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Ein Sachbuch über eine Schlacht zugleich ein literarisches Ereignis. Wie schafft man es in der heutigen Zeit, mit einem Buch über eine Schlacht den erfolgreichsten Non-Fiction-Titel des Jahres zu schreiben? Tom Buk-Swienty ist dies 2008 in Dänemark gelungen, indem er das Kriegsleiden eindringlich aus der Perspektive des einfachen Soldaten, der Offiziere, Feldärzte und Kriegskorrespondenten erzählt. Was so entstanden ist, ist ein mitreißender, dokumentarischer Bericht über die Schlacht, für die die Soldaten den "Kosenamen" "Schlachtbank " Düppel erfanden.

Produktbeschreibung
Ein Sachbuch über eine Schlacht zugleich ein literarisches Ereignis. Wie schafft man es in der heutigen Zeit, mit einem Buch über eine Schlacht den erfolgreichsten Non-Fiction-Titel des Jahres zu schreiben? Tom Buk-Swienty ist dies 2008 in Dänemark gelungen, indem er das Kriegsleiden eindringlich aus der Perspektive des einfachen Soldaten, der Offiziere, Feldärzte und Kriegskorrespondenten erzählt. Was so entstanden ist, ist ein mitreißender, dokumentarischer Bericht über die Schlacht, für die die Soldaten den "Kosenamen" "Schlachtbank " Düppel erfanden.
Autorenporträt
Ulrich Sonnenberg, geb. 1955, arbeitete nach seiner Buchhändlerlehre mehrere Jahre in Kopenhagen und war bis Ende 2003 Verkaufsleiter der Verlage Suhrkamp und Insel in Frankfurt am Main. Seit Anfang 2004 lebt und arbeitet er als freier Übersetzer, Herausgeber und Publizist in Frankfurt am Main.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.12.2011

„Die Schlacht war von eigentümlicher Schönheit“
Epochales Ereignis für Deutschland und Dänemark: Tom Buk-Swienty erzählt, wie preußische Truppen 1864 die Düppeler Schanzen eroberten
Die Straßennamenschilderkommission von Berlin-Steglitz hat der dortigen Düppel-Straße die simple Erläuterung beigefügt: „dän. Ort im ehemaligen preußischen Regierungsbezirk Schleswig“ – die fundamentale Bedeutung, die der Ort Düppel für die preußische, die deutsche, die dänische, ja die europäische Geschichte hatte, ist offenbar im deutschen Orkus des Vergessens verschwunden.
Man kommt dem historischen Rang des Ortes näher, wenn man die Berliner Siegessäule am Großen Stern mustert, die nach dem preußischen Sieg über die Dänen 1864 in Auftrag gegeben wurde; ihre symbolische Bedeutung wurde allerdings durch die Siege über die Österreicher 1866 und die Franzosen 1871 verdreifacht, sie wurde zum Nationaldenkmal der Einigungskriege: Der Schaft wird von drei Trommeln gebildet, die untere ist mit 20 vergoldeten Kanonenrohren umrundet, es sind preußische Beutestücke aus dem 2. Schleswigschen Krieg von 1864, der praktisch mit der Schlacht von Düppel endete, die zweite Trommel mit 20 österreichischen aus dem Krieg von 1866 und die dritte mit 20 französischen, erbeutet 1870/71 (Goebbels ließ dann eine vierte Trommel hinzufügen). Mit Düppel begann also die erste Etappe der Bismarck’schen Reichsgründung unter preußischer Führung. Ohne Düppel kein Deutsches Reich!
Düppel – dänisch Dybbøl – ist ein transnationaler Erinnerungsort par excellence, denn mit Düppel erfuhr auch das dänische nationale Selbstverständnis seine über Jahrzehnte gepflegte Ausprägung, eine Nation der Niederlagen zu sein, der „Niederlagenkomplex“ wurde seit dem Krieg mit den Preußen (und Österreichern) in allen dänischen Narrativen dominant. Der Ort Düppel und die Jahreszahl 1864 markieren die letzte nationale Katastrophe, die aus dem ehemaligen globalen Konglomeratstaat eine nordeuropäische Kleinstmacht werden ließ; mit der Niederlage und der Abtretung der Herzogtümer verlor Dänemark etwa zwei Fünftel seines Territoriums und seiner Bevölkerung. Die dänische Kulturnation ist seither mit der Staatsnation identisch. 1864 hat das dänisch-deutsche Verhältnis der letzten fast 150 Jahre belastet, ja vergiftet, fast mehr noch als 1940, als Nazi-Deutschland in Dänemark einmarschierte. In Deutschland aber – außerhalb der berührten Region – sind Düppel und die anderen damit verbundenen Symboldaten und -handlungen längst vergessen.
Gut also, dass das Sensationsbuch des dänischen Historikers Tom Buk-Swienty nun auch auf Deutsch erschienen ist. Er erzählt die Geschichte der Schlacht um die Düppeler Schanzen vom 18. April 1864, die nur knapp fünf Stunden dauerte; er erzählt eine Geschichte des Grauens, von Toten und Verletzten, von Verstümmelungen und unermesslichem menschlichen Leid, von Gefangenen und Hinterbliebenen, von politischen Dummheiten und von militärischen Fehleinschätzungen, von persönlichen Eitelkeiten und strategischen Erfolgen. Gegen Ende des Buches lesen wir den Satz: Ein Mensch „hält nur eine bestimmte Menge an Lektüre über die vielen Toten, den ganzen Wahnsinn und all das Chaos aus, bevor sein Gemüt nach Ruhe verlangt“. Der Satz ist auf die Kämpfenden und die Erschöpften gemünzt; es ist aber auch deutlich, dass der Autor hier über seine eigenen Gefühle schreibt – und er trifft ebenso die Gemütsverfassung des Lesers. Es braucht starke Nerven auch bei der Lektüre des Buches.
Über die Schleswigschen Kriege gibt es Bibliotheken; Buk-Swienty gibt die Zahl der Bände und Pamphlete allein zu 1864 mit 3000 an. Für die deutschen, erst recht für die preußischen Historiker gehörte es zum akademischen Selbstverständnis, sich zum deutsch-dänischen Konflikt zu äußern. Man findet sie alle in dieser Bibliothek, nicht nur weil sie Schleswig-Holsteiner oder „Hofhistoriker“ waren oder der Kieler Universität angehörten: Droysen, Mommsen, Dahlmann, Gervinus, Sybel, Treitschke . . . Der Konflikt war zentral für den kleindeutschen Nationsbildungsprozess im 19. Jahrhundert, daher sind sie in der Regel auch antidänisch eingestellt; Marx und Engels waren keineswegs die rabiatesten Rhetoriker in dieser Sache.
Für die dänischen Historiker war 1864 der Gipfel der Unverschämtheiten, die der dänischen Nation über die Jahrhunderte von den Deutschen zugefügt worden seien. Die dänische Geschichte seit dem Mittelalter wurde nationalistisch von 1864 rückwärts erzählt als eine Unterdrückungsgeschichte durch die Deutschen (selten die Schweden). Wer es wagte, auf politische Dummheiten, auf Vertragsbrüche der dänischen politischen Klasse hinzuweisen, galt als abtrünnig und national nicht zuverlässig. Erst die heutige Generation dänischer Historiker hat den verengten, nationalistischen Blickwinkel geöffnet und gestattet in erfrischender Weise, auch auf dänische Fehler aufmerksam zu machen. Die politische Rhetorik der nationalistischen Dänischen Volkspartei heute speist sich weitgehend aus dem Düppel-Niederlagen-Komplex und dem kulturellen Besserwissertum der Unterlegenen; nach Ursachen wird in diesem nationalistischen Diskurs nicht gefragt.
Buk-Swienty fügt der neuen historischen Offenheit eine weitere Dimension der Geschichtsaufarbeitung hinzu, der schier unglaubliche Erfolg des Buches in Dänemark dürfte daher rühren: Er sichtet das Material, das in den Bibliotheken nicht vorkommt, das die Historiker bisher unbeachtet gelassen haben, das aber reichlich in den öffentlichen und privaten Archiven liegt: die Berichte, Briefe und Tagebücher der Soldaten, ihrer Angehörigen und der Hinterbliebenen. Er erzählt den Krieg und den Verlauf der Schlacht am 18. April 1864 aus der Perspektive von unten und mit den (zum Teil ungelenken) Worten der unmittelbaren Zeugen, der physischen und psychischen Opfer, der Traumatisierten. Was er zutage gefördert hat und was aus den Berichten spricht, ist erschütternd. Der Finne Nils Erik Forsgård hat dieses Verfahren für den schwedisch-russischen Krieg 1808/09 angewandt, der Schwede Peter Englund für den Ersten Weltkrieg – offenbar gibt es eine Konjunktur für diese Art der Opfergeschichte.
Die desaströse dänische Niederlage – und diese Perspektive macht Buk-Swientys „Geschichte einer Schlacht“ zu einem wahren Aufklärungswerk – ist menschlichen Schwächen, politischer Ignoranz und schlichter Überforderung geschuldet: Die Akteure, die den Konflikt herbeiführten, aber auch die, die ihn dann militärisch lösen sollten, waren ehrgeizige, hypochondrische und auf weiten Feldern schlicht überforderte alte Männer, auf der preußischen Seite, vor allem aber auf der dänischen. Sie lebten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch auf dem Erfahrungshintergrund vom Anfang des Jahrhunderts: Bei den Preußen war es insbesondere die traumatische Niederlage gegen Napoleon in der Schlacht bei Jena und Auerstedt 1806; bei den Dänen die Beschießung Kopenhagens durch die Engländer 1807, der 1. Schleswigsche Krieg 1848-51, der Krimkrieg und der Fall Sewastopols 1855 – sie konnten diese Erfahrungen und die heraufziehenden Veränderungen der Kriegsführung aber nicht in ihre Zeit umsetzen. In Kopenhagen regierte eine nationalliberale Regierung, die die Zeitgenossen als „die Million“ bezeichneten: Vorne eine Eins (der Ministerpräsident) und dahinter sechs Nullen (die Minister).
In der Schlacht von Düppel konnte man den bislang heftigsten Granatbeschuss der Kriegsgeschichte erleben. 8000 Granaten verschossen die Preußen. Deren Überlegenheit rührte von einem gezielten Granateneinsatz und dem des modernen Zündnadelgewehrs. Die Opferzahlen waren – gemessen an der Zahl der Beteiligten – immens. Mit Düppel wurde vorab erfahren, was der Erste Weltkrieg zeitigen sollte – der hoffnungslose Kampf um einzelne Meter: Erst die Granaten, dann die Gewehre, dann die Bajonette, dann die bloßen Fäuste.
Kurios mutet in diesem Zusammenhang an, dass die preußische Seite von vier Uhr nachts des 18. April an ein unablässiges Bombardement veranstaltete, das nach sechs Stunden pünktlich um zehn Uhr morgens beendet wurde. Die Soldaten haben sich später an den wundervollen Morgen, das Lerchengezwitscher und den Duft des Frühjahrs erinnert; der britische Kriegskorrespondent beschreibt die „Schönheit der Schlacht“ und den klaren blauen Himmel. Nur wenige Minuten danach begann der preußische Sturm auf die Schanzen – begleitet von einem aus 300 Mann bestehenden Militärorchester, das Marschmusik schmetterte, gleichwohl im Schlachtengetümmel nur schwer Gehör fand. Der Dirigent hieß sinnigerweise Gottfried Piefke, Komponist des „Düppel-Marsches“, der in der Schlacht uraufgeführt wurde. Preußen brauchte dringend eine Kompensation für die Niederlagen bei Jena und Auerstedt, der Hof und die Nation fieberten einem preußischen Sieg entgegen, und Bismarck brauchte dringend einen Anlass für den deutschen Einigungsprozess. Im Laufe des Krieges hatten Preußen und Österreich etwa 100 000 gut ausgebildete Männer unter Waffen, Dänemark nur 52 000, in Düppel und auf der angrenzenden Insel Alsen 27 000, und die waren schlecht ausgebildet.
Die politischen Folgen der Schlacht waren epochale. Die persönlichen Folgen sind nicht geringer einzuschätzen. Tom Buk-Swienty verweist am Ende auf den jungen Leutnant Wilhelm Dinesen, der am Krieg teilnahm und überlebte. In das „gewöhnliche Leben“ konnte er sich nicht wieder einfügen: Er schloss sich als Freiwilliger dem französischen Heer 1870/71 an, erlebte den Aufstand der Pariser Kommune, nahm auf türkischer Seite am Balkankrieg 1877 teil, reiste nach Amerika und lebte einige Jahre in den Wäldern von Wisconsin unter Indianern, er schrieb Bücher und Artikel, in Kopenhagen dann wurde er parteiloser Politiker. 1895 fand man ihn in seiner Wohnung, er hatte sich in den Kopf geschossen. Tatsächlich gestorben war der Mensch Wilhelm Dinesen wohl am 18. April 1864. Er war Besitzer eines Landgutes, Vater von fünf Kindern. Sein zweites Kind war Karen Blixen, auch sie verließ Dänemark und gründete in Afrika ihre Kaffeefarm.
BERND HENNINGSEN
TOM BUK–SWIENTY: Schlachtbank Düppel. 18. April 1864. Die Geschichte einer Schlacht. Aus dem Dänischen von Ulrich Sonnenberg. Osburg Verlag Berlin 2011. 360 Seiten, 26,90 Euro.
Nur fünf Stunden dauerte die
Schlacht, die mit einer desaströsen
dänischen Niederlage endete
Die nationalistische Rhetorik der
Rechtspopulisten speist sich aus
dem Düppel-Niederlagen-Komplex
Eine eroberte dänische Schanze: Preußische Soldaten erinnerten sich später an Lerchengezwitscher und den Frühlingsmorgen. Foto: Ullstein Bild
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Hierzulande ist die Schlacht von Düppel, die 1864 den deutsch-dänischen Krieg entschied, so gut wie vergessen, in Dänemark dagegen ist die Erinnerung an das Gemetzel sehr präsent. Nach  Dafürhalten des Rezensenten Bernd Henningsen hat sie unser Verhältnis zu Dänemark sogar schwerer belastet als die Besatzung im Zweiten Weltkrieg durch die Nazis. Deswegen ist er sehr froh, dass das Buch des dänischen Historikers Tom Buk-Swienty jetzt auf Deutsch erscheint. Sehr plastisch, meint Henningsen, schildert Buk-Swienty das Kriegsgeschehen und seine Ursachen, politische Dummheiten, strategische Fehler und persönliche Eitelkeiten der verantwortlichen Offiziere. Eingenommen für dieses Buch hat den Rezensenten auch, dass Buk-Swienty seine Geschichte quasi "von unten" schreibt, also mit vielen Aussagen der beteiligten Soldaten unterfüttert, wie dies etwa auch Peter Englund in seinem Buch über Ersten Weltkrieg getan hat.

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