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Wie aus großer Entfernung schauen die Dinge, die Fenster, Türen, Schuhe, Füße, auch die Bäume, Wolken und Landschaften aus Farhad Showghis Gedichten auf ihre Betrachter und Leser zurück. So fern sind sie, dass sie uns fremd werden, und so fremd, dass wir sie mit neuen Augen sehen können. Sie sind eine Welt, wie Kinder sie vielleicht sehen oder Menschen, die nicht in allem nach Sinn und Bedeutung fragen.

Produktbeschreibung
Wie aus großer Entfernung schauen die Dinge, die Fenster, Türen, Schuhe, Füße, auch die Bäume, Wolken und Landschaften aus Farhad Showghis Gedichten auf ihre Betrachter und Leser zurück. So fern sind sie, dass sie uns fremd werden, und so fremd, dass wir sie mit neuen Augen sehen können. Sie sind eine Welt, wie Kinder sie vielleicht sehen oder Menschen, die nicht in allem nach Sinn und Bedeutung fragen.
Autorenporträt
Farhad Showghi, geb. 1961, lebt seit 1989 in Hamburg, wo er als Arzt arbeitet. Daneben ist er als Autor und Übersetzer tätig. Er erhielt u.a. den Kulturförderpreis für Literatur der Stadt Hamburg (1995). Veröffentlichung u.a.: "Die Walnußmaske, durch die ich mich träumend aß" (1998).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.01.2009

Im Halbschlaf nach Teheran
Prosagedichte von Farhad Showghi: „Die große Entfernung”
Bäume und Sträucher, einige Schneereste. Die Luft, Schatten, Felder und alles, was sie ausmacht. Wer in diesen Texten gelesen hat, kann mit Recht behaupten, er habe die Dinge der Natur wahrgenommen. Da ist von Hügeln die Rede, von „Lichtflecken” und „Platanenkronen” – und doch geht es hier nicht eigentlich um die Beschreibung von Landschaft. Eher fragt Farhad Showghi in seinen Sätzen fortwährend, wie Inneres und Äußeres ineinander greifen, ja, wie Welt überhaupt zur Sprache kommt, momenthaft, fragil, stets im Begriff, sich erneut zu verändern.
Was sonst das Lesen der Welt vereinfachen mag, die Einteilung in Anschauung und Gedanke, Nähe und Ferne, Wirklichkeit und Phantasie, ist hier außer Kraft gesetzt. Die Texte gehen nicht in festen Begriffen auf. Vielmehr suchen sie nach dem, was „über Sicht und Bedeutung” hinaus führt. „Ließ mich vermuten: So genau, wie die Müdigkeit” heißt es an einer Stelle. Tatsächlich sind viele der Stücke durchwirkt von der somnambulen Logik des Halbschlafs, die immer nur andeutet, flüssig sein, sich niemals festlegen will.
„Vielleicht”, „mir scheint” und „probeweise” gehören denn auch zu den Lieblingsvokabeln Farhad Showghis. Sie sind die kleinen poetischen Widerhaken, die eine vermeintlich klare Weltsicht aushebeln. Der Möglichkeitssinn, der jeden Gedanken und jedes Bild gleich wieder wendet, bevor etwas sich ansetzen kann. Und es zeigt sich, dass gerade die Vermutung am genauesten ist, weil sie das Schwebende allen Denkens und Wahrnehmens trifft, „die Luftschicht einer leicht bestimmten Idee”.
Der Wind und die Pulloverfalten
Farhad Showghi unternimmt immer neue Versuche, dieses Schwebende mit den Wörtern einzufangen. „Alles ist durcheinandergeraten” lautet einer der wichtigsten Sätze des Buches. Und so können hier Begriffe und Dinge wie menschliche Wesen auftreten. Der Wind geht nicht einfach, sondern er „baut und rätselt, lernt von Pulloverfalten, besänftigt sich selbst”. Umgekehrt kann etwas so Konkretes wie ein Luftwirbel unvermittelt zu einer abstrakten Vorstellung werden: „Aber der Zweifel ist jetzt an der Luft”.
Showghi hat seine Texte, die meisten kaum eine halbe Seite lang, zu kleinen Sammlungen gruppiert. „Prosagedichte” heißen die Stücke zurecht, weil hier die Sprache ihren eigenen Rhythmus hat, der mal schleppend, mal zügig sein kann, sich aber stets an der Langzeile orientiert. Und weil Showghi Bilder findet, die fern von allem Dekorativen sind, ins Offene gehen, den Dingen, der Wahrnehmung und der Sprache ihre Würde und Eigenheit lassen.
Das Spiel mit den Bedeutungsfächern der Sprache indes ist keine bloße Etüde. Letztlich scheint die „große Entfernung” nicht nur den Abstand zwischen den Dingen und ihrer Beschreibung zu meinen, sondern auch jenen zu den Bildern und Sprachresten der Erinnerung. Showghi wurde 1961 in Prag geboren, verbrachte als Jugendlicher einige Jahre im Iran, hat Medizin studiert und lebt seit 1989 als Psychiater und Autor in Hamburg. Gelegentlich tauchen in den hier versammelten Texten unvermittelt Eindrücke aus der Familiengeschichte auf: „Wie der Vater sich an eine Witterung lehnt, aufschaut in ähnlicher Luft, während Wichse und leichte Schatten wie Ja und Nein ins Schuhleder ziehen.”
Oder das Ohr bleibt an Wörtern aus dem Persischen und Tschechischen hängen und stellt Ähnlichkeiten fest: „Eine Kopfdrehung weckt soeben die Lust, mit Gusch zu hören, auch Ucho eine Weile dabei zu haben, wo doch mein Ohr nur sich selbst anzunehmen scheint, die Lust also, nicht mehr zu wissen, wie sehr das Ohr schon Gusch ist und gemeinsam mit Ucho nun aufkommt für Läppchen und Muschel”. Mit seiner beweglichen Sprache greift Showghi die Bilder und Töne der Erinnerung nach und nach auf, ertastet sie im besten Sinne, um sie für einen Moment in der Gegenwart seiner Sätze festzuhalten.
Manche der Texte erinnern an Peter Waterhouse und dessen kindlich-entrückten Blick, andere lassen an den großen tschuwaschischen Dichter Gennadij Ajgi denken, von dem sich Farhad Showghi das Motto für seine Sammlung geliehen hat: „Ganz aus ,seele’ bestand der Begriff ,hier’”. Doch allen Anklängen zum Trotz entwickelt Showghi ein ganz und gar eigenständiges Schreiben. Man könnte es in Anlehnung an Gennadij Ajgi ein beseeltes Sehen nennen, den Versuch, das Schauen auszusprechen – oder umgekehrt: „zu sehen, was sich aufsagt”. NICO BLEUTGE
FARHAD SHOWGHI: Die große Entfernung. Prosagedichte. Urs Engeler Editor, Basel und Weil am Rhein 2008. 96 Seiten, 17 Euro.
Farhad Showghi Foto: Verlag
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Nico Bleutge zeigt sich besonders angetan von den Prosagedichten Farhad Showghis, bei denen er eine Nähe zu Dichtern wie Peter Waterhouse und Gennadi Aigi erkennt und dabei dennoch ihre Eigenständigkeit preist. Showghi wurde in Prag geboren, verbrachte einen Teil seiner Jugend im Iran und praktiziert heute als Psychiater und Arzt in Hamburg, informiert der Rezensent, der in den kurzen Texten nicht nur Erinnerungssplitter an Showghis Familiengeschichte, sondern auch Spuren tschechischer und persischer Sprache gefunden hat. Die Gedichte haben insgesamt einen schwebend-somnambulen Ton, der mit entsprechenden Signalwörtern wie "vielleicht" oder "probeweise" immer wieder den Möglichkeitscharakter der Beobachtungen betont, wie Bleutge feststellt.

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