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Das Lesebuch versammelt Briefe und Texte Döblins, die mit der Gegend an Saar und Blies zu tun haben: aus der Zeit als Militärarzt in Saargemünd und Hagenau (1915-1918), seine (weitgehend unveröffentlichte) Korrespondenz mit dem befreundeten Schriftsteller Anton Betzner (1946-1953), seine Erzählung "Das Gespenst vom Ritthof" und seine Saarbrücker Europa-Rede von 1952. Zeitgenössische Abbildungen der Orte seines Wirkens ergänzen den Band.

Produktbeschreibung
Das Lesebuch versammelt Briefe und Texte Döblins, die mit der Gegend an Saar und Blies zu tun haben: aus der Zeit als Militärarzt in Saargemünd und Hagenau (1915-1918), seine (weitgehend unveröffentlichte) Korrespondenz mit dem befreundeten Schriftsteller Anton Betzner (1946-1953), seine Erzählung "Das Gespenst vom Ritthof" und seine Saarbrücker Europa-Rede von 1952. Zeitgenössische Abbildungen der Orte seines Wirkens ergänzen den Band.
Autorenporträt
Alfred Döblin, geboren am 10. August 1878 als Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie, war Nervenarzt in Berlin; dort begründete er auch die expressionistische Zeitschrift "Der Sturm" mit. 1933 emigrierte Döblin nach Paris, 1940 floh er nach Amerika und konvertierte zum Katholizismus. Nach dem Krieg kehrte er als französischer Offizier nach Deutschland zurück. Er war Herausgeber der Literaturzeitschrift "Das goldene Tor" (1946-1951) und Mitbegründer der Mainzer Akademie (1949). 1953 übersiedelte er wieder nach Paris. Er starb am 26. Juni 1957 in Emmendingen bei Freiburg.
Rezensionen
Im Jahr 1926 hatte "Die Literarische Welt" junge, unbekannte Autoren eingeladen, Manuskripte für einen Wettbewerb einzusenden. Die Juroren waren von Rang: Bert Brecht begutachtete die Lyrik, Herbert Ihering dramatische Entwürfe und Alfred Döblin die Prosa. Döblin stellte dem Nachwuchs kein gutes Zeugnis aus: "Diese Jugend ist mir zu geschäftsmäßig", befand er und beschloss, künftig derartigen Wettbewerben fern zu bleiben. Als Sieger erkor Döblin den 1895 in Köln geborenen Anton Betzner, dessen Debütroman "Antäus" 1929 bei Merlin erschien, im Jahr von "Berlin Alexanderplatz". Döblin schrieb an Betzner: "Sie selbst sind in diesem Buch, Ihrer Visitenkarte, Ihrem Debütantenspiel, Ihrem Probewerk, kräftig und muskulös, aber manchmal sind sie in die Luft geschwungen und das ist nicht immer gesund."

Die Korrespondenz zwischen den beiden Männern brach ab und erneuerte sich nach dem Zweiten Weltkrieg. Döblin, aus dem französischen Exil zurückgekehrt, gründete als Literaturinspekteur der französischen Militärverwaltung in Baden-Baden die Literaturzeitschrift "Das goldene Tor", in der er Texte exilierter Schriftsteller abdruckte. Er bat Betzner, der inzwischen ebenfalls in Baden-Baden lebte, um Mitarbeit. Der Jüngere sagte zu. Döblin und Betzner standen in direktem und in brieflichen Kontakt bis zu Döblins Tod. Döblin wahrt in diesen Briefen einen höflichen Ton, der die Rolle des alten Freundes und Förderers anklingen lässt, doch kehrte sich mit der Zeit das Verhältnis der beiden um. Betzner, der als Redakteur beim Südwestfunk Baden-Baden und bei Radio Saarbrücken tätig war, machte sich für die Verbreitung und Anerkennung von Döblins Romanen stark. Döblin, dem diese Anerkennung zu Lebenszeiten versagt wurde, wirkt in seinen persönlichsten Passagen bitter: "Kein Verleger und eine elende und missgünstige Presse. Ich bin bald 75 Jahre alt, man hat dann überhaupt auf Erden nichts mehr verloren."

Döblins Briefe an Betzner sind nun erstmals nachzulesen im von Ralph Schocks Band "Meine Adresse ist: Saargemünd", der sich einem wenig erforschten Abschnitt aus Döblins Leben widmet. Zwischen 1915 und 1918 war Döblin als Militärarzt in Lothringen und im Elsass stationiert. Er ist der Grenzregion, die seit dem Frieden von Frankfurt zum Deutschen Reich gehörte, treu geblieben und, wie Betzner, immer wieder dorthin zurückgekehrt. Döblin liegt im Elsass-Dorf Housseras neben Sohn Wolfgang und Frau Erna begraben.

Neben den Briefen an Betzner finden sich in dem von Schock herausgegebenen Buch Schreiben des Militärarztes Döblin an seinen Berliner Freund Herwarth Walden; er war der Herausgeber der Zeitschrift "Der Sturm". Auch zwei bis heute wenig bekannte expressionistische Erzählungen sind dort nachzulesen: "Das Gespenst vom Ritthof" und "Das verwerfliche Schwein", beide in Saargemünd entstanden und spielen auch dort. In der ebenfalls aufgenommenen letzten öffentlichen Reden Döblins, gehalten 1952 in Saarbrücken, zeigt er sich als glühender Verfechter der europäischen Einigung, er erklärt alle Nationalismen für überwunden. Das ist insofern bemerkenswert, als seine früheren Briefe an Walden nationalen Eifer mit gelegentlich chauvinistischer Tonlage dokumentieren. Döblin muss durch das Exil in Frankreich und Amerika, durch die Erfahrung des Zweiten Weltkriegs zu seiner gereiften Einstellung gelangt sein und wagt Sätze, die 1952 noch provokant waren: "Eigentlich sind wir ja alle Europäer, ob wir deutsch, französisch oder italienisch sprechen." Der Vortrag lebt im übrigen von einer stark religiös geprägten Metaphorik und legt so Zeugnis davon ab, wie sehr die im amerikanischen Exil vollzogene Konversion Döblins sein weiteres Denken und Wirken prägte. Bert Brecht hatte auf diese 1943 bekannt gegebene Konversion mit seinem hämischen Gedicht "Peinlicher Vorfall" reagiert. Es blieb Döblins Schicksal, dass er sich von anderen Exilschriftstellern entfernt hatte, zugleich nie als katholischer Schriftsteller wahrgenommen wurde.

Ralph Schock hat diese Dokumente mit Sorgfalt zusammengetragen und ediert. Zahlreiche Fotos und Reproduktionen alter Schriftstücke ergänzen den Band -ein äußerst bibliophiles Buch.

Alfred Döblin - "Meine Adresse ist: Saargemünd."

Von Tanya Lieske

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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.11.2010

Bierkonzert mit Grubenpferd
Ein Band mit Briefen und Erzählungen dokumentiert Alfred Döblins Zeit als Militärarzt in Lothringen
Sollte das Saarland demnächst als Bundesland aufgelöst und mit Rheinland-Pfalz und anderen Nachbarterritorien verschmolzen werden, es würde trotzdem nicht untergehen. Unauslöschlich ist es auf der Festplatte der europäischen Kulturgeschichte gespeichert, weil in den vergangenen 30 Jahren Literaten, Historiker und Philologen die Eigenarten dieses Landstrichs an der Grenze zu Luxemburg und Lothringen eingehend erkundet und beschrieben haben. Nicht nur der Erzähler Ludwig Harig und der Dichter Johannes Kühn wären hier zu nennen, sondern auch eine Riege von Geschichtsschreibern, die in Dutzenden detaillierter Studien die Industrievergangenheit und die Bergmannstradition ebenso durchleuchtet haben wie die Territorialhistorie, das wechselhafte Verhältnis zu Frankreich oder die leidenschaftlichen „Saarkämpfe“ der Jahre 1935 und 1955. Damals war die Saar-Region ein internationaler Krisenherd, zweimal ging es bei Volksabstimmungen darum, ob das Land der Halden und Hügel zu Deutschland oder Frankreich gehören oder einen vaterlandsfreien Sonderstatus haben sollte.
Einer dieser Heimat-Forscher der höheren Art ist der Germanist Ralph Schock. 1985, zum 50. Jahrestag des ersten Referendums, edierte er die Texte bekannter Schriftsteller, die einst die Saarländer vergebens mahnten, nur ja nicht Ja zu Hitler-Deutschland zu sagen. Thomas, Heinrich und Klaus Mann waren ebenso darunter wie Bertolt Brecht, Alfred Kerr oder Kurt Tucholsky. Ralph Schock gehört zudem seit 1994 zu den Betreuern der kritischen Gesamtausgabe der Werke Gustav Reglers, eines saarländischen Romanciers, der sich in den Kämpfen des 20. Jahrhunderts getummelt hatte, von der Münchner Räterepublik über den Spanischen Bürgerkrieg bis ins mexikanische Exil. Als junger Kommunist hatte Regler gegen die Nazis agitiert, war aber von den eigenen Genossen verfolgt und verleumdet worden, weil er sich nach dem Hitler-Stalin-Pakt von ihnen abgewandt hatte. Für solche Gestalten war im kleinen saarländischen Kosmos erst Platz in den 1980er Jahren, als sich die nationalen Leidenschaften langsam legten.
Indes hat Schock als literarischer Archäologe auch all jene Autoren ins Auge gefasst, die von außerhalb an die Saar kamen und notierten, was sie dort erfuhren. Joseph Roth zum Beispiel weilte 1927 ein paar Tage in Saarbrücken und Neunkirchen und schrieb darüber in der Frankfurter Zeitung – was im Saargebiet hellen Zorn erregte. „Der Bahnhof von Saarbrücken ist der traurigste aller Bahnhöfe, in denen ich jemals ausgestiegen bin“, notierte der österreichische Autor und berichtete des weiteren sehr interessant von seinem Besuch in einem Bergwerk und einem Warenhaus.
Hermann Hesse kam 1912 zu einer Lesung nach Saarbrücken und wurde dort von einer Vereinigung wohlsituierter Kulturspießer in einer Weise empfangen, dass er sich eine Gaudi daraus machte, das Erlebnis in seiner eleganten Erzählung „Autoren-Abend“ zu karikieren. Als Ort der Handlung wird darin ein Provinznest namens Querfurt benannt, aber „das Städtchen war Saarbrücken, und es ist alles wörtlich wahr, Philisterhaus mit goldenem Stuhl und Papagei, Vorlesung in halbleerem Sälchen überm Riesensaal mit Bierkonzert, und alles“, wie Hesse 1953 in einem Brief schrieb.
Ralph Schock, der im Hauptberuf Literaturredakteur beim Saarländischen Rundfunk ist, hat sich die Mühe gemacht, diesen Brief aufzustöbern und Hesses Erzählung mit einigen Begleittexten und Erläuterungen herauszugeben. Auch die Reportagen Joseph Roths von der Saar hat er, sorgfältig ediert und kommentiert, als Sonderausgabe veröffentlicht. Alfred Diwersy, der Verleger des saarländischen Gollenstein-Verlages, hat ihm für solche Unternehmungen eine ganze Buchreihe mit dem Titel „Spuren“ anvertraut, die mittlerweile auf sieben Bände angewachsen ist und fortgeführt wird.
Eines der interessantesten Glieder der Serie ist ein Buch mit Briefen und Erzählungen von Alfred Döblin, die dieser zwischen 1914 und 1917 in Saargemünd verfasst hat, einer lothringischen Kleinstadt, direkt an der Grenze zum Saarland gelegen. „Ich bin oft herübergewandert durch das wundervolle Saartal, durch die herrlichen Wälder und Berglandschaften,“ schrieb er später einem Saarbrücker Journalisten. „Saarbrücken war mir damals doch die ‚Großstadt‘.“
Der junge Döblin, approbierter Neurologe, war in Saargemünd im Ersten Weltkrieg als Militärarzt in einem Lazarett stationiert und berichtete brieflich seinem Freund Herwarth Walden in Berlin, dem Herausgeber der Zeitschrift Der Sturm , was ihn „in diesem lothringischen Nest“ bewegte: der Dienst, der Tratsch der Kollegen, das Schreiben und der Krieg, der mit Kanonaden aus Verdun von sich hören ließ. Und dann die Leute, „bäuerische Leute mit schiefen, schwarzen Filzhüten, den langen Shawl halbitalienisch um Hals und Schulter“, wie der Autor notierte. „Ein sonderbarer Mischmasch von Volk, höflich, freundlich, auch zu uns in der Uniform, aber wer kennt die Gesinnung.“
Es sind unter anderem Trouvaillen dieser Art, die Ralph Schock im Sinn hat, wenn er sagt: „Ich will das, was literaturhistorisch hier gewesen ist, aufdecken und anderen zeigen.“ Was eine Region als ihr Erbe der Vergangenheit betrachtet, kann jederzeit neu definiert werden, und dazu trägt der Schatzgräber Schock entschieden bei. Wobei er als Region nicht nur das Saarland ansieht, sein Blick geht über die Grenzen hinaus. „Ich gebe dieser Region ihre unbekannte, ihre vergessene, ihre verdrängte, ihre verbotene Geschichte wieder“, sagt er. „Und gleichzeitig auch mir selber.“
Als Herausgeber lässt er größte Akkuratesse walten, scheut Mühen nicht und Reisen in die Archive. Manche Textfassung verfolgt er zurück bis zur Handschrift im Marbacher Literaturarchiv, manches Lichtbild hat er lang gejagt. Um die Atmosphäre abgelebter Zeiten zu evozieren, gab er dem Roth-Buch Fotos des einstigen Saarbrücker Hauptbahnhofs und eines blinden Grubenpferdes bei. Im Döblin-Werk werden Wohnadressen identifiziert, Kameradenfotos und ein Saargemünder Stadtplan gezeigt. Aus detaillierten Erläuterungen zum biographischen Hintergrund erfährt man, dass Döblin und seine Frau nicht in Berlin oder Paris, sondern in dem Vogesen-Dorf Housseras beerdigt sind. Ihr zweiter Sohn Wolfgang, ein genialer Mathematiker, hatte sich dort 1940 als französischer Soldat im Angesicht der feindlichen Deutschen umgebracht.
KLAUS BRILL
ALFRED DÖBLIN: Meine Adresse ist Saargemünd. Spurensuche in einer Grenzregion. Herausgegeben von Ralph Schock. Gollenstein Verlag, Merzig 2009. 320 Seiten, 21,90 Euro.
Von 1914 bis 1917 war der
Neurologe Döblin in einem
Lazarett in Saargemünd stationiert
Wie ein Schatzgräber
trägt der Herausgeber das Erbe
einer Region zusammen
Bildnis Alfred Döblins 1913. Ein Jahr später diente er als Arzt im Ersten Weltkrieg. Abb.: Städel Museum/Artothek
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Rezensentin Beatrix Langner beobachtet mit Interesse die literarische Spurensuche im Saargebiet, die der saarländische Gollenstein-Verlag seit Jahren unternimmt. Der neue Alfred Döblin gewidmete Band ist ein weiterer Mosaikstein in einer Art "Mikrohistorie des Saargebiets", freut sich Langner. Döblin war dem Grenzgebiet mit seiner wechselvollen Geschichte nicht nur als Militärarzt in Saargemünd über längere Zeit verbunden, lässt die Rezensentin wissen. Die Rede, die der Schriftsteller 1952 im Rathaus Saarbrücken zum Thema Europa hielt, ist für sie das Herzstück dieses Bandes. Langner lobt den Herausgeber Ralph Schock ausdrücklich für diesen "reichhaltigen Dokumentationsband" und für sein Nachwort.

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