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Wo liegen die Bananenrepubliken heute? In den subtropischen Zonen unserer Erde oder mitten in Europa? Standort Bananenrepublik - das ist hier wie dort. Hans Christoph Buch gehört zu den wenigen, die hier wie dort zu Hause sind. Daher sind seine Texte zu erfahrungsgesättigt für die Klischees beider Seiten. Seit mehr als drei Jahrzehnten bereist der Autor Krisengebiete und Kriegsschauplätze, auch abseits der gerade medienwirksamen Regionen, dokumentiert politische, kulturelle und ökonomische Umbrüche und darf für sich beanspruchen, einer der eindrücklichsten, kenntnisreichsten, unbeirrbarsten…mehr

Produktbeschreibung
Wo liegen die Bananenrepubliken heute? In den subtropischen Zonen unserer Erde oder mitten in Europa? Standort Bananenrepublik - das ist hier wie dort. Hans Christoph Buch gehört zu den wenigen, die hier wie dort zu Hause sind. Daher sind seine Texte zu erfahrungsgesättigt für die Klischees beider Seiten. Seit mehr als drei Jahrzehnten bereist der Autor Krisengebiete und Kriegsschauplätze, auch abseits der gerade medienwirksamen Regionen, dokumentiert politische, kulturelle und ökonomische Umbrüche und darf für sich beanspruchen, einer der eindrücklichsten, kenntnisreichsten, unbeirrbarsten Berichterstatter zu sein. Er streift jedoch nicht nur als Reporter durch die postkoloniale Welt, sondern auch als homme de lettres. Standort Bananenrepublik zeigt die Vielseitigkeit des Schriftstellers Hans Christoph Buch: hinreißende erzählerische Passagen wechseln mit skrupulösen politischen Analysen, scharfe Polemiken mit literarischen Rückblicken und süffisanten Betrachtungen zum Zeitgeist.
Autorenporträt
Hans Christoph Buch, Jahrgang 1944, Literaturtheoretiker, Essayist, Publizist und Erzähler, lehrte u. a. an den Universitäten von San Diego, Qingdao, New York, Austin, Frankfurt Hongkong, Havanna und Buenos Aires. Bei zu Klampen veröffentlichte er »Ungestraft unter Palmen« (2017), »Standort Bananenrepublik» (2004), »Black Box Afrika« (2006), »Das rollende R der Revolution« (2008) und »Der Landvermesser« (1999).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.11.2004

Zwischenruf des Zombies
Ungebetener Dauergast: Zwei Bücher von Hans Christoph Buch

Gleißendes Morgenlicht wirft lange, scharfe Schatten. Auf einem öden Müllplatz spielen ein paar schwarze Kinder mit abgenutzten Autoreifen und blinzeln skeptisch in die Kamera. Das nächste Bild dagegen, eine Nahaufnahme aus niedriger, erdnaher Perspektive, zeigt eine Rückenansicht: Bäuchlings liegt ein Mann im Straßenschlamm, vermutlich tot, umringt von Zuschauern. Dann wieder eine Müllhalde, vor der sich diesmal im Schwarzweißkontrast eine gebückte Sammlerin abhebt, die hier im Abfall offenbar ihr Einkommen findet. Schließlich ein paar halbwüchsige Jungen vor einer Hütte bei der Morgenwäsche. Noch ehe wir ein Wort gelesen haben, stellt Russell Liebmans Fotobogen, der diesen Band sehr eindrucksvoll eröffnet, sofort klar, worauf hier unser Blick gerichtet werden soll: auf Elend, Armut und Gewalt - zugleich jedoch den unverwüstlichen Erfindungsgeist und Mut, selbst solchen Umständen ein Überleben abzutrotzen.

In seinen stärksten Passagen hält auch der Text genau diese Balance zwischen dokumentarischer Nüchternheit und engagierter Anteilnahme. "Der Tote am frühen Morgen", so lesen wir gleich zu Beginn, gehöre zur ortsüblichen "Folklore wie das goldgelbe Guavengelee auf dem Frühstückstisch und die aufgeschnittene Papaya". Das klingt schockierend und frivol, zeigt letztlich allerdings nichts anderes als die verstörende Selbstverständlichkeit, mit der Verlockung und Verbrechen an diesem Ort zusammengehen. Dann wieder gibt es Sätze wie die folgenden, die Schreckliches protokollieren und doch im Nachklang spüren lassen, wie der Beobachter sich Wirklichkeiten aussetzt, die alle anderen lieber meiden: "Jeden Dienstag und Freitag liefert ein Lkw der Stadtreinigung eine Ladung Leichen hier an: Opfer politischer und krimineller Gewalt, die von Planierraupen platt gewalzt und unter die Erde gedrückt werden. Sie enden dort, wo sie schon zu Lebzeiten waren - auf dem Müll, als Schrott ohne Wiederverwendungswert." Noch in so lapidarer Formulierung merkt man, welche Kraft es kosten muß, diesem Anblick standzuhalten.

Mit "Tanzende Schatten" arbeitet Hans Christoph Buch an einem Lebensthema weiter, dem er sich seit Jahrzehnten in vielen Formen - Romanen, Essays, Reportagen - leidenschaftlich verschrieben hat, auch wenn es deutschen Lesern und Verlegern oftmals randständig erscheinen mag. Nicht ohne Koketterie zitiert er dazu Siegfried Unseld, der ihn einst fragte: "Wieviel müssen wir Ihnen bezahlen, Herr Buch, damit Sie endlich aufhören, über Tahiti zu schreiben? Oder handelt es sich um Hawaii?" Es handelt sich, wie Unseld gewiß wußte, um Haiti, jene karibische Republik, die dieses Jahr ihr zweihundertjähriges Bestehen feiert und ansonsten nur in unseren Medien auftaucht, wenn dort Blutorgien oder Regenfluten, Cäsarenwahn oder Wirbelstürme neuerlich grausame Verwüstung anrichten. Doch welcher Alltag sich jenseits von Katastrophenmeldungen und Schlagzeilen abspielt und wie eng die unglaublichen Geschicke dieses Tropenlandes, das direkt ans Pauschalurlauberparadies Dominikanische Republik angrenzt, mit europäischen Entwicklungen und Phantasien seit der Aufklärung verflochten ist, das läßt sich nirgends besser in Erfahrung bringen als eben in Buchs unermüdlichen Projekten.

Seit 1968 reist der Autor, durch familiäres Erbe mit dem Land verbunden, nach Haiti und treibt dort die Erkundung der kreolischen Gesellschaft, einschließlich ihrer ominösen Riten wie dem Voodoo und notorischen Gewaltausbrüchen in der Politik voran. Mittlerweile allerdings scheint alles dort ihm so vertraut zu sein, daß jede Begegnung zu einer Wiederbegegnung wird und alles Erlebte gleich die Erinnerung an eine ganze Reihe ähnlicher Erlebnisse aufruft, die schon vorausgegangen sind. Solcherlei Déjà-vu sucht Buch in diesem neuen Werk sich wohl vom Leib zu halten, indem er drei verschiedene Ebenen zur Darstellung aufbaut. Er bietet, erstens, eine Reportage über die politische Krise der neunziger Jahre und deren Verstrickungen in die internationale Politik; zweitens einen historischen Roman, lokalisiert um 1800, der das wechselvolle Schicksal eines wendigen Unternehmers zwischen Deutschland, Frankreich, Afrika und Haiti präsentiert; und drittens essayistische Reflexionen über die Möglichkeit und literarische Tradition, Haiti zu erzählen. Darin gibt er die einzig sinnvolle Antwort auf die Frage, warum sich deutsche Leser für Haiti interessieren sollten, nämlich: "Warum eigentlich nicht?"

Wer bereit ist, dieser Einladung zu folgen, wird bald mit einer Fülle fesselnder Geschichten und beklemmender Beobachtungen, mit rauschhaften Hoffnungen und himmelschreienden Irrsinnigkeiten reich bedient. Wie im Brennpunkt eines Parabolspiegels konzentriert sich in Hans Christoph Buchs Haiti, was seit Jahrhunderten die Weltgeschichte umtreibt: Sklaverei und Kolonialwirtschaft, Umsturz, Tyrannei und Terror werden hier in einer Weise gegenwärtig, als habe die Historie den Archivstaub, mit dem wir sie ansonsten bedeckt halten, abgeschüttelt und suche alle Nachgeborenen ein. Nicht von ungefähr ist ja der Zombie die haitianische Zentralfigur, ein Untoter, der Lebenden die Ruhe nimmt.

Als Unruhestifter wie als ungebetener Dauergast, der unsere westdeutsch-mittelständische Betriebsamkeit durch Zwischenrufe aus der Ferne stört, findet auch dieser Autor seine beste Rolle. Von seinen publizistischen Arbeiten aus letzter Zeit, die jetzt in einem kleinen Sammelband vorliegen, sind jedenfalls beim Wiederlesen diejenigen am lohnendsten, die Weltläufigkeit zu streitbarer Aufklärung nutzen und so daran erinnern, daß der klassische Reisebericht in seinen großen Tagen stets ein Genre der Moralliteratur war, das Daheimgebliebenen die Richtung wies. Dagegen wirken Buchs Polemiken gegen den akademischen Betrieb und dessen aktuelles Interesse an postkolonialer Geschichte eher kleingeistig und besserwisserisch.

Auch in "Tanzende Schatten", das er als "Romanessay" bezeichnet, sind durchaus nicht alle Teile gleichermaßen überzeugend. Gegenüber der packenden Reportage verliert zumal die historische Fiktion mit jedem weiteren Kapitel an Erzählkraft und dünnt schließlich zur Schulfunksendung aus. Trotz der bemühten Unterscheidung, seine Streifzüge durch Haiti teils in der ersten, teils in der dritten Person mitzuteilen, kann oder will Buch doch nie von der eigenen Person absehen und verfällt dabei zum Ende mehr und mehr ins Redselige und Anekdotische. Hier zeigt sich auch der stärkste Unterschied zum großen Weltenbummler sowie Welterfinder Graham Greene, als dessen Wiedergänger Buch sich gern in Szene setzen will. Denn während Greene, ob er nun von Haiti oder Afrika erzählt, ganz in den Figuren und ihrer Stimmenvielfalt aufgeht, reckt Buch bei allem, wovon er berichtet, den Finger oder Kopf hervor. So ist es gewiß folgerichtig, wenn uns der Autor auf dem letzten Foto, das diesen Band beschließt, hemdsärmelig entgegenblickt. Bestenfalls mag man solche Offenlegung der Erlebnisperspektive persönlicher Ehrlichkeit zurechnen. Beim nächsten Buch jedoch wollen wir hoffen, daß er wieder mehr über Haiti und weniger über sich selbst schreibt.

TOBIAS DÖRING

Hans Christoph Buch: "Tanzende Schatten oder Der Zombie bin ich". Romanessay mit zwei Fotobogen von Russell Liebman. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2004. 319 S., geb., 27,50 [Euro].

Hans Christoph Buch: "Standort Bananenrepublik". Streifzüge durch die postkoloniale Welt. Verlag zu Klampen, Springe 2004. 205 S., geb., 16,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Dass Hans Christoph Buch tatsächlich in der Dritten Welt "herumgekommen" ist, anstatt wie andere sein Wissen aus Büchern zu beziehen, macht sein Urteil über das Elend Afrikas glaubwürdig, findet Rezensent Hans-Martin Lohmann. Buch sei "weit davon entfernt", in seinen Reiseberichten die Folgen des europäischen Kolonialismus "herunterzuspielen", doch er weigert sich, einer bestimmten "linken Naivität" und deren Kritik des Eurozentrismus nach dem Mund zu reden. Der Autor führt als Ursachen für die Unterentwicklung beispielsweise das afrikanische Stammesdenken in Kombination mit Korruption und Brutalität an und zeichne so ein Bild, das sowohl jenseits europäischer "Selbstbezichtigung" als auch "Selbstüberhebung" steht. Passagenweise erinnern die Reiseberichte den Rezensenten an die "meisterhaften Reportagen" des polnischen Schriftstellers Ryszard Kapuscinski. Mit seiner Fähigkeit, Widersprüche nicht aufzulösen, hat Buch ein "realistisches Porträt des geplagten Kontinents" geschrieben.

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