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Jamal Tuschick streift durch die Stadt, atmet sie ein, erforscht sie "wie einen Kontinent", misst aus, blickt in ihre Ecken und auf ihre Plätze. Und erzählt vom Trieb der Städtebewohner, einander zu begegnen, sich zuweilen zu paaren und wieder davonzugehen ins Ungewisse. Erzählt von Kurt und Jana, Mischa, Sina, Pavel und Kat - und wie sie alle heißen. "Aufbrechende Paare" ist ein Frankfurt-Buch, ein Großstadtroman von Heute. Und Jamal Tuschick ist der moderne Flaneur, dem nichts entgeht und der, was immer ihm begegnet, in Worte fasst, wie es "vor mehr als einem halben Jahrhundert Marieluise…mehr

Produktbeschreibung
Jamal Tuschick streift durch die Stadt, atmet sie ein, erforscht sie "wie einen Kontinent", misst aus, blickt in ihre Ecken und auf ihre Plätze. Und erzählt vom Trieb der Städtebewohner, einander zu begegnen, sich zuweilen zu paaren und wieder davonzugehen ins Ungewisse. Erzählt von Kurt und Jana, Mischa, Sina, Pavel und Kat - und wie sie alle heißen.
"Aufbrechende Paare" ist ein Frankfurt-Buch, ein Großstadtroman von Heute. Und Jamal Tuschick ist der moderne Flaneur, dem nichts entgeht und der, was immer ihm begegnet, in Worte fasst, wie es "vor mehr als einem halben Jahrhundert Marieluise Fleißer oder Ödön von Horváth getan haben: schneidend, beißend, sezierend, vollends unsentimental." (Jörg Plath, Süddeutsche Zeitung)
Autorenporträt
Jamal Tuschick, geboren 1961 in Kassel, lebt in Frankfurt am Main. Zuletzt schrieb er als Co-Autor, gemeinsam mit Gisela Getty und Jutta Winkelmann, das Buch "Die Zwillinge oder Vom Versuch, Geist und Geld zu küssen" (Weissbooks.w: 2008)
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.06.2009

Gestrandet
Jamal Tuschiks Paare

Das Land der Liebe mit der Lupe suchend, zieht Jamal Tuschik durch Frankfurt. In seinem neuen Buch "Aufbrechende Paare" verpassen Beziehungsanalphabeten einander permanent - mal in einer Hochglanzküche einer Villa beim Holzhausenpark, mal in einer Schenkenküche in Bornheim, in der Unfreundlichkeit zum guten Ton gehört. Zwischen Westend und Ostend und Nordend liegt der Kannitverstan-Stern der Zweisamkeit, der menschlichen Gemeinschaft überhaupt. Und der Ich-Erzähler mit dem Blick fürs Flüchtige schaut zurück, macht das Beste draus, wie er sagt, "also eine Geschichte, die ich ,Aufbrechende Paare' nenne. Die Effizienz der Wortwahl erbaut mich. Zwei Wörter - drei Bedeutungen." Zwei Wörter - viele Geschichten: über Frauen, die nicht treu sein können; über Männer, die an nichts denken als an die Frauen, die ihnen nicht treu sind; und über Frankfurt, eine Stadt wie eine abgetakelte Geliebte, die mit jedem Jahr älter, ärmer und verwahrloster wird wie ihre Bewohner, die Protagonisten dieses Buchs.

Die traurigste und unsympathischste Gestalt unter ihnen ist Kurt, der Wirt, der früher mal vor dem Haus der schönen Kat kampierte, "an seine Halsstarrigkeit gefesselt". In Kapitel zwei sehen wir ihn von einer Kneipe zur nächsten wanken, bis er schließlich in seiner eigenen landet - wo er genauso verloren ist, auch wenn er dort regiert wie Nero und seine zum Hungerlohn angestellten Mädchen-für-alles herumscheucht wie Sklavinnen. Aber auch die andern lassen sich treiben - Melchior aus Afrika (oder ist es Lateinamerika?), Jana aus Ostdeutschland, Kat mit ihrem sächsischen Clan und der Ich-Erzähler, der von den Frauen genasführt wird, sowieso. Gestrandete in Frankfurt. In den vier lose verbundenen Kapiteln - Erzählungen, die sich der Romanform im Grunde verweigern, Zusammenhänge sind reines Spielmaterial und die Personen nichts als Anlässe für Reflexionen - tauchen sie alle auf und wieder weg. Jana kuschelt da mit Pavel, dort mit Mischa, Kat serviert einen nach dem anderen ab, Ariane macht mit Texas, Kurt und Peter herum. Und der sitzengelassene Ich-Erzähler zitiert Céline und kommentiert das bunte, dabei so belanglose Gebalze mit hochsensiblen Bemerkungen - wie ein Philosophiestudent in den achtziger Jahren, als man den Weltschmerz in lässig-eleganten Formulierungen spazieren führte und so stolz war auf die nonchalante No-Future-Attitüde.

Das ist eine geschmeidige Selbstverliebtheit, die Spaß macht und sich so anhört: "Ein Lokal bietet ,Getränke zu vernünftigen Preisen' an. Solche Anpreisungen sind neu. Bald wird es wieder Schlangen vor Suppenküchen geben . . . Jetzt erscheint der Theaterplatz wie eine Schlucht voller Wind. Ich dringe ins Quartier, mit offenem Mund wie ein äsender Wal in einem Meer aus Licht. Ich sickere in die Kotfluchten am Main. Ich atme die Stadt ein . . . Die Libido wandert in die Wahrnehmung aus." Stimmt genau. Jamal Tuschik, Jahrgang 1961, ist ein Wahrnehmungserotiker, der noch das Bersten einer leidenschaftlichen Beziehung in einer Chronik der feinen Haarrisse nachvollziehen kann. Die Antihelden und ihre Scharmützel verblassen vor den Beobachtungen, die der Erzähler dazu anstellt; und vor den Aperçus zur Wirtschaftskrise, die er dazwischenstreut. Nur selten rast er ungebremst in küchenpsychologisch grundierten Kitsch. Jamal Tuschik ist ein Flaneur von heute, der aus dem Großen die Bagatelle schält und in der Nebensache die Hauptsache sieht. Zum Mitgehn.

ALEXANDRA KEDVES.

Jamal Tuschik: "Aufbrechende Paare". Weissbooks, Frankfurt am Main 2008. 176 S., geb., 17,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Jörg Plath äußert sich überwiegend positiv über Jamal Tuschicks vierten Prosaband mit vier Erzählungen. Der auch für die FR schreibende Autor macht darin Frankfurt zur Kulisse für seine glücklosen Liebenden, die zumeist dem "proletarisch-kleinbürgerlichen" Milieu angehören, wie der Rezensent erklärt. Will ihn die erste Geschichte um den südosteuropäischen Melchior, der in Frankfurt die Geliebte eines von ihm selbst Ermordeten "übernehmen" will, noch allzu bemüht erscheinen, tröstet ihn schon die zweite Erzählung um die despotische Herrschaft eines Vater-Sohn-Gespanns in einer Bornheimer Gastwirtschaft vollkommen darüber hinweg. Tuschick würde mit seinen Stadtgeschichten vielleicht in die Falle des Frankfurt-Kitsches tappen, wäre da nicht seine knallharte, unvermittelte und jedweder Sentimentalität abholden Sprache, die Plath zu dem originellen Vergleich mit einem "polizeilichen Zugriff" verführt.

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