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Produktdetails
  • Skandinavische Misanthropie Bd.1
  • Verlag: Blumenbar
  • Seitenzahl: 461
  • Deutsch
  • Abmessung: 195mm
  • Gewicht: 535g
  • ISBN-13: 9783936738032
  • ISBN-10: 3936738033
  • Artikelnr.: 11960252
Autorenporträt
Matias Faldbakken, geboren 1973, lebt als Schriftsteller und bildender Künstler in Oslo. 2001 erschien sein umstrittener und viel diskutierter Debütroman The Cocka Hola Company, 2007 vertrat er Norwegen bei der Biennale in Venedig. Faldbakken gilt als einer der wichtigsten literarischen Stimmen einer neuen Generation. Seine Romane wurden in Deutschland auch für das Theater inszeniert.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.11.2003

Porno im Pulli
Der körperbetonte Weltbeschimpfungsroman des norwegischen Schriftstellers Matias Faldbakken

In diesem Jahr sind zwei Bücher erschienen, die mit der Welt, wie sie ist, wie sie war und wie sie wohl noch eine Weile bleiben wird, nicht einverstanden sind.

Zwei Bücher nur? Ist Literatur nicht ein Nicht-Einverstandensein an sich? Ist das Schreiben nicht immer ein Schreiben gegen die Welt? Aus der Welt hinaus ins Buch hinein, wo sich die Welt gestalten läßt, wie es dem Schreibenden gefällt? Jajaja, das kann schon sein und ist auch so. Aber die beiden Bücher, von denen hier die Rede ist, sind ein Fundamentalwiderspruch.

Das erste war die "Reise ans Ende der Nacht" von Louis-Ferdinand Céline, das in der neuen und - wie viele meinten - eigentlich ersten echten deutschen Übersetzung in diesem Frühjahr in der Übertragung Hinrich Schmidt-Henkels erschien. Und das zweite ist das Buch des jungen Norwegers Matias Faldbakken, das gerade erst auf deutsch herausgekommen ist. "The Cocka Hola Company", übersetzt von - Hinrich Schmidt-Henkel.

Worüber soll man sich jetzt mehr wundern? Wie ein einzelner Mann in einem einzigen Jahr die intensive Beschäftigung mit zwei so schwarzbeseelten Büchern übersteht, ohne danach die Welt als unbewohnbar zu empfinden und einfach zu verlassen? Oder wie ein einzelner Mann in einem Jahr zuerst einen als quasi unübersetzbar geltenden französischen Klassiker überträgt und kurz darauf aus norwegischer Sprache einen Trashroman aus dem Pornomilieu des Oslo der Gegenwart? Vielleicht ist beides gleich erstaunlich, und wenn noch irgendwo ein Preisträger gesucht wird, für den Übersetzer des Jahres 2003, dann hätten wir hier jedenfalls einen zwingenden Vorschlag.

Über die einsame Reise Ferdinand Bardamus, durch die Welt und durch die Nacht, wie Céline sie beschrieb und Schmidt-Henkel sie übersetzte, ist alles geschrieben worden, alles gesagt. Über Matias Faldbakken, den Autor der "Cocka Hola Company" aber noch nicht. Er ist der Sohn des wohl erfolgreichsten norwegischen Schriftstellers der Gegenwart, Knut Faldbakken, und in seinem Heimatland hat er seinen ersten Roman unter dem Pseudonym Abo Rasul veröffentlicht, was angeblich soviel heißt wie "Vater Arschloch". Damit war ihm ein hübscher, kleiner Skandal schon mal sicher, und nachdem sich ganz Norwegen über diese Respektlosigkeit empört hatte, kauften alle auch den zugehörigen Roman, und er wurde ein großer Erfolg. Da der Vater in Deutschland aber leider fast so unbekannt ist wie der Sohn, funktioniert dieser kleine Trick hier nicht, und so erscheint er gleich unter seinem richtigen Namen.

Aber das Buch hat Tricks gar nicht nötig. In den Buchhandlungen wird es schon durch sein ungewöhnliches, sexy leuchtendes, graupinkfarbenes Cover Aufmerksamkeit erregen, die Menschen werden es kaufen, und wer erst einmal angefangen hat zu lesen, der wird die gutgelaunte Menschenbeschimpfung, die skandinavische Misanthropie, wie es im Untertitel heißt, wahrscheinlich lieben. Merkwürdige Menschen bevölkern diesen Roman. Schlechte Menschen, ohne Respekt vor verdienstvollen Werten wie Solidarität oder Mitgefühl. Es ist eine kleine Pornogemeinschaft in Norwegens Hauptstadt. Glückliche Pornodarsteller, Pornoideologen, verkommene Familien, Menschenverächter. Körper statt Geist ist ihr Motto. Glück statt Denken. Wir gegen die Welt. Gegen die Welt, in der immer nur von Geld die Rede ist, in der alles zum Design wird, jeder Widerspruch zum Coffeetablebook, leere Menschen über Mode schwätzen und über Architektur. Die Welt als Stil und sonst nur schlaue Sprüche. Damit ist jetzt Schluß. Für die Weltwiderspruchsgruppe von der "Desirevolution", wie sie sich nennen, ist damit Schluß. Simpel, ihr Held und, gemeinsam mit dem sogenannten PapaHans, Gründer des Antiweltprojektes, schildert es bei einer besonders verachtenswerten Adventsfeier einem zufälligen Robert so: "Alles, was du in so einer Situation tun kannst, also wenn du es satt hast, wie die Leute sich abrackern und sich und andere quälen, das ist: Widerstand leisten. Widerstandsarbeit. Dagegen angehen. Du mußt nein sagen." Der zufällige Robert ist nicht so ganz bereit, nein zu sagen. Aber Simpel hat sein aufrechtes Pornogrüppchen ja schon beisammen. Ein ausgesuchter Personenkreis. Sehr ausgesucht. "Da mußt du wen auftreiben, der entsprechend erzogen wurde, damit meine ich wen, dem sie nicht den ganzen Selbstverwirklichungsscheiß vorgelallt haben. Wer so aufgewachsen ist, ist glücklich, wenn er glücklich ist, fertig. Kein leeres Gerede von wegen weiterkommen, den Horizont erweitern, Verantwortung übernehmen und was noch alles. Wir haben also eine Crew von glücklichen Menschen zusammengesucht, kein Neid bitte und kein schlechtes Wort über meine Frau, ja, aber man sollte nicht allzu komplex gestrickt sein, wenn man mit einem Dasein klarkommen will, das sich einzig und allein ums Sexleben dreht."

Nein, das kann man dem norwegischen Vögelvolk nicht vorwerfen, daß es zu komplex gestrickt sei. Eher schlicht. Und wunderlich. Denn man muß doch nicht unbedingt, wie Gruppenmitglied Speedo, einen Zwangsalkoholikervertrag unterzeichnen, der zu exzessivem Alkoholgenuß bis Lebensende verpflichtet, nur um auch ganz sicher nicht zur normalen Gesellschaft zu gehören, muß nicht, wie Rittmeester, der Pornoideologe der Gruppe, einen Isolationistenvertrag unterzeichnen, der zur absoluten Einsamkeit verpflichtet, aus demselben, gesellschaftsablehnenden Grunde. Aber man kann. Und zwischendurch immer und immer wieder Pornos drehen, neuen Pornoregeln folgen. Und kleine menschenverachtende Aktionen unternehmen. Engagierte Lehrerinnen in den Freitod treiben, die Ehefrau des Schulpsychologen so großformatig mit dem Wort FasciNATION tätowieren, daß sie beinahe verblutet, und ähnlichen misanthropischen Wahnsinn.

Das alles liest sich gräßlich, schauerlich, ekelhaft, grandios und unterhaltsam. Leider geht am Ende alles sehr schlecht aus. Simpel gerät in eine Talkshow. Und alle lieben seine Weltbeschimpfung. Herzlos grausam werden seine Thesen niederapplaudiert. Er wird ein Star. Wie sein Erfinder Matias Faldbakken mit der großen norwegischen Menschenverachtungsbibel.

VOLKER WEIDERMANN

Matias Faldbakken. The Cocka Hola Company. Skandinavische Misanthropie. Blumenbar Verlag 2003. 462 Seiten. 22 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.01.2004

Lust auf Kritik
Matias Faldbakkens Porno-Roman „The Cocka Hola Company”
Endlich liegt nun das libertäre Gegenbuch zu Michel Houellebecqs konservativen Beziehungsfibeln vor. Houellebecq hat eine einfache ideologische Botschaft. Jene Tabuzertrümmerer, die den Orgasmus in den Sechzigern von seinen gesellschaftlichen Zwängen befreien wollten, haben Liebe und Leidenschaft erst dem Kommerz geöffnet und der Porno-Industrie das Feld bereitet. Wo der Franzose mit den traurigen Augen die linke Emanzipationsgeschichte vorläufig hat enden lassen, im Swinger-Club und auf der Porno-Kassette – fängt der norwegische Jungautor Matias Faldbakken zu denken und zu schreiben an. In seinem Erstling „The Cocka Hola Company”, der in Norwegen für Aufsehen sorgte und nun im aufstrebenden kleinen Münchener blumenbar-Verlag erscheint, setzt Faldbakken eine alteuropäische Copula neu in ihr Recht: Theorie und Kritik, jene angestaubten, oft aufgegebenen Kategorien, sind hier wieder ein lustvoll praktiziertes Vergnügen. Bei Houellebecq ist die alte 68er-Kritik zum Porno verkommen, bei Faldbakken subventionieren die Pornogelder die neue Gesellschaftskritik. Der Porno-Konzern „Desirevolution”, so lässt sich der rasante, überkomplexe Drehbuch-Stoff abkürzen, hat den Mehrwert zu erwirtschaften, den Simpel, Faldbakkens eigentlicher Held, für seine subversive Arbeit benötigt.
Simpel führt einen Kreuzzug gegen den auf Dauer-Begeisterung eingestellten Kulturbetrieb. „Und da unser Land vor lauter Kulturarbeitern bald überläuft, dachte ich, es ist höchste Zeit, etwas gegen die Faszinations-Generation zu unternehmen, . . . denn die verdirbt einfach alles. . . Wenn man nachdenkt, sieht man, dass man schon überhaupt nichts mehr wirklich faszinierend finden kann.” Seine Suche nach echter Empathie endet vorläufig auf dem Bauch der Textil-Designerin Monica B. Lexow. Lexow ist die Ehefrau des Schulpsychologen Dr. Berlitz, der seinerseits Simpels verhaltensgestörten und carpaccioabhängigen Sohn Lyonel mit sanfter skandinavischer Pädagogik malträtiert. Simpel betäubt die Designerin mit erotischen Komplimenten, Folklore und Rotwein und tätowiert dann den Schriftzug „FasciNATION” auf ihren Wohlstandsbauch.
Eine solche Aktion mag nicht Jederfraus Geschmack treffen, auch kann man fragen, ob wir nicht momentan von ganz anderem „Terror” bedroht sind als von den „gewebten Standpunkten” einer skandinavischen Textil-Designerin. Gehört der Kampf gegen die ästhetische Verschmutzung des Alltags nicht zu den Frontstellungen einer alten Zeit, an die wir lieber nicht mehr so genau erinnert werden wollen? Faldbackens Roman, 2001 in Norwegen erschienen, der mit einem scharfen Porno-Dreh – „Yeah, baaaby” – beginnt und mit einigen Takes aufwartet, ist von den realen politischen Kampfzonen meilenweit entfernt. Hier heißt der Hauswart noch „Saddam” und versorgt Simpel nach seinen Aktionen mit Kopfschmerztabletten und neuem Wohnraum. Aber aus dieser skandinavischen Unschuld schöpft das Buch seinen Reiz. Als hätte der kulturkritische Ekel nie an ihr genagt, zeigt sich hier noch einmal die Ironie in ihrer vollen literarischen Potenz.
So genau Hinrich Schmidt-Henkel unlängst in seiner Neuübersetzung von Cèlines „Reise ans Ende der Nacht” den Argot der Pariser Banlieu wiedergab, so genau trifft er hier den von Faldbakken karikierten Kulturschaffendenjargon, den Argot des ewig heiß laufenden Betriebs. Siebzig Jahre nach Céline ist der Feind immer noch der ewige Bürger, Saubermänner wie der Waschmittelproduzent Göran Persson, die bei Faldbakken als bigotte Biedermänner vorgeführt werden. Aber auch wenn der Bürgerhass wiederkehrt, lässt Faldbakken seinen Roman nicht wie Céline in einer großen nihilistischen Welt- und Selbstzerstörung enden. Simpel kommt in eine andere Hölle. In einer Talkshow bleiben ihm zwanzig Minuten, um sein situationistisches Konzept zu erklären. Hier, im Folterkeller der Faszinationsdiktatur, ist die Toleranz am repressivsten. Auch die Studio-Masse bildet sich auf ihren zivilen Ungehorsam viel ein. Dagegen kann der Avantgardist Simpel nur anstottern: „Zustimmung ist der Satan. . .” Simpel mag sich gegen die Vereinnahmung sperren, seinem norwegischen Schöpfer Faldbakken können wir für seinen teuflisch komischen Roman Lob nicht ersparen.
STEPHAN SCHLAK
MATIAS FALDBAKKEN: The Cocka Hola Company. Skandinavische Misanthropie. Aus dem Norwegischen von Hinrich Schmidt-Henkel. blumenbar Verlag, München 2003. 462 Seiten, 24 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Frank Schäfer scheint sich bei der Lektüre dieses norwegischen Bestsellers von Matias Faldbakken gut amüsiert zu haben. Die Geschichte um eine Firma, die Pornofilme produziert, und um deren Kopf namens Simpel biete dem Autor einen hervorragenden Hintergrund für die Präsentation der "anarchistischen, misanthropischen, ja Punk-Philosophie" seines Underground-Romans. Dabei gelinge es Faldbakken, das Verhältnis von gewünschter Unabhängigkeit und notwendiger Abhängigkeit vom verhassten Publikum unter die Lupe zu nehmen. Zudem sei das Ganze trotz aller zur Schau gestellten schlechten Laune mit teils trashiger Ironie garniert, was einiges zum positiven Urteil des Rezensenten beizutragen scheint.

© Perlentaucher Medien GmbH
Die große norwegische Menschenverachtungsbibel

Frankfurter Allgemeine Zeitung

"Das ist schon sehr komisch. Wie überhaupt dieser Roman bei aller Misanthropie und Schlechtgelauntheit vor burlesker Komik fast aus den Nähten platzt."

Die Tageszeitung
»Die große norwegische Menschenverachtungsbibel.« Frankfurter Allgemeine Zeitung