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Wie war das möglich? Warum konnten sich die Nationalsozialisten in Deutschland durchsetzen? Eugen Oker forscht nicht nach den politischen Gründen, er wirft den Blick auf die ganz gewöhnlichen Menschen in der bayerischen Provinz. Das fiktive Tagebuch des HJ-Fahnenträgers zeigt, wie sich das nationalsozialistische Gedankengut allmählich in den Köpfen breitmacht. "Oker gelingt die heikle Gratwanderung zwischen literarischer Imagination und dem authentischen naiven Ton eines eher unbedarften Schuljungen, Jahrgang um 1920." (Prof. Dr. Reinhard Wittmann im Nachwort) ". und ich der Fahnenträger" von…mehr

Produktbeschreibung
Wie war das möglich? Warum konnten sich die Nationalsozialisten in Deutschland durchsetzen? Eugen Oker forscht nicht nach den politischen Gründen, er wirft den Blick auf die ganz gewöhnlichen Menschen in der bayerischen Provinz. Das fiktive Tagebuch des HJ-Fahnenträgers zeigt, wie sich das nationalsozialistische Gedankengut allmählich in den Köpfen breitmacht.
"Oker gelingt die heikle Gratwanderung zwischen literarischer Imagination und dem authentischen naiven Ton eines eher unbedarften Schuljungen, Jahrgang um 1920." (Prof. Dr. Reinhard Wittmann im Nachwort)
". und ich der Fahnenträger" von Eugen Oker könnte der heutigen Jugend nicht nur die damalige Zeit verständlicher, sondern sie auch widerstandsfähiger machen gegen politische Verführer, die mit "coolem" Gruppenleben werben.
Autorenporträt
Eugen Oker, 1919 in Schwandorf in der Oberpfalz geboren, gelernter Topograf, nach dem 2. Weltkrieg neben anderen Berufen als Journalist tätig. Seit 1971 freier Schriftsteller, lebte bis zu seinem Tod 2006 in München. Schrieb zahlreiche Bücher, viele Beiträge für den Bayerischen Rundfunk (Hörfunk und Fernsehen); 1964 Erfindung der Spielekritik (u.a. für DIE ZEIT). Auszeichnungen: 1973 Astrid-Lindgren Preis, 1999 Friedrich-Baur-Preis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.03.2011

Verhaftung im Wirtshaus
Eugen Oker erforscht das Seelenleben eines HJ-Fahnenträgers
Kinder und Jugendliche sind, wenn sie die entsprechenden Vorbilder haben, brutal. Schon am Ende der ersten Seite von Eugen Okers ... und ich der Fahnenträger bringen sie den Mathelehrer zum Weinen, und darauf sind sie stolz. Aber sie haben noch lang nicht genug: Weil der Mathelehrer auch noch Physik gibt, wird der Arme bei einem physikalischen Experiment zwei Seiten später heimtückisch in eine Falle gelockt, die ihm diesmal auch körperliche Schrammen zufügt. Der Ich-Erzähler amüsiert sich königlich. Und das ist erst der harmlose Anfang. Wer das übliche pädagogisch weichgespülte Lesefutter für Jugendliche, Prädikat: „besonders wertvoll“, sucht, der sollte um Eugen Oker einen großen Bogen machen.
Das lange vergriffene, jetzt endlich wieder neuaufgelegte fiktive Tagebuch eines HJ-Bannerträgers (es reicht von 1932 bis 1936: zu Beginn ist der Erzähler zwölf, am Ende 16) ist eine Zumutung in jeder Hinsicht. Gnadenlos versenkt sich Eugen Oker (1919 – 2006) hier in einen niederbayerischen Lausbuben, der das stramme Angebot der Hitlerjugend einfach durch und durch überzeugend findet. Wie auch nicht? Eltern und Lehrer sind zwar skeptisch, haben aber nichts Ernsthaftes entgegenzusetzen. Selbst als sich ein Freund erschießt, weil er erfährt, dass seine Mutter „Halbjüdin“ ist – der jugendliche Tagebuchautor bügelt entschlossen alle Widersprüche nieder und legt eine steile Karriere als Fahnenträger des Führers hin.
Der Literaturwissenschaftler Reinhard Wittmann behauptet im Nachwort über Okers Romantagebuch: „Seine Schilderung ersetzt Zentner von zeitgeschichtlicher und soziologischer Sekundärliteratur zur autoritären, irrationalen, antimodernen, antidemokratischen und antisemitischen Mentalität und Lebenswelt der Zwanziger- und Dreißigerjahre.“ Das klingt übertrieben, aber es stimmt; man braucht nur den Tagebucheintrag vom 11. Juni 1933 zu lesen: „Es werden jetzt überall Verhaftungen vorgenommen.“ Es folgt der Bericht von der Verhaftung des frommen Herrn Mutzbauer, der aus dem Wirtshaus heraus, mitten unterm Kartenspielen, von drei Braununiformierten in Schutzhaft genommen wird: „So hat es mein Vater erzählt und auch, daß alle, die in der Wirtschaft waren, gegen die Verhaftung gewesen sind.“ Letzteres ist für den 13jährigen Sohn das entscheidende Argument: „Aber da waren doch mindestens dreißig Männer drin! Wenn sie so dagegen gewesen sind, hätten sie es ja bloß nicht leiden brauchen. Was hätten denn die drei Mann ausrichten können?“ Sein Urteil steht fest: „Deshalb glaube ich, dass der Nationalsozialismus die stärkere Idee ist. Ein einziger Mann in Uniform macht zwanzig Zivilisten zur Schnecke.“
Genau das ist die bittere Anklage, die Sebastian Haffner in seiner posthum erschienenen Geschichte eines Deutschen erhebt: „Es gab nicht e i n Beispiel von Verteidigungsenergie, Mannhaftigkeit, Haltung. Es gab nur Panik, Flucht und Überläuferei.“ FLORIAN SENDTNER
EUGEN OKER:  . . . und ich der Fahnenträger. Ein negativer Erziehungsroman – eine unheimliche Satire. Lichtung Verlag 2010. 151 Seiten, 13,80 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Angetan ist Rezensent Florian Sendtner von Eugen Okers fiktiven Tagebuchs eines HJ-Fahnenträgers. Allerdings sollte man sich von dem Roman keinen harmlosen Lesestoff für Jugendliche erwarten. Denn das Buch mutet dem Leser mit seiner schonungslosen Erforschung des Seelenlebens eines bayerischen Jugendlichen, der begeistert bei der Hitlerjugend mitmacht, einiges zu. Mit Zustimmung quittiert Sendtner die auf den ersten Blick vielleicht übertrieben anmutende Einschätzung des Literaturwissenschaftler Reinhard Wittmann, der im Nachwort erklärt, Okers Buch ersetze Massen von Sekundärliteratur zur autoritären, antidemokratischen und antisemitischen Mentalität und Lebenswelt der Zwanziger- und Dreißigerjahre.

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