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Inklusion, Solidarität und Gleichheit gehören traditionell zu den konstitutiven Begriffen und Motiven linker Weltanschauung und linken Handelns. Dennoch kam und kommt in der Argumentation und Politik der deutschen Linken beim Thema Israel und Judentum nicht selten eine Kerndoktrin rechter politischer Ideologie zum Tragen: die Exklusion. Die Studien des Sammelbandes diskutieren die Bedeutung antisemitischer Topoi in der deutschen Linken in Geschichte und Gegenwart. Sie belegen, dass Antisemitismus keine Randerscheinung, sondern in vielen Fällen ein struktureller Bestandteil linker Ideologien und Bewegungen ist.…mehr

Produktbeschreibung
Inklusion, Solidarität und Gleichheit gehören traditionell zu den konstitutiven Begriffen und Motiven linker Weltanschauung und linken Handelns. Dennoch kam und kommt in der Argumentation und Politik der deutschen Linken beim Thema Israel und Judentum nicht selten eine Kerndoktrin rechter politischer Ideologie zum Tragen: die Exklusion. Die Studien des Sammelbandes diskutieren die Bedeutung antisemitischer Topoi in der deutschen Linken in Geschichte und Gegenwart. Sie belegen, dass Antisemitismus keine Randerscheinung, sondern in vielen Fällen ein struktureller Bestandteil linker Ideologien und Bewegungen ist.
Autorenporträt
Michael Elm, Dr. des., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Fritz Bauer Instituts in Frankfurt.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.12.2007

Man spricht von zionistischem One-World-Terror
Die junge linke Akademikergeneration will den Antisemitismus in den eigenen Reihen dokumentieren und überwinden
Der jungen Generation linker Akademiker ist ihre eigene Tradition unheimlich geworden. Sie stellt die bislang kritiklose Solidarität mit den arabischen Völkern, die aus einer Verknüpfung von Antiimperialismus und Antizionismus kam, neuerdings massiv in Frage. Dies zeigt eine Diskussion, die Doktoranden der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung angeregt und vor drei Jahren auf einer Tagung zum Thema „Antisemitismus in der deutschen Linken” geführt haben. Daraus ist ein Sammelband entstanden, der so etwas wie eine Geschichte des linken Antisemitismus in Deutschland geworden ist.
Er beginnt mit den antijüdischen Schriften der Philosophen Hegel, Bauer, Feuerbach und Marx. Markus Kneer stellt heraus, dass auch bei diesen Vertretern eines aufgeklärten Welt- und Freiheitsverständnisses Antisemitismus zu finden ist. Für sie war das Judentum eine rückständige Religion, das nicht in ihre Denkgebäude passte. Dies paarte sich mit banalen antijüdischen Affekten. Die weltliche Grundlage des Judentums, so heißt es bei dem Rabbinersohn Marx, sei der „Eigennutz, der Schacher, sein weltlicher Gott: Das Geld”.
Je ideologischer – so scheint es – desto antisemitischer ging es in der deutschen Linken zu. Ein gutes Beispiel dafür ist der Vergleich zwischen SPD und KPD. Mario Keßler zeigt, dass antisemitische Positionen in der SPD zur Zeit der Weimarer Republik nur gering ausgeprägt waren. Leider trennte sich die SPD kurz vor ihrem Verbot 1933 in vorauseilender Anpassung von ihren jüdischen Führungskräften. Doch ist dieser schmachvolle Abgang von der politischen Bühne kaum zu vergleichen mit dem offensiven Antisemitismus der KPD zur selben Zeit, den Olaf Kistenmacher beschreibt. Die KPD setzte Juden mit kapitalistischer Ausbeutung gleich. Führungspersönlichkeiten wie die Berliner KPD-Vorsitzende Ruth Fischer, die selbst einen jüdischen Familienhintergrund hatte, beteiligten sich an einer antikapitalistischen Judenhetze und beförderten so zusammen mit den Nazis eine Stimmung, die 1923 zum Ausbruch eines Judenprogroms im Berliner Scheunenviertel führte. Sogar hinter den Nazis vermutete das KPD-Parteiorgan Rote Fahne jüdische Drahtzieher.
Diese Tradition wurde nach 1945 von der DDR fortgesetzt. Ihre Politik sah Israel als Brückenkopf des amerikanischen Imperialismus und Vorposten des internationalen Monopolkapitals, so Thomas Haury. Übertroffen wurde das nur noch von den gewaltbereiten Ausläufern der Achtundsechziger-Bewegung im Westen, wie Wolfgang Kraushaar und Philipp Gessler aufzeigen. In der Agitation der RAF und anderer linker Terrorgruppen der Bundesrepublik waren Zionismus, Kapitalismus, Kolonialismus und Imperialismus eins. Danach waren die jüdischen Opfer des Faschismus spätestens nach dem Sechstagekrieg 1967 selbst zu Faschisten geworden.
Auch der gern von arabischer Seite erhobene Vorwurf, Deutschland lasse sich von seinem schlechten Gewissen gegenüber Israel leiten, war ein gängiges Motiv linker Propaganda. Antizionismus war in diesen Kreisen nur ein besseres Wort für den nicht mehr gesellschaftsfähigen Antisemitismus, so Martin Kloke. Dies lässt sich an der Sprache, aber auch an einer Reihe von Anschlägen belegen, vom missglückten Bombenanschlag auf das jüdische Gemeindehaus in Berlin 1969 bis hin zur Flugzeugentführung von Entebbe 1976.
Linker Antisemitismus ist aber nicht nur eine Angelegenheit deutscher Außenseiter. Juliane Wetzel konstatiert, dass seit der Zuspitzung des Nahostkonflikts ein Anstieg antisemitischer Vorurteile in ganz Europa zu verzeichnen sei. In den Reihen linker Globalisierungskritiker spricht man vom „zionistischen One-World-Terror” und macht mit antisemitischen Symbolen gegen die Politik der USA und Israels Front. Muster, die auch die Rechtsextremen anschlussfähig an die Antiglobalisierungsbewegung machen. Antisemitismus, zeigt Wetzel, ist der kleinste gemeinsame Nenner all derer, die sich für Modernisierungsverlierer halten. Die von Ilka Quindeau thematisierte Psychologie der Deutschen, deren Antisemitismus häufig als Versuch interpretiert wurde, Schuldgefühle gegenüber den Juden abzuwehren, indem man aus den Opfern von gestern die Täter von heute macht, dürfte vor diesem Hintergrund nur noch eine untergeordnete Rolle spielen.
Der Vorsatz, den Antisemitismus in den eigenen Reihen aufzudecken, schießt in diesem Band zuweilen über sein Ziel hinaus. So geraten die Ausführungen Jörg Wollenbergs zur jüdischen Remigration in der deutschen Arbeiterbewegung nach 1945 zu einer regelrechten Abrechnung mit den Gewerkschaften und der SPD. Wollenberg wirft der Arbeiterbewegung um Kurt Schumacher und Hans Böckler, die im Dritten Reich überwintert hatte, vor, den Emigranten aus den eigenen Reihen eine Karriere in der Bundesrepublik verweigert zu haben. Schuld daran sei unter anderem deren latenter Antisemitismus. Diese Unterstellung bleibt jedoch eine Mutmaßung. Möglicherweise dient sie dem Ziel, die Abkehr der bundesdeutschen Gewerkschaften vom Konzept des Klassenkampfes und ihre Hinwendung zur Sozialpartnerschaft zu diskreditieren – eine Entwicklung, die viele Emigranten nicht nachvollziehen konnten und die auch Wollenberg kritisiert.
Zudem hat man die antideutsche Polemik Stephan Grigats abgedruckt, für den Israel der „Volk gewordene” Gegenentwurf zum Kapitalismus ist. Zwar distanzieren sich die Herausgeber von Grigat und stellen ihm eine Gegenpolemik von Elfriede Müller an die Seite. Doch Grigats sektiererischer Ansatz droht die Debatte ins Lächerliche zu ziehen.
Die Beiträge dieses Buches beleuchten historische, psychologische und soziologische Aspekte des Antisemitismus. Man lernt, dass Antisemitismus keineswegs nur eine Angelegenheit der Rechten ist und war, sondern seit dem Ende des 19. Jahrhunderts eine die politischen Strömungen übergreifende Ideologie darstellte, die sich aus der Angst vor dem weltweiten Kapitalismus und westlichen Lebensformen nährte und daher immer wieder auch von Linken politisch instrumentalisiert wurde.
Eine Diskussion über den Antisemitismus in der Linken kommt auch heute nicht ohne ideologische Grabenkämpfe aus. In dieser Antisemitismusdebatte geht es nicht um die Juden, Israel oder den Nahen Osten. Das alles ist nur die Projektionsfläche einer nach innen gerichteten Identitätsdebatte. Der von den Hans-Böckler-Doktoranden initiierte Sammelband ist der lobenswerte Versuch, eine überkommene linke Identität zu korrigieren und sich von den antisemitischen Resten linker Ideologie zu befreien. DAGMAR PÖPPING
MATTHIAS BROSCH, MICHAEL ELM, NORMAN GEISSLER, BRIGITTA ELISA SIMBÜRGER, OLIVER VON WROCHEM (Hrsg.): Exklusive Solidarität. Linker Antisemitismus in Deutschland. Vom Idealismus zur Antiglobalisierungsbewegung. Metropol-Verlag, Berlin 2006. 436 Seiten, 24 Euro.
Die Linken beteiligten sich an der antikapitalistischen Judenhetze
Auch die globalisierungskritische Bewegung hat antisemitische Züge
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Dagmar Pöpping lobt diesen Sammelband, der aus einer Tagung der Hans-Böckler-Stiftung zum "Antisemitismus in der deutschen Linken" von 2004 hervorgegangen ist, als willkommene Auseinandersetzung mit Teilen einer "überkommenen linken Ideologie". In den einzelnen Aufsätzen kann nachgewiesen werden, dass Antisemitismus schon bei Feuerbach, Hegel und Marx zu finden ist und vor allem in der KPD der Weimarer Republik blüht. Weiter verfolgt der Sammelband antisemitische Tendenzen in der DDR und in der 68er-Szene, der insbesondere in den linken terroristischen Vereinigungen gern als 'Antizionismus' verbrämt wurde, resümiert die Rezensentin. Weniger überzeugend fand Pöpping dagegen den Beitrag Jörg Wollenbergs zur Rückkehr jüdischer Emigranten in die Gewerkschaft nach 1945, deren Schwierigkeiten er auf "latenten Antisemitismus" zurückführen will, dafür aber keine stichhaltigen Belege bietet. Genauso wenig kann sie mit dem Text von Stephan Grigat anfangen, der Israel als "Volk gewordene" Gegenposition zum Kapitalismus ansieht, und auch wenn sie betont, dass sich die Herausgeber von diesem Beitrag distanzieren, so sieht sie dennoch die Gefahr, dass er den ganzen Band in Misskredit bringt. Insgesamt aber findet sie diesen Versuch, Antisemitismus in der deutschen Linken aufzuspüren, sehr löblich, wie sie schreibt.

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