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Was sich der Harmonie der Welt nicht fügen mag
Es heißt, dass Pythagoras die Harmonielehre erfand, als er bei einem Schmied den Klang von fünf Hämmern hörte. Vier Hammerschläge konnte er in ein wohlgeordnetes Verhältnis setzen. Der fünfte Hammer jedoch klang dissonant. Pythagoras musste ihn aus seiner Theorie ausschließen. In seiner Studie untersucht der bekannte Philosoph Daniel Heller-Roazen das Konzept der Harmonie in einem weiten Sinn: Seit der Antike dient es als Paradigma für das wissenschaftliche Verstehen der wahrnehmbaren Welt. Doch immer wieder gibt es etwas Dissonantes, das sich…mehr

Produktbeschreibung
Was sich der Harmonie der Welt nicht fügen mag

Es heißt, dass Pythagoras die Harmonielehre erfand, als er bei einem Schmied den Klang von fünf Hämmern hörte. Vier Hammerschläge konnte er in ein wohlgeordnetes Verhältnis setzen. Der fünfte Hammer jedoch klang dissonant. Pythagoras musste ihn aus seiner Theorie ausschließen.
In seiner Studie untersucht der bekannte Philosoph Daniel Heller-Roazen das Konzept der Harmonie in einem weiten Sinn: Seit der Antike dient es als Paradigma für das wissenschaftliche Verstehen der wahrnehmbaren Welt. Doch immer wieder gibt es etwas Dissonantes, das sich gegen die Harmonie wehrt. Von der Musik über Metaphysik, Ästhetik und Astronomie, von Platon bis Kant untersucht 'Der fünfte Hammer', wie die wissenschaftliche Ordnung der Welt eine Realität suggeriert, die jedoch weder in Noten noch Buchstaben völlig erfasst werden kann. Ein fünfter Hammer klingt hartnäckig durch.
Autorenporträt
Heller-Roazen, DanielDaniel Heller-Roazen, geboren 1974, ist Professor für Vergleichende Literaturwissenschaft an der Princeton University. Er studierte Philosophie und Literaturwissenschaft in Toronto, Baltimore, Venedig und Paris und hat zahlreiche Stipendien für seine Arbeit erhalten. Im Jahr 2010 wurde ihm die Medaille des Collège de France verliehen. Im S. Fischer Verlag ist zuletzt von ihm erschienen »Der fünfte Hammer - Pythagoras und die Disharmonie der Welt« (2015), »Der Feind aller. Der Pirat und das Recht« (2010) sowie die von der Kritik gefeierte Studie »Der innere Sinn. Archäologie eines Gefühls« (2012).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.01.2015

Die Oktave hat ihren Preis
Daniel Heller-Roazen widmet sich dem störrisch unharmonischen Rest

Das Buch des in Princeton lehrenden Komparatisten Daniel Heller-Roazen macht es dem Leser nicht leicht. Die Versuchsanordnung an sich ist faszinierend. In der dem legendären Pythagoras zugeschriebenen Idee, die Ordnung der Welt bilde sich gleichsam ab in den Harmonien der Musik, gibt es von vornherein einen Störfaktor. Denn die Legende besagt, Pythagoras habe in dem Schlag von vier Schmiedehämmern eine zahlhaft-harmonische Ordnung wahrgenommen, zugleich aber auch einen fünften Schlag gehört, der disharmonisch, also nicht integrierbar, gewesen sei. In allen Harmonisierungsversuchen gab es also von vornherein einen widerständigen Rest. Der "fünfte Hammer" ist das Sinnbild dieses Widerstands, und er ist Gegenstand des Buches. Es spürt den verschlungenen Wegen nach, den dieser Widerstand in den menschlichen Ordnungsversuchen zurückgelegt hat.

Heller-Roazen beginnt in der Spätantike und endet bei Kants "Kritik der Urteilskraft". Dazwischen finden sich Kapitel zur antiken Überlieferung, zur spätmittelalterlichen Proportionslehre, zur frühneuzeitlichen Musiktheorie, zur Lehre von den musikalischen Stimmungen. Am Schluss steht ein Rückblick auf den Astronomen Johannes Kepler, der für den Autor so etwas wie der frühneuzeitliche Gewährsmann dafür ist, dass die Einsicht in die Disharmonie eine unauflösbare Verlustgeschichte bezeichnet. Keplers "Schrecken vor dem Unendlichen" gründe in seiner Einsicht, dass dieses Unendliche das Ordnungsvermögen des Menschen notwendig übersteigen müsse.

Das alles ist klug geschrieben und wohlüberlegt zusammengetragen. Und doch bleiben die Konturen merkwürdig unscharf. Vielleicht, weil schon die Sicherung des Gegenstands schwankend bleibt. Bereits in der Einleitung wird nicht recht klar, ob dem Autor an der Geschichte einer musikalischen Metapher, der Harmonie, gelegen ist - oder an Harmonisierungsbestrebungen, in denen die Musik nur eine von mehreren Rollen zu spielen vermag. Möglicherweise ist diese Unschärfe beabsichtigt, um das Problem des Gegenstands gleichsam in die Darstellung zu tragen. Überzeugend ist das Verfahren jedoch nicht.

Mit dieser Unschärfe ist ein zweites Problem verbunden. Der weite Raum, den Heller-Roazen durchquert, kann nur punktuell vermessen werden - und die Auswahl dieser Punkte bleibt unbefriedigend. Ein Beispiel: Die musikalische Stimmung, also das, was im Fachjargon Temperatur heißt, ist schon in ihrem Wesen ein widersprüchliches System. Denn in dem Willen, jene Widerstände aufzulösen, welche die Musik der rationalen Bewältigung entgegensetzt, tritt das Grundproblem nur umso deutlicher hervor. Um es zuzuspitzen: Eine mathematisch "reine" Stimmung ist zwar rational, jedoch den Sinnen unerträglich, weil es zur Sprengung der Oktave kommen muss; die bis heute gültige Lösung des Problems, die gleichschwebende Temperatur (also die Teilung der Oktave in zwölf gleiche Halbtonschritte) ist hingegen zwar angenehm für das Ohr, bleibt aber, da in einer logarithmischen Operation wurzelnd, mathematisch irrational. Nicht immer ist dieses genuin musikalische Problem im Sinne einer Weltordnung gedeutet worden, die Kronzeugen haben also ganz unterschiedliches Gewicht. Derjenige, der dabei am weitesten ging, war Moses Mendelssohn. Er erblickte in diesem Widerspruch den Grund aller Kunst und damit den Kern der Ästhetik - kommt jedoch im Buch gar nicht vor.

So bleibt vieles in der knappen Darlegung kursorisch, ungenau, am Ende auch beliebig. Das betrifft die Kapitel zur mittelalterlichen Musiklehre ebenso wie diejenigen zur frühen Neuzeit. Gerade im 17. Jahrhundert begegnet zudem die Kepler ganz gegenläufige Auffassung, dass das Problem des fünften Hammers nur deswegen existiere, weil der Mensch noch immer nicht tief genug in das eigentliche Wesen der Welt und ihrer Harmonie einzudringen vermöge. Der wichtigste Gewährsmann dafür, der Jesuit Athanasius Kircher, wird von Heller-Roazen aber nicht einmal erwähnt.

Der Abbruch der Darstellung im 18. Jahrhundert wirkt willkürlich, lässt sich doch die Spur einer Engführung von Ordnung und Harmonie (samt dem widerständigen Überschuss) mühelos weiterverfolgen, von der frühromantischen Musikästhetik bis zu Karlheinz Stockhausens ". . . wie die Zeit vergeht . . .". Und dabei muss man sich durchaus nicht auf esoterische Sonderwege wie bei Hans Kayser oder Joachim Ernst Behrendt einlassen.

Der Gang des Pythagoras in die Schmiede ist eine Legende, eine folgenreiche zweifellos. Dass sich aus ihr tatsächlich eine Universalgeschichte menschlicher Ordnungsentwürfe ableiten und auch noch in acht kurzen Kapiteln skizzieren lässt, davon ist man nach der Lektüre nicht überzeugt. Der Leser bleibt eher ratlos zurück.

LAURENZ LÜTTEKEN.

Daniel Heller-Roazen: "Der fünfte Hammer". Pythagoras und die Disharmonie der Welt. Aus dem Amerikanischen von Horst Brühmann. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2014. 256 S., geb., 22,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Christoph Lüthy hat wirklich nichts Gescheites gefunden in diesem Buch von Daniel Heller-Roazen. Der Literaturwissenschaftler versucht darin zu beweisen, dass die pythagoräische Zahlenlehre bis in die Neuzeit unser Denken über Zahlen und Sein dominiert. Tut es aber nicht, meint der Rezensent. Was der Autor über die Gegenwart, namentlich die Homogenität moderner Wissenschaft zu sagen hat, findet er nicht weniger fragwürdig. So schwungvoll erregt, wie das Buch beginnt, so enttäuschend für Lüthy endet der Versuch des Autors, die Geschichte menschlichen Irrens aus Pythagoras' Verleugnung des fünften Hammers herzuleiten.

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