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Sam Shepard wollte gerade die Pferderanch, auf der er mit Jessica Lange lebt, neu einzäunen, als Bob Dylan anrief: er solle Drehbuchautor der Rolling Thunder Revue werden, seiner legendären Come-back-Tournee von 1975. Dylan zog in drei Bussen mit Freunden und Roadies durch die USA, bis er schließlich in New York den Madison Square Garden zum Sieden brachte. Im Duett mit Joan Baez sang er Blowin in the Wind und gemeinsam mit Mohammad Ali holte er den schwarzen Boxer Hurricane aus dem Gefängnis. Allen Ginsberg rezitierte Gedichte und gemeinsam besuchten sie das Grab Jack Kerouacs. Der Film, der…mehr

Produktbeschreibung
Sam Shepard wollte gerade die Pferderanch, auf der er mit Jessica Lange lebt, neu einzäunen, als Bob Dylan anrief: er solle Drehbuchautor der Rolling Thunder Revue werden, seiner legendären Come-back-Tournee von 1975. Dylan zog in drei Bussen mit Freunden und Roadies durch die USA, bis er schließlich in New York den Madison Square Garden zum Sieden brachte. Im Duett mit Joan Baez sang er Blowin in the Wind und gemeinsam mit Mohammad Ali holte er den schwarzen Boxer Hurricane aus dem Gefängnis. Allen Ginsberg rezitierte Gedichte und gemeinsam besuchten sie das Grab Jack Kerouacs. Der Film, der mit zwei Kamerateams all das von Tag zu Tag festhalten sollte, entstand erst Jahre später als "Renaldo und Clara". Doch Shepards Tagebuch ist das wahre amerikanische Roadmovie, eine Suche nach dem Beginn des Beat, eine Odyssee in das Reich des großen Songmagiers.
Autorenporträt
Sam Shepard, 1943 geboren, Pulitzerpreisträger, Schauspieler und Regisseur, amerikanischer Theaterautor und Drehbuchschreiber. In seinem letzten Stück interviewte er Bob Dylan.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.11.2005

Eine amerikanische Winterreise
Das Donnergrollen des Rock: Sam Shepard begleitet Bob Dylan / Von Heinrich Detering

Bob Dylans aufsehenerregendster Geniestreich der siebziger Jahre war die "Rolling Thunder Revue". Ein politischer Skandal, die rassistisch motivierte Verhaftung des Boxers "Hurricane" Carter, gab den äußeren Anlaß zu einer Tournee, wie sie die Rock-Welt noch nicht gesehen hatte. Im Herbst 1975 begann sie mit improvisierten Konzerten auf kleinen Bühnen in Neuengland. Vor einem verblüfften Kleinstadtpublikum erfand eine Band aus Weltklasse-Musikern die amerikanische Musiktradition neu, Poeten deklamierten Gedichte, und alle Beteiligten traten in wechselnden Kostümierungen auf, während Handkameras das Geschehen pausenlos festhielten. Aus dem Material schnitt Dylan nach dem Ende der Tour seinen Experimentalfilm "Renaldo and Clara" zusammen, ein vierstündiges Home Movie.

Sehr viel kürzer faßte sich der Schriftsteller Sam Shepard. Er, den Dylan eigentlich als Ideengeber für den Film an Bord geholt hatte, wurde zum literarischen Protokollanten der Reise. Das Ergebnis ist das "Rolling Thunder Logbook", 1977 zuerst erschienen, ein Klassiker der Rock-Literatur. Aus Textfragmenten und Fotos entsteht hier das Gegenteil eines Fan-Albums: ein Logbuch des Rollenden Donners, Beobachtungen aus dem Auge eines Sturms.

Als eine Mischung aus Wanderzirkus und Happening beschreibt Shepard das Unternehmen, bizarr schon in der Verbindung von musikalischer Disziplin und gewolltem Chaos. Hier zelebriert sich ein Zeitalter, indem es sich zertrümmert. Arlo Guthrie, der Sohn Woody Guthries, ist ebenso dabei wie dessen später Weggefährte Ramblin' Jack Elliott, Joan Baez und Roger McGuinn, die sanfte Hippie-Stimme der "Byrds", Mick Ronson, Muhammad Ali und Joni Mitchell und über allen Allen Ginsberg als poetischer Prophet. Auch Unbekannte schließen sich vorübergehend der Truppe an, eingedenk der Dylanschen Gedichtzeile: "when asked to give your real name, never give it".

Aber es sind nicht nur drei Jahrzehnte der Popkultur, über die in diesen wilden Wochen der rollende Donner niedergeht. Dylans ehrgeiziges Programm, das zeigt Shepard, richtet sich auch auf eine amerikanische Geschichte, die im sich eben vorbereitenden Bicentennial staatsoffiziell gefeiert werden soll und deren Schauplätze die Stationen der Tour bilden. Darum mischen sich auf der Wanderbühne und nun im Buch jüdische und mexikanische Reminiszenzen mit englischer Poesie, Cowboy-Slang mit indianischen Mythen (denen die Tour ihren Namen verdankt), katholische Andachtsbilder mit dem Blues. Die "Rolling Thunder Revue", die Shepard beobachtet, ist Rockkonzert und Poetry Slam, Theater und Hochamt, Demonstration und Spiel: Rock-'n'-Roll-Romantik, ein Gesamtkunstwerk mit elektronischen Verstärkern.

Dylan ist für Shepard Magier und Muse zugleich, eine mythische Gestalt, treibende Kraft und Getriebener, ein Fremder, der zuweilen eine Bob-Dylan-Maske trägt. Doch so staunend das Logbuch diesem Wanderer folgt, so entschieden wahrt es eine Distanz, die der Beobachtungsschärfe zugute kommt - in einem lapidaren Stil, der sein Objekt anschaubar macht, statt es in Weihrauch zu vernebeln.

Shepard zeigt Dylan als Personifikation und Erfinder amerikanischer Traditionen, die er im selben Augenblick autoritativ darzustellen scheint, in dem er sie selbst erst artistisch erzeugt. So ist dieses Porträt eines Kunstheiligen, zum Glück des Lesers, keine Hagiographie geworden. Und die längst fällige Neuübersetzung ist auch dann hoch willkommen, wenn sie einmal eine Figur namens "William Zanzinger" für einen Song namens "William and Zinger" hält. Wer es genauer wissen will, sollte zum Buch nicht nur die "Bootleg Series" hören, sondern auch jenes Live-Album von 1976, um dessentwillen sich die erschöpfte Truppe am Ende noch einmal zusammenriß. "Hard Rain" heißt es, und es läßt gerade in seinen immer etwas übersteuerten Rock-Ekstasen am meisten von der Energie spüren, die sich in diesem Gewitter entlud.

Wie die "Rolling Thunder Revue" tatsächlich zu jenem Mysterium wurde, das Bob Dylan im Sinn gehabt hatte, ist hier zu lesen. Daß sie, als man den rechtzeitigen Abschluß versäumte, als Höllenfahrt endete, steht auf einem anderen Blatt als in Sam Shepards Buch. Dessen dramatischen Endpunkt bildet Hurricane Carters vorläufige Freilassung. Das letzte Foto aber zeigt eine andere Szene: Dylan und Ginsberg, die eben noch an Jack Kerouacs Grab musiziert haben, wandern mit geschulterten Instrumentenkästen über den Friedhof davon, zwei Minstrels on the road. Daß auf Dylan hinter der nächsten Wegbiegung der christliche Zug von "Slow Train" warten wird, das weiß Shepards Buch noch nicht. Was zu einem neuen Aufbruch werden sollte, bleibt hier ein eingefrorenes Bild am Ende einer amerikanischen Winterreise.

Sam Shepard: "Rolling Thunder". Unterwegs mit Bob Dylan. Mit einem neuen Vorspann von Sam Shepard und einem neuen Vorwort von T-Bone Burnett. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Uda Strätling. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2005. 192 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

" Als "amerikanische Winterreise" hat Rezensent Heinrich Detering Sam Shepards Protokoll seiner Reise mit Bob Dylans "Rolling Thunder Revue" gelesen. Seiner Einschätzung zufolge handelt es sich bei diesem, 1977 zuerst erschienen Werk schon um einen "Klassiker der Popliteratur". Sam Shepard beschreibt darin eine politisch motivierte Tournee durch die USA, die 1975 durch die rassistisch motivierte Verhaftung des Boxers "Hurricane" Carter ausgelöst wurde. Shepard stellt das Unternehmen als Mischung aus "Wanderzirkus und Happening" dar, als "Rockkonzert und Poetry Slam, Theater und Hochamt, Demonstration und Spiel". Auch sieht Deterin, wie ein Zeitalter sich durch Selbstzerstörung feiert. Im Mittelpunkt steht das Porträt Bob Dylans als "Magier und Muse" und zugleich "mythische Gestalt", als "treibende Kraft und Getriebener" in einem, aber manchmal auch als Fremder, der nur eine Bob-Dylan-Maske trägt.

© Perlentaucher Medien GmbH"