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Wildnis, singend entführt den Leser in eine Bergwelt im äußersten Süden Deutschlands. Dorthin haben sich Martin und Eva zurückgezogen, zwei Aussteiger vom anderen Ende der Republik. Rastlos arbeiten der Athlet und die Madonna an der Verwirklichung ihres Traums vom irdischen Paradies, in dem auch Tiere selbstbewusst ihren Platz behaupten. Risse im Idyll werden deutlich, als eines Tages eine Fremde auf dem Hof erscheint. Vor mehr als fünf Jahrzehnten war sie hier zu Hause. Ricarda, aufgewachsen unter Indianern im bolivianischen Hochland, ist an den Ort ihrer frühen Kindheit zurückgekehrt. Sie…mehr

Produktbeschreibung
Wildnis, singend entführt den Leser in eine Bergwelt im äußersten Süden Deutschlands. Dorthin haben sich Martin und Eva zurückgezogen, zwei Aussteiger vom anderen Ende der Republik. Rastlos arbeiten der Athlet und die Madonna an der Verwirklichung ihres Traums vom irdischen Paradies, in dem auch Tiere selbstbewusst ihren Platz behaupten. Risse im Idyll werden deutlich, als eines Tages eine Fremde auf dem Hof erscheint. Vor mehr als fünf Jahrzehnten war sie hier zu Hause. Ricarda, aufgewachsen unter Indianern im bolivianischen Hochland, ist an den Ort ihrer frühen Kindheit zurückgekehrt. Sie hat noch eine Rechnung zu begleichen. Günter Herburgers neuer Roman verbindet mythisches und realistisches Erzählen in einer Sprache, die auch Alltägliches wie neu erscheinen lässt. Lebenswut und Lebensmut der Protagonisten befeuern sich zu einer Vision vom erfüllten Leben, vom Glück.
Autorenporträt
Günter Herburger, geboren 1932 in Isny/Allgäu, studierte Philosophie und Sanskrit in München und Paris. Er lebte und arbeitete in verschiedenen Berufen in Frankreich, Spanien, Nordafrika und Italien. Herburger publizierte Romane, Erzählungen, Gedichte, Hörspiele, Fernsehdrehbücher sowie literatur- und gesellschaftskritische Beiträge. Er ist Mitglied des PEN und lebt heute als freier Schriftsteller in München. 2011 wurde Günter Herburger mit dem Lübecker Literaturpreis "Von Autoren für Autoren" ausgezeichnet und mit dem "Johann Friedrich von Cotta-Literatur- und Übersetzungspreis 2011".
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Tobias Lehmkuhl kennt Günter Herburger als Kinderbuch-, Laufbuch- und Gedichtbuch-Autor. Dass nun unverhofft ein Roman von diesem Autor erscheint, macht Lehmkuhl erst neugierig, dann glücklich. Denn Herburger kann Sätze schreiben. Und er kann 90 Tierarten in einem Buch unterbringen, in dem es eigentlich um die Liebe geht und die Unmöglichkeit des Paradieses auf einem Allgäuer Bauernhof. Nur die Tiere bringen Trost und Versöhnung, freut sich Lehmkuhl. Die Bunte Bentheimer im Buch, eine mächtige, schwarzgefleckte Sau, hat es ihm besonders angetan.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.07.2016

Langsam hebt sich die Flanke
In seinem neuen Roman und einem kleinen Gedichtband lässt Günter Herburger
die Wildnis singen und das Allgäu, in dem er aufwuchs, an die Anden grenzen
VON TOBIAS LEHMKUHL
Bunte Bentheimer heißt eine aus der niedersächsischen Grafschaft Bentheim stammende Rasse mächtiger, schwarzgefleckter Schweine. Eines dieser Tiere allerdings hat es bis weit in den Süden verschlagen, ins Allgäu oder „Allgaw“, wie es in Günter Herburgers „Wildnis, singend“ heißt, seinem ersten Roman seit siebzehn Jahren.
  Die Bunte Bentheimer lebt dort auf dem Hof des Ehepaars Martin und Eva Kosslowski, auch „Der Athlet“ und „Die Madonna“ genannt. Beide stammen aus Berlin, haben als Röntgenarzt und Psychotherapeutin gearbeitet, bis sie irgendwann entschieden, dieses Leben hinter sich zu lassen und es einmal mit der Natur zu versuchen. Und die strotzt nicht nur in Form der Bunten Bentheimer vor Saft und Kraft: Fast neunzig Tierarten kommen in Herburgers Roman vor, auch wenn manche von eher zweifelhafter Existenz sind, wie etwa der Schrapnellfink, andere erwartet man zumindest im Alpenraum nicht so schnell: Den Kondor, das Vicuña, freilaufende Meerschweinchen.
  Mit ihnen taucht noch ein weiteres ortsfremdes Wesen auf, Ricarda aus Bolivien. Wie vom Himmel gefallen landet sie in dieser Idylle: „Sie lag im Gras und aß, wählte zarte Blättchen, die sie vorsichtig abzupfte, um die Wurzeln nicht herauszureißen, stopfte das hellgrüne, vom Tau noch frische Futter in eine Hand, bis sie voll war, und steckte sich die Speise in den Mund, kaute und mahlte, tat noch ein Gänseblümchen dazu, als sei es Gewürz.“
  So lautet der erste Satz von „Wildnis, singend“, und wer solche Sätze schreiben kann, denkt man, sollte häufiger Romane veröffentlichen als nur alle siebzehn Jahre.
Mit Romanen freilich hat sich Herburger nie zufrieden gegeben: Eine ganze Generation ist mit seinen Kinderbüchern um die alles könnende Birne aufgewachsen, Heerscharen von Freizeitsportlern haben sich an seinen Laufbüchern ergötzt, nebenbei hat Herburger das Genre der Fotonovelle erfunden, und wenn man nicht durch Zufall auf seinen neuen Roman gestoßen wäre, der in dem feinen, aber sehr kleinen Berliner Hanani Verlag erschienen ist, dann hätte man erst recht seinen schon im vergangenen Spätherbst in einem vielleicht, so denn möglich, noch kleineren Kugelberg Verlag erschienenen Gedichtband „Schatz“ übersehen. Und das wäre schade gewesen.
  2008 hatte Herburger für seinen letzten Gedichtband „Der Kuss“ den Preis der SWR-Bestenliste erhalten, und die Liebe, auch die körperliche, hat den inzwischen 84jährigen, der im April 1932 im Allgäu geboren wurde, als Thema offenbar nicht mehr losgelassen. Die romantische Liebe, wie man sie in Gedichten erwartet, kommt in „Schatz“ dagegen eher nicht vor. Liebe heißt bei Herburger vielmehr: Aufeinanderprall. Sie wirft bei ihm so manche Frage auf: „Können sich zwei Jagdbomber,/ auf dem Rücken fliegend,/ mit dem Leitwerk vergnügen?“
  Auch in „Wildnis, singend“, wird die Liebe sehr handfest beschrieben: Wer nicht weiß, was fisten heißt, lernt es hier. Ricarda ist es, die ihre Faust in Eva einführt, und was womöglich etwas technisch und abschreckend klingen mag, wirkt, wenn Herburger es beschreibt, in der Tat völlig natürlich. Ricarda ist das kreatürliche Element, das in der erträumten Wildnis des Allgäuer Bauernhofs noch gefehlt hat. Sie befruchtet, so scheint es, die Liebe der Kosslowskis neu, wenngleich es die Meerschweinchen sind, die sich irgendwann ungehemmt vermehren, und nicht die kinderlosen, zudem als Waisen aufgewachsenen Martin und Eva.
  Für Kinder ist es angesichts des Alters, angesichts von Evas Lithium-Konsum und Martins Impotenz ohnehin zu spät. Auch wenn es so scheint, als würden sie Ricarda an Kindes statt aufnehmen, so ist das, was sie sich wünschen, ein Leben im Einklang mit Tier und Natur und auch mit sich selbst, ein Leben, kurz gesagt, wie im biblischen Paradies, nicht möglich. Denn auch Ricarda ist der Sündenfall eingeschrieben.
  Ihr Vater, erfährt man, ist einst wie Klaus Barbie auf der Rattenlinie nach Bolivien geflohen, ein Nazi, der mithilfe der Kirche die Beute bis hoch in die Anden hinaufschaffte: „Das Geld wurde in die Fugen des Steinhauses eingelagert, und ein paar Goldbarren ruhten noch unter dem Fußboden. Das war die Güte des Kommandaturwesens, die Schönheit des KZ’s gewesen.“
  Mit diesem Geld nun kehrt Ricarda ins Allgäu zurück, nicht nur um zwei Aussteigern Freude zu bereiten, sondern vor allem um sich an ihrem Bruder zu rächen, dem „Großen Peter“, der dem gemeinsamen Vater die Taten nicht verzeihen konnte und ihn vor den Augen der kleinen Ricarda immer wieder schlug und schlug.
  Faszinierenderweise gibt es zwischen Herburgers „Wildnis, singend“ und seinen scheinbar mit leichter Hand geschriebenen und doch aufs Wesentliche kondensierten Gedichten weitere Verbindungen, ja Überschneidungen. Figuren aus dem Roman tauchen in den Versen auf, Tiere und auch die Frage der Schuld: „Schneeglöckchen wachsen/ in dummer Tüchtigkeit/ hinauf bis zu den Anden.// Dort liegt er und grast,/ umschlingt den Huf/ eines Vicuñas und stirbt nicht/ in höchster Höhe, der Schleimbeutel.// Wenn ich ihn so sehe,/ denke ich, ach, wie unschuldig/ sind wir gewesen/ und werden es noch sein.“
  In den Anden war Günter Herburger nach eigenem Bekunden nie, am Ende des Romans dankt er vielmehr der Ethnologin Ina Rösing, von deren Forschungen sein Roman offenbar stark profitiert hat. Die deutsche Linie seiner Geschichte ist ihm dagegen wohlvertraut: In Isny im Allgäu, wo Herburger aufwuchs, war sein Vater Tierarzt und NSDAP-Mitglied. Der Vater starb im Krieg, aufgespießt angeblich von den Hörnern einer Kuh.
  Das klingt nun freilich wieder wie eine Erfindung des Sohnes. Wobei die Tiere in seiner Welt nicht den Tod bringen, sondern vielmehr Trost und Versöhnung. Inbild dessen ist die Bunte Bentheimer, die eigentliche Heldin dieses schönen, schrägen Romans: „Eva und Ricarda schliefen, aneinandergeschmiegt, an der Flanke der großen Sau, die sehr langsam atmete, mächtiges Hebelwerk der Zuversicht.“
Günter Herburger: Wildnis, singend. Hanani Verlag, Berlin 2016. 256 Seiten, 19,50 Euro.
Günter Herburger: Schatz. Liebesgedichte. Kugelberg Verlag, Gerstetten 2015. 118 Seiten, 18,99 Euro.
„Sie kaute und mahlte,
tat noch ein Gänseblümchen
dazu, als sei es Gewürz.“
„Können sich zwei Jagdbomber,
auf dem Rücken fliegend,
mit dem Leitwerk vergnügen?“
„Dort liegt er und grast,/ umschlingt den Huf/ eines Vicuñas und stirbt nicht . . .“: Eine Herde von Vicuñas in den Anden.
Foto: AP/Sebastian Castañeda
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