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Produktdetails
  • Verlag: Philo Verlagsges.
  • Seitenzahl: 491
  • Abmessung: 240mm
  • Gewicht: 1330g
  • ISBN-13: 9789057050695
  • ISBN-10: 9057050692
  • Artikelnr.: 24614625
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.05.2001

Dollars im Bild
Eine Studie zu amerikanischen Malern unter Millionären
Die populären Vorstellungen vom Künstler hatten einst etwas Tröstliches. Schön war die vom einsamen, introvertierten Genie, das seine Ideen aus sich selbst oder durch göttliche Inspiration bezieht. Schön auch die vom unverstandenen Avantgardekünstler, der außerhalb der Gesellschaft steht, gleichzeitig aber deren Sehnsüchte in sich konzentriert. Diese in der Romantik wurzelnden Künstlerbilder werden seit einiger Zeit revidiert – sie waren schon damals, als sie entstanden, Wunschvorstellungen, gehen an der gesellschaftlichen Realität, den kollektiven Vorstellungen der Künstler von ihrer Tätigkeit und ihren Produkten schlicht vorbei.
In diesem Zusammenhang ist ein Blick nach draußen, auf den amerikanischen Kunst- und Künstlermarkt aufschlussreich. In ihrer Studie rekonstruiert Ursula Frohne nicht nur umfassend die sozialen Verhältnisse, die Arbeitsbedingungen sowie die Institutionen, innerhalb derer die Maler dort nach dem Ende des Bürgerkriegs ihre Tätigkeit entfalteten; besonderes Gewicht legt sie auf die Frage nach einem spezifisch amerikanischen Selbstverständnis der Künstler. Die noch vom Gründergeist geprägte Gesellschaft des ausgehenden 18. Jahrhunderts hatte mit ihren pragmatischen Maximen keinerlei Sensibilität für Künstlertum – die ästhetische Verfeinerung des Lebens galt als europäisch. In Folge des ökonomischen Wachstums änderte sich dies jedoch – nun plötzlich erkannten die neuen Millionäre die Bedeutung kultureller Werte als Mittel zur sozialen Distinktion. Und die Maler reagierten überaus professionell auf diese Entwicklung.
Faszinierend hierbei ist die Herausbildung eines von Europa gänzlich verschiedenen künstlerischen Habitus. Die amerikanischen Maler stilisierten sich nicht etwa zum bohemienhaften Außenseiter – sie wählten vielmehr die Rolle des erfolgreichen Geschäftsmanns, der einer ehrbaren Tätigkeit mit Gewinn nachgeht und seine Kompetenz mit seinem Reichtum demonstriert – oder zumindest simuliert. So ist das New Yorker Künstleratelier, das potentiellen Käufern und anderen Interessenten für Ausstellungen geöffnet wurde, ein partiell öffentlicher Raum, der durch Opulenz beeindrucken sollte. Kein „Ort der kritischen Selbstbefragung”, sondern ein „Ort der Selbstbestätigung”, wie Frohne präzis differenziert.
Der Künstler ist kein Intellektueller, der seine Tätigkeit theoretisch reflektiert, sondern ein Organisator, der das Funktionieren seiner eigenen Vermarktung vorführt. Zu diesem Zweck reiste man auch nach Europa – nicht um sich mit neuesten Entwicklungen und Bildkonzepten vertraut zu machen, sondern um die eigene Technik und Virtuosität zu schulen, die sich dann in der Heimat materialisieren ließen. Als Gründe für diesen amerikanischen Sonderweg führt Frohne soziologische an, nämlich die von Max Weber analysierte Dominanz der puritanisch-protestatischen Ethik in den Vereinigten Staaten, die die „innere Berufung” als Voraussetzung der Gottwohlgefälligkeit einer Tätigkeit ablehnt und allein die Nützlichkeit und „privatwirtschaftliche Profitlichkeit” als leitende Prinzipien allen Tuns anerkennt: „Genie wird in den Menschen erkannt, die erfolgreich sind” – so brachte es ein Autor in einer Kunstzeitschrift auf den Punkt.
Diese spezifische Entwicklung manifestiert sich auch indirekt in den Sujets. Was in der Großstadt New York nahe liegen würde, nämlich die Verarbeitung des schillernden „Modern Life” (T. J. Clark, in Anlehnung an Baudelaire), sucht man vergeblich. Statt dessen findet man privates Leben in Interieurs und Ansichten der Landschaften am Rande der Großstadt – was überraschend ist im Hinblick auf die zeitgleiche Entwicklung der von Urbanität geprägten impressionistischen Malerei in Frankreich. Aber eine unterschwellig kritische Bestandsaufnahme der kapitalistischen Welt wäre mit der Strategie der Gesellschaftsaffirmation kaum zu vereinbaren gewesen. „Abgrenzung vom einfachen Volk” war die Devise, und der Mikrokosmos des Ateliers bot dafür den idealen Raum.
Hier hätte man sich womöglich eine umfassendere Analyse gewünscht, wie sich die Normbestätigung auch im „glatten” malerischen Modus niederschlägt. Doch angesichts der Fülle von Ergebnissen sind solche Kritikpunkte rasch vergessen. Denn vor dem Hintergrund der erarbeiteten ideologischen Konstellationen lassen sich auch dominante Aspekte der spezifisch amerikanischen Verhältnisse nach dem Zweiten Weltkrieg neu bewerten. So gerät gerade Andy Warhols Selbststilisierung zum Warenfetischisten und sein Spruch „Erfolg ist ein Job in New York” in ein neues Licht – und das Atelier als Erlebnisraum fand seine Fortsetzung in Warhols Factory. Sogar ein scheinbar banales Bildsujet wurde nicht erst von der Pop-Art erfunden: Die Dollarnote fand bereits im 19. Jahrhundert Gefallen bei Malern wie William B. Harnett und John Haberle, die mit ihren perfekten illusionistischen Wiedergaben der Geldscheine samt Abnutzungsspuren sogar die Beschlagnahmung der Bilder durch das Treasury Department und den Geheimdienst riskierten – eine bildimmanente Reflexion über Schein und Sein, „verschlüsselte Aussagen” zur eigenen Situation „im allesbeherrschenden Kult um das Geld”.
VALESKA VON ROSEN
URSULA FROHNE: Maler und Millionäre. Erfolg als Inszenierung: Der amerikanische Künstler seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert. Verlag der Kunst, Dresden 2000. 492 Seiten, Abb., 68 Mark.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Valeska von Rosen hat in der Studie über amerikanische Künstler und ihr Verhältnis zu den wirtschaftlichen und soziologischen Gegebenheiten des ausgehenden 19. Jahrhunderts "präzis differenzierte" Beobachtungen entdeckt und findet die Untersuchung zum Künstler-Selbstverständnis, das dem in Europa gänzlich entgegengesetzt ist, sehr faszinierend. In Amerika verstanden sich Maler nicht als bohemehafte Außenseiter, sondern als Geschäftsleute, die einer ehrbaren und gewinnbringenden Tätigkeit nachgehen, referiert sie. Umgekehrt hätten amerikanische Millionäre im 19. Jahrhundert die "Bedeutung kultureller Werte als Mittel zur sozialen Distinktion" erkannt. Rosen lässt sich von der Argumentation der Autorin, die sich auf Max Webers Analyse der "Dominanz der puritanisch-protestantischen Ethik" in den USA beruft, überzeugen und ist beeindruckt von der "Fülle von Ergebnissen", mit der Frohne aufwarten kann. Einzig, dass die Autorin nicht genauer analysiert, wie sich die "Normbestätigung" der amerikanischen Künstler in ihrem Malstil manifestiert, bedauert die Rezensentin ein bisschen

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