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Angst vor dem Wettrüsten, Angst vor Waldsterben und Kernkraft, Angst vor wachsender sozialer Unsicherheit. Inmitten des von Untergangsstimmung und Zivilisationszweifeln beherrschten Klimas der 80er Jahre ließen sich Millionen verunsicherter Zeitgenossen von Reportagen und Ratgebern fesseln, in denen sich Überlebenspioniere nur mit Messer und Lendenschurz ausgestattet durch den Dschungel schlugen. Die verkümmerten Überlebensinstinkte sollten reaktiviert, Wohlstandsbürger für den Überlebenskampf in der vom Kollaps bedrohten urbanen Welt fit gemacht werden. Anhand des eigentümlichen Genres der…mehr

Produktbeschreibung
Angst vor dem Wettrüsten, Angst vor Waldsterben und Kernkraft, Angst vor wachsender sozialer Unsicherheit. Inmitten des von Untergangsstimmung und Zivilisationszweifeln beherrschten Klimas der 80er Jahre ließen sich Millionen verunsicherter Zeitgenossen von Reportagen und Ratgebern fesseln, in denen sich Überlebenspioniere nur mit Messer und Lendenschurz ausgestattet durch den Dschungel schlugen. Die verkümmerten Überlebensinstinkte sollten reaktiviert, Wohlstandsbürger für den Überlebenskampf in der vom Kollaps bedrohten urbanen Welt fit gemacht werden. Anhand des eigentümlichen Genres der Survival-Literatur spürt Philipp Schönthaler der bizarr-bedrohungsseligen Stimmung der 80er Jahre nach, die sich auch in Popkultur, Kino und Freizeittrends niederschlug. Dabei werden die Abenteuererzählungen und Lebensanweisungen des Survival in einen Zusammenhang mit Überlebens-berichten von Daniel Defoe über Rüdiger Nehberg bis Reinhold Messner gestellt, um im Anschluss mit Blick auf unsere Gegenwart auszuloten, wie das Training für den Untergang angesichts nicht enden wollender Wirtschaftskrisen und Kriege einen neuen Boom erlebt.
Autorenporträt
Schönthaler, PhilippPhilipp Schönthaler, 1976 in Stuttgart geboren, erhielt 2012 für sein Erzähldebüt Nach oben ist das Leben offen den Clemens-Brentano-Preis. Bei Matthes & Seitz Berlin sind bisher fünf Bücher erschienen, der Essay Portrait des Managers als junger Autor wurde 2016 mit dem Preis des Stuttgarter Wirtschaftsclubs ausgezeichnet. Sein Roman Der Weg aller Wellen. Leben und Dienste II setzt die im Erzählband Vor Anbruch der Morgenröte. Leben und Dienste I (2017) begonnene Auseinandersetzung mit der Technologie fort. Er lebt in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.08.2016

Für die Tasche Survival-Bücher können als eigenes Genre betrachtet werden, seien es Geschichten, in denen es zu Fuß durch Deutschland oder mit dem Tretboot über den Atlantik geht. Der Schriftsteller Philipp Schönthaler durchforscht in "Survival in den 80er Jahren" den Begriff, angefangen bei Ratgebern mit Überlebenstechniken für englische Soldaten, die Mitte des 19. Jahrhunderts abseits erschlossener Regionen unterwegs waren, bis zu - natürlich - Rüdiger Nehberg, selbsternannter "Sir Vival". Da ist das Nahe das Fremde geworden, der eigene Kontinent und der Alltag werden zu Dschungel und Überlebenskampf umdeklariert. Als auslösende Momente verortet Schönthaler reale Bedrängnisse in den 1980ern: Nato-Doppelbeschluss, Angst vor Waldsterben und Kernkraft, und 1986 der GAU: Tschernobyl. Schönthaler, 1976 geboren, rekapituliert, wie einschneidend diese Erfahrung gewesen ist. Familien wanderten nach Portugal aus, weit im Westen gelegen. Man aß keinen Salat mehr, kein Wild, keine Pilze. Überlebensstrategien schienen für den Alltag wieder notwendig zu sein. Als Situation par excellence, in die fast jeder geraten konnte und sich dann im Dschungel oder in den Anden zurechtfinden musste, galt der Flugzeugabsturz. Schönthaler deckt auch den darwinistischen und zugleich neoliberalen Ansatz auf: Es lag am Einzelnen, ob er in der Lage dazu war, zu überleben. James Bond war nicht der Maßstab. Er bekam von Q Spezialmaschinen, und das Abenteuer, bei dem diese zum Einsatz kommen sollten, stellte sich prompt ein. Ein Nehberg hingegen zog ohne alles allein in den Urwald, um mit dem zu überleben, was er vor Ort vorfand. Und sei es ein Boxhandschuh aus einem überfahrenen Igel. Auch bei Nehberg spielten zunächst Abenteuerlust und Freude am Risiko die größere Rolle, erst später nahm er die Rettung der Yanomami-Indianer mit ins Boot. Schönthaler deckt auch den Zynismus auf, den der Begriff durchläuft. Waren in der Mitte des 20. Jahrhunderts mit Überlebenden Menschen gemeint, die die Schoa oder stalinistische Lager eben überlebt hatten, wurde Survival zum Abenteuersport.

Die Betrachtungen sind umfassend, manchmal etwas ausufernd. Die bisweilen akademische Sprache macht das mäandernde Werk nicht gerade leicht zugängig. Aber vielleicht gehört das einfach zum Thema. Der Nehberg des 21. Jahrhunderts heißt übrigens Bear Grylls. Noch härter, noch mehr Drill, noch mehr Selbstdarstellung, professioneller visualisiert. Survival als Selfie.

bfer

Philipp Schönthaler: "Survival in den 80er Jahren. Der dünne Pelz der Zivilisation". Matthes & Seitz, Berlin 2016, 22,90 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.03.2016

Rette sich, wer kann!
Eine Erinnerung an die große Survival-Literatur
Die Kunst des nackten Überlebens war im vergangenen Jahr Antrieb zweier kassenträchtiger und mit insgesamt neun Oscars prämierter Filme: „Mad Max: Fury Road“ und „The Revenant“. Beide behandelten auf völlig unterschiedliche Weise den Durchhalteinstinkt ihrer Helden, die wahlweise in einer postapokalyptischen Wüste vor rasenden Mörderhorden fliehen oder in der bittersten Kälte der amerikanischen Wälder überwintern müssen. Dass das Paradigma des Überlebenskampfes keineswegs nur ein gegenwärtig populäres Phänomen ist, zeigt Philipp Schönthaler in „Survival in den 80er-Jahren“. Beflügelt durch die ökologische Wende, die Aktivitäten von Umwelt- und Friedensbewegung und besonders durch den Unfall in Tschernobyl 1986, entstand das weitverbreitete Genre der Survival-Literatur. Bergeweise Handbücher und Anleitungen zum Meistern jedweder Katastrophen und Extremsituationen wurden auf den Markt geworfen, geprägt von einer misstrauischen bis ablehnenden Haltung gegenüber zivilisatorischer und technischer Innovation. Die Katastrophe lockt, „fit für den Ernstfall“?
  Schönthalers (ohne Schutzumschlag in kernkräftigem Gelb gehaltenes) Buch spürt dieser Entwicklung in der Bundesrepublik beispiel- und kenntnisreich nach und zeigt diverse ideologische Implikationen auf, denen das auf sich allein gestellte Subjekt unterworfen ist. So deutet sich der in den Achtzigern heraufziehende Neoliberalismus etwa auch in der Figur des Überlebenskünstlers an, der statt auf die Solidargemeinschaft lieber auf das Selbstmanagement setzt. Leiden ohne darüber zu klagen ist schließlich die Devise all jener, die sich freiwillig der Selbstausbeutungs- und Optimierungsmaschinerie unterwerfen.
  Exemplarisch sind dem bekannten Abenteurer und Aktivisten Rüdiger Nehberg, der das Survival in vielen, auch paradoxen Facetten illustriert, wesentliche Passagen gewidmet. Als Extremsportler, Selbstverwirklicher und Vertreter für eine mediale Verhandlung von Körperkultur steht der heute achtzigjährige Nehberg wie kaum ein Zweiter symbolisch für die Survival-Kultur. Der Ausgangspunkt von Schönthalers Überlegungen ist die Wiederbegegnung mit den Überlebensratgebern seiner Jugend, die angesichts der Finanzkrise 2008 wieder aktuell waren, aber nie wird der Autor gefangen im Outdoor, klug beobachtet er den Wandel, den das wiederauflebende Phänomen in den letzten Jahren erfahren hat. Stellenweise ist „Survival in den 80er-Jahren“ selbst ein kleiner Dschungel, mit Nebenpfaden und Abstechern, etwa zu Robinson Crusoe, der argumentativ nicht immer ganz auf der Linie bleibt, doch als Kompendium eines selten besuchten Territoriums so unterhaltsam wie lehrreich ist.
TOBIAS SEDLMAIER
Philipp Schönthaler: Survival in den 80er-Jahren. Der dünne Pelz der Zivilisation. Matthes & Seitz, Berlin 2016. 279 Seiten, 22,90 Euro.
Der Neoliberalismus der
Achtziger deutet sich an in der
Figur des Überlebenskünstlers
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Rezensent Oliver Pfohlmann schätzt den Überlebensratgeber von Philipp Schönthaler, weil dieser Fiktionen und Fantasmen des Genres auf erfrischend originelle Weise herausfiltert, wie er schreibt. Wenn der Autor Survival-Typen nach Jahrgängen klassifiziert, kann Pfohlmann was lernen, etwa warum der Einzelgänger und Leidüberwinder Rüdiger Nehberg gerade in der Thatcher-Ära reüssierte oder warum die Selbstversorgung seit der Finanzkrise wieder en vogue ist. Darüber hinaus findet Pfohlmann in Schönthalers Essay Seitenblicke auf die Romanlitertur und Reality-Shows.

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