Marktplatzangebote
Ein Angebot für € 8,00 €
  • Broschiertes Buch

Immer häufiger ist die Schwangerschaft von Sorgen überschattet. Alles dreht sich um die Gesundheit des heranwachsenden Kindes. Befürchtete Gefahren und Risiken bedrängen die elterliche Vorfreude. Im Falle einer diagnostizierten Behinderung wird das Kind oft als Belastung oder sogar als Bedrohung für die Eltern und für die Gesellschaft empfunden. Aus den zunehmenden medizintechnischen Möglichkeiten, ungeborenes Leben auf Herz und Nieren zu prüfen, erwächst im Handumdrehen die elterliche Pflicht, »kein Risiko einzugehen«. Immer häufiger wird den werdenden Eltern die Entscheidung abverlangt, das…mehr

Produktbeschreibung
Immer häufiger ist die Schwangerschaft von Sorgen überschattet. Alles dreht sich um die Gesundheit des heranwachsenden Kindes. Befürchtete Gefahren und Risiken bedrängen die elterliche Vorfreude. Im Falle einer diagnostizierten Behinderung wird das Kind oft als Belastung oder sogar als Bedrohung für die Eltern und für die Gesellschaft empfunden. Aus den zunehmenden medizintechnischen Möglichkeiten, ungeborenes Leben auf Herz und Nieren zu prüfen, erwächst im Handumdrehen die elterliche Pflicht, »kein Risiko einzugehen«. Immer häufiger wird den werdenden Eltern die Entscheidung abverlangt, das Kind im Falle kritischer oder nicht eindeutiger Befunde »vorsorglich« abzutreiben.
Die ethische Grundannahme, daß jeder Mensch einzigartig ist und sein Leben unverfügbar sein muß, gerät immer mehr in die Defensive. Manchen gilt sie gar als antiquiert. Der hohe seelische Preis einer Entscheidung gegen ein behindertes Kind oder überhaupt gegen das ungeborene Leben sowie die gesellschaftlichen Folgen dieser Abwehrhaltung zeigen sich oft erst sehr viel später
Giovanni Maio plädiert deshalb eindringlich dafür, in jedem Leben die ihm eigene Kostbarkeit zu erkennen. Es geht ihm darum, der technisch-diagnostischen Machbarkeit nicht blind zu folgen, sondern in Demut und Behutsamkeit den Gabecharakter allen Lebens wiederzuentdecken.
Autorenporträt
Giovanni Maio, Philosoph und Arzt mit langjähriger klinischer Erfahrung, ist Inhaber des Lehrstuhls für Medizinethik an der Freiburger Albert-Ludwigs-Universität und Direktor eines eigenen Institutes. Er ist seit vielen Jahren Berater der Deutschen Bischofskonferenz, der Bundesregierung und der Bundesärztekammer.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Melanie Mühl ist entsetzt über die Ausführungen des Freiburger Medizinethikers Giovanni Maio. Eigentlich richtige Beobachtungen über unsere Wettbewerbsgesellschaft und das Perfektionierungsklima würzt der Autor in seinem Buch mit für Mühl hanebüchenen Kommentaren. Maios Grundeinstellung für das ungeborene Kind und im Zweifelsfall gegen die Eltern empfindet sie als Zumutung. Dass etwa die Reproduktionsmedizin ein Selbstverwirklichungs-Spielplatz sei, wie der Autor es laut Mühl darstellt, kann die Rezensentin nicht erkennen. Sie empfiehlt dem Autor mehr Einfühlungsvermögen in das Leid ungewollt kinderloser Eltern.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.11.2013

Kein Recht aufs Kind?
PID und die Folgen: Giovanni Maios Traktat

Man benötigt ein gehöriges Maß an Gelassenheit, um dieses Buch nicht bereits nach den ersten Seiten verärgert in die Ecke zu werfen. Oder in den Papierkorb. Dabei ist es gar nicht so, dass der Freiburger Medizinethiker Giovanni Maio in seinem schmalen Band "Abschied von der freudigen Erwartung. Werdende Eltern unter dem wachsenden Druck der vorgeburtlichen Diagnostik" nicht wichtige, diskussionswürdige Punkte anspräche.

Zum Beispiel den in unserer Wettbewerbsgesellschaft herrschenden Druck des reibungslosen Funktionierenmüssens, der nicht nur auf Erwachsenen, sondern schon auf kleinen Kindern lastet, die, kaum geboren, in die Kompetenzaneignungsmaschinerie eingeschleust werden. Was zählt, sind Leistungsfähigkeit, Effizienz und Nützlichkeit. Ihr Leben soll sich lohnen. Maio weist zu Recht darauf hin, dass in einem Perfektionierungsklima jeder, der von vornherein nicht der Norm entspricht, der also nicht in einem ökonomischen Sinne perfektioniert werden kann, durchs Raster fällt. Anders formuliert: Behinderte Kinder haben einen schweren Stand. Je ausgefeilter das diagnostische Instrumentarium wird, desto mehr steigt der Erwartungsdruck künftiger Eltern.

Es existiert eine gesicherte Zahl: Mehr als neunzig Prozent aller positiv auf Trisomie 21 getesteten Kinder werden abgetrieben. Eine moralische Wertung verbietet sich. Denn: "Es gibt viele Frauen und Paare, die nicht wissen, was sie tun sollen, die zaudern, zweifeln, hadern, manchmal auch verzweifeln. Diese Eltern brauchen eine breite gesellschaftliche Unterstützung." Sie brauchen Solidaritätsbekundungen mit ihrer Not sowie nachhaltige Hilfe. Nur: Offenbar geschieht das viel zu selten.

Dummerweise torpediert Maio jeden klugen Gedanken zuverlässig bereits im nächsten Absatz mit abstrusen Bemerkungen, die einem bisweilen die Sprache verschlagen: "Eigentlich war die vorgeburtliche Diagnostik als medizinische Diagnostik vor allem dazu gedacht, das Kind vor und während der Geburt besser vor Krankheiten oder Komplikationen zu schützen. Im weiteren Verlauf aber wurde diese Zwecksetzung umgedeutet. Sie diente immer weniger dazu, das Kind vor Krankheiten, sondern die Mutter vor einem nicht genehmen Kind zu ,schützen'." Oder, im Kapitel über die Abtreibung: "Oft kann doch ein einziges, ruhiges Gespräch zur Rettung ungeborenen Lebens führen."

Unerträglich wird Maios Schwarzweißmalerei im Abschnitt über die künstliche Befruchtung, die er als frankensteinhafte, jeglichen Gefühls beraubte Herstellungsmethode beschreibt, in der Embryonen der Stellenwert "produzierbarer ,Konsumgüter'" zufällt. Der von der Medizin vorangetriebenen Verdinglichung menschlichen Lebens stehen die obsessiven Eltern gegenüber, die sich "der technischen Kinderwunschbehandlung" unterziehen, um eine Leerstelle in ihrer "Wunschwelt" zu füllen.

Als sei der körperliche und seelische Horror der In-vitro-Fertilisation so etwas wie der Besuch eines Autohauses. Die Reproduktionsmedizin ist, versteht man Maio richtig, nichts weiter als ein Selbstverwirklichungs-Spielplatz für unzufriedene Paare.

Das unfassbare Leid, die Trauer der Frauen (und Männer), die, aus welchen Gründen auch immer, keine Kinder bekommen können, wischt Maio in zwei, drei Sätzen, die ihm wahrscheinlich sein Lektor hineinredigiert hat, damit der Autor nicht ganz so radikal daherkommt, beiseite. Man könne, rät Maio, auch lernen, die Kinderlosigkeit als Teil der eigenen Biographie zu akzeptieren, und neue Lebenskonzepte mit sinnstiftenden Aufgaben ernsthaft in Erwägung ziehen. Wem es nicht gelingt, auf natürlichem Wege ein Kind zu zeugen, der hat Maios Argumentationslogik zufolge wohl auch kein Kind verdient. Und wer kein Kind verdient hat, soll auch keines beim Reproduktionsmediziner bestellen können.

Denn die Haltung des "Bestellen-könnens" führe zu einer Asymmetrie zwischen Eltern und Kind. "Der natürlich gezeugte Mensch kann sich als Geschenk begreifen, weil er nicht produziert wurde und letzten Endes immer auch eine Überraschung war." Eine Überraschung ist auch dieses Buch. Leider eine ärgerliche.

MELANIE MÜHL.

Giovanni Maio: "Abschied von der freudigen Erwartung". Werdende Eltern unter dem wachsenden Druck der vorgeburtlichen Diagnostik.

Edition Sonderwege, Waltrop 2013. 144 S., br., 9,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr