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England im elisabethanischen Zeitalter: Der Dichter Christopher Marlowe wird vom Geheimdienst angeworben, um aus Frankreich über feindliche Aktivitäten zu berichten. Versehen mit einer falschen Identität und einem in unsichtbarer Tinte ausgestellten Kreditbrief wird er nach Paris geschickt, wo er nach Kneipenschlägereien und amourösen Abenteuern allerdings schnell auffliegt und zum Doppelagenten umgedreht wird. Zurück in England erwartet ihn wegen Landesverrats die Liquidierung. Gelingt der verwegene Plan, seinen Tod vorzutäuschen, sich nach Irland abzusetzen und undercover neue Theaterstücke zu schreiben?…mehr

Produktbeschreibung
England im elisabethanischen Zeitalter: Der Dichter Christopher Marlowe wird vom Geheimdienst angeworben, um aus Frankreich über feindliche Aktivitäten zu berichten. Versehen mit einer falschen Identität und einem in unsichtbarer Tinte ausgestellten Kreditbrief wird er nach Paris geschickt, wo er nach Kneipenschlägereien und amourösen Abenteuern allerdings schnell auffliegt und zum Doppelagenten umgedreht wird. Zurück in England erwartet ihn wegen Landesverrats die Liquidierung. Gelingt der verwegene Plan, seinen Tod vorzutäuschen, sich nach Irland abzusetzen und undercover neue Theaterstücke zu schreiben?
Autorenporträt
Dieter Kühn, geboren 1935, war freier Schriftsteller. Für seine Romane, Biographien, Erzählungen, Kinderbücher, Hör- und Schauspiele ausgezeichnet u. a. mit dem Hermann Hesse-Preis und dem Großen Literaturpreis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Er war Stadtschreiber von Bergen-Enkheim und Mainz. 2013 wurde Dieter Kühn mit der Carl-Zuckmayer-Medaille des Landes Rheinland-Pfalz geehrt. Dieter Kühn verstarb im Juli 2015 in Brühl bei Köln.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.08.2007

Herr Agent, es brennt
Dieter Kühn lässt Christopher Marlowe um die Ecke bringen

In einer Vorbemerkung zu diesem Roman dankt der Autor einem Ersten Direktor (a.D.) des Bundesnachrichtendienstes, der ihm "durch Präzisierungen, Ergänzungen, durch Vermittlung atmosphärischer und technischer Details" bei der Arbeit sehr geholfen habe. Man wüsste gern, um was es da genau gegangen sein mag und in welcher Absicht sich diese Nachrichtenvergabe vollzog. Denn bei der Lektüre überwiegt der Eindruck, dass hier das meiste, was über Geheimdiensttätigkeit gesagt wird, ziemlich unpräzise ist, und fast alles erscheint, wenn man es an den bekannten technischen Details misst, rundweg falsch.

Das aber geht bei einem historischen Roman selbstverständlich in Ordnung. Niemand will, sagen wir, den "Glöckner von Notre-Dame" lesen, um sich über den spätmittelalterlichen Umgang mit Körperbehinderten, die Technik des Kathedralenbaus oder die Einstellung katholischer Würdenträger zur Frau zu informieren. Dazu gibt es andere Quellen. Das eigentlich Spannende dagegen an Romanen, die eine längst vergangene Zeit sprachlich-imaginativ noch mal erfinden und historische Protagonisten aufs Neue auf die Weltenbühne schicken, ist doch gerade zu erkunden, wie sich in ihnen unsere aktuellen Belange spiegeln und brechen.

Seit der Erfindung des historischen Romans im neunzehnten Jahrhundert gilt dessen Interesse grundsätzlich der Gegenwart. Und was könnte uns in Zeiten, da öffentliche Debatten unversehens um neue Ermittlungen zu einem dreißig Jahre alten Terroristen-Mord kreisen, um Fragen der Informationspolitik, der Glaubwürdigkeit später Zeugen wie geheimdienstlicher Aufklärung, um Freigang wie um Gnade - was könnte uns mehr interessieren als die politischen Verwicklungen, die im Mai 1593 zum Mord an Christopher Marlowe führten, jenem begnadeten Dramatiker der englischen Renaissance, der sich fatal ins politische Geschäft verstrickt hatte?

Dieter Kühns neuer Roman kommt also just zur rechten Zeit. Nur leider kommt er derart holprig und gespreizt daher, dass jede Biographie gewiss spannendere Lektüre bietet als dieser biedere Zettelkasten. Das kurze Leben des Christopher Marlowe, das im Hinterzimmer einer Hafenkaschemme durch einen Messerstich ins Auge ein brutales Ende fand, dürfte mittlerweile mehr Romane angeregt haben, als dieser Autor selbst je Stücke schrieb. Denn tatsächlich bietet es so ziemlich alles, was ein Leserherz begehrt: den Aufstieg aus ärmlichen Verhältnissen zu Ruhm, Skandal und Erfolg; den wagemutigen Charakter eines brillanten Intellektuellen, der sich den Eliten seines Landes andient und der, sobald die Lage für sie brenzlig ist, von ihnen offenbar ans Messer geliefert wird; außerordentliche Haltungen zu Religion, zu Wissenschaft und Sex, wie er sie mit seinen Dramenhelden zeigte und womöglich selber praktizierte; sowie vor allem seine Tätigkeit als Falschmünzer und Spitzel, von der bekannte Dokumente zeugen.

Bei so viel suggestivem Material kann sein früher Tod kein Zufall oder Unfall einer Kneipenschlägerei sein. Seit Jahrzehnten kursieren daher die Verschwörungstheorien - war der Mord bloß vorgetäuscht?, die Leiche echt?, der Abgang nur zur Tarnung inszeniert? - und beschäftigen die Biographen wie Erzähler. Erst kürzlich hat die schottische Autorin Louise Welsh daraus mit "Tamburlaine muss sterben" eine herrlich-fiebrige Kolportage gemacht und Marlowes letzte Nachtphantasien mit großem Pathos ausgemalt. Dagegen geht Dieter Kühn vorsätzlich buchhalterisch zu Werk. Seine Version präsentiert sich als ein Aktenbündel, ein Dossier aus Vernehmungsprotokollen, Observationsberichten, Memoranden, Briefen und dergleichen Unterlagen mehr, mit denen der Agent "Leander" - so sein Deckname nach der Titelfigur einer erotischen Verserzählung Marlowes - vom englischen Geheimdienst geführt worden sei und aus deren Abfolge wir jetzt die dramatischen Ereignisse seines letzten Lebensjahrs entnehmen können. Die Idee ist gut, denn statt einer wissenden Erzählinstanz zu folgen, die uns alles übersichtlich darlegt, müssen wir unsererseits zum Spurenleser werden und aus den diversen, zum Teil widersprüchlichen Berichten das Geschehen selbst rekonstruieren. Allerdings scheint Kühn seiner eigenen Kompositionsidee nicht recht zu trauen. Fortwährend muss er sich als "D. Kühn (,Writer')" in seinen Text einmischen und die Aktenlage kommentieren. Um seine eher absehbare Spionagehandlung von Marlowes Informantenarbeit in Paris etwas aufzupeppen, muss er sie vielfach mit seitenlangen Paraphrasen von Marlowes eigenen Werken (wie auch einigen Werken des gleichaltrigen Rivalen Shakespeare) anreichern, wozu Kühn als studierter Anglist und promovierter Literaturwissenschaftler gewiss einiges zu sagen hat, wofür hier aber kaum der rechte Ort ist. Und was die technischen Details der Geheimdienstarbeit angeht, dreht es sich zumeist um unsichtbare Zaubertinte und dergleichen Gimmicks, wie wir sie aus der Zeitschrift "Yps" oder den Enid-Blyton-Romanen unserer frühen Jugend in Erinnerung haben - sollte hieraus etwa auch der BND-Leiter sein Fachwissen beziehen?

Das Hauptproblem aber ist die Sprache, die uns bei jedem historischen Roman die vergangene Lebenswelt allererst erfahrbar machen muss. Soll sie alt und entlegen klingen, wie es der Abstand der Jahrhunderte verlangt, oder doch besser frisch, zupackend? Kühn kann sich nicht entscheiden, findet weder Tonfall noch Rhythmus und lässt alle seine fiktiven historischen Protagonisten, so unterschiedlich deren Stellung oder Herkunft sein mag, in einer gleichförmig kraftstrotzenden Redseligkeit plaudern. Dabei mischt sich munter altfränkisch Manieriertes ("einen gelahrten Disput anzetteln") mit modisch Pubertärem ("Kommt nicht in die Tüte! Red nicht so einen Scheiß!").

Im großen Plädoyer zum Schluss, wenn Marlowe seinen Hals zu retten sucht, beschreibt er die schriftstellerische Arbeit mit historischen Quellen in großen Worten: "Da wird Rohstoff der Chroniken kalziniert, rektifiziert, sublimiert, purifiziert, die rote Sonne vereint sich mit dem weißen Mond, Festes wird flüchtig, Flüchtiges fest, chaotische Masse findet die Matrix: große Transformation, aus Sprachblei wird Sprachgold." In Kühns Roman hingegen, kann man da nur sagen, findet sich hauptsächlich Blei und wenig von dem Rausch einer derart gewaltigen Sprachalchemie. Vielleicht hätte dieser Autor besser auf seine selbsterfundene Autorenfigur hören sollen als auf den Nachrichtendienst-Direktor (a.D.).

TOBIAS DÖRING.

Dieter Kühn: "Geheimagent Marlowe". Roman eines Mordes. S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2007. 263 S., geb., 18,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Gegen die Falschheit technischer Details in diesem Buch will Rezensent Tobias Döring gar nichts sagen. Im historischen Roman, meint er, geht?s um anderes. Historie und Gegenwart aneinander zu messen etwa. Christopher Marlowe und seine Geschichte erscheint ihm da zeitgemäß interessant. Leider vermag Dieter Kühns "biederer Zettelkasten" Dörings Neugier ganz und gar nicht zu stillen. Unter den Händen des Autors gerät das "suggestive Material" zum "Aktenbündel". Den Leser selbst auf Spurensuche zu schicken, hält Döring dabei für gar keine so schlechte Idee. Schade bloß, dass Kühn dem eigenen Kompositionsansatz nicht traut und kommentiert und paraphrasiert, was das Zeug hält. Döring geht das mächtig auf die Nerven. Sicherlich auch deshalb, weil er dem Autor bis zum Ende bei der Suche nach Tonfall und Rhythmus zuschauen muss. Gefunden, warnt Döring, hat er beides nicht.

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