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Ist Buenos Aires ein literarischer Kontinent? Ein El Dorado für gestrandete Europäer? Ein babylonisches Sprachgewirr, das ständig Weltliteratur produziert? Jedenfalls gibt es keinen besseren Führer durch seine verschlungenen Pfade als den prominentesten lebenden argentinischen Schriftsteller: Ricardo Piglia. Seine autobiographischen Skizzen, die Splitter aus dem Leben von Roberto Arlt, Jorge Luis Borges und Witolt Gombrowicz und Gedankenblitze über die Art und Weise, in der sie und ihre europäischen Vorbilder und Zeitgenossen schreiben, dichten und einander umdichten, sind ein ebenso schräger…mehr

Produktbeschreibung
Ist Buenos Aires ein literarischer Kontinent? Ein El Dorado für gestrandete Europäer? Ein babylonisches Sprachgewirr, das ständig Weltliteratur produziert? Jedenfalls gibt es keinen besseren Führer durch seine verschlungenen Pfade als den prominentesten lebenden argentinischen Schriftsteller: Ricardo Piglia. Seine autobiographischen Skizzen, die Splitter aus dem Leben von Roberto Arlt, Jorge Luis Borges und Witolt Gombrowicz und Gedankenblitze über die Art und Weise, in der sie und ihre europäischen Vorbilder und Zeitgenossen schreiben, dichten und einander umdichten, sind ein ebenso schräger wie herausfordernder Blick auf eine Szenerie der Weltliteratur. Für alle Literatur-Freaks und solche, die es werden wollen, ist dieses großartige kleine Buch Pflichtlektüre.
Autorenporträt
Ricardo Piglia, geboren 1940 in Buenos Aires, lebt in der argentinischen Hauptstadt und in Princeton, wo er eine Professur für Literatur hat. Seine Romane und Erzählungen, zum Teil im Wagenbach Verlag auf deutsch erschienen, haben ihn zum bedeutendsten unter den lebenden argentinischen Schriftstellern gemacht. "Kurzformen" wurde 2001 mit dem Premio Bartolomé March a la Critica ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.08.2007

Spuren derjenigen, die vor uns da waren
Von den Landschaften und Provinzen der Weltliteratur: Ricardo Piglias kleiner babylonischer Wegweiser durch die große Literatur von Buenos Aires
Nach einem Aperçu von Jorge Luis Borges ist die Literatur selbst ihr eigentlicher Autor, auch wenn sie unter wechselnden Schriftstellernamen in Erscheinung tritt. Es wimmelt in ihr nur so von versteckten Doppelgängern, hinterhältigen Verschwörern und gewieften Falschmünzern, die ihre heimlichen Botschaften, verschlüsselten Kassiber und verworrenen Dossiers selbst über weit entlegene Räume und Zeiten hinweg austauschen. Dabei zielen die Ränke und Komplotte dieser Finsterlinge allesamt auf jene perfekten Verbrechen, welche die Kriminologen, alias Philologen, dann „Werke” nennen. Und während deren Korpora noch gesichtet und gesichert, klassifiziert und archiviert, kommentiert und musealisiert werden, konspiriert die Bande munter weiter. Von Plot zu Plot und von Blatt zu Blatt häutet sie sich wie eine Schlange, und wie diese beißt sie sich vorzugsweise in den eigenen Schwanz.
Noch tückischer aber gerät das Literaturkomplott, wenn die Täter die Anleitungen zur Spurensicherung und Aufklärung ihrer Taten selber stricken und an den Orten ihrer Verbrechen zurücklassen, um die Welt wie Nachwelt an der Nase herumzuführen. Solche Hinterlist pflegt der im Jahr 1941 in Buenos Aires geborene Schriftsteller und Princetoner Literaturprofessor Ricardo Piglia. Unter der Legion lateinamerikanischer Autoren, die sich auf den breiten Schultern ihres Übervaters Jorge Luis Borges sonnen, hat Piglia den besten Überblick auf die Landschaften und Provinzen der Weltliteratur. Seinen mit allen philologischen Wassern gewaschenen Thrillern gibt er das poetologische und historisch-kritische Rüstzeug gleich mit. Romane und Erzählungen, deren Doppelbödigkeit bis in die Titel reicht – „Falscher Name” (2005), „Künstliche Atmung” (2002), „Brennender Zaster” (2001), „Die abwesende Stadt” (1994) – haben ihn auch in Deutschland bekannt gemacht.
Jetzt können wir nähere Bekanntschaft mit Piglia als Literaturtheoretiker und mit seiner großen Vorratskammer an zündenden kleinen Ideen und blitzhaften Anstößen zu poetischen Träumen machen: Der vom hiesigen Verlag besonders einladend und bibliophil gestaltete Band mit dem lapidaren Titel „Kurzformen” enthält vorwiegend essayistische Texte, welche die Grenzen zwischen Authentizität und Fiktion allerdings dermaßen verwischen, dass dem Leser zuweilen die Sinne schwinden. Erstaunlich genug, findet sich darunter auch ein Vortrag, den der ordinierte Literaturprofessur bei einem Kongress der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung vor zehn Jahren in Buenos Aires gehalten hat. „Als verlorene Seiten im Tagebuch eines Schriftstellers”, heißt es in einem Nachwort des Autors, könnten die in diesem Band versammelten Texte gelesen werden, „als mikroskopische Modelle einer möglichen Welt oder als Fragmente der Landkarte eines fernen, unbekannten Kontinents”.
Dass es Piglia um tragfähige Modelle für die grenzenlose Welt der literarischen Fiktion geht, daran lässt schon das kleine narrative Meisterstück, mit dem der Band eröffnet, keinen Zweifel: Da geht es um seltsam unheimliche Manuskriptfunde in zwei verschiedenen Hotelzimmern zweier verschiedener Städte. Als Briefe und Gegenbriefe aus der Hand zweier unbekannter Federn passen diese „Spuren derjenigen, die vor uns da waren”, exakt zueinander und werden lesbar. Nicht anders entstehen literarische Traditionen, und nicht anders werden sie auch weiter fortgesponnen: Das Komplott ist die Urszene der Literatur, und bei Piglia führt es obendrein in die Labyrinthe der nach wie vor lesehungrigsten, melancholischsten und sehnsüchtigsten Metropole dieser Welt: „Babylon, Borges, Buenos Aires” trägt Piglias Büchlein im Untertitel, und in den Kaffeehäusern dieser Stadt am südlichen Ende der Welt, einer Stadt von Einwanderern, die sich nach dem fernen Europa zurückträumen, wird offenbar bis in den Morgengrauen noch immer am liebsten über Literatur diskutiert und gestritten. Piglia lässt die wichtigsten literarischen Protagonisten dieser Stadt – Jorge Luis Borges und Macedonio Fernandez, Roberto Arlt und den polnischen Emigranten Witolt Gombrowicz – einen heimlichen Tango miteinander tanzen, der niemals endet.VOLKER BREIDECKER
RICARDO PIGLIA: Kurzformen. Babylon, Borges, Buenos Aires. Aus dem argentinischen Spanisch von Elke Wehr. Berenberg Verlag, Berlin 2007. 95 Seiten, 17 Euro.
Jorge Luis Borges, der Übervater der südamerikanischen Literatur, in der alten Nationalbibliothek Argentiniens Foto: Horacio Villalobos/Corbis
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Volker Breidecker begrüßt diesen Band mit essayistischen Texten des argentinischen Schriftstellers und Literaturprofessors Ricardo Piglia. Das Buch gibt den Lesern hierzulande zu seiner Freude die Möglichkeit, Bekanntschaft mit dem gewitzten Literaturtheoretiker Piglia zu machen. Dabei unterstreicht er, dass die Grenzen zwischen Authentizität und Fiktion in den vorliegenden Texten verwischen, und zwar derart, dass dem Leser bisweilen "die Sinne schwinden". Aber auch ein Vortrag, den Piglia bei einem Kongress der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung vor zehn Jahren gehalten hat, finde sich unter den Texten. Vor allem aber betrachtet Breidecker den Band als klugen und erhellenden Führer durch die Literaturszene von Buenos Aires, denn Piglia lasse die großen literarischen Protagonisten der Stadt, Jorge Luis Borges und Macedonio Fernandez, Roberto Arlt und Witold Gombrowicz einen "heimlichen Tango miteinander tanzen, der niemals endet".

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