Marktplatzangebote
20 Angebote ab € 0,34 €
  • Gebundenes Buch

Heute bin ich anders. Weil einer auf mich wartet. Weil ich nie mehr allein sein werde. Sie kennt das Gefühl seit ihrer Kindheit: Auf etwas zu warten, was dann nicht eintrifft. Ausgeschlossen zu sein. Nicht teilzuhaben am Leben, obwohl sie sich doch so sehr danach sehnt. Und so hat Klara Schwartz sich eingerichtet in ihrer Einsamkeit, bis das Gefühl der Leere und die Sehnsucht nach Liebe, nach Berührung sie bis zum Äußersten treiben.

Produktbeschreibung
Heute bin ich anders. Weil einer auf mich wartet. Weil ich nie mehr allein sein werde. Sie kennt das Gefühl seit ihrer Kindheit: Auf etwas zu warten, was dann nicht eintrifft. Ausgeschlossen zu sein. Nicht teilzuhaben am Leben, obwohl sie sich doch so sehr danach sehnt. Und so hat Klara Schwartz sich eingerichtet in ihrer Einsamkeit, bis das Gefühl der Leere und die Sehnsucht nach Liebe, nach Berührung sie bis zum Äußersten treiben.
Autorenporträt
Franziska Sperr studierte Politikwissenschaft und arbeitet heute als freie Journalistin, Übersetzerin und Autorin. Sie ist Mitglied des P.E.N.-Zentrums Deutschland und lebt mit ihrer Familie am Starnberger See.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.08.2008

Der Skifahrer mit dem weißen Hintern
Franziska Sperrs Debütroman „Das Revier der Amsel”
Die Fragen und die Antworten der Psychologen greifen zu kurz: Vergeblicher Kinderwunsch, unbewältigter Tod der Mutter, Schwesternkonkurrenz, Verlassenheit. Und dann auch noch die Demenz des Vaters. Überforderung also. Verantwortungsflucht. Aber was sagt das schon. Und welche noch so bittere Erfahrung könnte erklären, dass eine Frau sich wahnhaft in einen Politiker in ihrer Nachbarschaft verliebt, auch wenn der von ihr nichts weiß, um eines Tages dessen Baby zu entführen? Erklärungen erklären nichts, und Franziska Sperr ist klug genug, um in ihrem ersten Roman „Das Revier der Amsel” keine schlichten Muster des Verstehens anzubieten. Was Stoff für einen Psycho-Thriller sein könnte, ist bei ihr das Material für eine eher leise Geschichte über den Zerfall einer Familie.
„Das Revier der Amsel” ist ein spätes und kein wirkliches Debüt: Franziska Sperr, 1949 in München geboren und mit Johano Strasser verheiratet, hat bereits eine Romanbiographie über Franziska zu Reventlow geschrieben und vor drei Jahren einen beachtlichen Erzählungsband vorgelegt. Das stilistische Feingefühl, das ihre Erzählungen auszeichnete, bewährt sich nun auch in der größeren Form. Sperr beschreibt einen einzigen Tag im Leben zweier Schwestern. Es ist der 42. Geburtstag der Kindesentführerin Klara, die nun in einer psychiatrischen Klinik in München behandelt wird und vergeblich auf Besuch und Glückwünsche hofft.
Ihre Schwester Sonja ist mit Ehemann Ivo aus Wien angereist, doch nur deshalb, um das Elternhaus zu verkaufen, in dem Klara noch bis zuletzt lebte. Der Erlös soll die Pflegekosten für den in einem Heim vor sich hin dämmernden Vater decken. Der überstürzte Besuch bei ihm hat allein den Zweck, ihn zur Unterschrift unter eine Vollmacht zu bewegen. Um das Flugzeug zurück nach Wien nicht zu verpassen, fällt danach der Besuch bei der Schwester aus. Nur eine Tasche mit eilig zusammengerafften Kleidungsstücken Klaras aus dem verkauften Haus gibt Sonja noch rasch im Krankenhaus ab. Es ist eine hilflose Geste, die vielleicht als Anteilnahme gemeint war, die nun aber eine gedankenlose Brutalität darstellt: Klara weiß gar nicht, dass das Haus verkauft worden ist, und erhält nun kommentarlos ihre Sachen.
Die eigentliche Geschichte ereignet sich aber in den beiderseitigen Erinnerungen an die gemeinsame Kindheit. Im Mittelpunkt steht der heißgeliebte Onkel Bert, der immer nur mit Sonja zum Skifahren aufbrach, weil Klara nie damit fertig wurde, ihre Ausrüstung zusammenzupacken. Bis sie eines Tages den Onkel in der Scheune liegen sieht, und unter ihm den karierten Rock der Mutter: „Das ganze Leben lang kann ein solches Bild stehenbleiben, die Zeit läuft, aber das Bild bleibt, für immer und ewig. Und ich in meinen Sandalen auf der nassen Wiese, und das Haus in meinem Rücken.” Danach ist Onkel Bert aus der Familie verschwunden. Klara erinnert sich, gedacht zu haben: „Wie ums Himmels willen konnte es sein, dass ein so guter Skifahrer einen so weißen Hintern hatte.”
Von Dur nach Moll
Es sind die kleinen Zeichen und Gesten, die Sperr beiläufig und dadurch umso wirkungsvoller zu erzählen vermag. Geschickt setzt sie Motive ein und variiert sie: Die Kirchenglocken etwa, die Klaras Tag strukturieren und die in ihrer Vorstellung im Lauf der Jahrhunderte von Dur zu Moll gedämpft worden sind, nachdem Generationen von Fledermäusen im Kirchturm verendeten. Oder der Flügel des Vaters, der Pianist gewesen ist und bei geschlossenen Jalousien Klavierunterricht gab. Am Abend zog er dann ratternd die Jalousie nach oben: ein Geräusch, das noch die Erinnerungen zerreißt. Unter diesem Flügel liegt dann auch das entführte Kind – bevor Sonja ihn nach Wien transportieren lässt. Die titelgebende Amsel scheint dort ihr Revier abzustecken. Sie steht für das Recht am Territorium, für das, was an einem Haus unverkäuflich ist.
Sperr wechselt kapitelweise die Perspektive: Von Klara schreibt sie in der Ich-Form, weil hier das Geschehen ganz und gar ins Innere verlagert ist. Phantasien und Erinnerungen vermischen sich mit den Tageseindrücken aus der Klinik. Diese Passagen sind eher ausschweifend und unkonzentriert, wie es der Hauptfigur entspricht. Bei Sonja und Ivo nimmt Franziska Sperr eine auktoriale Erzählhaltung an. Da ist sie lakonisch und protokollarisch exakt und zeigt die Gefühlszustände mehr von außen. Dieser Blick auf die Figuren, kühl und pointiert, liegt ihr mehr. Das Buch lebt aber vom Kontrast. Die Geschichte der Familie wird doppelt erlebbar und damit auch das Verhältnis der beiden Schwestern.
Es ist eine große Kunst, wie die Koordinaten von Klaras Wahn und Sonjas pragmatischer Normalität unmerklich verrutschen: Am Ende dieses beeindruckenden Romans ist es Sonja, die hektisch die Vergangenheit hinter sich niederreißt, während die psychotische Klara in ihrer Phantasiewelt einen ruhigen und gefassten Eindruck macht. Ihre Melancholie ist umfassend. Sie trauert um das verpasste Leben, tröstet sich aber damit, dass es anderen auch nicht besser geht: „Überall stehen Leute an Haltestellen und denken über das Leben nach! Man kommt ja ganz durcheinander bei solchen Gedanken.”JÖRG MAGENAU
FRANZISKA SPERR: Das Revier der Amsel. Roman. Fahrenheit Verlag, München 2008. 224 Seiten, 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.09.2008

Doktor Schweinchenrot
Baby haltlos: Franziska Sperrs Familientragödie

Mindestens drei Rätsel bleiben bis zum Ende dieses bedrückenden Familienromans ungelöst. Da ist einmal der Titel: Was hat die Amsel, die unbekümmert in den Ritzen der Terrassensteine herumpickt, mit dem Drama im Haus zu tun? Dann der alte zugelaufene Hund: Was wird aus ihm? Und das Baby, dem die Finger der Entführerin so bedrohlich nahe an den Hals kommen: Ist es tot, als Klara, die Hauptperson, es im Kinderwagen zurück in den Garten der Eltern schiebt? Es schreit nicht mehr, seine Haut ist aber zart und noch warm.

Rätsel sind in einem Kriminalroman oft irreführende Spuren, sie steigern die Spannung. Spannung zu erzeugen, gelingt Franziska Sperr aber auch durch einen raffinierten schnellen Wechsel der Perspektive. Gerade noch erzählt die in die psychiatrische Klinik eingelieferte Klara von den vergeblichen Versuchen des Arztes, hinter ihr Geheimnis zu kommen, und schon liefert die objektive Sicht der Autorin auf die kurzen Szenen in der Hagemannstraße realistische Details des Dramas.

Das schwerste Rätsel hat der junge "schweinchenrosarote" Dr. Schöpf zu lösen. Tagtäglich befragt er Klara nach ihrem nicht gelebten Leben. Ein unerfüllter Kinderwunsch, so mutmaßt er, hat zu der Entführung des Babys geführt. Ein Kurzschluss, dessen Ursachen in früher Kindheit liegen. Klara war gegenüber ihrer Schwester Sonja immer benachteiligt. Sie wurde zurückgelassen, wenn der allseits geliebte Onkel Bert zum Skifahren einlud; nach dem Tod der Mutter opferte sie sich wie selbstverständlich, um für den Vater zu sorgen. Für den Klavierlehrer war seine Geliebte aber immer wichtiger als die Tochter, und ebenso wenig Bedeutung hatte Klara für die Mutter, an der "Männer verglühten", wie der Vater von den zahlreichen Liebschaften seiner Frau spricht. Nicht erfahrene und nicht erwiderte Liebe kann dazu führen, dass man dem Liebesobjekt auflauert und es terrorisiert. Klara konzentriert ihre krankhaften Gefühle auf einen Mann der Öffentlichkeit. Und da dieser unerreichbar bleibt, bemächtigt sie sich seines Kindes - so weit der kriminelle Tatbestand.

Franziska Sperr hat daraus eine anrührende Tragödie gemacht. Klara, Patientin und Opfer ihrer lieblosen Familie, wehrt sich auf ihre Weise, in die Schubladen der Psychiatrie einsortiert zu werden. Das ist manchmal komisch, wenn sie sich den Ärzten, auch in deren Fachsprache, überlegen wähnt, und wirkt verzweifelt, wenn sie sich im Gestrüpp ihrer Ängste verliert. Noch weiß sie nicht, dass sie von allen verlassen worden ist. Der Vater vegetiert hilflos und dement im Altersheim vor sich hin. Die Schwester, die in ihrer Skrupellosigkeit bis zur Urkundenfälschung geht, verscherbelt das Elternhaus in der Hagemannstraße, um die Pflegekosten für beide bezahlen zu können. Das Leben zieht sich gewissermaßen noch mehr von ihr zurück. "Es ist nicht das, was ich träume", stellt sie fest. Aber auch die Träume trösten nicht mehr.

Franziska Sperr, die eine vielbeachtete Romanbiographie der Franziska Reventlow geschrieben hat, beweist auch in diesem Roman Sensibilität und Sprachkraft. Nur schade, dass sie keinen einzigen Lichtblick aufblitzen lässt.

MARIA FRISÉ

Franziska Sperr: "Das Revier der Amsel". Roman. Fahrenheit Verlag, München 2008. 223 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Dieser düstere Roman über eine Baby-Entführerin und Psychatriepatientin hat Maria Frise gefesselt. Es gelinge der Autorin, die zuletzt durch eine Romanbiografie der Franziska Reventlow in Erscheinung getreten ist, durch rasante Wechsel in der Perspektive Spannung zu erzeugen, und sie überzeuge gleichzeitig durch die einfühlsame und sprachmächtige Darstellung, lobt die Rezensentin rückhaltlos. Das einzige, was sie ein bisschen mitgenommen zu haben scheint ist, dass die Autorin für ihre Protagonistin wirklich überhaupt keinen "Lichtblick" übrig hat.

© Perlentaucher Medien GmbH