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Ein Leben wie ein Roman, voller Hoffnungen und Träume. Ruhm, Geld und Liebe, all das schien für Balzac immer in Reichweite zu sein, blieb ihm aber doch zeitlebens verwehrt. Der ausgewiesene Biograph Johannes Willms schildert mit Verve, was Balzac umtrieb, im Leben wie in der Kunst.

Produktbeschreibung
Ein Leben wie ein Roman, voller Hoffnungen und Träume. Ruhm, Geld und Liebe, all das schien für Balzac immer in Reichweite zu sein, blieb ihm aber doch zeitlebens verwehrt. Der ausgewiesene Biograph Johannes Willms schildert mit Verve, was Balzac umtrieb, im Leben wie in der Kunst.
Autorenporträt
Johannes Willms, Jahrgang 1948, war Historiker und Journalist. Er leitete die Redaktion ¿aspekte¿ beim ZDF und war Feuilletonchef der ¿Süddeutschen Zeitung¿, für die er später als Kulturkorrespondent aus Paris berichtete. Er hatte zahlreiche Werke zur deutschen und französischen Geschichte vorgelegt, zuletzt ¿Der Mythos Napoleon. Verheißung, Verbannung, Verklärung¿. Johannes Willms galt als 'fraglos einer der anregendsten historischen Publizisten dieser Republik' (Volker Ullrich/Die Zeit, Hamburg). Er ist am 12. Juli 2022 in München gestorben.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.12.2007

Verschuldeter Optimist
Von SZ-Autoren: Johannes Willms porträtiert Honoré de Balzac
Ein Mann wie ein Vulkan, der Tag und Nacht Literatur ausspie und ein Romangebirge aus sich heraus schrieb, dem er den provozierenden Obertitel „Comédie Humaine” gab, in der weit über tausend Figuren lebendig werden dank Balzacs brennender Phantasie. Dabei wollte dieser Honoré de Balzac vor allem ein Leben in Reichtum und Genuss führen. Danach strebte er mit all seinen häufig an Dilettantismus, überzogenen Spekulationen oder unerfüllbaren Wunschvorstellungen scheiternden Unternehmungen.
Johannes Willms erzählt eindringlich den Lebensroman dieses von geradezu selbstzerstörerischer Schreibwut besessenen Genies, berichtet von seiner unheilbaren Sucht nach dem Luxus von Mahagonimöbeln, edlen Spazierstöcken und gelben Glacéhandschuhen und seiner dafür notwendigen Meisterschaft im Schuldenmachen. Willms porträtiert schließlich Balzac als aberwitzigen Optimisten, der, trotz verheerender Rückschläge kurz vor seinem Ende doch noch gleichsam die Prinzessin zur Frau bekommt in Gestalt der polnischen Gräfin Eveline Hanska und seine Hoffnung auf Reichtum durch Heirat erfüllt sieht. SZ
JOHANNES WILLMS: Balzac. Eine Biographie. Diogenes Verlag, Zürich 2007. 368 Seiten, 24, 90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.10.2007

Der Imaginationsweltmeister

Die Verschwörung der 91 Romane: Johannes Willms beschreibt das Leben des Honoré de Balzac, dessen größte Hits jetzt auch wieder aufgelegt werden. Eine Begeisterung

Honoré de Balzac ist erstens ein Skandal und zweitens ein Rätsel - und wer sich mit Balzacs Werk, mit Balzacs Leben oder mit beidem zugleich befasst, kann eigentlich gar nicht anders, als sich immer wieder die folgenden Fragen zu stellen: Wie kommt es, dass ein so dummer Mensch so ein kluges Werk schaffen konnte? Woher nahm Balzac, dem man ja, je genauer man ihn kennenlernt, nicht nur materielle Armut bescheinigen möchte, die Ressourcen für ein so schwerreiches Werk? Und wie gelang es diesem Schriftsteller, der sich, außer für Sex, anscheinend nur für Geld interessierte und für das, was man für Geld bekommt; und der, selbst wenn er sich verliebte, was er oft, heftig und, wie er wohl selber fand, mit großer Unabweisbarkeit tat, von kaum einem weiblichen Reiz so sehr erregt wurde wie von einem schönen, runden Vermögen, das ihn, wie er nicht aufhörte zu hoffen, endlich retten würde - wie kam es, dass dieser Mann eine Prosa schrieb, welche, um es mal altmodisch zu benennen, eigentlich immer eine Tiefe hat und manchmal eine Bodenlosigkeit?

Denn die Karriere des Schriftstellers Balzac lässt sich auch so beschreiben, dass er mit circa 50 000 Francs Schulden anfing, und in seinen besten Jahren waren es mehr als 200 000, Summen, die man in heutige Währungen nicht so einfach konvertieren kann, weil, einerseits, ein bescheidener Mensch von 1000 Francs ein Jahr lang leben konnte; und andererseits musste man mindestens die doppelte Summe einmal pro Saison in seine Garderobe investieren, wenn man von den Marquisen und Herzoginnen, der Comtesse Guidoboni-Visconti, der Gräfin Hanska oder der Duchesse d'Abrantès, deren Schlafzimmer und Mitgift es zu erobern galt, überhaupt empfangen werden wollte. Eine zynische Sicht aufs Schuldenmachen besagt, dass es von einer bestimmten Summe an egal sei, ob davor ein Plus- oder ein Minuszeichen stehe, und tatsächlich ist der notorisch bankrotte Monsieur de Balzac in der eigenen Kutsche durch Europa gefahren, hat Diener, Köche, Haushälterinnen beschäftigt, besaß in jeder Lebenslage ausreichende Mengen der geliebten gelben Glacéhandschuhe, und enorme Summen verpulverte er für das, was er für ein standesgemäßes Mobiliar hielt (die Zeitgenossen bescheinigten ihm einen fürchterlichen Geschmack). Aber die großen Linien seines Lebens sind doch vor allem Fluchtlinien; wenn er gerade nicht schrieb oder liebte, war er vor allem damit beschäftigt, immer neue Verstecke zu finden, weil er, dicht hinter sich, die Gläubiger spürte.

Johannes Willms, der diese Linien zeichnet, in einer Biographie, deren nüchterne Ironie und Faktenstrenge ein ganz gutes Gegengift sind zu Stefan Zweigs hitzig geschriebener Balzac-Phantasie; Johannes Willms, wenn er, weil das eben die Fakten sind, mal wieder beschreiben muss, wie Balzac sich mit dem Kauf einer Zeitung oder einer Immobilie, der Gründung einer Druckerei oder auch dem völlig irren Plan, tropische Früchte in Frankreich zu züchten, total verspekulierte und ruinierte, unterbricht immer wieder den eigenen Text und fragt sich selber und die Literaturgeschichte, warum dieser Balzac sich nicht den Rat einer seiner Figuren geholt habe, des unermesslich reichen Barons Nucingen oder des klugen Karrieristen Eugène de Rastignac. Balzac hat in seinem Leben all die Fehler gemacht, die er bei seinen Romanfiguren, bei Lucien de Rubempré oder César Birotteau, so kalt sezierte.

Wobei es auf die Frage, woher Balzac diese Leute überhaupt kannte, die 2000 Figuren der "Menschlichen Komödie", zwei scheinbar widersprüchliche Antworten gibt. Linke Balzac-Verehrer wie konservative Balzac-Verächter haben den Autor wie einen Reporter gelesen - und die "Menschliche Komödie" als das Porträt und die Analyse der Epoche: des sich entfesselnden Kapitalismus im Frankreich der Restauration und des Julikönigtums, nebst einigen sehr anschaulichen Belegen dafür, wie heftig die Gegensätze zwischen altem Adel, aufstrebendem Bürgertum und geknechtetem Proletariat in Balzacs Paris (und in Balzacs Prosa) aufeinanderkrachten.

Balzac-Schwärmer haben in den Romanen eher die schönen Seelen und die starken Leidenschaften geliebt und den Autor als Schöpfer und Genie verehrt, als den Künstler mit der reichsten Phantasie und der größten Kraft des ganzen 19. Jahrhunderts. Johannes Willms, dessen Text weitgehend frei von Spekulation ist, suggeriert aber trotzdem, dass wohl beides stimmt. Für den jungen Balzac, der seine Schulzeit in Internaten verbrachte, wo er keine Freunde und kaum Ablenkung fand, war die Imagination wohl der einzige Trost, die einzig mögliche Flucht, und so wurde schon der halbwüchsige Honoré zum Imaginationsweltmeister. Und der erwachsene Balzac, der erst die materielle Not seiner Helden Rubempré oder Rastignac selber erlebt hatte, mitsamt der elenden Dachkammer im Quartier Latin, der Sehnsucht nach den unerreichbaren Schönen und dem Neid auf die eleganten Männer, Balzac, der, als seine Ansprüche stiegen, schnell lernte, jede menschliche Beziehung als Geschäftsbeziehung zu begreifen, förderte den Rohstoff der Empirie mit größerem Erfolg als alle anderen zutage, und er entwickelte dabei jenen sozialen Röntgenblick, der ein idealistisch oder romantisch gestimmtes deutsches Publikum immer auch verstört hat, weil die starken Triebe, welche Balzacs Menschen in Bewegung bringen, so furchtbar unromantisch sind.

Ja, die "Menschliche Komödie", diese 91 Romane sind eine gewaltige Schöpfung und ein Konkurrenzprodukt zu jener Wirklichkeit, der sie doch zugleich bestürzend ähnlich sind - mit dem Unterschied, dass der gejagte und gehetzte Balzac, der Bürger mit dem angemaßten Adelstitel, der von der Marquise de Castries genauso zurückgewiesen wurde wie von der Académie française, darin der absolute Herrscher ist. Dass diese Prosa häufig so viel klüger klingt, als ihr Autor handelte, das mag zum einen an den Bedingungen liegen, unter welchen der Schnell- und Vielschreiber Balzac arbeitete. Der Ausstoß musste riesig sein, und da half es, wenn der Autor alle Schleusen des Bewusstseins öffnete; wenn Balzac schrieb, dann schrieb nicht nur seine Lust mit, sondern auch sein Portemonnaie; und das Rauschgift Coffein, von dem sich Balzac beinahe jede Nacht eine Überdosis gab, sorgt ja auch für Exzesse der Wachheit und Nervosität, welche der Drogennutzer kaum noch kontrollieren kann. Man kann es vielleicht auch so beschreiben: Bei der Lektüre dieser Prosa, die so häufig ganz anders zum Leser spricht, als deren Autor, der scharfe Royalist und Legitimist Balzac, zu denken glaubt, spürt man eben auch Balzacs Modernität - die Entdeckung, dass so ein Ich nicht unbedingt der Herr im Haus der eigenen Gedanken und Empfindungen ist, sprach sich ja erst vierzig, fünfzig Jahre nach Balzacs Tod (der Dichter lebte von 1799 bis 1850) allgemein herum.

Es war Adorno, der, in seinen "Noten zur Literatur", der "Menschlichen Komödie" auch paranoide Züge zuschrieb - Balzacs Methode, seine Romanfiguren nicht aus den Augen zu verlieren und die Hauptfigur eines Buchs zur Nebenfigur des nächsten zu machen, suggeriere einen Verschwörungszusammenhang. Und vermutlich ist das ja eine der Ursachen dafür, dass man auch heute noch, wenn man die "Verlorenen Illusionen" erst mal angefangen hat, womöglich nach einer halben Stunde die Lektüre unterbricht - und bemerkt, dass drei Stunden vergangen sind. Zur Zeit von Balzacs Jugend war der Roman so angesehen, wie es heute Actionfilme und Computerspiele sind; die Gattung war populär und galt als trivial in Frankreich, wo Walter Scott erst in den frühen Zwanzigern in Mode kam. Und auch wenn man heute Balzac liest, bekommt man noch eine gewisse Ahnung davon, warum Romane damals jugendgefährdende Schriften waren.

Johannes Willms' Biographie ist knapp, genau und - darin als erste ihrem Gegenstand angemessen - sehr unverklemmt; aber weil Willms den Dichter nicht idealisiert, sondern als das Ungeheuer schildert, das Balzac wohl wirklich war, muss Willms' Buch das Interesse für Balzac und die Liebe zum Werk eher voraussetzen, als dass es sie erst hervorrufen könnte - und insofern ist es natürlich schön und richtig, dass der Diogenes-Verlag in diesem Herbst auch eine achtbändige Greatest-Hits-Ausgabe herausbringt, und traurig ist es, dass, wie der Verleger in der Verlagsankündigung bekennt, eine gebundene Gesamtausgabe der "Menschlichen Komödie" auf dem deutschsprachigen Markt keine Chance hätte. Und noch trauriger ist es, dass, seitdem die Goldmann-Gesamtausgabe vergriffen ist, man nirgendwo mehr ein Verzeichnis der Personen findet, welches, zum Beispiel, dem Leser der "Verlorenen Illusionen" verriete, dass dieser Rastignac, der da im Hintergrund agiert, im "Vater Goriot" die Hauptrolle spielt.

Überhaupt, die "Verlorenen Illusionen", dieser Dichter-, Journalisten- und Liebesroman, der davon erzählt, dass es keinen Wert gibt in der geistigen Welt, der sich nicht in Francs bemessen ließe, und der doch zugleich so eindrucksvoll zeugt von Balzacs Wunsch, dass menschliche und künstlerische Integrität trotz allem möglich seien, dieser Roman taugt wunderbar als Einstiegsdroge und ist zugleich ein wirksames Gegengift gegen die allseits grassierende Deutschtümelei in der Literatur: Der Höhepunkt des Romans, das ist die Nacht, in welcher der junge und sehr ehrgeizige Dichter Lucien seine Seele jenen Teufeln verkauft, die hier Verleger und Journalisten heißen, die Nacht, die besinnlich mit einem Spaziergang im Jardin du Luxembourg beginnt und im Pandämonium der Literaten im Palais Royal so richtig in Schwung kommt; nach der Theaterpremiere, die Lucien rezensieren soll, gibt es noch eine Orgie in der Wohnung der Schauspielerin, und im Morgengrauen liegt Lucien im Bett mit einer der schönsten Frauen von Paris, glaubt, er habe sein Glück gemacht und gefunden, und sieht nicht, dass er fast schon verloren ist - und das alles hat so viel Welt und Wucht und ist so hochkomplex und zugleich so elegant komponiert, dass daneben alle Höllenfahrten und Walpurgisnächte der deutschen Klassik so harmlos aussehen wie Kirchweihfeste in der sächsisch-weimarschen Provinz.

Und die Theaterkritik, mit der Lucien ganz Paris für sich erobert, die hat Balzac tatsächlich geschrieben; man könnte sie, wenn es nur das Stück dazu gäbe, heute drucken - es wäre der modernste Text in diesem Feuilleton.

CLAUDIUS SEIDL

Johannes Willms: "Balzac". Diogenes, 368 Seiten, 24,90 Euro

Die achtbändige Balzac-Ausgabe erscheint im November und kostet 99 Euro.

Und Wolfgang Pohrts kluger Essay "Balzac - Der Agent der Unzufriedenheit" ist in der Edition Tiamat noch immer lieferbar, sehr empfehlenswert und kostet neun Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Höchst zufrieden zeigt sich Claudius Seidl in der FAZ am Sonntag mit dieser Balzac-Biografie, von Johannes Willms. Er lobt die Darstellung des umtriebigen Schriftstellers, der zeitlebens vor seinen Gläubigern auf der Flucht war, als präzis, knapp, unbefangen und frei von Spekulationen und Idealisierungen. So entdeckt er etwa, dass Balzac selbst viele Fehler aufwies, die er bei seinen zahllosen Romanfiguren kühl analysierte. Vor allem aber nutzt Seidl seine Besprechung, um für die Lektüre von Balzacs umfangreiches Romanwerk "Die Menschliche Komödie" zu werben, das ihn immer wieder mit seiner Modernität, Wucht, Welthaftigkeit, Komplexität, Phantasie und Eleganz in einen wahren Sturm der Begeisterung versetzt.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Johannes Willms ist einer unserer besten Kenner französischer Geschichte und Kultur.« Manfred Schwarz / Welt am Sonntag Welt am Sonntag