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Existenzialistischer Krimi. Mysteriöse Geistergeschichte. Wie ein sanfter, dennoch beunruhigender Albtraum während eines zu lang geratenen Mittagsschläfchens. Eine Erzählung über die Suche nach einem Platz in einer zugleich vertrauten und fremden Welt. Ein Buch über das seltsame Verhältnis von Dingen und den Worten für Dinge.

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Produktbeschreibung
Existenzialistischer Krimi. Mysteriöse Geistergeschichte. Wie ein sanfter, dennoch beunruhigender Albtraum während eines zu lang geratenen Mittagsschläfchens. Eine Erzählung über die Suche nach einem Platz in einer zugleich vertrauten und fremden Welt. Ein Buch über das seltsame Verhältnis von Dingen und den Worten für Dinge.
Autorenporträt
Raouf Khanfir wurde in Bad Berleburg geboren. Er lebt als freier Autor und Musiker in Köln.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.03.2012

In den Grenzen meiner Welt
Faul sein: Raouf Khanfirs charmantes Plädoyer für die Vita passiva

Sieg für den Denker: Der westfälische Kreis Wittgenstein verschwindet im Internet hinter den Einträgen zum Meister des logischen Positivismus und der analytischen Sprachphilosophie. Beim Bad Berleburger Ortsteil Schüllar wird dann sogar Google Maps einsilbig: drei Straßennamen, keine Fotos, keine Einträge, kein Street-View. Nur Farbflächen und weiße Wege, unberührt sieht das aus: eine wunderbare Voraussetzung, um zum Schauplatz eines Romans zu werden, in dem es etwas mysteriös zugeht. Geschrieben hat ihn der in der Wittgenstein-Provinz aufgewachsene Autor Raouf Khanfir, der bislang vornehmlich als Musiker in Erscheinung getreten ist, als Sänger der Electric Beatniks, die ziemlich spannenden Electro-Noise-Blues zusammenrühren. Alles Ungestüme, so scheint es, hat der heute vierundvierzig Jahre alte Mann schon in der Musik ausgelebt, als Literat muss er da nicht mehr den Virtuosen mimen.

Die Handlung ist überschaubar: In Montréal verbummelt Marco H. klaglos und unspektakulär sein Leben. Einmal im Monat übergibt er die Miete an Madame Lapointe, die in ihrem undurchdringlichen Bau haust wie ein Dachs. Sein im Verborgenen lebender Nachbar ist ein weiterer Einzelgänger, ein Voyeur, der Marcos Wohnung, wie er ihm eines Tages gesteht, komplett überwacht. Nur so, beichtet der Verborgene, könne er am Leben anderer teilhaben; wohl auch ein Sinnbild der Softmoderne. Marco hat indes ein altes Fachwerkhaus in Schüllar geerbt und beschließt, in Zukunft auf dem Land zu leben. Er blüht auf, lernt schon bald eine Gefährtin kennen: "Sie ist schön, aber nicht zu schön, vielmehr schön im Sinne von gesund." Nebenbei versucht er - logisch kombinierend, das ist aber auch schon der einzige Bezug auf den Namensvetter der Heimatgemeinde - herauszubekommen, wer für die seltsamen Morde in der Umgebung verantwortlich ist, denn jemand überfährt nachts systematisch Fußgänger.

Der trotz dieser augenzwinkernd gemeinten Schauerdimension sehr entspannte Heimatroman lebt vor allem von kleinen, geistreichen Beobachtungen und von seiner Parteinahme für das Ziellose. Wie liebevoll seitenlang analysiert wird, welche Erfüllung die monotone Arbeit als Telefonhilfskraft in der Taxizentrale von Bad Berleburg bringen kann, das strahlt eine charmante Zufriedenheit aus: "Würde doch alles so funktionieren wie er in der Taxizentrale, die Welt wäre ein anderer Ort. Sie müsste sich nicht endlos um sich selbst drehen, wie ein Mensch, der seinen eigenen Hintern sehen will, und könnte ohne katastrophale Folgen die eine oder andere Pause einlegen."

Anders als in vielen Gegenwartsromanen wird die Provinz hier einmal nicht denunziert, sondern zum Ideal der Anti-Hysterie erhoben: ein perfekter Ort für das Leben in der Gegenwart und nicht als Vorbereitung auf eine immer weiter vor sich hergeschobene Zukunft. Völlig ironiefrei wird dabei Schwarzwälder Kirschtorte gebacken, das kleine Glück. Auch dass hier jemand aus Langeweile mit seinem Mercedes Provinzler überfährt ("Rotwild, Schwarzwild, Hunde, Katzen, alles. Irgendwann Leute"), ist keineswegs zynisch gemeint, sondern als Einbruch einer ganz anderen Zufriedenheitsstrategie, wonach der Reiz gesteigert werden muss, wenn man sich im gleichförmigen Alltag nicht mehr spürt: "Heute Abend fährst du nicht nach Hause und verkriechst dich in deinem Bett und wartest darauf, dass der Wecker am nächsten Morgen klingelt und du wieder aufstehst und zur Arbeit fährst." In eben solchen Routinen aber besteht das hier propagierte Glückseligkeitsprogramm. So kommt es zuletzt zum Zweikampf von Vita activa und Vita passiva.

OLIVER JUNGEN

Raouf Khanfir: "Wittgenstein". Roman.

Hablizel Verlag, Lohmar 2011. 152 S., br., 16,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Der entspannte Charme eines passiven Lebens, wie es der Held in Raouf Khanfirs Roman "Wittgenstein" nach seinem Umzug von Montreal ins beschauliche Provinzstädtchen Bad Berleburg führt, hat es Oliver Jungen angetan. Er kennt den Autor als Sänger der Band Electric Beatniks und muss erst mal konstatieren, dass Khanfir hier deutlich ruhiger daherkommt. Dieser Roman singt nicht nur ein Loblied auf die Provinz, was Jungen lange nicht mehr gehört hat, sondern er macht auch aus seiner Sympathie für die "vita passiva" und das Glück der "Ziellosigkeit" keinen Hehl, freut sich der Rezensent. Wenn Krimimotive in diesen an "geistreichen" Bemerkungen reichen Roman eingeflochten werden - jemand überfährt nachts mutwillig Fußgänger -, dann vor allem, um dieses Glück mit einer, wenn auch ziemlich zweifelhaften "vita activa" zu kontrastieren, erklärt der Rezensent.

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