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Johannes Lohmer hat es geschafft. Jahrzehntelang hat er als Schriftsteller um Anerkennung gekämpft, jetzt ist er endlich im Literaturbetrieb angekommen: Die Leserschaft liebt ihn, das Feuilleton singt sein Lob. Zu allem Überfluss findet er in Wien auch noch die Frau seines Lebens. Doch das Glück ist der Tod jedes ernsthaften Schriftstellers, das weiß Lohmer nur zu gut. Er würde liebend gern aufs Schreiben verzichten, wenn es nicht einen ruf zu wahren gälte - vor Kollegen und Journalisten, vor dem Hausverlag und nicht zuletzt vor der Ehefrau. So beschließt Lohmer, den Schein des Schriftstellers…mehr

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Produktbeschreibung
Johannes Lohmer hat es geschafft. Jahrzehntelang hat er als Schriftsteller um Anerkennung gekämpft, jetzt ist er endlich im Literaturbetrieb angekommen: Die Leserschaft liebt ihn, das Feuilleton singt sein Lob. Zu allem Überfluss findet er in Wien auch noch die Frau seines Lebens. Doch das Glück ist der Tod jedes ernsthaften Schriftstellers, das weiß Lohmer nur zu gut. Er würde liebend gern aufs Schreiben verzichten, wenn es nicht einen ruf zu wahren gälte - vor Kollegen und Journalisten, vor dem Hausverlag und nicht zuletzt vor der Ehefrau. So beschließt Lohmer, den Schein des Schriftstellers zu wahren und macht sich daran, aufs Geratewohl einen Text in den Computer zu hacken. Was entsteht, ist ein grandios komischer Monolog wider Willen - über alles und nichts, über das Leben, die Liebe und die Literatur - sowie über seine verflixte Aufgabe, nebenbei einen würdigen Nachfolge-Preisträger für den renommierten Wolfgang-Koeppen-Preis zu bestimmen, was sich als schwieriger herausstellt als zunächst gedacht.
Autorenporträt
Joachim Lottmann (1959 in Hamburg) verliebte sich vor vier Jahren in eine Wiener Journalistin und heiratete sie auf der Stelle. Er gewann den Wolfgang-Koeppen-Preis, sie den Egon-Erwin-Kisch-Preis. Sein Roman 'Endlich Kokain' wurde daraufhin zum Bestseller.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.07.2015

Unter den Fiaker gekommen
Joachim Lottmanns Literaturbetriebssatire "Happy End" ist ein ziemlich lieblos servierter Schmarrn

Ein Mann von nahezu sechzig Jahren hat seine Brille verschlampt. Er marschiert zu "Fielmann", lässt das ölige Geschwätz an sich abperlen und verlangt das billigste Modell. Es ist "die original Diedrich-Diederichsen-Brille von 1998". Kostenpunkt: 17,50 Euro. Dann tapert der Alte durch einen "Saturn". Er sucht für seine Wiener Geheimwohnung einen preiswerten Videorekorder ("Das ist meine Obsession: immer alles billig, aber neu"), doch die werden nicht mehr hergestellt. Eine Geheimwohnung besitzt er, weil er in der offiziellen nicht schreiben kann. Johannes Lohmer nämlich ist vom Glücksblitz getroffen worden, dem österreichischen, und der hört natürlich auf den Namen Sissi.

Recht lustig ist die Ausgangslage des neuen und mal wieder klaustrobiographischen Romans des tatsächlich ja aus Berlin nach Österreich geflüchteten Joachim Lottmann schon: Da sitzt er in seiner hübschen Wiener Wohnung, der Schriftsteller, kann sein Glück kaum fassen, eine Tipptopp-Frau abbekommen zu haben, und merkt plötzlich, dass ihm das jede kreative Energie raubt. Nur um seine Sissi nicht zu enttäuschen, haut er eben irgendetwas in die Tasten: ein Freibrief für einen plump zusammengeklumpten Roman aus teils ulkigen, teils zähen und natürlich immer lottmannrealistischen, also wild zusammenspintisierten, aber an den unglaublichsten Stellen dann doch wieder wahren Anekdoten.

"Happy End" wirkt selbst für Lottmanns Verhältnisse lieblos gemacht und lieblos serviert, so ungefähr, wie man in Wiens Kaffeehäusern manchmal seinen Schmarrn hingeschmissen bekommt. Lottmann hat einfach einige seiner Blogeinträge, Zeitungsartikel und Erlebnisse der letzten Jahre aneinandergepappt und etwas Puderzucker darübergestreut. Bis zum Abwinken wird ein einziger Gag breitgesessen: die einem Unfall gleichkommende Auswahl Anna Katharina Hahns für den Wolfgang-Koeppen-Preis. Lottmann hatte die Auszeichnung 2010 erhalten, durfte allein einen Nachfolger bestimmen und machte schon damals ein ziemlich nerviges Gewese darum. Hahn heißt hier Sara-Rebecka Werkmüller, und der Erzähler ergeht sich seitenweise über den unlesbaren Stil ihres Depri-Knüllers "Lebensschwärze".

Das ist Literaturbetriebssatire vom Tatterigsten. Dann gibt es noch dröge Alltagsbeobachtungen aus Wien ("Ich sehe vor lauter Alten die Gesellschaft nicht mehr"), Rückblicke auf eigene Werke ("indem ich den angeblich ersten Roman in der Geschichte der deutschen Popliteratur schrieb"), Eindrücke von einer Italien-Reise ("Diese jungen Frauen waren so schön, dass es mir einen Stich gab") und schließlich einige Griffe ins ganz ergraute Material: "Nichte Hase"-Geschichten aus dem Nullerjahre-Berlin.

Was ist denn nur passiert? Eben noch sah es doch so aus, als tue Wien dem allseits gehassliebten Lottmann, diesem feinnervigen Pöbelliteraten und schwerfälligen Popintellektuellen, tatsächlich gut. Frischer Wind wehte plötzlich wieder durch seine Bücher. Heldenhaft spießte er in "Hundert Tage Alkohol" den "Medienfaschismus" der "Hartz-IV-Metropole Berlin" auf, ohne auf so etwas wie einen Plot zu verzichten. Dann kam die krachende Kunstbetriebsgroteske "Endlich Kokain", ein Höhepunkt im Lottmannschen Zurechtlügen der verlogenen Gegenwart. Immer alles billig, aber neu. Und nun das, ein Graubrot von Roman ganz ohne Kniff und Adel. Sogar sein Titel: als Toilettenpapiermarke astrein, auf einem Buchcover ein Griff in die Schüssel. Unsouverän und irgendwie panisch stolpert der Erzähler hindurch, sucht angestrengt einen Fokus, aber verheddert sich exilantenmäßig im Damals-Berlin: Benjamin von Stuckrad-Barre, Elke Naters, Matthias Matussek. Die Brille von 1998. Selbst der Klarnamen-Zirkus wirkt deshalb diesmal ziemlich müde.

Vielleicht ist der Autor ja wirklich bloß glücklich dort unten und dämmert nun altersmilde dahin, selbst wenn das mit dem Verdämmern ursprünglich als Finte gedacht gewesen sein mag. Das beste Bild dafür hat er schließlich selbst geliefert: ein alter Mann, der merkt, dass es den VHS-Standard nicht mehr gibt. Aber ein verlotterter Lottmann, das wäre eine Schande! Denn ein Lottmann in Fahrt, das war doch immer das Lustigste und Bissigste, was der deutsche Literaturmarkt hergab. Vielleicht wäre eine Rettungsmission angebracht, ein Krötentunnel unter den Alpen hindurch.

OLIVER JUNGEN

Joachim Lottmann: "Happy End". Roman.

Haffmans & Tolkemitt Verlag, Berlin 2015. 352 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.07.2015

Zwei Dosen Red Bull, bitte
Es ist zu heiß, um Lottmanns „Happy End“ zu lesen
Am Wochenende war ich zu Hause, es war heiß, sehr heiß, also wirklich so in Richtung puh, und eigentlich wollte ich das Buch von Joachim Lottmann weiterlesen, aber es war gerade etwas langweilig, weil er da seitenlang beschreibt, wie er mal mit Sibylle Berg beim Essen war und sie einander nichts zu sagen hatten. Also bin ich erstmal mit meiner lieben Frau an die Isar gegangen, und wir haben uns stromabwärts treiben lassen, das hat so dermaßen gut getan, das kühle, grüne Wasser und wie man geräuschlos an der prachtvollen Stadtkulisse vorbeitreidelt, München ist wirklich die Stadt meiner Wahl, aber apropos treibenlassen, ich treibe hier ja gleich zu Beginn ganz grob ab von meiner eigentlichen Aufgabe, Stichwort Rezension.
  Ich bin deshalb schnell wieder heim in die heiße Wohnung, hab mir eine eiskalte Schorle gemacht und „Happy End“ gelesen, das ist dieser neue Roman von Joachim Lottmann, von dem ich schon kurz andeutete, dass ich ihn am Wochenende gelesen habe, also: weitergelesen, weil angefangen hab ich damit schon am Dienstag, im ICE nach Frankfurt, auf der Fahrt zur Hochzeit meines Bruders, ich bin da hin mit meiner lieben Frau, aber erstens ist das ein anderes Thema und zweitens bin ich am Samstag auch nach dem zweiten Anlauf noch nicht fertig geworden mit dem Lesen, weil er dann beschreibt, wie ihn Matthias Matussek mit seinem ultradicken Auto vom Bahnhof abholt, und bevor ich das lese, geh ich lieber raus in die Welt und spring ein zweites Mal in die Isar, gesagt getan, schon bin ich wieder den Fluss runtergetrieben, Wasser fließt, Zeit vergeht, und jetzt ist plötzlich Dienstag, in der Literatur geht so was ja innerhalb einer Zeile, wie von Zauberhand, und ich sitz hier im SZ-Turm, im 19. Stock, meine liebe Frau ist diesmal leider nicht dabei, aber Vorteil dafür: ich jetzt vollkonzentriert, schreib endlich die Rezension, die mein Freund Christopher schon zart angemahnt hat, also der Literaturredakteur Christopher Schmidt. Ich hab ja wenige Freunde, eigentlich gar keine, schon gar keine im Literaturbetrieb, aber der Christopher (für Sie: Schmidt) ist schon so eine Art Freund und den will ich auf keinen Fall hängenlassen.
  Sibylle Berg und Matthias Matussek haben Lottmann schließlich auch nicht hängenlassen, sondern sofort enthusiastische Blurbs hinten drauf geschrieben auf sein Buch: dass Lottmann ein „grandioses erzählerisches Talent“ habe (Berg), dass es „um den alten Antagonismus von Kreativität und Liebe“ geht. Nur ist Lottmanns Antwort, meisterlich in der Form, eine gänzlich neue“ (Matussek). Was das gänzlich Neue daran sein soll, meisterlich in der Form, schreibt Matussek nicht, einmal im Kreis loben kann’s nicht sein, das hat der Literaturbetrieb schon vor der Erfindung des Popliteraturbetriebs gemacht.
  Genau. Jetzt nämlich die Frage: Was ist eigentlich genau Popliteratur? Im Klappentext steht, Lottmann sei „durch die unbeschwerten, luftig-leichten Romane der deutschen Popliteratur, als deren Erfinder er gilt“ bekannt geworden. Was genau hat Lottmann da erfunden? Vielleicht mal Dietmar Dath fragen. Der hat auch sofort eine Antwort parat: „In meinem Sinn ist heute alle Literatur aus den reichen Ländern, die sich mit dem auseinandersetzt, was hier tatsächlich los ist, Popliteratur.“ Dietmar Dath kann man da blind vertrauen, erstens ist er seit Langem schon bei der FAZ, zweitens ist er mittlerweile selbst ein Popgesamtphänomen. Ich selber weiß so was nicht, sondern hab das gerade aus der Wikipedia abgeschrieben, da steht das drin, im Eintrag zur Popliteratur, und die Frage ist doch: Mit was setzt sich Joachim Lottmann auseinander, was ist tatsächlich los in diesem Buch? Also jetzt, Inhalt bitte.
  Johannes Lohmer lebt als Schriftsteller in Wien. Er ist extrem glücklich verheiratet, seine Frau Sissi nennt er die ganzen 352 Seiten über nur „meine liebe Frau“ und Wien ist eindeutig die Stadt seiner Wahl. Finanzielle Sorgen hat dieser Lohmer seit seiner Eheschließung keine mehr, deshalb tippt er nur so rum auf seiner Schreibmaschine und so entsteht, quasi als Nebenprodukt eines rundum erfüllten Lebens, „das erste gute Buch, das ohne Leidensdruck geschrieben ist“.
  Johannes Lohmer hat, genau wie sein Autor Ego Joachim Lottmann, den Koeppen-Preis gewonnen und darf nun alleine seinen Nachfolger küren. Er überlegt so rum, wer in Frage käme, und liest sich durch die deutsche Gegenwartsliteratur, Christian Kracht, Marlene Streeruwitz, Karl-Markus Gauß. Zwischendurch fährt er mit seiner lieben Frau nach Italien. Dieser Anfang ist witzig, elegant und böse, man muss auf den ersten Seiten enthusiastisch an „Deutsche Einheit“ denken, diese fabelhafte Maskerade aus dem Jahr 1999, in der der Autor Lottmann seinen Erzähler Lottmann zugleich durch das Nachwendeberlin und eine elegante Zaubershow des postmodernen Erzählens schickte. Nebenbei machte er sich lustig über so ziemlich alle und alles, unter anderem Altachtundsechziger, Beziehungsgewäsch und den verödeten Literaturbetrieb.
  Mittlerweile sind fast 20 Jahre vergangen, Grund genug also, sich endlich mal wieder lustig zu machen über Beziehungsgewäsch, den komplett verödeten Literaturbetrieb und die Altachtundsechziger: „Altachtundsechziger sind Menschen, die in den Jahren 1968 bis 1975 geprägt wurden und diese Prägung auf wundersame Weise noch immer in sich tragen, ja die seit dem Stichtag 31. 12. 1975 keine weiteren und hinzuzufügenden Erfahrungen mit der Welt gemacht haben.“ Das wird dann dankenswerterweise noch an drei, vier weiteren Stellen inhaltsmäßig wiederholt, vielleicht für all die Leute, die Bücher heute mehr so randommäßig durchblättern. Damit die das auf keinen Fall verpassen, was heute so tatsächlich los ist in der Welt.
Lohmer/Lottmann ist viel weiter als diese Altachtundsechziger, er hat weitere und hinzuzufügende Erfahrungen mit der Welt gemacht, zum Beispiel schreibt er ja nebenbei diesen Roman, das wird immer raffiniert miterzählt: „Ich sitze im roten Ohrensessel und langweile mich geradezu ohrenbetäubend. Das Schreiben muss mich aus dieser Langeweile herausreißen. Neben mir stehen zwei Dosen Red Bull. Das ist schon blöd, dass man so etwas trinken muss, um überhaupt wach zu werden.“ Als er dann wieder wach ist, fährt er mit seiner lieben Frau weiter durch Italien und erzählt davon, wie er Sibylle Berg kennengelernt hat beziehungsweise es war ja so, dass die ihm den Koeppen-Preis verliehen hat, weshalb er jetzt einen Nachfolger sucht, aber weil er niemanden findet, und weil der Literaturbetrieb, der Lohmer übrigens extrem anödet, eh der letzte Quatsch ist, verleiht er den Preis am Ende einer Autorin, die er gar nicht kennt, die aber seine liebe Frau sehr schätzt: Sara-Rebecka Werkmüller. Man versteht bei der ersten Erwähnung ihres Namens, dass diese Frau spießig-verhockte Prosa schreibt, wobei das bei Lohmer natürlich raffinierter, weil ironischer rüberkommt, „das beste Buch der letzten 20 Jahre, mit viel politischer Realität, Stuttgart 21, Väter ohne Rechte, starke Frauen, die sich ins Unrecht setzen.“
  Er zitiert dann lange aus ihrem Buch, unlesbares Zeug, das wird einem nach drei Zeilen klar, aber Lottmann/Lohmer denkt auch hier wieder an den blätternden Random-Leser und zitiert wieder und wieder und immer noch mal aus ihrem doofen Werk. Dann geht die Italienreise weiter und es ist schade, dass mir mein guter Freund Christopher (Schmidt) hier nicht mehr Platz eingeräumt hat, weil in den wenigen Momente, in denen Lohmer mal wirklich nichts einfällt, druckt er, Lohmer, einfach journalistische Texte ab, die er, Lottmann, in diversen Zeitungen veröffentlicht hat, und wenn wir jetzt in einer Zeitung aus einem Buch aus einer Zeitung zitiert hätten , da wär ja dann endgültig mal was losgewesen.
ALEX RÜHLE
  
Joachim Lottmann: Happy End. Roman. Verlag Haffmans & Tolkemitt, Berlin 2015. 352 Seiten, 19,95 Euro.
Was genau ist eigentlich
Popliteratur? Vielleicht mal
Dietmar Dath fragen. . .
      
  
      
    
                
Joachim Lottmann,
geboren 1956 in Hamburg, debütierte 1987 mit dem Roman „Mai, Juni, Juli“. Foto: privat
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Zwei Dosen Red Bull, bitte

Es ist zu heiß, um Lottmanns „Happy End“ zu lesen

Am Wochenende war ich zu Hause, es war heiß, sehr heiß, also wirklich so in Richtung puh, und eigentlich wollte ich das Buch von Joachim Lottmann weiterlesen, aber es war gerade etwas langweilig, weil er da seitenlang beschreibt, wie er mal mit Sibylle Berg beim Essen war und sie einander nichts zu sagen hatten. Also bin ich erstmal mit meiner lieben Frau an die Isar gegangen, und wir haben uns stromabwärts treiben lassen, das hat so dermaßen gut getan, das kühle, grüne Wasser und wie man geräuschlos an der prachtvollen Stadtkulisse vorbeitreidelt, München ist wirklich die Stadt meiner Wahl, aber apropos treibenlassen, ich treibe hier ja gleich zu Beginn ganz grob ab von meiner eigentlichen Aufgabe, Stichwort Rezension.

  Ich bin deshalb schnell wieder heim in die heiße Wohnung, hab mir eine eiskalte Schorle gemacht und „Happy End“ gelesen, das ist dieser neue Roman von Joachim Lottmann, von dem ich schon kurz andeutete, dass ich ihn am Wochenende gelesen habe, also: weitergelesen, weil angefangen hab ich damit schon am Dienstag, im ICE nach Frankfurt, auf der Fahrt zur Hochzeit meines Bruders, ich bin da hin mit meiner lieben Frau, aber erstens ist das ein anderes Thema und zweitens bin ich am Samstag auch nach dem zweiten Anlauf noch nicht fertig geworden mit dem Lesen, weil er dann beschreibt, wie ihn Matthias Matussek mit seinem ultradicken Auto vom Bahnhof abholt, und bevor ich das lese, geh ich lieber raus in die Welt und spring ein zweites Mal in die Isar, gesagt getan, schon bin ich wieder den Fluss runtergetrieben, Wasser fließt, Zeit vergeht, und jetzt ist plötzlich Dienstag, in der Literatur geht so was ja innerhalb einer Zeile, wie von Zauberhand, und ich sitz hier im SZ-Turm, im 19. Stock, meine liebe Frau ist diesmal leider nicht dabei, aber Vorteil dafür: ich jetzt vollkonzentriert, schreib endlich die Rezension, die mein Freund Christopher schon zart angemahnt hat, also der Literaturredakteur Christopher Schmidt. Ich hab ja wenige Freunde, eigentlich gar keine, schon gar keine im Literaturbetrieb, aber der Christopher (für Sie: Schmidt) ist schon so eine Art Freund und den will ich auf keinen Fall hängenlassen.

  Sibylle Berg und Matthias Matussek haben Lottmann schließlich auch nicht hängenlassen, sondern sofort enthusiastische Blurbs hinten drauf geschrieben auf sein Buch: dass Lottmann ein „grandioses erzählerisches Talent“ habe (Berg), dass es „um den alten Antagonismus von Kreativität und Liebe“ geht. Nur ist Lottmanns Antwort, meisterlich in der Form, eine gänzlich neue“ (Matussek). Was das gänzlich Neue daran sein soll, meisterlich in der Form, schreibt Matussek nicht, einmal im Kreis loben kann’s nicht sein, das hat der Literaturbetrieb schon vor der Erfindung des Popliteraturbetriebs gemacht.

  Genau. Jetzt nämlich die Frage: Was ist eigentlich genau Popliteratur? Im Klappentext steht, Lottmann sei „durch die unbeschwerten, luftig-leichten Romane der deutschen Popliteratur, als deren Erfinder er gilt“ bekannt geworden. Was genau hat Lottmann da erfunden? Vielleicht mal Dietmar Dath fragen. Der hat auch sofort eine Antwort parat: „In meinem Sinn ist heute alle Literatur aus den reichen Ländern, die sich mit dem auseinandersetzt, was hier tatsächlich los ist, Popliteratur.“ Dietmar Dath kann man da blind vertrauen, erstens ist er seit Langem schon bei der FAZ, zweitens ist er mittlerweile selbst ein Popgesamtphänomen. Ich selber weiß so was nicht, sondern hab das gerade aus der Wikipedia abgeschrieben, da steht das drin, im Eintrag zur Popliteratur, und die Frage ist doch: Mit was setzt sich Joachim Lottmann auseinander, was ist tatsächlich los in diesem Buch? Also jetzt, Inhalt bitte.

  Johannes Lohmer lebt als Schriftsteller in Wien. Er ist extrem glücklich verheiratet, seine Frau Sissi nennt er die ganzen 352 Seiten über nur „meine liebe Frau“ und Wien ist eindeutig die Stadt seiner Wahl. Finanzielle Sorgen hat dieser Lohmer seit seiner Eheschließung keine mehr, deshalb tippt er nur so rum auf seiner Schreibmaschine und so entsteht, quasi als Nebenprodukt eines rundum erfüllten Lebens, „das erste gute Buch, das ohne Leidensdruck geschrieben ist“.

  Johannes Lohmer hat, genau wie sein Autor Ego Joachim Lottmann, den Koeppen-Preis gewonnen und darf nun alleine seinen Nachfolger küren. Er überlegt so rum, wer in Frage käme, und liest sich durch die deutsche Gegenwartsliteratur, Christian Kracht, Marlene Streeruwitz, Karl-Markus Gauß. Zwischendurch fährt er mit seiner lieben Frau nach Italien. Dieser Anfang ist witzig, elegant und böse, man muss auf den ersten Seiten enthusiastisch an „Deutsche Einheit“ denken, diese fabelhafte Maskerade aus dem Jahr 1999, in der der Autor Lottmann seinen Erzähler Lottmann zugleich durch das Nachwendeberlin und eine elegante Zaubershow des postmodernen Erzählens schickte. Nebenbei machte er sich lustig über so ziemlich alle und alles, unter anderem Altachtundsechziger, Beziehungsgewäsch und den verödeten Literaturbetrieb.

  Mittlerweile sind fast 20 Jahre vergangen, Grund genug also, sich endlich mal wieder lustig zu machen über Beziehungsgewäsch, den komplett verödeten Literaturbetrieb und die Altachtundsechziger: „Altachtundsechziger sind Menschen, die in den Jahren 1968 bis 1975 geprägt wurden und diese Prägung auf wundersame Weise noch immer in sich tragen, ja die seit dem Stichtag 31. 12. 1975 keine weiteren und hinzuzufügenden Erfahrungen mit der Welt gemacht haben.“ Das wird dann dankenswerterweise noch an drei, vier weiteren Stellen inhaltsmäßig wiederholt, vielleicht für all die Leute, die Bücher heute mehr so randommäßig durchblättern. Damit die das auf keinen Fall verpassen, was heute so tatsächlich los ist in der Welt.

Lohmer/Lottmann ist viel weiter als diese Altachtundsechziger, er hat weitere und hinzuzufügende Erfahrungen mit der Welt gemacht, zum Beispiel schreibt er ja nebenbei diesen Roman, das wird immer raffiniert miterzählt: „Ich sitze im roten Ohrensessel und langweile mich geradezu ohrenbetäubend. Das Schreiben muss mich aus dieser Langeweile herausreißen. Neben mir stehen zwei Dosen Red Bull. Das ist schon blöd, dass man so etwas trinken muss, um überhaupt wach zu werden.“ Als er dann wieder wach ist, fährt er mit seiner lieben Frau weiter durch Italien und erzählt davon, wie er Sibylle Berg kennengelernt hat beziehungsweise es war ja so, dass die ihm den Koeppen-Preis verliehen hat, weshalb er jetzt einen Nachfolger sucht, aber weil er niemanden findet, und weil der Literaturbetrieb, der Lohmer übrigens extrem anödet, eh der letzte Quatsch ist, verleiht er den Preis am Ende einer Autorin, die er gar nicht kennt, die aber seine liebe Frau sehr schätzt: Sara-Rebecka Werkmüller. Man versteht bei der ersten Erwähnung ihres Namens, dass diese Frau spießig-verhockte Prosa schreibt, wobei das bei Lohmer natürlich raffinierter, weil ironischer rüberkommt, „das beste Buch der letzten 20 Jahre, mit viel politischer Realität, Stuttgart 21, Väter ohne Rechte, starke Frauen, die sich ins Unrecht setzen.“

  Er zitiert dann lange aus ihrem Buch, unlesbares Zeug, das wird einem nach drei Zeilen klar, aber Lottmann/Lohmer denkt auch hier wieder an den blätternden Random-Leser und zitiert wieder und wieder und immer noch mal aus ihrem doofen Werk. Dann geht die Italienreise weiter und es ist schade, dass mir mein guter Freund Christopher (Schmidt) hier nicht mehr Platz eingeräumt hat, weil in den wenigen Momente, in denen Lohmer mal wirklich nichts einfällt, druckt er, Lohmer, einfach journalistische Texte ab, die er, Lottmann, in diversen Zeitungen veröffentlicht hat, und wenn wir jetzt in einer Zeitung aus einem Buch aus einer Zeitung zitiert hätten , da wär ja dann endgültig mal was losgewesen.

ALEX RÜHLE
  

Joachim Lottmann: Happy End. Roman. Verlag Haffmans & Tolkemitt, Berlin 2015. 352 Seiten, 19,95 Euro.

Was genau ist eigentlich
Popliteratur? Vielleicht mal
Dietmar Dath fragen. . .

      
  
      
    
                
Joachim Lottmann,
geboren 1956 in Hamburg, debütierte 1987 mit dem Roman „Mai, Juni, Juli“. Foto: privat

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