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Der abschließende vierte Band der Ausgabe versammelt Briefe aus Zweigs letzten zehn Lebensjahren. Nicht nur die politischen Verhältnisse verdüstern sich. Seine Bücher werden verbrannt, sein Haus in Salzburg wird ihm verleidet. Trennungen, Scheidungen, Entfremdungen: von Romain Rolland, dem langjährigen Adressaten vieler Briefe, von seiner Ehefrau Friderike, die gleichwohl weiter zu seinen wichtigsten Vertrauten gehört - neben Korrespondenzpartnern wie Felix Braun und Ben Huebsch. Neue Wohnung in England, neue Ehe. Freunde sterben: Toller, Roth, Herrmann-Neiße. Den überlebenden versucht er zu…mehr

Produktbeschreibung
Der abschließende vierte Band der Ausgabe versammelt Briefe aus Zweigs letzten zehn Lebensjahren. Nicht nur die politischen Verhältnisse verdüstern sich. Seine Bücher werden verbrannt, sein Haus in Salzburg wird ihm verleidet. Trennungen, Scheidungen, Entfremdungen: von Romain Rolland, dem langjährigen Adressaten vieler Briefe, von seiner Ehefrau Friderike, die gleichwohl weiter zu seinen wichtigsten Vertrauten gehört - neben Korrespondenzpartnern wie Felix Braun und Ben Huebsch. Neue Wohnung in England, neue Ehe. Freunde sterben: Toller, Roth, Herrmann-Neiße. Den überlebenden versucht er zu helfen, bis an die Grenze der Erschöpfung. Vortragsreisen, Übersiedlung nach New York, später nach Brasilien. Dort das Ende.
Dennoch entstehen in diesen Jahren Werke wie die Biographien 'Marie Antoinette' und 'Maria Stuart', das Libretto zu 'Die schweigsame Frau', der Roman 'Ungeduld des Herzens' und schließlich, im letzten Jahr, die 'Schachnovelle' und die »Erinnerungen eines Europäers« 'Die Welt von Gestern'.
Autorenporträt
Stefan Zweig wurde am 28. November 1881 in Wien geboren und lebte ab 1919 in Salzburg, bevor er 1938 nach England, später in die USA und schließlich 1941 nach Brasilien emigrierte. Mit seinen Erzählungen und historischen Darstellungen erreichte er weltweit in Millionenpublikum. Zuletzt vollendete er seine Autobiographie ¿Die Welt von Gestern¿ und die ¿Schachnovelle¿. Am 23. Februar 1942 schied er zusammen mit seiner Frau 'aus freiem Willen und mit klaren Sinnen' aus dem Leben. Jeffrey B. Berlin, geboren 1946, war Professor of Comparative Literature am Holy Family College in Langhorne, Pa, USA, und ist durch seine Arbeiten und Herausgeberschaften als Kenner des Werkes von Stefan Zweig ausgewiesen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.12.2005

Kein Freund unter zweihundert
Flaschenpost: Der letzte Band der Korrespondenz Stefan Zweigs

"Felix, wenn Du diese Schicksale, die aus den Briefen aufschreien, lesen würdest, käme Dir unser ganzes Dichten entsetzlich phantasielos vor!" schreibt Stefan Zweig im Frühjahr 1939 seinem Freund Felix Braun aus dem Londoner Exil. Die unfehlbare Höflichkeit und der Charme, der feine Stil und die sprachliche Eleganz von Zweigs Briefen können nicht darüber hinwegtäuschen, daß er in den letzten Jahren seines Lebens selber Schicksalsbriefe verfaßt, die mal schreien, mal flüstern vom Unglück des entwurzelten Emigranten. Noch im Abschiedsbrief an seinen brasilianischen Verleger Abrahão Koogan, den Zweig wenige Tage vor seinem Selbstmord 1942 verfaßt, meint er sich entschuldigen zu müssen "für alle Mühen und Unannehmlichkeiten, die ich Ihnen durch meinen Tod bereite".

Der vierte und letzte Band der Zweigschen Korrespondenz liest sich wie die Feldpost eines in die Enge getriebenen Humanisten und Freigeistes, der sich in barbarischer Zeit "in der Mitte zwischen den Schützengräben" wiederfindet. "Vielleicht ist es altmodisch", schreibt er im August 1934 an René Schickele, "in einer Welt, die ihre Lust im Herdentum sucht, noch den Begriff der Freiheit zu verteidigen; ich versuche es jedenfalls in meinem privaten Leben."

Aber zunehmend dringt das Politische in dieses private Leben ein, Zweigs Bücher werden verbrannt, das Salzburger Haus des erklärten Pazifisten wird 1934 nach Waffen durchsucht, und er beschließt, Österreich zu verlassen. Zum Emigranten habe er kein Talent, schreibt er wenig später an Hermann Hesse, aber noch scheint die alte Reiselust des rastlosen Weltbürgers zu überwiegen. Er läßt seine Frau Friederike in Österreich zurück, zieht nach London, unternimmt internationale Vortragsreisen, die ihn bis nach Südamerika führen. Vor allem Brasilien beeindruckt ihn: "Wer Brasilien wirklich zu erleben weiß, der hat Schönheit genug für ein halbes Leben gesehen", schreibt Zweig in seiner 1941 erschienenen Hommage an das "Land der Zukunft", dessen multiethnische Gesellschaft ihm als utopisches Gegenbild zum Rassenwahn der Nationalsozialisten erscheinen mußte.

Vorerst läßt er sich jedoch 1939 in Bath nieder, wo er nach der Heirat mit seiner Sekretärin Lotte Altmann ein eigenes Haus mit angebautem Hühnerstall bewohnt. "Du glaubst wohl, daß es ,foin' bei uns zugeht", schreibt der ehemalige Großbürger und Dandy einem Freund, der zum Abendessen im Smoking kommen will, und berichtet von den kleinen Freuden der zurückgezogenen Idylle: "Gestern abends hat eine Henne das erste Rosemount-Ei gelegt, der Farmer Zweig ist sehr stolz auf diese Leistung."

Aber die Idylle währt nicht lange, wenig später schon heißt es "weiter ahasverisch wandern", erst in die Vereinigten Staaten, dann nach Brasilien. "Ich lasse mich treiben, nur von einem Gedanken beseelt, nicht diesem braunen Burschen in die Hände zu fallen - dies die einzige Furcht, die ich im Leben noch habe, die andern sind verlernt", heißt es 1940 in einem Brief an Richard Beer-Hofmann. Der Unrast, der Furcht und den regelmäßigen depressiven Schüben seiner "schwarzen Leber" trotzt Zweig einige seiner besten Werke ab. Neben historischen Biographien und einem Roman verfaßt er in diesen Jahren seine Autobiographie "Die Welt von gestern" und die "Schachnovelle", sein wohl bis heute bekanntestes Werk.

Viele Weggefährten verliert er, Joseph Roth, Ernst Toller, Max Herrmann-Neiße sterben, sogar die intensive Brieffreundschaft mit Romain Rolland kühlt zusehends ab. Er setzt sich unermüdlich für andere Flüchtlinge ein, schreibt fünfzehn Briefe am Tag und verzweifelt doch ob seiner Hilflosigkeit gegenüber "diesem gräßlichen Maelstrom des Elends". In Amerika hat er einen "regelrechten seelischen breakdown", immer häufiger kommen die Stimmungsumschwünge. Zuletzt flieht Zweig "zur Rettung meiner selbst" in die äußerste Zurückgezogenheit der brasilianischen Gebirgslandschaft. Dort ist er allein mit Goethe, Montaigne und Balzac, "kein Freund unter 200 Jahren". In Petropolis, der ehemaligen Residenzstadt des brasilianischen Kaisers Pedro II., bezieht er mit Lotte einen kleinen Bungalow in der Rua Gonçalves Dias. Die Straße ist nach dem romantischen brasilianischen Dichter António Gonçalves Dias benannt, der 1864 bei einem Schiffbruch vor der Küste Maranhãos ums Leben kam.

Die Briefe, die Zweig in den letzten Monaten seines Lebens aus der brasilianischen Einsamkeit in die Welt sendet, wirken wie die Flaschenpost eines Ertrinkenden, der am Rande seiner seelischen Kräfte auszuhalten versucht. Manchmal schnüren sie einem die Kehle zu, etwa wenn Zweig sich wie an einen Strohhalm an seinen Montaigne klammert, "der in einer genau so dreckigen Zeit wie der unseren versucht hat, unabhängig zu bleiben und auch unter der Gasmaske klar zu denken".

Neben solchen beklemmenden Bildern wirken die Beschreibungen der herrlichen Vegetation und wohltuenden Einfachheit des brasilianischen Hochlands wie eine hilflose Selbstbeschwörung: "Wir leben so zurückgezogen wie nur denkbar in herrlicher Natur und entzückender Primitivität", berichtet Zweig noch wenige Wochen vor seinem Freitod einem Freund. Die Landschaft um Petropolis scheint ihm wie aus dem Österreichischen ins Tropische übersetzt, und sie führt ihn zurück in die Welt von gestern: Nicht nur der altmodische Küchenherd erinnere ihn an die Zeiten seines Großvaters, schreibt Zweig, auch die natürlichen Lebensformen jener alten Zeit seien verblieben, "die Freundlichkeit der einfachen Klassen, die weder Organisation noch Neid kennen".

Aber auch Brasilien, das "Land der Zukunft", konnte ihm nicht die untergegangene geistige Heimat ersetzen. So ist der letzte Brief in diesem vorzüglich edierten und kommentierten Band ein Abschiedsschreiben, Zweigs berühmte "Declaracão" vom 22. Februar 1942, die mit den Worten endet: "Ich grüße alle meine Freunde! Mögen sie die Morgenröte noch sehen nach der langen Nacht! Ich, allzu Ungeduldiger, gehe ihnen voraus."

MALTE HERWIG.

Stefan Zweig: "Briefe 1932-1942". Hrsg. von Knut Beck und Jeffrey B. Berlin. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2005. 816 S., geb., 46,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.02.2006

Weg nach Petropolis
Stefan Zweigs Briefe aus den Jahren 1932 bis 1942
Stefan Zweig war nicht nur ein geschmeidiger Stilist und erfolgreicher Erzähler, sondern auch ein gewaltiger Briefsteller. Wie viele Briefe er tatsächlich geschrieben hat, kann man nur erahnen. Die Ausgabe, die von Knut Beck und Jeffrey B. Berlin sorgfältig kommentiert wurde und deren letzter, vierter Band jetzt vorliegt, hat nur einen einzigen editorischen Fehler: Die Herausgeber, die noch die schwierigsten Anspielungen in den Briefen zu entschlüsseln wussten, haben nie angegeben, aus welchem Textvolumen ihre Auswahl getroffen wurde. Es muss gewaltig sein. Über Jahre hat Stefan Zweig jedenfalls fünfzehn Briefe täglich geschrieben. Dabei oblag es dem berühmten Schriftsteller mit jeder kleinen Karte, ein gewisses sprachliches Niveau zu halten, und nicht wenige seiner an eine internationale Adressatenschaft gerichteten Briefe - viele von ihnen auf Französisch verfertigt - sind kunstvolle Prosa. Natürlich ging Zweig es bisweilen sprachökonomisch an, indem er treffliche Formulierungen mehrmals verwendete. Am 11. März 1932 entschuldigt er etwa die Verspätung, mit der er seinem Kollegen Felix Salten antwortet, damit, dass „ich die törichte Mode der Grippe mitmachen zu müssen genötigt war”, während er anderntags dem befreundeten Benno Geiger, dem Mitbegründer des Insel-Verlages, entschuldigend mitteilt, dass „ich törichterweise der hiesigen Mode folgte und mich mit einer kräftigen Grippe ins Bett legte”.
Der vierte Band der mustergültigen Ausgabe vereint Briefe aus den Jahren 1932 bis 1942, aus dem letzten Lebensjahrzehnt Zweigs, das von politischen Katastrophen und der damit zusammenhängenden Verdüsterung seines Lebens geprägt war; immerhin vermochte Zweig, schwindender Arbeitsfreude trotzend, noch auflagenstarke Werke wie die Biographien „Marie Antoinette” und „Maria Stuart”, das Erinnerungsbuch „Die Welt von gestern” und den Roman „Ungeduld des Herzens” zu verfassen.
Ein Autor wie er, der zu Lebzeiten in über fünfzig Sprachen übersetzt wurde und so etwas wie eine unablässig ratternde Schreibmanufaktur unterhielt, hatte in seinen Briefen vielerlei Verpflichtungen abzuarbeiten. Ein Gutteil seiner Briefe ist denn auch als internationale Geschäftspost zu begreifen; da galt es mit Verlegern verschiedener Länder über neue Projekte zu verhandeln, über Vor- und Nachworte zu sprechen und mit Übersetzern und Lektoren Kontakt zu halten. Diese Arbeit wurde infolge der politischen Ereignisse umso wichtiger, als Zweig 1933 seinen deutschen Verlag verlor, sich zunächst in Wien für den Herbert-Reichner-Verlag entschied, später zu Gottfried Bermann-Fischer nach Stockholm wechselte, dann in die USA zur Viking Press, dessen Leiter Ben Huebsch zu einem Freund wurde, und endlich seine letzten Verfügungen an den brasilianischen Verleger Abrahao Koogan sandte, der ihm 1941 half, eine letzte Bleibe in Petropolis zu finden. An Koogan war auch das Schreiben gerichtet, mit dem sich Stefan Zweig in der tiefen Verzweiflung des Exils aus dem Leben verabschiedete: „Mein lieber Freund, vor allem habe ich Ihnen zu danken für die Güte, die Sie mir zu Lebzeiten zuteil werden ließen, und ich muß Sie um Entschuldigung bitten für alle Mühen und Unannehmlichkeiten, die ich Ihnen durch meinen Tod bereite.”
Mit solcher Höflichkeit wusste ein Mann in den „Freitod” zu gehen, der um das „alte Österreich” herzergreifend trauerte und der an das „neue Europa”, das er begeistert ausgerufen hatte, nicht mehr zu glauben wagte.
Zur literarischen Betriebspost kamen die Nachrichten innerhalb des Olymps, die an Thomas Mann, Romain Rolland oder Sigmund Freud zu richten waren. Mit Romain Rolland hatte Zweig seit 1910 korrespondiert, insbesondere die Briefe, in denen sie einander während des ersten Weltkrieges versicherten, dass am Ende des Wütens ein von nationalem Hass befreites Europa erstehen werde, sind als Dokument einer europäischen Dichterfreundschaft von bleibender Aktualität. 1934 war es wiederum der in Paris lebende Autor und Pazifist, an den Zweig einige seiner aufschlussreichsten Briefe schickte. Es ist ein Kapitel österreichischer Gemeinheit im Allgemeinen und spezifisch Salzburger Niedertracht im Besonderen, von dem er den Freund verstört wissen ließ.
Fünfzehn Jahre hatte Zweig in Salzburg eine Villa am Kapuzinerberg bewohnt, dort Gelehrte, Politiker, Künstler aus aller Welt empfangen und den alltäglichen Antisemitismus ignoriert. Im Februar 1934 ließ der klerikale Kanzler Dollfuß in die Wiener Arbeitersiedlungen schießen, die Sozialistische Partei verbieten, den Republikanischen Schutzbund auflösen und einige von deren Führern standrechtlich liquidieren. Hellsichtig schreibt der Großbürger Zweig an Rolland noch am selben Tag über die Arbeiter von Wien: „Sie haben nichts mehr zu verlieren, weil man ihnen alles genommen hat, aber sie haben sich Rache geschworen und werden sie mit den Nazis nehmen . . . Es ist das Ende für Österreich . . .”
Wenige Tage später, am 18. Februar 1934, wird Zweigs Haus in Salzburg von der Polizei durchsucht, Kerle in Uniform wühlen in seiner Autografen-Sammlung und in den Wäschekästen. Weil er da und dort seine Sympathie für die große Bildungsbewegung, die die österreichische Sozialdemokratie der Zwischenkriegszeit war, bezeugt hatte, wurde Zweig verdächtigt, Waffen des Republikanischen Schutzbundes versteckt zu halten. Ein Verdacht, der so skurril anmutet, dass die Amtshandlung wohl eher, wie Zweigs Biograf Donald A. Prater vermutete, die Nationalsozialisten beschwichtigen sollte, die überall im Lande bereits rabiat gegen die Juden hetzten. Zweig schildert Rolland die Hausdurchsuchung mit der gekränkten Ehre eines weltberühmten Mannes, der erkennen muss, dass Ansehen und Verdienst bald nichts mehr bedeuten werden. „Ich schämte mich für Österreich”, schreibt er, der seine Heimat unmittelbar darauf verlassen, sein Haus weit unter Wert abgeben und nie mehr nach Österreich zurückkehren wird.
1992 fand in Salzburg ein Kongress statt, der auch Klarheit über die schimpflichen Salzburger Vorgänge - Zweigs Haus ging schließlich in den Besitz eines reichen Parteigängers der Nazi über - brachte. Eine Ausstellung wurde konzipiert, die um die halbe Welt gegangen ist, aber inzwischen eingemottet wurde. Ein Stefan-Zweig-Preis wurde ausgelobt, einmal verliehen und dann eingestellt, weil ihn sich die Festspielstadt nicht mehr leisten mochte. Für ein Stefan Zweig-Zentrum, das im Sinne des Namenspatrons als Akademie für Europäische Angelegenheiten konzipiert war, wurden Pläne so lange gewälzt, bis sie endlich in einem Aktenordner abgelegt werden konnten.
Romain Rolland, dem er so bitteren Bericht erstattete, war für Zweig wahrscheinlich der wichtigste Briefpartner. Ausgerechnet er gerät ihm Ende der dreißiger Jahre langsam abhanden, bis die beiden, offenbar erschöpft voneinander, den Kontakt abbrechen, ohne dass ein Streit die Ursache gewesen wäre.
Zweig, das zeigen seine Briefe, war durch die Vorkommnisse in Salzburg, seiner Lieblingsstadt, im Innersten getroffen; nach dem Verlust Österreichs durch den „Anschluss” von 1938 aber wuchs seine Depression zur heillosen Zerrüttung. Er wusste, dass es ihm materiell viel besser ging als fast allen seiner Kollegen, die ums nackte Überleben irgendwohin ins rettende Exil zu flüchten versuchten. Es ist erschütternd zu lesen, wie hilfsbereit dieser Mensch noch war, als er alle Hoffnung für sich selber bereits aufgegeben hatte. So ist ein erheblicher Teil der späten Korrespondenz den Versuchen gewidmet, anderen Autoren zu helfen. Nicht alle haben es ihm gedankt. Joseph Roth etwa, der sich im Exil zu Tode soff, konnte mit regelmäßigen Überweisungen von Zweig rechnen, aber pflegte auf die Briefe nicht zu antworten; wie Joseph Breitbach, beider Freund, einmal schrieb, verachtete Roth „jeden, der ihm Geld gab, weil er sich dadurch abhängig machte”.
Als er am 23. Februar 1942 mit seiner zweiten Frau Lotte in Petropolis aus dem Leben schied, hinterließ Zweig auf seinem letzten Schreibtisch eine „Declaracao”, eine Erklärung, die mit den Worten endet: „Ich grüße alle meine Freunde! Mögen sie die Morgenröte noch sehen nach der langen Nacht. Ich, allzu Ungeduldiger, gehe ihnen voraus!”
KARL-MARKUS GAUSS
STEFAN ZWEIG: Briefe 1932 -1942. Herausgegeben von Knut Beck und Jeffrey B. Berlin. S. Fischer-Verlag, Frankfurt/Main 2005, 815 S., 46,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Beeindruckt zeigt sich Rezensent Hanno Loewy von Stefan Zweigs Briefe aus den Jahren der Vertreibung 1932 bis 1942, die, herausgegeben von Knut Beck und Jeffrey B. Berlin, nun als vierter und letzter Band der Edition seiner Briefe vorliegen. Loewy zählt Zweigs seit dem Machtantritt der Nazis und der Zerschlagung der Demokratie in Österreich 1934 verfassten Briefe zu den "illusionslosesten Texten jener Zeit". Loewy berichtet über Zweigs Auseinandersetzung mit dem Judentum, über seine immense Produktivität in den letzten Lebensjahren, über die Stationen seiner Emigration, sein Engagement für andere Emigranten und seine wachsende Einsamkeit, die ihn sich schließlich das Leben nehmen ließ. Er hebt hervor, dass die an Arnold Zweig, Franz Werfel, Max Brod, Ben Huebsch, Sigmund Freud oder auch Thomas Mann gerichteten Briefe auch belegen, wie Stefan Zweig immer mehr und wider Willen auf seine jüdische Herkunft zurückgeworfen wird. Dabei sei er jedem jüdischen Partikularismus bis zum Ende fremd geblieben. Die Ausgabe der Briefe weist zum Bedauern Loewys einige editorische Mängel auf. Als störend empfindet er vor allem, dass die Herausgeber oft detaillierte Deutungen von Zweigs Texte geben und zwar "mit zum Teil skurrilen Ergebnissen". Nichtsdestoweniger hält er fest: "Es bleibt eine den Atem raubende Erfahrung, sich diesen Briefen und ihrer luziden Hellsichtigkeit auszusetzen."

© Perlentaucher Medien GmbH
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