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Ein halbes Jahr nach Gründung der DDR wird die 20-jährige Dichterin Edeltraud Eckert im Mai 1950 in Potsdam verhaftet und wegen des Besitzes von Flugblättern mit dem knappen Wortlaut "Für Freiheit und Demokratie" zu 25 Jahren Arbeitslager verurteilt. In der Strafvollzugsanstalt Waldheim erhält sie wegen guter Arbeitsleistung einmalig die Möglichkeit, ein Oktavheft für eigene Gedichte zu nutzen. Es entsteht ein berührender Zyklus von 101 Gedichten, der ihre Haftzeit zwischen Auflehnung und Angst, Resignation und Hoffnung beschreibt. Auch die Briefe, die sie einmal im Monat zensiert an ihre…mehr

Produktbeschreibung
Ein halbes Jahr nach Gründung der DDR wird die 20-jährige Dichterin Edeltraud Eckert im Mai 1950 in Potsdam verhaftet und wegen des Besitzes von Flugblättern mit dem knappen Wortlaut "Für Freiheit und Demokratie" zu 25 Jahren Arbeitslager verurteilt. In der Strafvollzugsanstalt Waldheim erhält sie wegen guter Arbeitsleistung einmalig die Möglichkeit, ein Oktavheft für eigene Gedichte zu nutzen. Es entsteht ein berührender Zyklus von 101 Gedichten, der ihre Haftzeit zwischen Auflehnung und Angst, Resignation und Hoffnung beschreibt. Auch die Briefe, die sie einmal im Monat zensiert an ihre Eltern schreiben durfte, erzählen von ihren Jahren als politische Gefangene in ostdeutschen Gefängnissen. Im Frauenzuchthaus Hoheneck kommt es im Januar 1955 zu einem dramatischen Arbeitsunfall, an dessen Folgen Edeltraud Eckert mit 25 Jahren im Haftkrankenhaus Leipzig/Meusdorf stirbt.
Autorenporträt
Edeltraud Eckert wurde 1930 in Hindenburg/Schlesien als jüngstes von fünf Kindern geboren. 1950, ein Jahr nach ihrem Abitur, wurde sie wegen des Besitzes von kritischen Flugblättern verhaftet und verurteilt. Am 18. April 1955 starb Edeltraud Eckert im Haftkrankenhaus Leipzig/Meusdorf an den Folgen eines Arbeitsunfalls.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.01.2006

Schreibt mir keinen Trost
Die verschwiegene Bibliothek, eine unterdrückte Sicht der DDR: Bücher von Edeltraud Eckert und Radjo Monk
Radjo Monk bringt es auf den Punkt. Den Gegnern der Leipziger Montagsdemonstration hält er in seinem dokumentarischen Tagebuch von 1989 entgegen: „Ich behaupte, wer die Straße als Ort der Artikulation verpönt oder gar blockiert, der will den Prozess der gesellschaftlichen Reife stoppen, der setzt Kontrolle über Vertrauen, der hat Angst vor selbständigem Denken, der liebäugelt letztlich mit der Macht, mit der potenziellen Gewalttätigkeit.” Gleiches lässt sich vom Umgang der SED-Diktatur mit regimekritischer Literatur festhalten, dem vielleicht ausdrucksstärksten „Ort der Artikulation”. Ihn haben die Mächtigen der DDR größtenteils zugeschüttet und mit den Barrikaden der Zensur vor der Öffentlichkeit abgeschirmt.
Weite Teile dieses Ortes werden nun freigelegt. Die Schriftsteller Ines Geipel und Joachim Walther haben in den Jahren 2001 bis 2004 etwa vierzigtausend Manuskriptseiten von Autoren gesammelt, deren Texte zu DDR-Zeiten nicht erscheinen durften. Zugänglich sind sie im „Archiv unterdrückter Literatur in der DDR”, das im Jahr 2005 an die „Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur” übergeben wurde. Außerdem wird mit einer auf zwanzig Bände angelegten Publikationsreihe „Die verschwiegene Bibliothek” einigen der Schriftstücke zuteil, was ihnen die ideologische Kulturpolitik verwehrt hat: Sie werden gedruckt. Edeltraud Eckerts Gedicht- und Briefsammlung „Jahr ohne Frühling” und Radjo Monks Tagebuch „Blende 89” stecken die zeitlichen Eckpunkte der DDR ab, von ihren Gründungsjahren bis zur friedlichen Revolution 1989.
Edeltraud Eckert verfasste die meisten Gedichte und die Briefe an ihre Familie hinter den Mauern der Strafvollzugsanstalt Waldheim. Dort wurde sie 1950 weggesperrt, gerade mal zwanzig Jahre alt. Auf Flugblättern hatte sie gemeinsam mit einer Gruppe junger Studenten die Freilassung politischer Gefangener gefordert und war deshalb zu 25 Jahren Haft verurteilt worden. Daran muss ein junger Mensch eigentlich zugrunde gehen. Aber Edeltraud Eckert will sich nicht zerbrechen lassen. In ihren Zeilen spricht sie sich immer wieder Mut zu und neben aller Schwere spricht aus ihren Zeilen auch immer wieder die Hoffnung auf ein Leben in Freiheit.
Vor allem die monatlichen Botschaften an die Angehörigen werden so zum Appell, im Elternhaus möglichst den Alltag fortzuführen. Und damit der Gefangenen die ihr verschlossene Welt als Möglichkeit weiterhin offen zu halten: „Ich spüre eure Gedanken, und alles wird mir nur schwer. Schreibt mir keinen Trost, sondern alle Veränderungen zu Hause, lasst mich an eurem Leben teilnehmen.”
Distanz und Schärfe
Auch in der Lyrik, meist an ein Gegenüber und doch an die Dichterin selbst gerichtet, suchen die Worte in Tönen nach der verloren gegangenen Harmonie. Manchmal führt die Orientierung am großen Vorbild Rilke zur symbolistischen Überladung. Auch an hypersensibler Naturmetaphorik fehlt es nicht. Aber Edeltraud Eckerts ironielose und ehrliche Poesie legt damit auch die tiefe Traurigkeit der jungen Frau offen. In einem Gedicht von 1953 heißt es: „Du bist nicht ganz verlassen, / Wenn du dich selbst nicht fallen lässt, / Selbst von den blassen / Bildern, die du kaum empfunden, / Bleibt deinem Wesen / Immer noch ein Rest, / Der dir in deinen stillsten Stunden / Zurückruft, was du einst gewesen, / Der dich geformt, so wie du bist / Und wie ein Nachklang / Deines Lebens ist.” Edeltraud Eckerts Leben fand 1955 ein jähes Ende. Bei einem Arbeitsunfall im Gefängnis riss ihr eine Getriebewelle die Kopfhaut weg. Wenige Wochen später starb sie in der Leipziger Universitätsklinik.
In derselben Stadt begann knapp 35 Jahre später die ostdeutsche Revolution. Radjo Monk, der eigentlich Christian Heckel heißt, gibt in „Blende 89” nicht nur eine Chronik der Ereignisse. In seinen Aufzeichnungen, die vom 3. Oktober 1989 bis zum Tag der Wiedervereinigung reichen, versucht er das Geschehen des Wendejahres ästhetisch greifbar zu machen. Die Form der subjektiv gefärbten Dokumentation ist dafür die richtige, auch wenn er selbst immer wieder Zweifel formuliert. Aber so ist es dem 1959 geborenen Schriftsteller möglich, durchlebte Ängste und erlebte Hoffnungen gleichermaßen festzuhalten.
Aber Radjo Monks Sicht ist nicht die der Mehrheit, sondern die des Intellektuellen. Vielleicht liegt hier der Grund für die stets gewahrte Distanz zu den beschriebenen Mitbürgern und gleichzeitig auch für die Schärfe der verbalen Angriffe gegen die Staatsführung. Mehrmals wird sie in direkte Verbindung mit dem nationalsozialistischen Regime gebracht.
Als die Zeichen auf Wiedervereinigung stehen, als die Mehrheit im Modell „BRD” auf die Erfüllung lange versagter Konsumwünsche hofft, da tauscht Monk die Freude über den Systemsturz und die Hoffnung auf eine Solidargemeinschaft gegen die Resignation ein: „Wohlstand als Droge gegen das Denkvermögen. Eine ganz andere, viel subtilere Form der Entmündigung kommt auf uns zu, die auch auf das Schuldenkonto der SED-Abschottungspolitik geschrieben werden muss: die Desorientierung der Masse der Leute im Überangebot von Waren, die sie nicht kaufen können. So wird ein Teil der Deutschen zum zweiten Mal Verlierer eines Krieges. Wahrlich: bestraft bis ins siebte Glied.”
Einige Passagen in „Blende 89” gehen in ihren Reflexionen ähnlich weit über das geschichtliche Ende der DDR hinaus. Man kann den Text deshalb aber nicht von den Zeitumständen lösen, in denen er geschrieben wurde. Ebenso sinnlos wäre der Versuch, sich auf Edeltraud Eckerts Dichtung einzulassen oder sie gar qualitativ zu bewerten, ohne die tragischen Hintergründe ihrer Biographie zu berücksichtigen.
Befreite Texte
Die große Stärke der „verschwiegenen Bibliothek” ist es dann auch, dass sie nicht nur die Texte für sich sprechen lässt. In umfassenden Nachworten informieren die Herausgeber über die Entstehungsgeschichte der Werke und das Leben der Autoren. Erst dadurch erhalten die Schriften ihre volle Bedeutung und können als künstlerische Dokumente der Aufarbeitung von Geschichte dienlich sein.
So verschieden die Auseinandersetzung mit der Diktatur bei Edeltraud Eckert und Radjo Monk auch sein mag, beide treffen sich in diesem entscheidenden Punkt. Die Jugendlyrik einer politischen Gefangenen aus den fünfziger Jahren samt ihren Briefen und die kommentierten Betrachtungen der Umbruchszeit werden zum literarisch gesetzten Zeichen gegen Diktatur und Gewaltherrschaft. CHRISTOPH SCHMAUS
EDELTRAUD ECKERT: Jahr ohne Frühling. Gedichte und Briefe. Edition Büchergilde, Frankfurt am Main 2005. 123 Seiten, 16,90 Euro.
RADJO MONK: Blende 89. Edition Büchergilde, Frankfurt am Main 2005. 287 Seiten, 19,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ein "literarisch gesetztes Zeichen gegen Diktatur und Gewaltherrschaft" sei diese "Jugendlyrik" von Edeltraut Eckert, lobt Christoph Schmaus. Eckert wurde 1950 als Zwanzigjährige in der DDR inhaftiert. Sie hatte regimekritische Flugblätter verteilt. In ihren Briefen nach Hause und in ihrer Lyrik verarbeite sie diese Zeit, die Wut, aber auch die Hoffnung auf Freiheit. Immer sucht sie "nach der verloren gegangenen Harmonie", interpretiert Schmaus. Stilistisch ist er meist zufrieden, nur wenn sich Eckert zu sehr an Rilke orientiert, neigt sie zur "symbolischen Überladung". Ansonsten aber sei ihre Poesie "ironielos und ehrlich" und zeige dem Leser ihre "tiefe Traurigkeit".Wichtig sei auch das Nachwort, findet Schmaus, durch das dem Leser erst die "volle Bedeutung" der Umstände deutlich wird.

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