Produktdetails
  • Verlag: Verbrecher Verlag
  • Seitenzahl: 123
  • Deutsch
  • Abmessung: 11mm x 125mm x 170mm
  • Gewicht: 119g
  • ISBN-13: 9783935843355
  • ISBN-10: 3935843356
  • Artikelnr.: 12578353
Autorenporträt
Peter O. Chotjewitz wurde am 14.6.1934 in Berlin geboren. Nach dem Krieg Übersiedlung nach Nordhessen; dort Realgymnasium, dann Malerlehre bei seinem Vater. Später Jurastudium in Frankfurt/Main und München, Publizistik, Philosophie und neue Geschichte an der FU Westberlin. Zweite juristische Staatsprüfung 1965, seitdem als freiberuflicher Schriftsteller, Übersetzer und Jurist tätig. Chotjewitz starb am 15.12.2010 in Stuttgart. Zahlreiche Veröffentlichungen, u.a.: "Hommage à Frantek", Roman (1965, Rowohlt); "Die Insel - Erzählungen auf dem Bärenauge", Roman (1968, Rowohlt); "Roman - Ein Anpassungsmuster" (1968, Melzer); "Vom Leben und Lernen - Stereotexte" (1969, März); "Malavita - Mafia zwischen gestern und morgen", Sachbuch (1973, Kiepenheuer & Witsch); "Der dreißigjährige Friede", Roman (1977, Claassen); "Die Herren des Morgengrauens", Roman (1978, Rotbuch); "Das Wespennest", Roman (1999, Rotbuch); "Rom", Roman (Rotbuch); "Als würdet ihr leben", Roman (2001, Rotbuch); "Der Fall

Hypathia", Sachbuch (2002, Europäische Verlagsanstalt); "Machiavellis letzter Brief", Roman (2003, Europa Verlag); "Alles über Leonardo aus Vinci" (2004, Europa Verlag), "49 VIPs" (2010, gemeinsam mit Cordula Güdemann). Außerdem zahlreiche Übersetzungen aus dem Italienischen, u.a. Bücher von Dario Fo, Nani Ballestrini und Giuseppe Fava. Im Verbrecher Verlag erschienen die Bände: "Saumlos", Roman; "Urlaub auf dem Land", Erzählung; "Mein Freund Klaus", Roman, die vierbändige Reihe "Fast letzte Erzählungen" und posthum der Gedichtband "Tief ausatmen".
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.06.2004

Die Wespen schwärmen aus
Sportflieger: Peter O. Chotjewitz betreibt die Parodie der Parodie

Der Schriftsteller Peter O. Chotjewitz ist mir immer ein wenig so vorgekommen wie ein Kunstflieger der Sportmaschinenklasse, ein Kunstflieger nicht der großen Militär-, sondern der volksfestartigen Flugschauen. Erfindungsreiche, ja verspielte Loopings standen am Anfang seiner artistischen Laufbahn. Dann nahm er, zur Zeit der Außerparlamentarischen Opposition, scharfe Linkskurven, fand sich aber nicht bereit, Bänder mit politischen Parolen hinter sich herzuziehen. Seine Kunststücke hielten sich weiterhin im Repertoire, aber die Aufschwünge des Achtundsechzigers in die Wolken unterblieben, der Blick des Piloten richtete sich wieder zum Boden.

Der am 14. Juni 1934, heute vor siebzig Jahren, in Berlin-Schöneberg geborene Sohn eines Malermeisters war in dem nach Hessen verlegten väterlichen Betrieb Lehrling und Geselle, bevor er über das Abendgymnasium zur Universität kam und in Frankfurt und München Jura studierte, nach dem ersten Staatsexamen Publizistik und andere Fächer der Philosophischen Fakultät in Berlin. Daß er zunächst ein Handwerk erlernen mußte und zur Universität über den zweiten Bildungsweg gelangte, hat sich niedergeschlagen in einer lebenslangen Opposition zum "Establishment".

Den freien Schriftsteller Chotjewitz beflügelte ein Stipendium der Villa Massimo; noch die 1999 erschienenen Essays "Rom - Spaziergang auf der Antike" sind ein Echo auf diesen Rom-Aufenthalt. Er blieb mehrere Jahre in der Stadt; seinen Übersetzungen verdanken deutsche Leser die nähere Bekanntschaft mit Stücken von Dario Fo, dem späteren Nobelpreisträger. In den ersten Romanen läßt Chotjewitz seinem Spieltrieb freien Lauf. Die Geschichten in "Hommage à Frantek" (1965) entwickeln sich zur Romanparodie, aber die Parodie macht einen Doppelsalto, wird zur Parodie der Parodie. "Die Insel - Erzählungen auf dem Bärenauge" (1968) veranstaltet ein Stelldichein für möglichst viele Textsorten.

In der Erzählung "Lots Weib", erschienen im Band "Abschied von Michalik" (1969), verlegt Chotjewitz das sündhafte biblische Sodom und Gomorrah in die moderne Gesellschaft des Überflusses, der Enttabuisierung des Sexuellen und des aufgeklärten Denkens, ohne freilich den Richtspruch noch anzuerkennen. Mit dem Roman "Der Dreißigjährige Friede", einem "biographischen Bericht" (1977), nimmt er endgültig Abschied von den Formexperimenten und sucht Abstand zu den schriftstellerischen Turbulenzen der APO-Zeit. Partikel der eigenen Biographie und Erfahrungen der nach dem Krieg geborenen, in dreißigjähriger Friedenszeit aufgewachsenen Generation fließen in diesen Bericht ein. Ein Arbeiter, der Künstler sein möchte und dessen "Kunstwerk" in einer Tat besteht, zerstört das, was ihn "kaputtmacht", nämlich die Fabrik, durch einen Brandanschlag, der wohl an eine terroristische Brandstiftung in einem Kaufhaus erinnern soll - Chotjewitz war Anwalt von Andreas Baader. Die Distanzierung läßt nichts zu wünschen übrig; die "revolutionäre" Aktion ist absurd; sie bestraft diejenigen mit Arbeitslosigkeit, denen sie nützen sollte.

Nicht nur das Versagen politischer Illusionen, sondern auch das Scheitern schriftstellerischer Pläne, die Reflexion auf das künstlerisch Mißglückte kann Gegenstand vergnüglichen Erzählens werden, so in den Romanstudien "Tod durch Leere" (1986). Unübersehbar jedoch sind resignative Züge in dem Roman "Das Wespennest" (1999), der vom Abstieg einer Gutsbesitzerfamilie handelt, der die Welt zerbricht wie ein altes Wespennest. Die Handlung spielt in Hofacker, einer fiktiven nordhessischen Stadt.

Ebendieses Hofacker ist auch Schauplatz eines gegen Ende der achtziger Jahre geschriebenen, erst jetzt erschienenen Kriminalromans. Trotz der Parodie auf Klischees sprachlich nicht eben zimperlicher Kriminalromane bietet der Band "Urlaub auf dem Land" Spannung und leichtgeschürzte Unterhaltung. Langweilig geschrieben hat Chotjewitz noch nie. Doch hier hängen die Trauben für den Leser wohl doch zu tief.

Im engeren Sinn ist dieser Kriminalroman ein Detektivroman. Als Detektiv wird nicht etwa ein Marlowe aktiv, sondern eine Vivi Schweighard, eine burschikose Journalistin, deren Stärke ein selbstironischer Feminismus, deren Achillesferse die Liebe zum Alkohol und deren Markenzeichen flapsige Sprüche sind. Sie macht in ihrer Heimatstadt Urlaub und kommt falschen polizeilichen Ermittlungen in einem Doppelmordfall und einem Komplott des Chefredakteurs der Ortszeitung auf die Spur. Natürlich spielen parteipolitische Motive mit. So läuft alles auf die Enttarnung des kommunalen Establishments hinaus: eine Provinzposse.

"Urlaub auf dem Land" wäre nicht gerade das beste Verlagsgeschenk, das man Chotjewitz zu seinem siebzigsten Geburtstag wünschen könnte. Zum Glück entschädigt ihn derselbe Verlag mit einem Neudruck seines 1979 erstmals erschienenen Buches "Saumlos". Saumlos ist das hessische Dorf, in dem zu Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts die jüdische Bevölkerung die Mehrheit bildete und das nach den Synagogenbränden vom 9. November 1938 "judenfrei" war. Ein Rückkehrer stößt noch 1973 bei vielen Dorfbewohnern auf eine Mauer des Vergessens, der Verdrängung und des Verschweigens.

WALTER HINCK

Peter O. Chotjewitz: "Urlaub auf dem Land". Verbrecher Verlag, Berlin 2004. 123 S., br., 12,- [Euro].

Ders.: "Saumlos". Verbrecher Verlag, Berlin 2004. 212 S., br., 14,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

In seiner Besprechung des Buches, das nun zum 70. Geburtstag von Peter O. Chotjewitz erschienen ist, gibt Walter Hinck zunächst einen Überblick über dessen literarische Laufbahn seit den 60er Jahren. Er vergleicht den Autor mit einem "Kunstflieger", der sich einen Spaß daraus macht, allerlei "verspielte Loopings" in seinen Büchern aufzubieten und sich mit Vorliebe mittels Parodien gegen das literarische und politische "Establishment" wendet. Allerdings findet der Rezensent, dass man Chotjewitz ein besseres Geschenk zu seinem Geburtstag hätte machen können, als ausgerechnet die Herausgabe dieses Ende der 80er Jahre entstandenen Romans. Es ist eine "Parodie auf Klischees" des Kriminalromans, in dem eine Detektivin einen Doppelmord und ein "Komplott des Chefredaktors" der örtlichen Zeitung aufdeckt, fasst Hinck zusammen. Für seinen Geschmack bietet das Buch aber allzu "leichtgeschürzte Unterhaltung", und bei aller "Spannung", die der Roman aufbaut, kritisiert der Rezensent, dass die "Trauben für den Leser wohl doch zu tief" hängen.

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