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In seiner Autobiographie beschreibt Berndt Seite die politische Landschaft der Jahre nach 1989, erzählt vom Leben in der Politik und seinem Personal und spricht dabei auch in aller Offenheit über seine Zweifel, Ängste und Versuchungen. Eine sehr persönliche Auseinandersetzung mit den Ereignissen an einer Epochenschwelle deutscher Geschichte und eine Auseinandersetzung mit der Frage: Was fand 1989 in der DDR statt? Eine Wende?

Produktbeschreibung
In seiner Autobiographie beschreibt Berndt Seite die politische Landschaft der Jahre nach 1989, erzählt vom Leben in der Politik und seinem Personal und spricht dabei auch in aller Offenheit über seine Zweifel, Ängste und Versuchungen. Eine sehr persönliche Auseinandersetzung mit den Ereignissen an einer Epochenschwelle deutscher Geschichte und eine Auseinandersetzung mit der Frage: Was fand 1989 in der DDR statt? Eine Wende?
Autorenporträt
Berndt Seite, geboren 1940 in Schlesien, nach der Vertreibung und Flucht aufgewachsen in der DDR, wurde nach 1989 zum Seiteneinsteiger in die Politik. Von 1990 bis 1991 Landrat des Landkreises Röbel, 1991 bis 1992 Generalsekretär der CDU Mecklenburg-Vorpommern und von 1992 bis 1998 Ministerpräsident des Landes. Er lebt mit seiner Familie in Mecklenburg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.09.2009

Politik ist kein Leben
Der frühere Ministerpräsident Berndt Seite erinnert sich

Der heute 69 Jahre alte Berndt Seite war von 1992 bis 1998 Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern. In das Amt kam er nur deshalb, weil die CDU sich auf keinen anderen einigen konnte, nachdem der erste Ministerpräsident Alfred Gomolka zum Rücktritt gedrängt worden war. Seite galt als Übergangslösung. Aber dann gewann er 1994 die Landtagswahl. Die erste große Koalition in Schwerin wurde gebildet. Und Angela Merkel, damals CDU-Landesvorsitzende, gab dem Ministerpräsidenten - zu seiner Verblüffung - auf den Weg: "Jetzt haben Sie Macht." Seite stammt aus Schlesien, erlebte als kleiner Junge Flucht und Vertreibung, studierte Tiermedizin in Berlin und kam als Tierarzt in die Mecklenburger Seenplatte, wo er bis heute in einem Dorf wohnt. Er gehörte in der DDR-Zeit der Synode der Evangelischen Kirche in Mecklenburg an, war in der Endzeit aktiv im Neuen Forum, fand aber zur CDU, wurde Landrat, schließlich Generalsekretär seiner Partei. Nach seiner Wahlniederlage - 1998 kam in Schwerin die erste rot-rote Landesregierung an die Macht - blieb er noch im Landtag. Dann schied er frohen Herzens aus der Politik aus.

Schon während seiner Zeit als Ministerpräsident notierte er auf Zetteln besondere Gedanken, kleine Gedichte und Gleichnisse. Daraus wurden fünf Bücher. Im vergangenen Jahr erschien sein Inseltagebuch "Strandgut". Nun hat Seite seine Biographie unter dem dunklen Titel "Schneeengel frieren nicht" vorgelegt. Es ist ein fesselndes Buch, und es ist zugleich misslungen. Seite als Politiker war ein Mann, der Ross und Reiter nannte, der den Wiederaufstieg der SED/PDS mit Grimm sah und in der eigenen Partei zwischen Freund und Parteifreund zu unterscheiden wusste. Seite erlaubte sich Auftritte von biblischem Zorn, gegenüber den DDR-Kadern genauso wie gegenüber seinen Freunden vom Neuen Forum, die vor lauter Bedenken nicht zur Tat kamen, und gegenüber dem Pastor, der den Ministerpräsidenten aus der Synode drängen wollte. Man wünscht sich, dass mit solchem Zorn auch das Buch geschrieben worden wäre. Aber es ist viel von Wetter, Jahreszeiten und Landschaft die Rede, auch von der Liebe.

Die Politik wird nur gestreift. Die Fehden der großen Koalition lassen sich bestenfalls erahnen. Auch vermeidet es Seite, Namen zu nennen. Kohl oder Merkel kommen zwar vor, aber die Namen Harald Ringstorff oder Eckhardt Rehberg fallen nicht. Dabei waren gerade die beiden seine Schweriner Gegenspieler, der eine als der Ehrgeizige von der SPD, der andere als der anstrengende Fraktionsvorsitzende von der CDU. Im Grunde kann dem Buch nur folgen, wer sich in der jüngeren Landesgeschichte von Mecklenburg-Vorpommern ohnehin auskennt. Dabei hätte man erwarten dürfen, dass ein ehemaliger Ministerpräsident zumindest über jene Zeit viel zu erzählen hat, die er mitbestimmt hat.

Absurd ist es, dass Seite erstmals auf Seite 286 "ich" sagt. Zuvor ist nur von "er" die Rede, was den Leser spätestens dann verwirrt, wenn "er" mit einem anderen "er", Kohl etwa, zu tun hat und man nicht weiß, wer jetzt was zu wem gesagt hat. Will Seite mit diesem merkwürdigen Stilmittel wirklich klarstellen, er sei überhaupt erst nach der Politik ein Mensch geworden? "So hält man es im Wahlkampf, und jeder weiß, dass es nicht der Wahrheit entspricht. Die Wahrheit ist scheu und verirrt sich selten in die Politik", schreibt er. Hat sich Seite in die Politik nur verirrt? Er sieht es wohl so: "Ich erkannte, dass die politische Tätigkeit den Menschen deformiert, ihn vom eigentlichen Leben abkoppelt." Das aber nimmt man einem Politiker in einem so hohen Amt nicht ab.

Packend ist seine Darstellung des Endes der DDR. Da stellen sich noch einmal Angst und Misstrauen ein, das damals alle Seiten beherrschte. Und ergreifend ist es, wenn er feststellt, dass seine Haltung, sich immer gegen "die Indoktrination von Menschen durch Menschen" gewehrt zu haben, nur eine Minderheitenmeinung ist. Sein Hauptvorwurf an die DDR lautet, sie habe ihm vorenthalten, Mensch zu sein in freier Selbstbestimmung. Andere haben überhaupt keine Vorwürfe gegen die DDR mehr oder finden sie, wie einer seiner Nachfolger, Erwin Sellering (SPD), gar nicht so schlimm. Berndt Seite konnte sich nicht entscheiden, was er mit seinem Buch wollte: politische Biographie, Essay über die Politik allgemein oder lyrisches Skizzenbuch. Schade.

FRANK PERGANDE

Berndt Seite: Schneeengel frieren nicht. Eine Biographie. Verlag Theater der Zeit, Berlin 2009. 300 S., 18,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Einen sehr zwiespältigen Eindruck hat Berndt Seites Biografie bei Rezensent Frank Pergande hinterlassen. Er findet das Buch des früheren Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern zwar packend, aber nicht überzeugend, mitunter sogar "misslungen". Das Buch wirkt auf ihn unentschieden, was es eigentlich sein will: politische Biografie, Essay über die Politik allgemein oder lyrisches Skizzenbuch. Über die Zeit, die der ehemalige Ministerpräsident mitbestimmt hat, wird in Pergandes Augen viel zu wenig erzählt, Namen werden kaum genannt. Er hat den Eindruck, man müsse sich in der jüngeren Landesgeschichte von Mecklenburg-Vorpommern gut auskennen, um dem Buch folgen zu können. Als "absurd" wertet er, dass der Autor erstmals auf Seite 286 "ich" sagt. Davor hat er von sich immer nur in der dritten Person gesprochen. Für ihn ein "merkwürdiges Stilmittel". Fesselnd und stark ist seines Erachtens die Darstellung des Endes der DDR, doch das ist ihm letztlich zu wenig.

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