zurückhaltende Empfindsamkeit und ihren Witz.SIBYLLE CRAMER
PETER ADOLPHSEN: Das Herz des Urpferds. Aus dem Dänischen übersetzt von Hanns Grössel. Verlag Nagel & Kimche, Zürich 2008. 110 Seiten, 12, 90 Euro
Aufgehender Stern: Der dänische Schriftsteller Peter Adolphsen Foto: MacAdam/Cage Publishing Inc.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Peter Urban-Halle ist sehr beeindruckt, wie es Peter Adolphsen gelingt, über 50 Millionen Jahre auf gerade mal 110 Seiten zu durchschreiten. Der dänische Autor erzählt von der biologischen Verwandlung eines ertrunkenen Urpferds in einen Tropfen Öl, der sich 55 Millionen Jahre später als Krebs auslösende Substanz für eine gewisse Clarissa Sanders erweisen soll. Beschrieben wird das in linearen und nichtlinearen "Verwandlungsketten", die Urban-Halle nicht nur an die Chaos-Theorie denken lassen, sondern ihn an Werke von Rene Belletto, Georges Perec oder Inger Christensen erinnern. Keiner arbeitet so "begeistert und schöpferisch" mit der "Sprache der Wissenschaft", schwärmt der Rezensent, der sich am Ende was die "Freiheit und Schrankenlosigkeit" angeht, gar zu einem Vergleich mit James Joyces "Ulysses" herausgefordert sieht, der bekanntlich für einen einzigen Tag einen 1000-Seiten-Wälzer benötigte.

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