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Shunsuke, junger Angestellter einer untergehenden multinationalen Firma in Tokio, hat zahlreiche belanglose Affären, bis er sich in einem Nachtclub Hals über Kopf in die polnisch-rumänische Kellnerin Iulana verliebt. Doch für Iulana ist alles nur ein Spiel, denn sie ist entflammt für die schöne Tänzerin Kazumi. Sie alle werden von einem alten Dichter beobachtet, der jeden ihrer Schritte durch heimliche Aufnahmen überwacht: Es ist Shunsukes eigener Vater Atsuo Okuda. Mit seinem privaten Spionagenetz, U-Boot genannt, scheint es Herr Okuda besonders auf das Glück seines Sohnes abgesehen zu haben,…mehr

Produktbeschreibung
Shunsuke, junger Angestellter einer untergehenden multinationalen Firma in Tokio, hat zahlreiche belanglose Affären, bis er sich in einem Nachtclub Hals über Kopf in die polnisch-rumänische Kellnerin Iulana verliebt. Doch für Iulana ist alles nur ein Spiel, denn sie ist entflammt für die schöne Tänzerin Kazumi.
Sie alle werden von einem alten Dichter beobachtet, der jeden ihrer Schritte durch heimliche Aufnahmen überwacht: Es ist Shunsukes eigener Vater Atsuo Okuda. Mit seinem privaten Spionagenetz, U-Boot genannt, scheint es Herr Okuda besonders auf das Glück seines Sohnes abgesehen zu haben, während er seiner neuen Gefährtin Yoshiko, einer ultrarealistischen, nach seinen genauen Anweisungen gefertigten, sprechenden Gummipuppe Gedichte vorliest. Sein perfider Kontrollwahn steigert sich zu einem plötzlichen und äußerst gefährlichen Interesse für Iulana. Shunsuke sieht seine Hoffnung auf Liebe durch die dunklen Schatten seines Vaters bedroht. Doch wen sollen Atsuos teuflische Obsessionen tatsächlich treffen?
Joao Paulo Cuencas dritter Roman ist eine moderne Liebesgeschichte, in der er mit wechselnden Erzählern meisterhafte futuristische Szenerien entstehen lässt: lebendige Figuren im zersplitterten Leben einer Megalopolis, in der allgegenwärtiger Voyeurismus und menschliche Perversion zu Gegenspielern jeglichen Gefühls werden. Verstört und gebannt stellt sich der Leser die Frage, ob die wahren Opfer von Unfällen nicht oft die Überlebenden sind.
Autorenporträt
Joao Paulo Cuenca wurde 1978 in Rio de Janeiro geboren und veröffentlichte 2003 sein erstes Buch "Corpo Presente". 2007 erschien sein zweiter, sehr erfolgreicher Roman "O Dia Mastroianni", 2011 schrieb er das Theaterstück "Terror". Das renommierte Literaturmagazin "Granta" wählte ihn im Juli 2012 auf die Liste der 20 besten jungen braslianischen Autoren. Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit arbeitete er bis 2010 als Journalist und Kolumnist für verschiedene brasilianische Medien, unter anderem für das Magazin der Tageszeitung "O Globo". Einer seiner längeren Auslandsaufenthalte führte ihn u.a. nach Tokio. Joao Paulo Cuenca lebt in Rio de Janeiro.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

João Paulo Cuencas Novelle "Das einzig glückliche Ende einer Liebesbeziehung ist ein Unfall" hat es Michaela Metz angetan. Die in der Tokio spielende Geschichte über einen Dichter, der mit einer perfekten Puppe zusammenlebt und über ein komplexes Spionagenetz die Liebschaften seines Sohnes kontrolliert, scheint ihr auf den ersten Blick "harter Stoff". Doch geht es in ihren Augen weniger um Sadismus und Perversion als um das Gefühl von Verlorenheit und die Unfähigkeit zu lieben vor der Hintergrund einer libertären, hypermodernen Megacity. Entstanden ist für Metz eine Geschichte von großer Schönheit und zugleich tiefen Pessimismus, in der sich immer wieder Elemente des magischen Realismus finden. Lobend äußert sich die Rezensentin nicht zuletzt über die bildhafte, poetische Sprache des Autors.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.06.2013

LITERATURLAND BRASILIEN
Prickelndes Gift: João Paul Cuenca
Brasilien ist in diesem Jahr
Ehrengast der Frankfurter Buchmesse. 70 brasilianische Schriftsteller werden dort unter dem Motto „Vielfalt der Stimmen“ ihre Werke präsentieren. Wir stellen einige Autoren und ihre Bücher in loser Folge vor.
Die Puppe Yoshiko wurde nach dem exakten Plan von Herrn Okuda hergestellt. „Perlweiße Haut, eine Brust des Modells Sinus 220 g mit 92,5 cm Umfang, eine Vagina der Größe Extra-eng, mit senkrechtem Schamhaar“. Yoshiko ist eine Maßanfertigung und kostet fünfzig Millionen Yen. Und Atsuo Okuda ist ihr Meister, sein Haus ihre Welt. Abends sitzt er mit Yoshiko auf dem Sofa und trägt Haikus vor. In ihrem hohlen Inneren verbirgt die Puppe die Urne seiner Frau.
  Okuda liebt Kontrolle. Sein futuristisches Spionagenetz, das sein Sohn Shunsuke „das U-Boot“ nennt, durchzieht den Bauch Tokios und sendet Informationen an den „Periskopraum“ im Keller von Herrn Okuda. So sabotiert er die Liebschaften seines Sohnes. „Sexuelle Begegnungen in den Stundenhotels in Shibuya, Gespräche, Streits und Versöhnungen bei Abendessen und Spaziergängen.“
  In Shunsukes Träumen verwandelt sich der Vater in eine riesige Languste, die ihre Fühler überallhin ausstreckt. Er flüstert ihm zu: „Eines Tages wirst du verstehen, dass das einzige mögliche Ende einer Liebesgeschichte ein Unfall ohne Überlebende ist.“ Shunsuke seinerseits erfindet für jede Frau, die er in einer der Bars in Kabukicho, Tokios Rotlichtviertel, aufgabelt, eine eigene Identität. Einen Namen und einen Beruf, jedes Mal ein neues Leben.
  Doch dann trifft Shunsuke die Polin Julana, die in ihrer ganzen groben Unvollkommenheit alles Kontrollierte und Anonyme im Leben des depressiven Salaryman wegzufegen scheint. Shunsuke verfällt ihr und verfolgt sie obsessiv. Um Julana nahe sein zu können, gibt er seinen Job und die anderen Frauen auf. Tagelang wartet er in einer ordinären „Dunkin-Donuts-Imitation nahe der Shinjuku-Station“, dem einzig realen Ort in einer unwirklichen Welt inmitten greller Neonreklamen. Aber Julana liebt auch die Go-Go-Tänzerin Kazumi, die mit ihrer perfekten Schönheit, ihrem vollkommen symmetrischen Körper die Menschen in ihren Bann zieht. Und Kazumi wird von Shunsukes größenwahnsinnigem Vater für Spionagedienste bezahlt.
  Der brasilianische Autor João Paulo Cuenca beschreibt in seiner kosmopolitisch-magischen Novelle den omnipräsenten Voyeurismus in der japanischen Megacity, für die bildhaft das krakenhafte „U-Boot“ steht. Die archaischen Regeln einer zweitausendjährigen Geschichte treffen hier auf eine hypermoderne, freizügige Welt. Mit strengem Blick reflektiert Cuenca die Unfähigkeit der Menschen, ihren Gefühlen zu folgen, und die Perversion, die daraus erwächst. Mit der Stadt Tokio als Schauplatz wendet sich Cuenca ab vom erotisch-exotischen Südamerika-Klischee, das der brasilianischen Literatur noch immer anhaftet. Nichts in diesem Buch ist brasilianisch, bis auf einen nächtlichen Song von João Gilberto, dem Erfinder des Bossa Nova.
  Zwei absurde Liebespaare. Der Versager Shunsuke und die illegale Aushilfskellnerin Julana. Der monströse Dichter Okuda und die Sexpuppe Yoshiko. Das klingt nach hartem Stoff. Und doch geht es im Kern nicht um Perversion und Sadismus. Es ist vielmehr eine Liebesgeschichte, die Cuenca in seinem lakonisch-fatalistischen Ton und mit jäh wechselnden Blickwinkeln erzählt. Pessimistisch bis auf die Knochen und wunderschön.
  So lernt Yoshiko durch die Poesie des Herrn Okuda fühlen. Sie bleibt eine Silikonpuppe und ist doch neben Julana die menschlichste Figur des Romans. Sie lernt, Tee für Atsuo Okuda zuzubereiten und Fugu, den giftigen Kugelfisch, dessen Genuss oft tödlich endet. Das Gift, das der Autor auf den Seiten seines Buches verstreut, kitzelt beim Lesen ebenso reizvoll wie das des Fugu beim Verzehr. Denn auch beim Zerteilen des Kugelfisches lässt ein Meisterkoch gerade so viel Gift übrig, dass bei seinem Genuss ein schauriges Prickeln auf den Lippen entsteht.
  Cuencas Leitmotiv ist eine in poetischen Bildern beschriebene Explosion in der Metro, der titelgebende Unfall. Cuenca beschreibt das tödliche Werk des allmächtigen Okuda wie eine Bildfolge in Zeitlupe. Er inszeniert den Anschlag in einer plastischen, visuellen Sprache, so als erlebe man das grausame Spektakel in 3D. Die obsessive Klarheit seines Ausdrucks setzt Michael Kegler perfekt ins Deutsche um. Cuenca wiederholt den todbringenden Triumph Okudas in Variationen immer wieder. „Durch das metallische Brüllen der Explosion hindurch höre ich ein Lachen und Räuspern. Es ist Herr Languste Okuda, der uns zufrieden auf den Bildschirmen im Periskopraum beobachtet. Und nun sind wir es, die in die Luft fliegen, abgehoben vom Boden, erfasst von einer Welle, kurz bevor sie bricht. . . “
  João Paul Cuenca wurde durch einen Aufenthalt in Tokio zu diesem Roman inspiriert. Ebenso wie der Japaner Haruki Murakami thematisiert er das Gefühl großer Verlorenheit. Auch er spielt mit surrealen Elementen im Stil des Magischen Realismus, die wie selbstverständlich in die Realität einbrechen. Julanas Orientierungslosigkeit und ihre Unfähigkeit, sich zu verständigen, erinnern an Sofia Coppolas Film „Lost in Translation“. Nur dass hier die Japaner genauso verloren sind wie die Ausländerin. Doch die große Distanz zwischen den Menschen, die Unfähigkeit zu lieben, sagt der Brasilianer in einem Interview, fühle sich in Copacabana, Rio de Janeiros gefühltem Zentrum der Lebenslust, genauso an. Ist das nicht das eigentlich Erschreckende?
MICHAELA METZ
João Paulo Cuenca: Das einzig glückliche Ende einer Liebesbeziehung ist ein Unfall. A1 Verlag, München 2013. 144 Seiten, 16,90 Euro.
Cuencas Dystopie aus einem
irrealen Tokio erinnert an
den Film „Lost in Translation“
João Paul Cuenca , 1978 in Rio de Janeiro geboren, schreibt Romane, Theaterstücke und Drehbücher. Das renommierte Literaturmagazin Granta wählte ihn 2012 auf die Liste der zwanzig besten jungen brasilianischen Autoren. FOTO: JORGE BISPO
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