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Porträts von sechzehn Tänzerinnen der Moderne im mitteleuropäischen Tanzraum - mit Ausflügen nach Nordamerika - offenbaren ein anschauliches Spektrum an Innovation und zeichnen bewegende Lebenswege nach. Gemeinsam ist den Tänzerinnen die Befreiung des Körpers, das Erlebnis der modernen Metropolen und die Erfahrung des fortwährenden Wandels der gesellschaftlichen Ordnung zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Ein Buch für diejenigen, die in das turbulente kulturelle Geschehen der 1920er Jahre eintauchen wollen, die sich für zeitgenössischen Tanz begeistern und dessen Wurzeln erkunden möchten sowie für…mehr

Produktbeschreibung
Porträts von sechzehn Tänzerinnen der Moderne im mitteleuropäischen Tanzraum - mit Ausflügen nach Nordamerika - offenbaren ein anschauliches Spektrum an Innovation und zeichnen bewegende Lebenswege nach. Gemeinsam ist den Tänzerinnen die Befreiung des Körpers, das Erlebnis der modernen Metropolen und die Erfahrung des fortwährenden Wandels der gesellschaftlichen Ordnung zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Ein Buch für diejenigen, die in das turbulente kulturelle Geschehen der 1920er Jahre eintauchen wollen, die sich für zeitgenössischen Tanz begeistern und dessen Wurzeln erkunden möchten sowie für LiebhaberInnen der Tanz- und Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts.

Porträtiert werden: Josephine Baker und die Revue Negre; Tatjana Barbakoff und die Ästhetik des Statuarischen; Anita Berber und die Tänze des Lasters; Rosalia Chladek und die Klarheit der Gebärde; Isadora Duncan und der Tanz der Zukunft; Loie Fuller und die Bewegungsskulptur; Valeska Gert und die groteske Tanzkarikatur; Martha Graham und die Kraft des Körpers; Dore Hoyer und die Radikalität des Tanzens; Doris Humphrey und das Prinzip von Halt und Fall; Jo Mihaly und die getanzte (Ver-)Dichtung; Gret Palucca und die Tanz-Abstraktion; Trudi Schoop und die Tanzkunst der Komik; Margarethe Wallmann und der inszenierte Bewegungschor; Grete Wiesenthal und der Wandel des Walzers; Mary Wigman und der Freie und Absolute Tanz.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.01.2005

Bis zum Drehwurm
Amelie Soykas Band über die Tänzerinnen der Moderne
„Sie braucht nicht mehr schön zu sein, sie kann einherwehen, und man vergisst das Gesicht. Sie kann dahinfegen, und der Ausdruck ihres Körpers kann so faszinierend sein, dass alles andere zurücktritt und nur dieser Körper im Raume sich bewegt.” Fred Hildenbrandt, Feuilletonchef des Berliner Tageblatts, resümiert den „neuen Tanz”, der 1928 bereits Lichtjahre entfernt ist von dem, was im 19. Jahrhundert als darstellbar galt. Längst schon ist die Tänzerin nicht mehr vom Tanz zu unterscheiden, ihr Körper und ihre Bewegungen sind zur Botschaft selbst geworden: Die Ballerina hat sich zur eigenständigen Artistin gewandelt, die „den Ausdruck”, den freien, abstrakten, expressionistischen oder dadaistischen Tanz als Körpersprache der Moderne entdeckt.
Diese künstlerische und wahrnehmungstheoretische Revolution hat aber auch eine ganz praktische Seite: Mädchen, die eine neue Kunstform gegen das Entsetzen im Elternhaus verteidigen, Frauen, die Choreographien erfinden, Tanzschulen eröffnen und so erstaunliche Dinge wie Buchstaben, Hass und Wasserstudien tänzerisch auf die Bühne bringen. Ihre Stücke heißen „Die Leiche am Seziertisch” oder „Fische fürs Volk” und haben mit der Ästhetik des 19. Jahrhunderts nichts mehr zu tun. Um diese Lebensgeschichten dreht sich ein von Amelie Soyka herausgegebener Band, der die „Tänzerinnen der Moderne von Josephine Baker bis Mary Wigman” vorstellt. Die fünfzehn porträtierten Künstlerinnen haben vor allem eins gemeinsam: den entschiedenen Willen, zusammen mit der klassischen Formensprache auch deren symbolische Stellvertreter wie den Ballettmeister über Bord gehen zu lassen. Die Frau, so zitiert das Vorwort einen Kommentar von 1932, hat sich die „männliche Geste” angeeignet.
Spannend zu beobachten sind die einzelnen Stufen dieser Inbesitznahme: Die amerikanische Tänzerin Loïe Fuller (Sabine Gottgetreu) ersetzt 1892 den starren Regelkodex durch wallende Stoffbahnen, hinter denen sie fast verschwindet. Stephane Mallarmé ist fasziniert von dieser scheinbar körperlosen, ätherischen, „wirbelnden Fliehkraft” - die aber erst durch den gezielten Einsatz von Lichteffekten zustande kommt. Während sich Loïe Fuller die technischen Mittel des Fin de Siècle zunutze macht, beschreitet die Wienerin Grete Wiesenthal (Silvia Kargl) einen geradezu klassischen Weg der Befreiung. 1907 reicht die Operntänzerin ihre Entlassung ein und entwickelt zusammen mit ihren Schwestern eigene Choreographien, die sie zur modernen Walzerlegende werden lassen.
Fünfzehn Jahre später haben sich die Demarkationslinien zwischen etablierter und innovativer Körpersprache wiederum verschoben. Der Ausdruckstanz hat sich in eine feste Bühnen-Größe mit bürgerlichem Stammpublikum verwandelt, und Tänzerinnen wie Valeska Gert (Amelie Soyka) polemisieren gegen das gediegen expressionistische Pathos im Mary-Wigman-Stil. 1921 bescheinigt ihr Kurt Tucholsky, sie fabriziere „das frechste, was wohl je auf der Bühne gemacht worden ist”. Doch die Grotesk-Tänzerin, Tanz-Satirikerin und „Pornochoreographin” betont immer auch den gesellschaftskritischen Anspruch ihrer Auftritte. Darin ähnelt sie der „politischen Tänzerin” Jo Mihaly (Yvonne Hardt), deren Stücke „Vision eines Krieges” oder „Die Verfolgung der Juden” heißen. In ihnen verkörpert sich, was eine Generation engagierter Künstlerinnen sich erträumte und was das heutige Bild einer historisch gewordenen Kunst-Utopie der Moderne geprägt hat: Konventionen einreißen, Sprengstoff sein - oder, wie Valeska Gert in ihren Lebenserinnerungen schreibt: „lauter zischende kleine Raketen” auf die Bühne bringen.
JUTTA PERSON
AMELIE SOYKA (Hrsg.): Tanzen und tanzen und nichts als tanzen. Tänzerinnen der Moderne von Josephine Baker bis Mary Wigman. Aviva Verlag, Berlin 2004. 287 Seiten, 19,80 Euro.
Zischende kleine Raketen auf die Bühne bringen: Valeska Gert zeigt ihren Tanz in orange.
Abb.: aus d. bespr. Band
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Amelie Soykas Band über die "Tänzerinnen der Moderne" scheint Rezensentin Jutta Person recht gut gefallen zu haben. Allerdings erfährt man über den Band selbst kaum etwas. Stattdessen erzählt Person lieber von den fünfzehn darin porträtierten Tänzerinnen. Diese hätten vor allem eines gemein: "den entschiedenen Willen, zusammen mit der klassischen Formensprache auch deren symbolische Stellvertreter wie den Ballettmeister über Bord gehen zu lassen." Person berichtet, wie die Tänzerinnen dieses Programm umsetzten. So habe etwa die amerikanische Tänzerin Loie Fuller 1892 den starren Regelkodex durch wallende Stoffbahnen ersetzt, hinter denen sie fast verschwand. Die Wienerin Grete Wiesenthal habe einen geradezu klassischen Weg der Befreiung verfolgt: 1907 reichte die Operntänzerin ihre Entlassung ein und entwickelte zusammen mit ihren Schwestern eigene Choreographien, die sie zur modernen Walzerlegende werden ließen. Auch über Valeska Gert alias Amelie Soyka berichtet Person: als Grotesk-Tänzerin, Tanz-Satirikerin und "Pornochoreographin" habe sie immer auch den gesellschaftskritischen Anspruch ihrer Auftritte betont.

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