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Er sucht nach der Zuckerbäckersammlung aus Familienbesitz, die vor Jahrzehnten im kosmopolitischen Alexandria verschollen ist. Sie arbeitet, seit sie kein Paar mehr sind, in Barcelona. Als sie sich dort, fernab vom gemeinsamen Berlin, wiederbegegnen, beginnen sie, miteinander zu reden. Land ist ihr Gespräch. Von Algerien bis Albanien, von Spanien bis Ägypten führen die Schiffspassagen den wachen Protagonisten in diesem Mittelmeerbuch. Perikles Monioudis beschreibt ihn als Ausdruck der Wanderungsströme und nationalen Selbstbilder im Europa der vergangenen Jahrhunderte: »Er wußte, daß es unter…mehr

Produktbeschreibung
Er sucht nach der Zuckerbäckersammlung aus Familienbesitz, die vor Jahrzehnten im kosmopolitischen Alexandria verschollen ist. Sie arbeitet, seit sie kein Paar mehr sind, in Barcelona. Als sie sich dort, fernab vom gemeinsamen Berlin, wiederbegegnen, beginnen sie, miteinander zu reden. Land ist ihr Gespräch. Von Algerien bis Albanien, von Spanien bis Ägypten führen die Schiffspassagen den wachen Protagonisten in diesem Mittelmeerbuch. Perikles Monioudis beschreibt ihn als Ausdruck der Wanderungsströme und nationalen Selbstbilder im Europa der vergangenen Jahrhunderte: »Er wußte, daß es unter Umständen, die vielleicht seine Umstände waren, nur eine Generation dauert, bis der Flüchtling zum Flaneur wird.«
Autorenporträt
Perikles Monioudis, 1966 in Glarus (Schweiz) geboren. Studium der Soziologie und Politologie in Zürich. Sein erster Roman, Die Verwechslung (1993), wurde mit einem Buchpreis der Stadt Zürich ausgezeichnet. Für den zweiten Roman, Das Passagierschiff (1995), erhielt er den Preis der Schweizerischen Schiller-Stiftung. 1995 Stipendiat des Berliner Senats im Literarischen Colloquium Berlin, 1996 Stipendiat des Stuttgarter Schriftstellerhauses.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.01.2008

Der Flüchtling als Flaneur

Auf der Suche nach dem Zuckerbäcker-Rezept: Der Schweizer Perikles Monioudis schickt seinen Romanhelden für ein bittersüßes Vergnügen durch den Mittelmeerraum.

Als Reiseführer dürfte dieses Buch nur geringen praktischen Nutzen haben, obwohl sein Held nahezu unablässig unterwegs ist. Alexandria, Athen, Izmir, Nikosia, Algier, Genua, Barcelona - es sind die Hafenstädte des Mittelmeers, die der junge Schweizer Diplomat bereist. Diesmal ist er allerdings nicht in offizieller, sondern in familienpolitischer Mission unterwegs. Er soll das legendäre Rezeptbuch aufstöbern, das seine Vorfahren, griechische Zuckerbäcker in Ägypten, hinterlassen haben und das angeblich wundervolle Geheimnisse über die hohe Kunst der Patisserie enthält.

Wer nun freilich eine abenteuerliche Geschichte erwartet, unterschätzt die erzählerischen Ambitionen von Perikles Monioudis. Denn wie schon in einigen seiner früheren Werke, für die der inzwischen einundvierzigjährige Schweizer Autor mit mehreren Preisen ausgezeichnet wurde, stellt die äußere Handlung auch diesmal nur einen lockeren Rahmen für kunstvoll stilisierte Miniaturen bereit. Vor allem anderen porträtiert Monioudis das Lebensgefühl der Levante: Seinen reisenden Helden, dessen Namen wir nie erfahren, lässt er über die großen Boulevards besagter südlicher Städte schlendern; im luxuriösen Athener Dampfbad verwickelt er ihn in tiefsinnige Gespräche mit einem orthodoxen Priester; und auf Zypern setzt er ihn dem Zorn der einheimischen Bauern aus, die um ihr angestammtes Recht auf eine Plantage mit knorrigen Oliven- und Orangenbäumen fürchten. Die stimmungsvollen Bilder werden aber immer wieder von Erinnerungen an die Kindheit des Reisenden unterbrochen, die er tief in der Schweiz, in der "kleinen Kantonshauptstadt", verbracht hat.

Unschwer lassen sich in diesen Reminiszenzen Übereinstimmungen mit der tatsächlichen Biographie des Autors erkennen: Perikles Monioudis wurde als Kind griechischer Einwanderer im ostschweizerischen Glarus geboren; seine Eltern hatten lange in Alexandria gelebt, das sie aufgrund der politischen Unruhen Anfang der sechziger Jahre verließen. Manche Kindheitserinnerung seines reisenden Helden mag also der von Monioudis entsprechen. Hier gewinnt das Lebensgefühl eines Weltbürgers Kontur, das Reisen scheint die eigentliche Lebensform dessen zu sein, der seine Wurzeln in vielen Ländern entdeckt. Für den gutausgebildeten, privilegierten Diplomaten mit Migrationshintergrund haben daher Ortswechsel ihre Bedrohlichkeit verloren: "Er wusste, dass es unter Umständen, die vielleicht seine Umstände waren, nur eine Generation dauert, bis der Flüchtling zum Flaneur wird." Trotzdem zeichnet Monioudis kein touristisch verklärtes Bild der Levante. Sein Diplomat trifft vielfach auf Armut und scheinbar grundlose Gewalt, zu den Reisebegegnungen zählt eben nicht allein die im Bade schwitzende Athener Geistlichkeit, sondern auch der albanische Invalide, der sich mit einem ausrangierten Minensuchgerät auf eine wenig aussichtsreiche Schatzsuche begibt. Die beklemmendste Szene des Buches schließlich schildert mit schwer erträglichem Detailrealismus, wie zwei Männer ein Möwenpaar zu Tode quälen.

Zeugin dieser Tortur wird eine deutsche Botanikerin, die seit einiger Zeit in Barcelona lebt. Sie aber ist die zweite Hauptperson des Buches; ihre Erfahrungen mit der katalanischen Kultur, von denen einzelne Kapitel erzählen, bilden einen reizvollen Kontrast zu den Reiseerlebnissen des Diplomaten. Beide hat einst eine Liebesbeziehung verbunden; über die erneute Begegnung der beiden - immerhin liegt Barcelona auf der Route des Reisenden - erfahren wir allerdings nichts. Keine Liebesgeschichte also wird geboten, stattdessen teilt Monioudis aus der Perspektive der jungen Deutschen Skurriles über die katalanischen Männer mit. Sie tragen allesamt - so die fast karikaturhafte Beschreibung - einen Seitenscheitel, sind schwache Muttersöhnchen und benutzen ihr Leben lang ein und dasselbe penetrant riechende Duftwasser, das in großen Flaschen im elterlichen Badezimmer aufbewahrt wird.

Mit seiner mosaikartigen Erzähltechnik folgt Monioudis einer anspruchsvollen Ästhetik der Gleichzeitigkeit, die nicht auf Spannung und deren pointierte Auflösung abzielt, sondern unterschiedliche Eindrücke und Erfahrungen simultan vermitteln will. Das Vorbild für diese Form der synoptischen Darstellung glaubt der Erzähler in antiken Vasenbildern aus der Frühzeit der mediterranen Kultur zu finden. Die Faszination für die alte Kunst eint jedenfalls die beiden Hauptfiguren. Und die alten Familienrezepte? Beiläufig erfahren wir, dass der Schweizer seine Mission schon in Alexandria, der ersten Station seiner Reise, mit geübtem Verhandlungsgeschick erfüllt hat. Nun trägt er den alten, in Leder gebundenen Folianten von Hafen zu Hafen mit sich herum und übersetzt die dort verzeichneten Rezepte ins Deutsche. Am Ende wird der Diplomat zum Konditor, der geduldig den alten Anweisungen folgt und aus süßem Teig die allerdünnsten Fäden schneidet. Möglicherweise ist das als Sinnbild für die Kunst des Erzählens gemeint, widmet Monioudis doch allen Verzweigungen seiner vielfältig verschlungenen Geschichte dieselbe Aufmerksamkeit.

So gleicht die Lektüre am Ende dem Verzehr von Baklava, der honiggetränkten Spezialität der mediterranen Länder: Kleine, wohldosierte Portionen versprechen Genuss, als Hauptgericht fehlt dem Ganzen aber ein wenig der narrative Nährwert.

SABINE DOERING

Perikles Monioudis: "Land". Roman. Ammann Verlag, Zürich. 2007. 248 S., geb., 19,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Von großem Respekt für das Projekt des Autors Perikles Monioudis zeugt Dorothea Dieckmanns Rezension seines neuen Romans. Was mitunter am Werk von Monioudis kritisiert werde, nämlich die Unterkühltheit seiner Prosa, die bei der Lektüre eher "Befremdung" als Nähe auslöst, sei genau das, worum es dem Autor gehe. Das werde auch in "Land" sichtbar, einem Roman, der die Darstellung des "Fremden" ausdrücklich ins Zentrum stellt. Dieses Fremde wird verkörpert im Protagonisten, der nur "der Reisende" heißt, mit dem Autor so manches gemeinsam hat, und seinem Namen als einer, der immerzu unterwegs ist und keine Heimat kennt, alle Ehre macht. Eine Gegenfigur ist seine ehemalige Geliebte, "die Botanikerin", aber aus den Verhältnissen entspinnt sich keine geradlinige Geschichte. Der Roman kreist vielmehr wie ziellos in Zeit und Raum, eine Bewegung, von der sich die Rezensentin offensichtlich hat faszinieren lassen. Ausdrücklich lobt sie "die sorgfältige Komposition und die Bedeutungsvielfalt" des Romans.

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