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Der erste Teil des besonders wertig ausgestalteten Bandes mit dem Titel Nachtschicht versammelt die letzten Gedichte von Erika Burkart: 58 Texte, luftige und fragile Aufzeichnungen einer Sterbenden, die sich selbst beobachtet und begleitet, solange sie Worte dafür hat. Ergänzt werden die Texte durch faksimilierte Abbildungen der Handschrift der Dichterin. Auf Nachtschicht folgt mit Schattenzone ein poetisches Pendant: Gedichte des Lebensgefährten Ernst Halter, der mit seiner Frau den letzten Weg am Ende eines langen Zusammenseins gegangen ist. Ergänzt werden die beiden lyrischen Stimmen von…mehr

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Produktbeschreibung
Der erste Teil des besonders wertig ausgestalteten Bandes mit dem Titel Nachtschicht versammelt die letzten Gedichte von Erika Burkart: 58 Texte, luftige und fragile Aufzeichnungen einer Sterbenden, die sich selbst beobachtet und begleitet, solange sie Worte dafür hat. Ergänzt werden die Texte durch faksimilierte
Abbildungen der Handschrift der Dichterin. Auf Nachtschicht folgt mit Schattenzone ein poetisches Pendant: Gedichte des Lebensgefährten Ernst Halter, der mit seiner Frau den letzten Weg am Ende eines langen Zusammenseins gegangen ist. Ergänzt werden die beiden lyrischen Stimmen von einem essayistischen Text Halters, der in den Kosmos der Nachtschicht einführt und ihn kommentiert.
Mit einem Essay von Ernst Halter und faksimilierten Handschriften Erika Burkarts
Autorenporträt
Erika Burkart, geb. 1922, starb im April 2010. Sie war, so Peter von Matt, die 'charaktervollste lyrische Stimme der Schweiz' und wurde für ihr Werk mit vielen bedeutenden Preisen ausgezeichnet.

Ernst Halter, geb. 1938, nach dem Studium Redakteur der Kulturzeitschrift du, bis 1984 Cheflektor des Orell Füssli Verlags Zürich, danach freier Autor. 1969 Heirat mit Erika Burkart. Letzte Veröff entlichungen:

Jahrhundertschnee (Roman), Menschenland (Gedichte).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.08.2011

Du Vogel Schlaf
Tod und Liebe: Erika Burkarts letzte Gedichte

Von Astrid Kaminski

Wahnsinn, vom Meer berichten zu wollen", schreibt die im Jahr 2010 gestorbene Schweizer Lyrikerin Erika Burkart in einem ihrer letzten Gedichte. Und trifft damit Vermessen- wie Verwegenheit aller gescheiterten und geglückten Meeresgedichte. Wenn aber schon der Versuch, diese nur scheinbare Unendlichkeit zu erfassen, Wahnsinn ist - wie verrückt muss es dann erst sein, vom Sterben berichten zu wollen.

Denn das Sterben ist jener Ozean, von dessen anderem Ufer wir noch nicht einmal eine Landkarte besitzen. Und selbst wenn es Berichte von dort gibt, sind sie in der Sprache des Lebens verfasst. Dieser aporienhafte Atem fließt durch die Gedichte aus den letzten zwei Schaffensjahren von Erika Burkart und die ihres Lebensgefährten Ernst Halter, die auch das letzte, von der Lyrikerin sprachlos erlittene Lebensjahr umfassen.

"Nachtschicht" und "Schattenzone" heißt der sehr persönliche, aber nicht zu private Doppelzyklus über Erika Burkarts Sterben, den Ernst Halter als Lyriker und Herausgeber gleichsam einfühlsam und präzise gestaltet hat: ein todtrauriges und, nicht weniger, ein glühend lebensdichtes Dokument von der Grenze zwischen Endlichkeit und Unendlichkeit - und von der Reichweite der Liebe. Weil ein solches Dokument nur in engster Verzahnung von Erleben und Schreiben entstehen kann, wird in dieser Besprechung das Ich der Gedichte den Autorenpersönlichkeiten gleichgesetzt.

Beklemmend ist es, wie Halter seine sterbende Frau beschreibt: "selbst der rote Schal, / dein Schutz und Trost: Geschmier." Aber sein Schmerz ist es zuallererst, um die Zumutung zu wissen, die dieser Zustand für die Sterbende bedeutet. Vier Monate vor ihrem Tod hält er eine so verzweifelte wie erhabene Zwiesprache: "Du Vogel Schlaf, / schlag sie in deine Flügel, / trage sie weg von Medikament und Matratze, / aus den Fesseln schlage sie, / schließ ihr dein dunkles Tor auf, / nimm sie an der Hand. / Führe sie einen letzten Wintertag lang, / Schnee im Haar und Nacht, / durch dein grenzenloses Land."

"Gefährdet sind, die sich lieben", heißt es einmal bei Burkart. In all diesen Gedichten steckt größte Gefahr. Sie äußert sich in der Angst der Schwerkranken, zur Last zu fallen; in der Angst des gesunden Partners, den siechenden Körper nicht mehr zu ertragen, ihn im gefühlsmäßigen Abstandnehmen zu verraten. Immer wieder schwingt die Gefahr in den Gedichten mit, die Liebe könne noch vor dem Leben enden.

Nichts funktioniert hier nach Hölderlinschem Notfallplan: Denn das Rettende bleibt aus. Sprache - das vermitteln diese Abschiede in Versen - kann nicht retten, aber sie kann, ist sie konzentriert genug, Trost zusprechen, auch für einen unstillbaren Schmerz: "Wie sonst ertrügen wir, unbegreifend, / so selig wie bang, / lebenslang Kinder/ des Todes zu sein?"

Weder bei Halters noch bei Burkarts Gedichten gibt es formale Zwänge, intellektuelle Hinterhalte oder poetologische Positionen. Wörter sind hier Partikel der Schöpfung, nicht einer sprachskeptischen Literarizität. Burkart ist so sternengläubig wie Nelly Sachs, so blütentrunken wie Paul Celan, und sie benutzt, was ihr an Diktion und Komposita nahe ist.

Aber nichts legt dieser Band so fern wie den Ruf nach Stilmitteln. Das Verfahren ist ein phänomenologisches. Die Sprache dieser feinziselierten Abdrücke des Todes im Leben gewinnt ihre Poesie aus der Empfindungsgenauigkeit und aus den Räumen der mal heiligen, mal furchtbaren Stille, die jedes der knapp gesetzten Worte umgibt. Sie "bitte den Schmerz / um das Wort, das trifft", schreibt Burkart. Darin wird sie erhört. Selbst mit einfachen Reimen geschieht darum oft Wesentliches. Umso mehr beeindruckt dies nach Ernst Halters Anmerkung, seine Frau habe sich nach einer Operation vergessene Worte oft nur noch durch Reime zurückerobern können.

In "Altersfreuden, Altersfrust" trifft der Wortverlust auf einen eindrücklichen Reichtum der Bilder: "Wenn jedes Wort / eine Geschichte ist, / an Adressen schreiben, / die es nicht mehr gibt." Erika Burkart hat ihr Leben lang am gleichen Ort gewohnt. Zuletzt ist es Halter, der an eine Adresse schreibt, die es nicht mehr gibt. Und trotzdem haben beider Gedichte die wundersame Kraft anzukommen.

Erika Burkart: "Nachtschicht", Ernst Halter: "Schattenzone". Gedichte.

Weissbooks, Frankfurt am Main 2011. 150 S., geb., 24,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Höchst beeindruckt und dicht schreibt Astrid Kaminski über diesen doppelten lyrischen Blick auf ein Sterben - den Blick der Sterbenden selbst und den Blick ihres Lebensgefährten Ernst Halter, der sie auch durch die Zeit begleitete, in der sie nicht mehr sprach. Kaminski beschreibt vor allem die Intensität der Benennung, die, wie sie bewundernd anmerkt, frei ist von allen "poetologischen Positionen", als gebe es in diesen Gedichten kein Statement über Sprache mehr, sondern nur mehr präzise Wahrnehmung, aber auch Trost. In einem Vers Halters, den Kaminski zitiert, ist dies benannt. Sie "bitte den Schmerz / um das Wort, das trifft", heißt es da. Und die Rezensentin notiert: "Darin wird sie erhört."

© Perlentaucher Medien GmbH