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Sich als fremder Körper erfahren in einem neuen Land und zugleich einen Fremdkörper entdecken im eigenen Leib. In Verena Stefans neuem Roman überkreuzen und ergänzen sich die beiden Grunderfahrungen Krankheit und Immigration in sehr persönlicher und poetischer Weise. In einem faszinierenden Erzählreigen entrollt die Autorin die Geschichte ihrer Herkunft und ihrer Ankunft in Kanada. Inmitten der mühsam-beglückenden Erfahrung des Ankommens tritt die Erfahrung des geschwächten Körpers auf. Doch ist da auch die Liebe, die die Neugier und Sehnsucht auf und nach dem Leben stillt. Eine feinsinnige…mehr

Produktbeschreibung
Sich als fremder Körper erfahren in einem neuen Land und zugleich einen Fremdkörper entdecken im eigenen Leib. In Verena Stefans neuem Roman überkreuzen und ergänzen sich die beiden Grunderfahrungen Krankheit und Immigration in sehr persönlicher und poetischer Weise. In einem faszinierenden Erzählreigen entrollt die Autorin die Geschichte ihrer Herkunft und ihrer Ankunft in Kanada. Inmitten der mühsam-beglückenden Erfahrung des Ankommens tritt die Erfahrung des geschwächten Körpers auf. Doch ist da auch die Liebe, die die Neugier und Sehnsucht auf und nach dem Leben stillt. Eine feinsinnige Beobachterin, die für alle Überraschungen am Wegrand kritisch offen ist, findet poetische Metaphern für ein Leben, das nicht nur gradlinig verläuft. Dezidiert setzt sie ihre unmittelbaren Innen- und Außenerfahrungen um in Vitalität, Standhaftigkeit, Gedankenstärke und Gestaltungswillen.
Autorenporträt
Verena Stefan, geboren 1947 in Bern, arbeitete als Schriftstellerin, Übersetzerin und Dozentin für kreatives Schreiben viele Jahre in Berlin und (West-)Deutschland. Mit dem Prosaband Häutungen gelang ihr 1975 der literarische Durchbruch. Es folgten u.a. Es ist reich gewesen (1993) und Rauh, wild und frei. Mädchengestalten in der Literatur (1997). Häutungen ist ein in viele Sprachen übersetzter Bestseller feministischer Literatur geworden. Seit 2000 lebt die Autorin in Montreal.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.02.2008

Die Farbe der Knochen
Assimilation, physisch: Verena Stefans Roman „Fremdschläfer”
Als „Fremdschläfer” bezeichne die Schweizer Bürokratensprache „Asylanten, die an einem anderen Schlafplatz als dem offiziell zugewiesenen angetroffen werden”. So erklärt Verena Stefan den Titel ihres jüngsten Buches, das sie ausdrücklich als Roman bezeichnet. 1947 in Bern geboren und 2000 ins frankokanadische Montreal verzogen, lässt sie ihre Erzählerin vom Leben und Schlafen in der Fremde berichten und vom Erwachen eines fremden Lebens in ihr: Eine Delle in der vom Schwimmen im kalten Wasser gespannten Brust, eine Verhärtung, eine Diagnose – die erste Routine, die sich in der Fremde einspielt, ist die Chemotherapie. Sie führt in das „knochenfarbene Land” der Krebspatientinnen.
Die ehrenamtlichen Helferinnen auf der Station täten alles in ihrer Macht Stehende, „um den kahlköpfigen Frauen einen Ersatz dafür anzubieten, was sie den Verlust ihrer Weiblichkeit und Attraktivität nennen”. Aber was in ihrer Macht stehe, seien nur Turbane, Kappen und Gratis-Schminkkurse, in denen Bezugsquellen für Perücken genannt würden. Gleichwohl ist „Fremdschläfer” alles andere als ein bloßer Krankenbericht, sondern die inhaltlich wie sprachlich faszinierende Beschreibung einer Wanderung zwischen verschiedenen Welten.
Die Verfasserin des feministischen Klassikers „Häutungen” (1975) leistet auch hier wieder Pionierarbeit. Fern von den Bären Berns buchstabiert man die Wirklichkeit anders. Das Fremde liegt auch im Detail: „Was heißt CBC, PBS, RDI, Berry UQAM, wo melde ich ein Telefon an, wie bekommt man eine Verbindung, wo schaut man nach, was war, warum 1534, 1759, 1837, 1970, 1981, 1990, 1995, was geschah damals, wer war das?”
Was geschieht mit dem Körper in der Fremde? Bleibt er ein Fremdkörper oder wächst sich das Schweizerische, das sich ihr deutscher Vater einst mühsam angeeignet hatte, in Kanada langsam aus? „Du siehst, wie die europäischen Ränder abfallen, zwanzig verhornte Schnipsel auf einer Treppenstufe. Fingernägel, Zehennägel, werden sie keine europäischen Ränder mehr bilden?” Der Begriff Assimilation gewinnt hier eine physische Bedeutung. Die Ablösung von Körperpartikeln führt zur Auflösung des Mitgebrachten, vielleicht zum Aufgehen im Fremden. Was wächst da nach?
Als Immigrantin sei man weder Reisende noch Gast, heißt es. Die Erzählerin schaut auf einen Ozean von Wäldern, erlebt die Weite des Landes wie einen Schock: „He was dwarfed by the Rocky Mountains. Die felsigen Berge verzwergten ihn.” Ihr Vater, der Fremde, habe sich Bern einst neu kartographiert, habe Besitz ergriffen, indem er Blumen- und Buchhändlerin, Bäcker und Uhrmacher mit dem Possessivpronomen „mein” bedacht habe. Auch ihre Geburtsstadt Bern hat Besitz ergriffen, hat „ihre” Wappentiere in den Bärengraben gesperrt. Doch in Kanada laufen sie frei herum, einheimisch. Und es gibt Wölfe. „Du hast die Wölfe vergessen”, sagt ihre Geliebte Lou am Ende zur Erzählerin.
Sie sei es nicht gewohnt, „anhalten zu müssen, weil sie zu weit gegangen ist”. Mit jeder Wegbiegung definiere sie den Horizont neu. Und weil es die Wölfe gebe, sei die Geschichte auch am Schluss noch nicht zu Ende, sagt Lou zur ihr: „Einmal im Leben möchte ich einem Wolf begegnen.” ULRICH BARON
VERENA STEFAN: Fremdschläfer. Roman. Ammann Verlag, Zürich 2007. 222 Seiten, 19,90 Euro.
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Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Kurz und beeindruckt lobt Rezensentin Dorothea Dieckmann das neue Buch von Verena Stefan, das sie als klug und anrührend preist. Es geht, wie sie schreibt, um zwei Ländern, in denen sich die Autorin nicht einrichten könne: um Kanada und die Krankheit Krebs. Dazwischen sind wohl autobiografische Exkurse untergebracht. Auch in diesem Buch scheint das Talent der Autorin ein große Rolle zu spielen, Sprache auf ihren substanziellen Kern zu reduzieren. Ein Talent, das schon Stefan Epoche machendes Buch "Häutungen" für die Rezensentin ausgezeichnet hat.

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