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Im Mittelpunkt des Romans steht Anat Ismail, eine junge Syrerin, die für die kanadische Botschaft in Interviews mit Flüchtlingen aus unterschiedlichsten Teilen des Nahen Ostens und Nordafrikas dolmetscht. Sie lernt Dschawad kennen, der, kaum dass die beiden ein Paar geworden sind, verhaftet wird und als politischer Gefangener mehr als fünfzehn Jahre im Gefängnis verbringt. Doch nach seiner Entlassung wird beiden bald klar, dass die Zeit der Trennung tief greifende Spuren und seelische Wunden hinterlassen hat. Fatalerweise gelingt es ihnen nicht, diese Veränderungen und die neu entstandenen…mehr

Produktbeschreibung
Im Mittelpunkt des Romans steht Anat Ismail, eine junge Syrerin, die für die kanadische Botschaft in Interviews mit Flüchtlingen aus unterschiedlichsten Teilen des Nahen Ostens und Nordafrikas dolmetscht. Sie lernt Dschawad kennen, der, kaum dass die beiden ein Paar geworden sind, verhaftet wird und als politischer Gefangener mehr als fünfzehn Jahre im Gefängnis verbringt. Doch nach seiner Entlassung wird beiden bald klar, dass die Zeit der Trennung tief greifende Spuren und seelische Wunden hinterlassen hat. Fatalerweise gelingt es ihnen nicht, diese Veränderungen und die neu entstandenen Bedürfnisse zur Sprache zu bringen, um sie zu überwinden. Nachdem jeder neue Tag die Kluft zwischen dem Paar größer werden ließ, stellt Dschawad seine schwangere Frau eines Tages vor die Wahl: Entweder kommt sie mit ihm nach Europa und wird selbst zur Asylbewerberin - oder sie bleibt alleine zurück.
Die neun Monate der Schwangerschaft sind die erzählte Zeit, von der aus sich die Protagonistin zurückerinnert, und so ihre Familiengeschichte und die Geschichte befreundeter Figuren erzählt.
Der Roman ist damit auch als eine Abrechnung mit den Lebensumständen unter dem totalitären Regime in Syrien zu lesen, die seit den Aufständen des arabischen Frühlings 2011 eine neue Dimension gewonnen hat.
Autorenporträt
Stephan Milich studierte von 1997 bis 2003 Islamwissenschaft, Neuere Deutsche Literatur und Erziehungswissenschaft in Freiburg und Kairo. 2004 arbeitete er bei der Gesellschaft zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika e. V." (litprom) in Frankfurt und war für die Frankfurter Buchmesse beim Ehrengastauftritt "Arabische Welt" beratend tätig. Von 2005 bis 2008 promovierte er im Fach Islamwissenschaft an der Universität Freiburg zur zeitgenössischen arabischen Exillyrik und unterrichtete am Sprachlehrinstitut der Universität Freiburg Arabisch. In dieser Zeit führten ihn zwei Forschungsaufenthalte nach Palästina, Israel und Jordanien. Von April 2008 bis Oktober 2009 war er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für den Aufbau der Bibliothek des Fachgebiets Arabistik am CNMS (Centrum für Nah- und Mittelost-Studien) in Marburg verantwortlich und unterstützte den Aufbau eines Irakzentrums am CNMS. Seit Oktober 2009 ist er Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Göttinger Semi

nar für Arabistik/Islamwissenschaft und forscht weiterhin zu moderner arabischer Lyrik, arabischen Exildiskursen, dem irakischen Roman und arabischer Kinder- und Jugendliteratur. Er verfasste zahlreiche weitere Übersetzungen und literaturwissenschaftlichen Essays in Zeitschriften.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.07.2013

Liebe in Zeiten der Unterdrückung
Rosa Yassin Hassans Abrechnung mit Syriens Regime

"Wächter der Lüfte" ist der poetische, wörtlich aus dem Arabischen übernommene Titel eines Romans, der den Leser direkt hineinführt in die Hintergründe der turbulenten, blutigen Ereignisse in Syrien. Dabei erschien der Roman der syrischen Autorin Rosa Yassin Hassan schon im Jahre 2009 in Beirut, also noch vor dem Ausbruch des "Arabischen Frühlings", der gegenwärtig in der Heimat der Schriftstellerin zu einem blutigen Bürgerkrieg, einem Gemetzel sondergleichen entartet ist. Doch allein die beklemmenden Schilderungen der Folter- und Unterdrückungspraktiken des Regimes in diesem Roman machen verständlich, warum die syrische Opposition sich eine Neuordnung ihres Landes unter einem Mitglied der Assad-Familie oder des alten Baath-Regimes überhaupt nicht vorstellen kann.

Die Autorin, Jahrgang 1974, in Damaskus geboren, Journalistin und Frauenrechtlerin, ist in der arabischen Welt schon lange keine Unbekannte mehr. Ihr Roman "Ebenholz" fand auch in Deutschland ein bemerkenswertes Echo. Sie gehört zu jenen schreibenden und dichtenden "rebellischen Töchtern Scheherazades" (so der tunesische Autor und Literaturwissenschaftler Hassouna Mosbahi), die in der arabischen und muslimischen Literatur schon bemerkenswert früh, etwa Anfang der zwanziger Jahre, in der Person der Irakerin Nazik al Malaika, danach der Palästinenserin Fadwa Tuqan oder später der Iranerin Forugh Farrokhzad selbstbewusst-subjektiv, also emanzipiert, hervortraten und heute, was die Kunstfertigkeit des Schreibens und den Realismus der Darstellung anbelangt, mit ihren männlichen Kollegen längst Schritt halten können. Auch Rosa Hassan nimmt kein Blatt vor den Mund, vor allem bei den erotischen Szenen. Das allein hat schon Sprengkraft in ihrer traditionellen Kultur.

Vordergründig ist es eine Liebesgeschichte, die Geschichte von Anat und Dschawad. Anat Ismail, deren Vater ein Nationalist und Hobby-Dichter "im klassischen Stil" eines al Mutanabbi ist, ist schwanger und arbeitet als Dolmetscherin der kanadischen Botschaft in Damaskus. Dort muss sie Flüchtlinge befragen, die um Asyl ansuchen - aus dem Sudan, aus dem Irak nach dem Sturz Saddam Husseins und aus anderen Brennpunkten arabischer Krisen und Kriege. Es sind Angehörige malträtierter ethnischer und religiöser Minderheiten. Auch in diesen Tagen ergießt sich ein Strom von Flüchtlingen wieder aus der Region in die Nachbarländer oder nach Europa.

Die neun Monate der Schwangerschaft werden das Zeitfenster, durch das Anat auf ihr bisheriges Leben zurückblickt. Anfang zwanzig ist sie, als sie Dschawad kennenlernt. Der ist Kommunist und Druse, während sie einer alawitischen, im weitesten Sinne schiitischen Familie entstammt. Die Alawiten haben sich dem arabischen Nationalismus verschrieben und herrschen. Doch auch unter dem säkularen Regiment der arabischen Nationalisten ist es nicht einfach, unter den verschiedenen Religionsgemeinschaften und Konfessionen zu heiraten; Dschawad und Anat aber sind sich einig. Ihre Liebe ist tief. Sie gleicht derjenigen von Laila und Madschnun, dem klassischen Liebespaar der arabischen Literatur, das mit Romeo und Julia verglichen werden kann.

Da wird Dschawad bei einer Razzia festgenommen und verurteilt, länger als fünfzehn Jahre sitzt er in Haft. Aus dem Gefängnis geschmuggelte Briefe und die Erlebnisse anderer inhaftierter Familienangehöriger zeugen vom Staatsterror des Damaszener Regimes. Doch bietet Anats Rückschau auf die Zeit von Dschawads Gefangenschaft auch die Gelegenheit, die unruhigen Jahre syrischer wie nahöstlicher Politik insgesamt darzustellen, die Spannungen innerhalb Syriens, in Palästina, doch auch zwischen Syrien und dem Irak oder der Türkei, etwa in kurdischem Kontext mit der PKK. Das wechselvolle Schicksal der beiden Protagonisten, ihrer Familien und Freunde wird eingebettet in das Schicksal jener nahöstlichen Region, die heute aufs Neue in Unruhe und Verwirrung geraten ist. Dabei korreliert das Gefangensein insbesondere der Frauen in althergebrachten Ordnungen und Denkweisen mit dem Gefängnis, zu dem die "modernen" Politiker Syrien gemacht haben. Doch in den Nachbarländern ist es kaum besser.

Die ersehnte, schließlich erreichte Freilassung Dschawads bringt beiden freilich nicht das erhoffte Glück. Die lange Haft unter den entwürdigendsten Umständen ist an Dschawad nicht spurlos vorübergegangen; und auch Anat bemerkt, dass sich ihr Leben - wie das der ganzen Familie - in jenen Jahren dramatisch verändert hat. Das Regime hat alle gebrochen, und die Liebesgeschichte geht - ganz wie bei Laila und Madschnun - nicht glücklich aus.

Die Autorin, deren Bücher in Syrien längst verboten sind, hält sich nicht mehr in Syrien auf. Dort wäre ihr Leben gefährdet. Sie habe die drei großen Tabus der arabischen Welt verletzt, sagte sie bei der Vorstellung ihres Romans in Deutschland: Politik, Religion, Sexualität.

WOLFGANG GÜNTER LERCH.

Rosa Yassin Hassan: "Wächter der Lüfte".

Aus dem Arabischen von Stephan Milich und Christine Battermann. Alawi Verlag, Köln 2013. 333 S., geb., 22,00 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Das Ende ist nicht glücklich, warnt Wolfgang Günter Lerch. Und dennoch findet er Gefallen an Rosa Yassin Hassans den Rezensenten an "Romeo und Julia" erinnernde Liebesgeschichte, die die Autorin, wie wir erfahren, in das Schicksal ihrer Heimat Syrien einbettet. Nicht nur emanzipiert vorgetragene erotische Szenen also erwarten Lerch in diesem bereits 2009 in Beirut erschienenen Roman, auch der Staatsterror Assads. Beklemmend findet er die Lektüre, aber auch erhellend, da sie ihm die Hintergründe der Ereignisse in Syrien erschließt. Ein Buch mit Sprengkraft, meint der Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH