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Roy sitzt auf dem Dach. Sein letztes Ding ist schief gegangen: Ausgerechnet das Auto der Mutter des Sheriffs musste er knacken. Jetzt hat er sich auf dem Haus seiner Freundin verschanzt. Unten sitzt der Sheriff ratlos in seinem Streifenwagen, von oben bis unten mit weißer Tünche beschmiert. Seinen ersten Versuch, Roy vom Dach zu holen, hat dieser mit einem vollen Farbeimer beantwortet. Immer mehr Schaulustige versammeln sich auf der Straße. Aber Roy denkt nicht daran, aufzugeben: Er lässt Dachschindeln fliegen, während der Sheriff den Pfarrer zu Hilfe ruft. So nimmt ein absurdes Duell seinen…mehr

Produktbeschreibung
Roy sitzt auf dem Dach. Sein letztes Ding ist schief gegangen: Ausgerechnet das Auto der Mutter des Sheriffs musste er knacken. Jetzt hat er sich auf dem Haus seiner Freundin verschanzt. Unten sitzt der Sheriff ratlos in seinem Streifenwagen, von oben bis unten mit weißer Tünche beschmiert. Seinen ersten Versuch, Roy vom Dach zu holen, hat dieser mit einem vollen Farbeimer beantwortet. Immer mehr Schaulustige versammeln sich auf der Straße. Aber Roy denkt nicht daran, aufzugeben: Er lässt Dachschindeln fliegen, während der Sheriff den Pfarrer zu Hilfe ruft. So nimmt ein absurdes Duell seinen Lauf, das die Natur schließlich auf ihre Weise beenden wird: in Form eines sintflutartigen Regengewitters und - vielleicht - einer Reise ans Meer.

Nach seinen gefeierten Bestsellern Rausch und Niemand denkt an Grönland erzählt John Griesemer in Roy auf dem Dach von der schon von Goethe benannten, allzu oft tragikomischen Vergeblichkeit menschlichen Strebens nach Geld, nach Liebe, nach Glück.Die in diesem Band versammelten Storys vom "Autor brillanter Romane" (stern) sind leuchtende Momentaufnahmen amerikanischen Alltags, unter dessen fragiler Oberfläche eine reißende Strömung von Träumen und Albträumen lauert.
Autorenporträt
John Griesemer, 1947 geboren, ist der Autor der Romane Rausch, der monatelang auf der Spiegel-Bestseller-Liste stand, und Niemand denkt an Grönland, der mit Jason Biggs in der Hauptrolle unter dem Titel Guy X verfilmt wurde. John Griesemer lebt mit seiner Familie in New Hampshire.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.06.2006

Der Blick hinter die Augenlider
John Griesemers Erzählband „Roy auf dem Dach”
Dem langen Schatten seines Bestsellers „Rausch” ist John Griesemer mit seinem Roman „Niemand denkt an Grönland” trotz des entlegenen Schauplatzes nicht entkommen. Mit seinen Stories aber zeigt sich der 1947 geborene Schauspieler und Schriftsteller als Meister der kleinen Form. Schauspieler arbeiten darin ebenso an ihren Rollen wie Teenager, Ladenbesitzer und Hinterwäldler. Fertig werden sie nie. Es sind amerikanische Open-End-Geschichten, die Titelerzählung spielt in einem neuenglischen Städtchen, wo selbst anspruchsvolle Gewitter nur kurze Zwischenstopps einlegen.
Im Zentrum steht ein stummfilmreifer Polizeieinsatz. Der Kleinstadtkriminelle Roy hat es zu weit getrieben als er ausgerechnet der Mutter des Sheriffs das Auto geklaut hat. Es war auch keine gute Idee, auf das Haus seines künftigen Schwagers zu klettern und den Ordnungshüter mit einem Farbeimer zu bewerfen. Räuber und Gendarm sind absturzgefährdet, können sich aber nicht über Zuschauermangel beklagen. Dann kommt ein Gewitter daher, und irgendwie gelingt Roy dabei die Flucht mit seiner Freundin Flory. Natürlich in einem gestohlenen Wagen. Oder durch einen magischen Akt? Dem Sheriff erscheint es, als hätten Roy und Flory sich in Luft aufgelöst: „Als wären sie hinaufgeschwebt und über die Stadt und das Tal hinweg davongeflogen. Wie zwei von ihren Körpern befreite Seelen. Auf und davon.” So etwas denkt man manchmal, wenn ein Gewitter weitergezogen ist.
Offen bleibt auch der Schluss der kürzesten Geschichte des Bandes „Schwung”. Am letzten Urlaubstag stößt ein entnervter Mann seinen ungezogenen Sohn auf eine Treppenstufe. Statt auf seinem Hosenboden zu landen, schlägt der Vierjährige mit dem Hinterkopf auf, verliert das Bewusstsein, kommt nicht wieder zu sich. Man müsste ihn in die Klinik bringen, denkt sein Vater: „Vielleicht würde er im Land Rover auf der Fahrt über die holprige Straße aufwachen. Vielleicht auch nicht.” Solche Geschichten zu lesen, ist so, als müsste man Schrödingers Katze hüten. Man empfindet Verantwortung für etwas, was im Buch noch gar nicht geschehen ist und ebenso gut wie böse ausgehen könnte. „Schwung” endet mit einer jener Szenen, in denen im Film gewöhnlich der Tod eines Menschen diagnostiziert wird. Der Vater hebt das Augenlid seines Jungen an. Sein nächster Blick schweift ins Ferne: „Die Berge, die er liebte, hatten sich nicht gerührt.” Sollten sie das? Ist etwas geschehen, was selbst die Berge hätte rühren sollen? Immerhin sagt es viel, von einem Mann, dessen Sohn schwer verletzt und vielleicht schon tot ist, zu sagen, dass er die Berge liebte.
Das Tragische und das Banale leben in Griesemers Erzählungen in trauter Koexistenz. Selbst das Schicksal muss noch an seiner Rolle arbeiten. „Das Haus am Meer” erzählt von einem Mann, der jahrelang kaum mehr getan hat als arbeitslos zu sein und eines Tages auf ganz undramatische Weise das Leben seines Neffen rettet. „Weltliches Streben” beschreibt den Verfall einer Familie im Milieu der Wohnwagensiedlungen, „Männerherzen” den quälenden Alltag einer anderen Familie , in deren Mittelpunkt ein nach einem Unfall hirngeschädigter ehemaliger Boxer steht. Die von einem Skateboard-Fahrer zerschlagene Frontscheibe des familiären Elektrogeschäfts provoziert die Begegnung mit einer Vergangenheit, in der dieser Mann noch an eine Zukunft zu glauben vermochte. Doch schon damals war es anders gekommen. So findet sein Sohn keine Ruhe, denn „er wusste, dass er die ganze Nacht darüber nachdenken würde, wo der Ort war, an dem er sein sollte, wie er dort hingelangte und wann er nach dem Sturm aufbrechen würde.” ULRICH BARON
JOHN GRIESEMER: Roy auf dem Dach. Stories. Aus dem Amerikanischen von Thomas Gunkel. Marebuchverlag, Hamburg 2006. 226 Seiten, 22,90 Euro.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.06.2006

Ein Tief kommt nicht mehr hoch
Bilder aus der Provinz: John Griesemers Erzählungen

Bevor er selber das Wetter in seinen Romanen machte, hat der Schriftsteller F. C. Delius eine Doktorarbeit geschrieben über den bürgerlichen Realismus des neunzehnten Jahrhunderts, die "Der Held und sein Wetter" hieß und mit Meteorologie so wenig zu tun haben wollte wie mit klassischer Motivforschung. Man muß unwillkürlich an diesen Buchtitel denken bei den Kurzgeschichten von John Griesemer, dem Autor des Bestsellers "Rausch", dem Schauspieler, der in "Malcolm X" und "Tage des Donners" in kleinen Rollen zu sehen war. Inzwischen spielt der Neunundfünfzigjährige weniger, als er Prosa schreibt, ob nun mangels Angeboten oder mangels Interesse, das ist unklar. Aber weil in Hollywood auch das Wetter nicht dem Zufall überlassen wird, weil es dort schon lange viele dramaturgisch hilfreiche Regen- und Windmaschinen oder Schneekanonen gibt, inszeniert auch Griesemer das Klima, das zu den Charakteren paßt.

In der Titelgeschichte "Roy auf dem Dach" ist es ein heftiger Regenguß, der die vertrackte Situation auf dem Dachfirst bereinigt, in die sich der kleine Gauner Roy manövriert hat, als er der Mutter des Streifenpolizisten das Auto stahl und den armen Cop vom Dach aus mit einem Eimer mattblauer Farbe überschüttete. Immer wieder gibt es in den Stories Schneeregen und Schneeschmelze, es schüttet, es nieselt, "trostloses Märzwetter" eben, Nebel zieht auf, auch schon mal ein schwerer Sturm, und "wegen dem Wetter" hagelt es auch mal einen handfesten Grammatikfehler. Dieser meteorologische Befund hat nicht bloß damit zu tun, daß an der Ostküste, wo John Griesemer lebt und wo seine Stories angesiedelt sind, nun mal kein kalifornischer Sonnenschein herrscht und auch kein trockenes Wüstenklima. Die durchgängig eher trübe Großwetterlage ist Ausdruck einer Gemütsverfassung, die Tiefausläufer reichen bis ins Bewußtsein. Man sieht das schon dem Umschlagbild des Buches an, auf dem ein einsamer Mann in Hut und Mantel und mit aufgekrempelten Hosenbeinen einen windgebeugten dünnen Baum umfaßt hält und sich gegen das Unwetter stemmt. So ähnlich ergeht es auch Griesemers Helden, die etwas auf sich zukommen fühlen, dem sie nicht gewachsen sind, die sich jedoch mit aller Kraft zu wehren versuchen. Sie sind keine klassischen Verlierer, aber als Gewinner kann man sie auch nicht gerade bezeichnen. Sie haben gelernt, mit den kleinen Niederlagen zu leben, und sie haben bei dem, was sie vom Leben erwarten, ihre Ansprüche nach unten korrigiert. Sie sind mal älter, mal jünger, sie arbeiten im Elektrogeschäft oder als Werbefilmer, einige trinken mehr, als ihnen bekommt, ihre Ehen sind eher mürbe. Ein pedantischer Philologe, der etwas verkniffen "Spaßläufe" absolviert, sagt selbst: "Ich habe Kreidestaub im Blut"; ein Bergmann mit Staublunge kann sich zwischen verschiedenen Frauen nicht recht entscheiden.

Der deutsche Verlag hat diese elf Geschichten herausgebracht, bevor sie in Amerika erschienen, weil nicht nur "Rausch", sondern auch der Roman "Niemand denkt an Grönland" bei uns ganz gut angekommen ist. Sie sind handwerklich solide erzählt mit ihren Momentaufnahmen aus verschiedenen Lebenswelten, meistens aus der Kleinstadt oder ländlichem Ambiente, und immer wieder bricht der Tod in sie herein, lähmt die Protagonisten kurzzeitig und verändert ihr Leben doch nur unwesentlich. Lediglich ein paar Geschichten, vor allem jene über den Verschwörungsfreak, der sich mit sich selbst über Lee Harvey Oswalds Alleintäterschaft verständigt, wirken ein bißchen forciert.

Es ist so etwas wie die ontologische Grundausstattung der Short story, die Griesemer ohne größere Varianten und Überraschungen präsentiert: eine kleine, karge, unspektakuläre Welt, ein leicht verhaltener, lakonischer Ton. Das alles zieht vorbei wie Bilder in Fotobänden über die amerikanische Provinz, gelegentlich hinterläßt eine Story einen Nachhall oder hat einen kleinen Widerhaken, und manchmal, da möchte man bei John Griesemer vielleicht doch besseres Wetter bestellen, weil das vermutlich auch seinen Charakteren mal ganz gut täte.

PETER KÖRTE

John Griesemer: "Roy auf dem Dach". Stories. Aus dem Amerikanischen von Thomas Gunkel. Marebuchverlag, Hamburg 2006. 226 S., br., 22,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ulrich Baron freut sich über die brillanten Short Stories mit Open-End und bescheinigt dem 1947 geborenen amerikanischen Autor und Schauspieler ein meisterhaftes Talent für die kurze Form. Der Autor verfahre wie ein Regisseur, der seinen Figuren und ihren Schicksalen Rollen zuweise, an denen es sich abzuarbeiten gelte. Die Erzählungen verstünden es, sowohl das "Tragische mit dem Banalen" zu verknüpfen als auch eine endgültige Schlussfolgerung zu vermeiden. Eine Erfahrung, die der Rezensent mit dem Hüten von Schrödingers Katze vergleicht: "Man empfindet Verantwortung für etwas, was im Buch noch gar nicht geschehen ist und ebenso gut wie böse ausgehen könnte".

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