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Es sind sieben Jahre vergangen, seit Charles Zalik seine Heimatstadt verlassen hat, um in den Krieg zu ziehen, irgendwo in einem fernen Land, ohne Kenntnis darüber, gegen welchen Feind er eigentlich kämpft. Er wollte mit seinem früheren Leben brechen, endlich seinen Platz finden in einer Welt, die er müde geworden ist zu hinterfragen. Und er wollte aus dem Dunstkreis von Kérim San fliehen, seinem ebenso charismatischen wie zwielichtigen Freund. Aber dann, als Charles die Nachricht erreicht, dass Kérim schwer erkrankt ist und wahrscheinlich sterben wird, verlässt er Hals über Kopf sein…mehr

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Produktbeschreibung
Es sind sieben Jahre vergangen, seit Charles Zalik seine Heimatstadt verlassen hat, um in den Krieg zu ziehen, irgendwo in einem fernen Land, ohne Kenntnis darüber, gegen welchen Feind er eigentlich kämpft. Er wollte mit seinem früheren Leben brechen, endlich seinen Platz finden in einer Welt, die er müde geworden ist zu hinterfragen. Und er wollte aus dem Dunstkreis von Kérim San fliehen, seinem ebenso charismatischen wie zwielichtigen Freund. Aber dann, als Charles die Nachricht erreicht, dass Kérim schwer erkrankt ist und wahrscheinlich sterben wird, verlässt er Hals über Kopf sein Regiment, seine Kameraden, und reist zurück in die Heimat. Die beiden erneuern ihre Freundschaft ... bis Charles erfährt, dass sein Freund ein Vermögen macht mit illegalen Geschäften, darunter Waffen- und Drogenhandel, auch von Diebstahl und Erpressung ist die Rede.
In seinem fulminanten Roman erzählt Loïc Merle vom Bund zweier ungleicher Männer als Sinnbild einer Epoche, der jegliches Verständnis für Gleichheit abhandengekommen ist.
Autorenporträt
Loïc Merle, geboren 1978 in der Nähe von Paris, wuchs in einem kleinen Dorf im französischen Zentralmassiv auf. Er studierte Geschichte und Literaturwissenschaft in Lyon und arbeitete im Anschluss als Lehrer in einem Pariser Vorort. Sein erster Roman, der vom Literaturmagazin LIRE zum besten Debüt des Jahres 2013 gewählt wurde, entstand in Deutschland, wo Loïc Merle mehrere Jahre verbrachte. Heute lebt er wieder in Lyon.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Dass sich der Krieg auch in Sprache und persönlichen Gefühlen versteckt, zeigt kaum ein Roman so brillant wie Loic Merles grandioser Erstling "Allein, unbesiegt", lobt Rezensent Niklas Bender. Allein die Geschichte um zwei rivalisierende Freunde, den Soldaten Charles und den Kleinkriminellen Kerim, die nach langer Zeit aufeinander treffen, als Kerim an Leukämie erkrankt und in deren Folge Charles seinen Lebensentwurf über Bord wirft, liest der Kritiker gebannt. Vor allem aber ist Bender geradezu hingerissen von der Sprachgewalt des Autors, der er die "Besessenheit eines Bernhardschen Monolithen" attestiert. Wie der französische Autor die psychische Konstellation, die Schwächen und Konflikte seiner Helden auslotet, erinnert den Rezensenten gar an die Romane Jerome Ferraris. Nicht zuletzt lobt Bender Claudia Steinitz' virtuose Übersetzung dieses Ausnahmeromans.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.04.2016

Soldaten der
Freundschaft
Loïc Merles surrealer Roman
„Allein, unbesiegbar“
„Wir sind beide Soldaten, jeder auf seine Art. Zwei Kämpfer, bereit bis zum Ende zu gehen.“ Kérim San liegt, schwer von Leukämie gezeichnet, im sterilen Therapieraum eines Krankenhauses, als er diese Worte an seinen alten Schulfreund Charles Zalick richtet. Charles hat seinen Posten als Hauptfeldwebel auf einer französischen Militärstation irgendwo in der Wüste Hals über Kopf verlassen, um Kérim an seinen voraussichtlich letzten Tagen zu begleiten. Ihre Freundschaft hatte bei einer Schlägerei auf dem Pausenhof der Schule in der namenlosen französischen Stadt „C.“ begonnen und entwickelte sich fortan zu einer „anstrengenden und eifersüchtigen Beziehung.“
  Während Kérim sich vom Kleinkriminellen zum erfolgreichen Lokal-Mafioso hocharbeitete, zog Charles für Frankreich in den Krieg, um „nicht mehr nachzudenken“, um seine Vergangenheit als bester Freund des Bandenchefs hinter sich zu lassen. Sieben Jahre ist es her, dass „alles tot“ war auf dem Schlachtfeld ihrer Freundschaft und Charles im Gefecht „zum Nutzen Frankreichs“ den „Weg zum Erwachsenenalter, zutiefst allein“ betrat, so glaubte er zumindest. Währenddessen hat sich Kérim, Sohn einer laotischen Mutter und eines türkischen Vaters, vom vermeintlichen Makel seiner Herkunft befreit und sich durch rücksichtsloses Machtstreben allseitige Anerkennung in der gehobenen Gesellschaft erfochten. Das Leben ist für beide wie ein Kriegsschauplatz im Kampf um Zugehörigkeit, Anerkennung und Freiheit, „mit Verbündeten und Gegnern, heiklen Geheimnissen und der Gewalt, die dazugehört.“
  So weit, so martialisch. Und wirklich erzählt Loïc Merle in seinem Roman „Allein, unbesiegt“ das Leben als eines, dessen Sinn darin besteht, sich gegen alle Widrigkeiten bestmöglich zu wappnen. Um dieses eher ernüchternde Grundmotiv spinnt der Autor freilich eine fein justierte, ebenso ungeschminkt wie zärtlich erzählte Geschichte über die Freundschaft zwischen den zwei ungleichen Zwillingsbrüdern Kérim und Charles, über das „unerklärliche Hingezogensein zu einem anderen, den man instinktiv erkennt und der sich ohne die Komplikationen von Sexualität ganz und gar hinzugeben scheint.“ Was zu Beginn erscheint wie eine reine Freundschafts-Ökonomie, in der Konkurrenzen, Abhängigkeiten und vor allem Machtverhältnisse die Regeln bestimmen, entpuppt sich im Laufe dieses Entwicklungsromans als ein unkalkulierbarer Tauschhandel. Dabei heißt Freundschaft noch lange nicht, dass man sich versteht oder gar miteinander auskommt – sie ist einfach da, ohne irgendetwas zu verlangen.
  „Wir leben, wie wir träumen – allein.“ Dieses Joseph-Conrad-Zitat kann als Leitmotiv des literarischen Universums von Loïc Merle gelten. Schon sein in Frankreich hochgelobter Erstling („L’esprit de l’ivresse“ – Der Geist der Trunkenheit) über die gewalttätigen Ausschreitungen in den Pariser Vororten von 2005 erzählte von der Einsamkeit der Abgehängten, vom verzweifelten Kampf der Verlierer. Auch in „Allein, unbesiegt“ geht es nicht zuletzt um die Frage, wie man das Scheitern, die Irrwege und die Einsamkeit in die eigene Lebenswelt integriert, ohne daran zu Grund zu gehen.
  Der nur knapp dem Tod entkommene Leukämie-Patient Kérim entschließt sich, mit seinen durch Drogenhandel, Erpressung und andere unschönen Dingen angehäuften Reichtümern auf dem Berg über ihrer Heimatstadt „C.“ ein Heim für die Verstoßenen einzurichten: Zwei zerlumpte Dichter, eine alleinerziehende Mutter mit vier Kindern, ein arbeitsloser Ingenieur, ein Viehzüchter, der gerade aus der Psychiatrie entlassen wurde, ein drogenabhängiger Flugzeugpilot – das ist das „Volk von Exilanten“, die sich auf Kérims Kosten im „Wolkenhaus“ endlich einmal geborgen fühlen dürfen. Charles ist derweil offiziell vom Kriegsdienst in der Wüste desertiert und versteckt sich mit einer Pariser Philosophiestudentin und Gelegenheitsprostituierten in der Einsiedelei vor dem Militärgericht. Doch das Auffanglager für Vertriebene aus dem eigenen Leben wird alsbald heimgesucht von Konkurrenzgebaren, Habsucht und gegenseitigen Verdächtigungen, bis der Wohltäter Kérim die Exilanten wieder nach Hause schickt.
  Die Handlung in Loïc Merles Roman wirkt nicht zufällig wie ein überdrehter Traum voller surrealer Volten und kulissenhafter Szenerien. Auch die Figuren bleiben unwirklich und ungreifbar – und gehen einem gerade deshalb so nah. Sie vereinen in sich die Widrigkeiten und Unwägbarkeiten des Lebens und führen vor Augen, dass am Ende ein jeder für sich alleine kämpft. Loïc Merles tastende, sich immer wieder selbst in Zweifel ziehende Sätze lösen einen Sog aus, der Erkenntnisse über die geheime Mechanik des Lebens freisetzt. Am Ende erwachen Charles und Kérim, diese Soldaten ihres eigenen Schicksals, mit der Einsicht, dass sie immerhin solange unbesiegt bleiben, wie sie sich den Glauben an ihre Freundschaft nicht nehmen lassen.
CORNELIUS WÜLLENKEMPER
Loïc Merle: Allein, unbesiegt. Roman. Aus dem Französischen von Claudia Steinitz. Verlagsbuchhandlung Liebeskind, München 2016. 208 Seiten, 20 Euro. E-Book 15,99 Euro.
Die Handlungsanordnung
dieser parabolischen Geschichte
wirkt wie ein Fiebertraum
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.07.2016

Intime Schlachten einer Freundschaft
Der französische Schriftsteller Loïc Merle duchdringt mit seinem Roman "Allein, unbesiegt" den Firnis der Zivilisation

Manch kluger Geist traut dem - tatsächlich brüchigen - Frieden im zivilisierten Europa nicht und vermutet, der Krieg hätte sich nur besonders geschickt versteckt, er lauerte überall und besonders dort, wo man ihn nicht vermutet, in der Politik, in der Sprache, in den persönlichsten Gefühlen. Nietzsches bekannte Thesen zum Thema haben besonders französische Denker vehement weiterentwickelt, und mit Loïc Merle will nun ein französischer Schriftsteller sie veranschaulichen: Sein Erstlingsroman "Allein, unbesiegt" spürt den intimen Schlachten einer Freundschaft nach, in denen sich Charles Zalik und dessen bester Freund Kérim San befehden und aufreiben.

Charles ist Soldat und hat die Heimatstadt C., in der Kérim weiter sein zwielichtiges Wesen treibt, vor sieben Jahren verlassen - ein ungeordneter Rückzug, bei dem einiges Gepäck durcheinandergekommen ist. Charles hat es zum Hauptfeldwebel einer Fernmeldetruppe gebracht und kämpft in einer namenlosen Wüste gegen einen ebensolchen Feind. Da erreicht ihn die Nachricht, Kérim habe akute Leukämie: Charles reist, so rasch er kann, zurück und straft seinen neuen Lebensentwurf Lügen. Kérim und C. haben verdächtig leichtes Spiel damit, Charles abermals in ihren Bann zu ziehen: "Meine Gedanken gerieten durcheinander, meine Gewissheiten hatten sich bei der Ankunft in der Stadt verflüchtigt, als würden mich das Wasser, das ich trank, und die Luft, die ich atmete, irgendwie vergiften, und drohten, mich in einen jener Greise zu verwandeln, die man auf den Brücken traf, verschwommene Umrisse, nutzlos und verlassen."

Der Rest der Geschichte ist so rasch erzählt wie rätselhaft: Charles bleibt, er besucht den Kranken regelmäßig, bekommt Einblick in Kérims unsaubere Geschäfte und Netzwerke. Statt sich zu lösen, lässt Charles alte Bande aufleben, die endgültig zur Abhängigkeit werden, als er Lily wiedertrifft, eine attraktive Liebschaft aus einem Fronturlaub, die ihren Zuhälter loswerden möchte. Charles desertiert, beide vertrauen sich Kérims Obhut an, doch nach dessen Genesung lässt Charles Lily bei der erstbesten Möglichkeit zurück. Nach einigem Umherirren, im Laufe dessen er seinen existentiellen Tiefpunkt in einem Bombenkrater des Ersten Weltkriegs auslotet, bekommt er eine zweite SMS, die ihm Kérims Rückfall verkündet; es kommt zu einem letzten Treffen. Charles landet schließlich, so gibt der Text zu verstehen, wieder als Soldat in seinem Wüstennest.

Dieses Handlungsresümee sagt jedoch wenig über den Roman. Triftiger ist das Motto von Thomas Bernhard, dessen gute Kenntnis man Merle, einem 1978 geborenen Lehrer, der einige Jahre in Deutschland gelebt hat und heute in Lyon wohnt, getrost unterstellen darf. Tatsächlich hat "Allein, unbesiegt" etwas von der Besessenheit eines Bernhardschen Monolithen: "Aber die Wörter sind in meinem Kopf geblieben, so hartnäckig, so hartnäckig, unbeschädigt, rostbeständig, verletzend, kaum ins Wanken gebracht oder zurechtgestutzt von den Kenntnissen, die ich sammelte, als würden mein krankes Gedächtnis und mein kranker Geist keine Grenzen mehr kennen." Solch lawinenartige Figuren- und Erzählerrede erinnert an die sprachgewaltigen Monologe des Österreichers oder an jene seines ungarischen Nachbarn Sandor Márai. Im Unterschied zu diesen Vorbildern passt die Eloquenz freilich kaum zu Merles Figuren, nach dem Willen ihres Autors junge ungebildete Männer mit Migrationshintergrund, die aus einfachen Verhältnissen stammen. Seinen Verstoß gegen die Wahrscheinlichkeit - mit bösem Willen könnte man einen Konstruktionsfehler anprangern - macht Merle durch psychische Intensität und sprachliche Präzision wett; Claudia Steinitz meistert die beachtliche Herausforderung, diese ins Deutsche zu übertragen.

Denn Handlungen, Ereignisse und Situationen sind wenig mehr als die Spitzen von Eisbergen, die unter Wasser kollidieren. Etwas mehr Konkretheit wünscht man sich mitunter, aber das psychische Seismogramm, das die arktischen Erschütterungen zeichnen, ist schlichtweg faszinierend. In seiner Konzentration auf das Psychische, auf menschliche Schwächen und Fehden, im kohärenten Erkunden eines zentralen Gegenstandes (hier dem des Krieges) sowohl auf der konkreten als auch der übertragenen Ebene ist "Allein, unbesiegt" Jérôme Ferraris Romanen ähnlich.

Manchmal schlagen die Verhältnisse um: Charles' Distanz erweist sich als die Schwäche des Flüchtigen. Kérims Krankheit aber verbirgt eine Charakterstärke, die ihm hilft, seine Gemeinschaft um sich zu sammeln. Stundenlang nimmt er Huldigungen entgegen, "sie verkörperten einen Moment lang den Sockel, auf dem er immer schon über allem stand, über mir, über seiner Krankheit und den Zufällen der Natur, allein, unbesiegt". Auch das ist nicht das letzte Wort, die Natur siegt, am Ende steht die Reduktion auf ein menschliches Maß: "Zwischen uns war es immer so gewesen, keine Gleichheit, keine Erfüllung war möglich, und während ich in jedem Punkt wie er sein, er sein und seinen Platz einnehmen wollte, brauchte Kérim vielmehr mich, er verlangte ständig nach mir und nicht umgekehrt."

Es sind gleich zwei Illusionen, die Merle zerlegt: Einerseits entlarvt er die Idee, der Mensch könnte autark über sein Leben entscheiden, als Selbsttäuschung. Zugleich deckt er die Ungleichgewichte jeder menschlichen Beziehung auf, besonders jene der interesselosen und selbstgewählten, nämlich der Freundschaft, die für Charles "die wahrhaftigste und wichtigste" ist. Man entkommt selbst hier "Einsamkeit und Zweifel", dem "Mindestpreis" des Erwachsenwerdens, nicht. Am Ende steht der Mensch in Minimalausführung da, als halb gelungenes und halb missratenes Wesen, das sich durchschlägt auf seinem Vorposten in der Wüste, voller Erinnerungen an die Lebenden und an die Toten. Die Perspektive ist nicht amüsant, aber legitim. Und Merle entwirft sie mit bewundernswerter Konsequenz.

NIKLAS BENDER

Loïc Merle: "Allein, unbesiegt". Roman.

Aus dem Französischen von Claudia Steinitz. Verlagsbuchhandlung Liebeskind, München 2016. 208 S., geb., 20,- [Euro].

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