Produktdetails
  • Reihe Prosa 7
  • Verlag: Kookbooks
  • Seitenzahl: 111
  • Deutsch
  • Abmessung: 215mm
  • Gewicht: 270g
  • ISBN-13: 9783937445199
  • ISBN-10: 3937445196
  • Artikelnr.: 20788139
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.12.2006

Ich bin ich
Schwierig: Johannes Jansen will das Bollwerk der Identität knacken

Das Ich ist ein unsicheres Gelände. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Sie offensiv zu Protokoll zu geben, fühlen sich viele Schriftsteller verpflichtet, noch während sie ihren konturlosen Gegenstand (das Ich) im freien Fall in Worte bannen. Trotzdem schreiben! So heißt der Auftrag. Diese Anstrengung übersetzt der 1966 in Berlin geborene Johannes Jansen schon seit einigen Jahren in Lyrik und Prosa. Wurzelnd im Kreis der DDR-Subliteratur des Prenzlauer Bergs, galt er als Sprachzersplitterer, später als ruhigerer Grenzgänger in philosophischem Niemandsland. Er macht sich Gedanken um Utopien und darüber, wie sie an der Wirklichkeit zerschellen. Zur Erkundung des Innenraums pflegt er den Blick hinter geschlossenen Lidern ("Halbschlaf", Suhrkamp 2004).

In seinem jüngsten Prosaband errichtet er nun eine Art Gegenprogramm, eine Verteidigungsanlage, ein sprachmanifestes "Bollwerk", und zwar gegen "Wohlstandsbürger", gegen die Masse Mensch, gegen Fremdbestimmung. "Vermutungen" ist die kleine Sammlung verschiedener Prosastücke beschwichtigend untertitelt. Um große Fragen zu wälzen ("Was ist Welt?") und dabei dennoch alte Antworten nicht über Gebühr wieder auszuwickeln, begibt sich Jansen quasi erfahrungslos zunächst einmal auf den Urgrund des Dichters. Weniger eine Kultur des demütigen Memento mori, der ständigen Ansicht des eigenen Verschwindens, steht Pate für seine "Poesie der Unlösbarkeit"; es ist eher das bekenntnisfreudige Modell der "Einübung in die Beschaffenheit des eigenen Geheges" bei gleichzeitiger Abwesenheit orientierungspendender Größen. Diese naive Denklust muß man schätzen wollen.

Jansens Texte handeln vom Suchen und von der Anmaßung des Suchens. Fast subjektlos wirken sie, und in den nur vage gebrauchten Konstruktionen von "man" über "du" zum "Ich" zittert eine Angst vor der Ausgestaltung von Figuren mit. Nicht erzählen mag Jansen, nicht bei einer Sache bleiben, sondern eher feststellen, diagnostizieren, die poetische Erklärung der Welt als Wissenschaft betreiben. Doch gerade dieser statuierende Ton verleiht seinen Sätzen den enervierenden Impetus eines Aufbegehrens, dessen Stoßkraft im Bewußtsein ausbleibender Konsequenzen verebbt.

Um diese Gegenbewegung scheint es Jansen aber gerade zu gehen. Sie entfaltet ihr Reibungspotential ebendann, wenn die Sprachpfähle seines Bollwerks Substanz haben; in einzelnen Sätzen mit lyrischer Qualität, glitzernde Partikel eines mit Bedacht verdunkelten Kosmos: "Der Weg aus der Stille in den sagbaren Rest." Oft aber schreibt Jansen darüber hinaus, folgt seinen Gedanken, wohin sie ihn tragen. "Kaum noch Substanz, was ein Weitermachen nicht ausschließt." So etwas kann man natürlich gegen ihn verwenden.

Das mag daran liegen, daß Jansen eben doch nicht ohne Bezugssystem auskommt. Ein fast universalistischer Anspruch treibt die Gedanken hoch und hält nicht immer das Niveau. Die Idee der romantischen Universalpoesie klingt dann etwa so: "Ich werde mich so lange wiederholen, bis klar ist, was hier gespielt wird, und wenn mir das klar ist, dann ist endlich ein Grund da, mit dem man beginnt."

Der Aufbruch in die Freiheit ("wohin man will") wird so zum Problem der Form. Das aber bleibt in Jansens Prosawanderung aus Fragen und ihren wie versuchsweise aufgeschriebenen Antworten letztlich unbearbeitet. Wohl spürt man die Ernsthaftigkeit, mit der hier Realität sublimiert werden soll, das Ringen um eine ganz eigene Auffassung. Das Ergebnis bleibt verschwommen.

ANJA HIRSCH

Johannes Jansen: "Bollwerk". Vermutungen. Kookbooks Verlag, Idstein 2006. 110 S., geb., 16,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Anja Hirsch wird selbst poetisch und schreibt von "Sprachpfählen" und lyrischem Aufbegehren (das leider "verebbt"), um diesen Prosaversuch Johannes Jansens, dem "Sprachzersplitterer" vom Prenzlauer Berg, vorzustellen. Überzeugt ist Hirsch allerdings keineswegs; derart "naive Denklust", die alle Markierungen und Orientierungspunkte hinter sich lässt, liegt ihr nicht. Die schreibende Suche als solche respektiert sie zwar, nur müsste diese zudem "fast subjektlose" Bewegung gestützt sein durch eine substantiellere Sprache. Verstreute "glitzernde Partikel" reichen der Rezensentin nicht, um das vom Text aufgeworfene Formproblem in den Griff zu bekommen.

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