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Biografien des Verlustes - Wilhelm Christoph Warnung stellt 16 Syrer und ihre Lebensgeschichte vor. Sechszehn Männer aus Syrien, vertrieben vom Krieg. Sie haben nahezu alles verloren und werden vom Zufall an denselben Ort in Deutschland gebracht. Wilhelm Warning gelingt es, seine Gesprächspartner nicht in einer anonymen Flüchtlingswelle untergehen zu lassen. Er lässt stattdessen die Menschen zu Wort kommen. Seine einfühlsamen Porträts machen anschaulich klar: Es kommen nicht die Flüchtlinge, die Fremden, die Muslime nach Deutschland. Es kommen sehr unterschiedliche Menschen, das Herz voller…mehr

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Produktbeschreibung
Biografien des Verlustes - Wilhelm Christoph Warnung stellt 16 Syrer und ihre Lebensgeschichte vor.
Sechszehn Männer aus Syrien, vertrieben vom Krieg. Sie haben nahezu alles verloren und werden vom Zufall an denselben Ort in Deutschland gebracht. Wilhelm Warning gelingt es, seine Gesprächspartner nicht in einer anonymen Flüchtlingswelle untergehen zu lassen. Er lässt stattdessen die Menschen zu Wort kommen. Seine einfühlsamen Porträts machen anschaulich klar: Es kommen nicht die Flüchtlinge, die Fremden, die Muslime nach Deutschland. Es kommen sehr unterschiedliche Menschen, das Herz voller schlimmer Erlebnisse. Sie suchen das, was ihnen die Genfer Flüchtlingskonvention verspricht: Sicherheit und einen rechtlich zuverlässigen Rahmen im Leben.
Die syrischen Staatsbürger, die Warning interviewt hat, leben heute in einer ehemaligen Ausflugspension. Hier hat das Wort Fremdenzimmer eine neue Bedeutung erhalten, seit die Gemeinde die Flüchtlinge einquartierte.
Sie stammen aus verschiedenen Regionen Syriens, einige sind Städter, andere kommen vom Land. Sie sind Studenten, Landwirte, Ingenieure, Manager und Pferdezüchter. Unter ihnen sind Muslime, Drusen und Kurden. Sie alle hatten in Syrien muslimische, christliche und kurdische Freunde. Sie sprechen verschiedene Dialekte, haben ganz unterschiedliche Leben gelebt und Traditionen gepflegt. Bis zum Krieg. Der ließ sie alle dasselbe erfahren: Zerstörung, Verwüstung, Tod und Flucht.
Enno Kapitzas Porträtfotografien unterstreichen die Botschaft des Buches: Nach Deutschland fliehen Menschen, die als eigene Personen ernst genommen werden wollen. Sie haben ein Recht darauf.
Autorenporträt
Warning, Wilhelm Christoph
Wilhelm Christoph Warning (geb. 1948) ist Autor, Essayist und Kunst- und Architekturkritiker. Er arbeitet seit mehr als 30 Jahren vor allem für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Kapitza, Enno
Enno Kapitza (geb. 1969) fotografiert für namhafte Agenturen und Magazine, darunter GEO, Greenpeace Magazin, GQ Lufthansa, Stern oder das SZ Magazin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.12.2016

Bei uns gibt es keine Guten
Syrische Flüchtlinge erzählen von ihrem Schicksal

Ein postkartenschönes Dorf in Oberbayern im Dezember 2015. Sechzehn dem Krieg und dem Tod entkommene Syrer beziehen ihre Zimmer in einer am Hang gelegenen ehemaligen Pension, die so altmodisch ist, dass die Touristen ihr den Rücken gekehrt haben. Wilhelm Christoph Warning und seine Frau, die nur wenige Schritte entfernt wohnen und sich bei ihren neuen Nachbarn vorstellen möchten, bringen den Männern aus Syrien Weihnachtsplätzchen vorbei.

Bei dieser einen Begegnung aber bleibt es nicht, Warning will mehr über die Flüchtlinge wissen, die zwischen neunzehn und neununddreißig Jahre alt sind und nun so nah neben ihm wohnten: aus welchen Familien stammen sie, wie lebten sie einst, welche Berufe übten sie aus, welche Träume hatten sie? Wie war ihr Land, bevor der Bürgerkrieg Städte und Dörfer in Schutt und Asche versinken ließ und die Menschen mit unvorstellbarem Grauen konfrontierte? Was bedeutet es, davongekommen, ein Entwurzelter in einem fremden Land zu sein, ohne die geringste Ahnung, was die Zukunft bringt? Kann es nach all dem Erlebten und Erlittenem überhaupt so etwas wie Zukunft geben?

Warning erzählt in seinem Buch "Fremdenzimmer. 16 junge Männer aus Syrien und ihre Geschichten" vom Überleben sowie vom Preis, den die Syrer bezahlen. Der dreiundzwanzigjährige Student Nadim, geflohen über die Balkan-Route, sagt: "Wir haben nicht nur unsere äußere Heimat verloren, sondern auch unsere innere, unsere Familien, unsere Traditionen, unsere Strukturen." Vom Dach seines Hauses aus sah er eine Bombe auf das Nachbarhaus fallen. Er sah zerfetzte Leichen, verstümmelte Körper, der Tod war überall. Heute quälen den jungen Mann Albträume. Ihnen allen, sagt er, stünde die Melancholie ins Gesicht geschrieben - eine Melancholie, die Enno Kapitza in seinen feinfühligen Fotografien der Syrer einfängt. Die Blicke der Männer, die meist in die Ferne schweifen, sind nicht leer, aber in ihnen liegt oft eine große Traurigkeit. Die Fassbomben, das zerstörte Elternhaus, der Vernichtungswahnsinn, "man denkt, es ist nicht wahr, hält es für einen bösen Traum. Dann merkt man, dass es die Wirklichkeit ist", sagt der sechsundzwanzigjährige Alaa. Und: "Bei uns gibt es niemanden, der recht hat. Keine Parteien, die zu den Guten gehören."

Die Zeit heilt alle Wunden, heißt es, was Unsinn ist. Sie kann aber dabei helfen, dass die Hoffnung, die Lust am Leben die Trauer über das Verlorene verblassen lassen. So leuchtet trotz des geschilderten Leids hier und da ein Licht am Ende des Tunnels auf, mal schwächer, mal stärker. "Ich hoffe, dass mein zweites Leben mehr Zukunft hat. Und eine Heimat, die Geborgenheit bietet. Ich habe dafür viel gewagt", sagt Nadim. Sie alle, die hier zu Wort kommen, haben viel gewagt. Nun leben sie unter uns, und wir sollten ihnen zuhören.

MELANIE MÜHL

Wilhelm Christoph Warning: "Fremdenzimmer". 16 junge Syrer und ihre Geschichten. Mit Fotos von Enno Kapitza.

Sieveking Verlag, München 2016. 172 S., br., 22,90 [Euro].

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